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PHILOLOGISCHER

ANZEIGER.

ALS ERGÄNZUNG

DES

PHILOLOGUS

HERAUSGEGEBEN

VON

ERNST VON LEUTSCH.

VIERZEHNTER BAND.

1884.

GÖTTINGEN

VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.

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Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

1. Taylor, Isaac, the Alphabet, an account of the origin and development of letters. vol. 1. 2. London 1883.

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Es giebt bücher, wie z. b. das vorliegende, die eigentlich kein einziger recensiren kann; das sind dann aber meistens auch solche, die ein einzelner nicht schreiben kann; und wenn er sie doch schreibt, so muß er sich eigens eine reihe von kenntnissen zu erwerben suchen, die nicht allzu lange haften, so daß der verf. später oft in die lage kommt, sich aus seinem buche unterrichten zu müssen. Wenn nun aber eine derartige arbeit nothwendig ist, so müssen wir natürlich demjenigen dank wissen, der sich ihr unterzieht. Wir glauben es dem verf. gern, wenn er uns in den einleitenden worten versichert, daß sein buch die arbeit vieler jahre erfordert habe; schon eine einfache inhaltsübersicht zeigt wie vielseitig und verschiedenartig die vorbereitenden studien sein mußten. In der einleitung dieses hübsch ausgestatteten werkes bespricht er den unterschied zwischen alphabetarischer und nicht-alphabetarischer schrift, von ideogramm und phonogramm, dann die bilderschrift der wilden, das chinesische, japanesische, nebst keilschrift und hieroglyphen. Der zweite abschnitt ist de Rouge's hypothese gewidmet, daß die phoenicische schrift und also indirect auch die griechische aus dem aegyptischen stamme; der verf. sucht dieselbe gegen de Lagarde's zweifel sicher zu stellen. Alles dieses durfte sicher in der einleitung erwähnt werden, aber sicher nicht in der breite und ausführlichkeit; es ist doch ein unterschied, ob einer über die schrift oder über das alphabet schreibt. Die chinesische, japanesische schrift, ferner die später zu erwähnende Philol. Anz. XIV. 1

syllabare schrift der Cyprioten u. s. w. gehörten gar nicht in ein werk über das alphabet und selbst die hieroglyphen nur soweit sie die grundlage für das phoenicische alphabet abgegeben haben. Die cryptographischen alphabete dagegen, die wirklich hierher gehören, werden gar nicht erwähnt. Im dritten abschnitte (1, p. 158) kommt der verf. dann zu seinem eigentlichen thema, namen, bedeutung und anordnung der buchstaben. Dann folgen in drei weiteren abschnitten die verschiedenen arten der phocnicischen, aramaeischen und südsemitischen alphabete.

Den zweiten band (Aryan alphabets) eröffnet natürlich das griechische alphabet, mit den alphabeten griechischen ursprungs d. h. die italische und speciell die lateinische schrift. Merkwürdiger weise werden auch die griechischen uncialen und minuskeln (damit meint der verf. die palaeographie) nicht zu den Greek Alphabets sondern zu den Alphabets of Hellenic Origin gerechnet! Den beschluß dieses abschnittes bilden dann das koptische, slavische, albanische, die runen und die Oghams. In den beiden schlußkapiteln springt der verf. wieder zu der linksläufigen schrift zurück, die direct aus der semitischen abgeleitet werden muß; man sieht daraus, daß seine eintheilung keine graphische ist sondern eine ethnographische. Bei einer graphischen eintheilung wie sie der gegenstand erforderte, mußte das X. kapitel indische alphabete direct mit den südsemitischen verbunden werden, daran hätte sich dann das IX. kapitel iranische alphabete anschließen können. Ein epilog (kap. XI) den man auch als einleitung benutzen kann schließt das ganze.

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Indem wir den ersten theil den orientalisten und linguisten zur beurtheilung überlassen, beschränken wir uns hier auf diejenigen partien, die aus dem rahmen dieser zeitschrift nicht heraustreten; hier scheinen die studien des verf. nicht ausgereicht zu haben. Was nun zuerst die geschichte des griechischen alphabets betrifft, so ist es für die ersten abschnitte verhängnißvoll geworden, daß der verf. sich auf das Corpus inscript. graecarum beruft und die damals schon seit einem jahre erschienenen Inscriptiones graecarum antiquissimae nicht kennt. So groß auch die verdienste waren, die Böckh sich damals durch bearbeitung und herausgabe des ersten bandes erwarb, so wird heutzutage kein verständiger mehr leugnen, daß gerade die älteren und ältesten inschriften, bei denen die wiedergabe der buchstabenformen

von so großer wichtigkeit sind, für graphische untersuchungen mehr oder weniger unbrauchbar sind, theils wegen der mangelnden autopsie der herausgeber, theils wegen der ungenügenden wiedergabe in typen oder facsimile. Wo der verf. sich also nicht ausdrücklich auf neuere zuverlässige publicationen, wie z. b. die von der Palaeographical Society beruft, da sind seine angaben und folgerungen in dem kapitel the Cadmean alphabet mit großer vorsicht aufzunehmen. Ueberhaupt ist der ganze begriff einer cadmeischen schrift, der in Deutschland längst aufgegeben wurde, so unglücklich wie möglich, namentlich im munde eines verf., der den Cadmus nicht für eine historische sondern mythische persönlichkeit hält.

In demselben kapitel zeigt sich recht deutlich, wie der verf, sich manchmal durch zufällige äußerlichkeiten leiten läßt, wenn er z. b. (p. 43 u. 107 A.) das corinthische ẞ direct aus dem hieratischen ahleiten will; einmal ist die ähnlichkeit gar nicht so groß, da das hieratische zeichen vielmehr ungefähr der verbindung eines nach links unten und eines nach rechts oben sich öffnenden spitzen winkels entspricht; ferner aber würde dadurch das princip vollständig durchbrochen, nach welchem das griechische nur durch vermittelung des phoenizischen mit dem aegyptischen zusammenhängt; jenes corinthische geht vielmehr auf die gewöhnliche griechische grundform zurück, nur daß der untere theil des buchstabens nach links gewendet wurde; was nothwendig wurde, weil die Corinther das spitzwinklige bereits für E brauchten und verwechselungen zwischen B und E natürlich vermieden werden mußten. Kirchhoffs auffassung (Studien p. 90) wird durch derartige dilettantische versuche nicht im mindesten erschüttert; ebensowenig wie in der frage nach dem alter der ältesten inschriften. So vorsichtig wie möglich hatte Kirchhoff in seinen grundlegenden Studien die schwierige frage erörtert und festgestellt, daß sichere spuren nicht weiter als bis ol. 40 d. h. bis ungefähr zum jahr 620 v. Chr. zurückführen. Der beweis, daß die inschriften von Thera u.s.w. mehrere jahrhunderte älter sein müßten und mit Taylor in das zehnte jahrhundert v. Chr. zu setzen seien, würde sicherlich von verschiedenen seiten mit freuden begrüßt werden; allein von einem beweise findet man bei Taylor (2, 40-41) auch keine spur. Der eigentliche sinn dieser unmotivirten polemik wird erst später klar bei der behandlung der inschriftähnlichen zeichen, die Schliemann in Troja ausge

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