Anthologie jüngster Prosa

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Erich Ebermayer, Klaus Mann, Hans Rosenkranz
J. M. Spaeth, 1928 - 282 Seiten
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 279 - Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen : Wie kann das sein, daß diese nahen Tage Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen? Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt, Und viel zu grauenvoll, als daß man klage: Daß alles gleitet und vorüberrinnt Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt, Herüberglitt aus einem kleinen Kind Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
Seite 263 - Sagt mir, was bedeutet der Mensch? Woher ist er kommen? Wo geht er hin? Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?" Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel, Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken, Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt, Und ein Narr wartet auf Antwort.
Seite 131 - Es roch hier auch so ungelüftet, oder anders ausgedrückt, ich wußte mir keinen Rat, wie ich noch länger am Leben bleiben sollte. Es gibt keinen Gott, das genügt schon, aber es gibt auch kein Glück, es gibt nur Quälerei. Und diese ewigen Kopfschmerzen. Entweder das Leben hat einen Sinn, oder es hat keinen Sinn. Das ist doch ganz logisch, nicht wahr? Wenn es einen Sinn hat, Ordnung, Weisheit, empor et cetera, dann bin ich ein Nichts ungefähr, ein Rädchen in all dem Uhrwerk, das herumgedreht...
Seite 121 - ... Eschwege einen Posten, dann bin ich noch in Homberg gewesen, in Fulda und in Hanau. Ich konnte es nirgends aushalten. Und wie es dann so geht, nicht wahr . . . Nun walze ich. Wenn ich nicht manchmal seinen Kopf vor mir sähe, nachts im Traum und auch sonst, wie ihm das Blut aus dem Munde rausläuft, dann dächte ich wohl gar nicht mehr daran. Ich hänge am Leben, Oskar. Es gibt nichts Herrlicheres als das Leben. Ich bin unsäglich froh, daß ich am Leben geblieben bin, wenn ich auch Tilken umbringen...
Seite 277 - Der Nachtwind hat in den Bäumen Sein Rauschen eingestellt, Die Vögel sitzen und träumen Am Aste traut gesellt. Die ferne, schmächtige Quelle, Weil alles andre ruht, Läßt hörbar nun Welle auf Welle Hinflüstern ihre Flut. Und wenn die Nähe verklungen, Dann kommen an die Reih' Die leisen Erinnerungen, Und weinen fern vorbei.
Seite 138 - Sklavin umschlang mich und zog mich in eine dumpfe Liebe hinein. Und in meiner Verzweiflung wehrte ich mich nicht. Es wurde daraus, daß wir es so toll miteinander trieben, wie noch nie in unserem Leben. Ehe sagen manche dazu. Sie umschlang mich mit ihren Beinen und stöhnte unter Küssen, sie wollte noch ein Kind haben, jetzt . . . jetzt! Oskar, es wäre so schön für mich! Du glaubst nicht, wie, wie, wie ich mir das wünsche, ein Mädchen, ein Schwesterchen für Karli! Da krümmte ich mich zusammen...
Seite 127 - Schlaf saal stinkt anders. Dieser nach Heringen. Ich knipse das Licht an und da liegen nun die Kameraden in zwei Reihen übereinander, alte und junge, bärtige und glatte. Jeder schläft auf seine Art. Der eine schnarcht, der andere hängt sein Bein raus, einer jammert im Traum, fährt hoch und blickt, wach geworden, blöde um sich. - Böö, wir sind es nur, penn weiter Kollex! - Einer hat die Decke weggestoßen, sein Körper schimmert so leichenfarben, alles an ihm ist grau, ein Krüppel mit einem...
Seite 137 - Ich beugte mich über sie, da knarrte das Bett, sie bewegte sich und wollte aufwachen. Ich hielt mich atemlos über ihr, halb gebückt, wie ich gerade war. Meine . . . blaß und unbedeutend, ihr Vater betrieb einen Kolonialwarenladen, dort lebte sie für sich, bis ich ihr begegnete und sie zu mir nahm. Da dachte sie, jetzt müßte sie eine Sklavin sein, und sagte ja zu allem, was ich tat.
Seite 127 - Ungeziefer haben. Er steckt unsere Papiere in den Kasten zu den anderen und schreibt unsere Namen in seine Liste. Jeder bekommt eine Bettnummer, dann dürfen wir nach oben gehen. Auf der Treppe hält Oskar ein paarmal an, zittert mit der Kinnlade und murmelt etwas vor sich hin, was ich nicht verstehe. „Komm, Oskar!
Seite 102 - Welt fliegt mir, wie ich eben denke, ob der nächtliche Passant nicht etwa ein Nebenbuhler war und all die Schande aus lauter Eifersucht eigenhändig in die Zeitung gebracht hat, lautlos eine Mücke ins Auge. Ich klemme meinen Pappkarton zwischen die Beine, ziehe das Augenlid herunter und warte, daß die kleine Bestie wieder rauskrabbelt. Aber sie bleibt drin und krallt sich da gewissermaßen an den Nerven fest. Vielleicht pißt sie auch vor Schreck vor sich hin, oder was sie nun macht.

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