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Fürst Bismarck.

59093

Sein politisches Leben und Wirken

urkundlich

in Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen

dargestellt

von

Ludwig Hahn.

(Vollkändige, pragmatisch geordnete Sammlung der Reden, Depelchen, wichtigen Staatsfchriften,
and politifden Briefe des fürften.)

Erster Band

bis 1870.

Berlin.

Verlag von Wilhelm Herz.

(Bessersche Buchhandlung.)

1878.

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Vorwort.

Dieses Buch soll einen vollständigen urkundlichen Ueberblick über
die gesammte politische Wirksamkeit des Fürsten Bismarck geben:
es soll durch die Sammlung der sicheren Materalien der künftigen
Geschichtsschreibung vorarbeiten, zugleich aber schon der jeßigen Ge-
neration einen Einblick in die großartige geistige Werkstätte ermög=
lichen, aus welcher die wunderbaren Erfolge und Schöpfungen der
preußisch - deutschen Politik der lezten funfzehn Jahre hervorge=
gangen sind.

Je rascher der Pulsschlag der Zeit geht, je mehr die größten
Erfolge der jüngsten Vergangenheit über den sich erneuernden Käm-
pfen und Sorgen des Augenblicks vergessen werden, je gleichgültiger
vielfach unter der Einwirkung des Parteigeistes das höchste be-
reits Errungene gegenüber dem noch Erstrebten beurtheilt wird, desto
wichtiger erscheint es, zunächst dem gegenwärtigen Geschlechte
ins Gedächtniß zu rufen, welche Kämpfe, welche geistige
und moralische Anstrengungen nöthig waren, um uns da-
hin zu führen, wo wir stehen.

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Die geistige politische Arbeit des Fürsten Bismarck, soweit sie
in die Deffentlichkeit getreten ist, sein politisches Denken und
Wirken auf dem inneren staatlichen, auf dem parlamentarischen und
dem diplomatischen Gebiete in getreuer urkundlicher Form pragmatisch
geordnet, ohne jede Zuthat subjectiven Urtheils, das ist der
eigentliche und hauptsächliche Inhalt dieses Buches. Außer des
Fürsten eigenen oder in seinem Namen erfolgten Kundgebungen aber
sind auch alle wichtigeren Aeußerungen fremder Regierungen, welche
auf die dargestellte Politik Bezug haben, hinzugefügt. Durch die
Vereinigung und Gruppirung der verschiedenartigen Aeußerungen und

Aktenstücke sowie der begleitenden thatsächlichen Notizen ist der Verfasser bemüht gewesen, zugleich ein lebendiges Bild der politischen Entwickelung in der Bismarckschen Aera überhaupt zu geben.

Aus der Vorgeschichte Bismarcks bis zu seinem Eintritt ins Ministerium sind außer den kurzen biographischen Notizen vornehmlich seine früheren öffentlichen Reden, vom Vereinigten Landtage, der Zweiten Kammer und dem Erfurter Parlamente und die Briefe politischen Inhalts aus seiner ersten diplomatischen Zeit, aus Frankfurt, Petersburg, Paris mitgetheilt. In jenen ersten Reden, welche vielfach als ein Gegensatz zu seinem spätern politischen Wirken gelten, wird man in wesentlichen Beziehungen die Grundzüge seines politischen Charafters und seiner Gesammtauffassung bereits deutlich erkennen. In Bezug auf die Entwickelung seiner praktischen Anschauungen und Bestrebungen aber hat er selbst darauf hingewiesen, daß er „im Laufe von 25 Jahren und zwar der besten Mannesjahre allerdings etwas zugelernt zu haben glaube." Der Prozeß dieser Entwickelung in ́einer der wichtigsten Beziehungen, nämlich in Bezug auf die deutsche Frage, ist in den Briefen aus seinen diplomatischen Lehrjahren klar erkennbar.

Die ersten Jahre des Bismarckschen Ministeriums, jene Jahre des schweren inneren Kampfes und der Vorbereitung für die großen politischen Entscheidungen mußten eine besonders sorgfältige Behandlung erfahren. Diese ersten Bestrebungen Bismarcks auf dem Gebiete der inneren und der äußeren Politik konnten in jenen Zeiten unter dem Druck der herrschenden Parteimeinungen nicht zur Geltung und Anerkennung, theilweise kaum zur öffentlichen Beachtung gelangen. Als aber nach den überwältigenden Erfolgen von 1866 der Umschwung in der öffentlichen Stimmung eingetreten war, da nahmen die großen Errungenschaften und deren weitere Gestaltung den Sinn des Volkes zu ausschließlich in Anspruch, als daß eine nachträgliche eingehende Betrachtung des bis dahin zu= rückgelegten Weges möglich gewesen wäre. So ist denn eine unbefangene und volle Würdigung jener hochbedeutsamen Zeit der Vorbereitung und Grundlegung niemals eingetreten. Aber eine richtige Beurtheilung des Genies, der Thatkraft und der Leistungen des Fürsten Bismarck ist nicht möglich ohne die volle Einsicht in die Schwierigkeiten, welche er

in jenen ersten vier Jahren im Innern und nach Außen zu überwinden hatte, ohne die eingehende Erinnerung an die parlamen= tarischen Kämpfe und Stürme, die er zu bestehen hatte, um die neuen Heereseinrichtungen, diese Grundlage und Vorbedingung aller späteren Erfolge zu retten und aufrecht zu erhalten, ohne die nähere Kenntniß der ganzen diplomatischen Umsicht, Kunst und Energie, womit er inmitten jenes inneren Kampfes von Erfolg zu Erfolg aufstieg, von dem „Feldjäger“ bis zur Lösung der SchleswigHolsteinischen und der deutschen Frage.

In diesem Abschnitt, gleichsam der Vorgeschichte der eigentlichen Aera Bismarckschen Ruhmes, erschien es auch besonders nothwendig, den Thaten und Aeußerungen des Staatsmannes die Urtheile der dama= ligen öffentlichen Meinung und der parlamentarischen Gegner, die seine Action zu lähmen und zu hemmen fuchten, gegenüberzustellen, um auch hierin einen Maßstab zur Beurtheilung der Schwierigkeiten zu geben, die er zu überwinden hatte.

Die diplomatischen Verhandlungen vor und nach dem Kriege von 1866, die Aktenstücke über die Kompensationspolitik Frankreichs, jowie über die verschiedenen Phasen der auswärtigen Politik bis zum französischen Kriege sind auf Grund aller vorhandenen amtlichen Publicationen in möglichster Vollständigkeit und in übersichtlicher Gruppirung mitgetheilt.

Einen bedeutenden Theil dieses ersten Bandes nimmt endlich die Wirksamkeit Bismarcks zur Gründung und Ausbildung des Norddeutschen Bundes und zur gleichzeitigen sorglichen Pflege der Beziehungen zu Süddeutschland bis zur Zeit der nationalen Erfüllung ein. Alle Schritte und Aeußerungen des großen Staatsmannes in jener Zeit, von den Friedensverträgen und den gleichzei= tigen Schuß- und Trugbündnissen mit den süddeutschen Staaten, von den ersten Erklärungen über Wesen und Geist der Bundesverfassung und über die Beziehungen zwischen Nord- und Süddeutschland bis zu der denkwürdigen Rede über den Beitritt Badens zum Norddeutschen Bunde sind unvergängliche Zeugnisse und Denkmäler einer Klarheit, Folgerichtigkeit und Sicherheit in der Auffassung und Behandlung der höchsten nationalen Aufgaben, wie sie in ähnlicher Weise kaum von irgend einem Staatsmanne vorhanden sein dürften.

Neben den eigentlichen amtlichen Aeußerungen und Aktenstücken sind zur orientirenden Bezeichnung der Situation hier und da halb

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