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Johann zu Sachsen, der Herzog von Braunschweig Lüneburg, der Hof der Fürsten, die gesammte Universität bildeten ein glänzendes Auditorium, vor welchem der Redner aus dem Gedächtniß sprechend folgendermaßen begann:

In Gegenwart so hoher Fürsten scheint es mir gut über tiefe und ergöhliche Stoffe zu handeln. Ich werfe zuerst die Frage auf: Kann der Papst seine Gewalt ausüben ohne Kardinäle? oder deutlicher: Ist zur Aus-, übung der päpstlichen Gewalt die Zustimmung oder we nigstens Befragung der Kardinäle erforderlich? Einige Juristen antworteten: Ja und stüßten sich auf eine Stelle des kanonischen Rechts, wo es heißt der Kardinaliat (cardinaliatus) sei göttlichen Rechtens. Ich aber war immer der Meinung, daß aus jener Ansicht die unsinnige Konsequenz sich ergebe, der Papst sei entweder als Minderjähriger, der wenigstens für Prozeße eines Curators bedarf, oder als Verschwender oder als Wahnsinniger zu betrachten. Daher entscheide ich anders und habe für den Sah: Der Papst könne allein auch die wichtigsten Beschlüße fassen und vollziehen, ausreichende Gründe.

1) Das ist keine freie Gewalt deren Ausübung durch das Dazwischentreten eines Andern bedingt ist (Beweis durch Allegate aus Quellenstellen, Glofssen und Schriftstellern). Aber der Papst besißt freie Gewalt (Wieder Beweis durch eine lange Reihe von Citaten). Also ist der Papst nicht gehalten bei Ausübung seiner Gewalt Jemand zuzuziehen.

2) Die Schlüssel der Kirche sind Petrus allein übertragen (Beweis stellen aus der Bibel).

3) In den Gloffen zu mehreren Stellen des kanonischen Rechts ist ausgesprochen, daß der Papst allein

den Kaiser abseßen könne indem ausgeführt wird, es sei bei solcher Absetzung ein Koncil nur des Anstandes wegen zusammenzurufen. Ebenso kann der Papst allein den König von Frankreich abseßen. Jeder aber wird zugestehen, daß die Absetzung des Kaisers und des Königs von Frankreich wichtige Dinge sind (wieder Allegate).

In der That sind die Kardinäle bloß Diener und Räthe des Papstes und es ist wohl anständig und räthlich sie bei wichtigen Sachen zu befragen, aber nicht nothwendig. Die Kardinäle stehen in dieser Beziehung nicht höher als Andere, denn der Papst kann auch von Gelehrten, die nicht Kardinäle sind, sich berathen lassen. Und deshalb wird gesagt, der Papst trägt alles Recht im Schrein seines Herzens.

Auch läßt sich nicht anführen, es beruhe auf einer Gewohnheit oder Verjährung, daß der Papst die Kardinäle zuziehen müsse, denn gegen den Papst läuft überhaupt keine Verjährung. Im Allgemeinen steht zu be= haupten, daß der Papst dem positiven Recht übergeordnet und nicht an dasselbe gebunden sei, außer da, wo dasselbe einen göttlichen oder natürlichen Grund hat. Doch auch hier kann aus bewegenden Ursachen eine abweichende Entscheidung getroffen werden.

Der Papst ist befugt ohne Beistand Koncilienschlässe aufzuheben, nicht aber vermag ein Koncil päpstliche Bestimmungen zu entfernen. Und deshalb bestätigt ein Koncil nicht die Sazungen des Papstes, denn nur ein Höherer kann bestätigen, wohl aber confirmirt der Papst die Beschlüsse der Koncilien, so daß diese bindende Kraft nur dann haben, wenn sie im Namen des Papstes ausgehen.

Freilich wird gesagt, der Papst könne wegen Keßerei von einem Koncil abgesezt werden und eine sehr zweifelhafte Glosse - welche die Theologen nicht anerkennen spricht aus, das sei auch der Fall, wenn der Papst notorisch Verbrechen begehe und Scandal in der Kirche errege. Aber in beiden Fällen ist der Papst durch das Recht selbst (ipso iure) abgesezt und nur factisch wird von dem Concil die Entsetzung declarirt (dabei lange Abschweifung über Werth und Bedeutung der Glossen).

In Italien habe ich beobachtet, wie gegen Sazungen oder Urtheile des Papstes mitunter appellirt wurde. Doch das scheint mir ein lächerliches Unternehmen, denn appelliren kann man nur von einem Niederen an einen Höheren, der Papst aber hat keinen Oberen außer Christus. Somit kann von einer päpstlichen Entscheidung weder an den nachfolgenden Papst, denn der steht gleich, noch an ein Koncil, denn das ist untergeordnet, Berufung eingelegt werden. Da nun der Papst über dem Koncil steht, letteres aber die Nepräsentation der Kirche ist, steht er auch über der Kirche. Das beweist Evangel. Johannis Cap. 10: Es sei eine Heerde und ein Hirte. Hätte die Kirche neben dem Papst die höchste Gewalt, so würden zwei Hirten sein. Wer daher von dem Papst an ein künftiges Koncil appelliren will, ist ein offenbarer Kezer. Das Koncil steht überall unter dem Papst; wie er es beliebig zusammenrufen kann, vermag er es auch beliebig aufzulösen, oder von einem Ort nach dem anderen zu translociren. Und dies ist die Ansicht großer Theologen, wie Albertus Magnus, des heiligen Thomas von Aquin u. A. Beschränkungen der päpstlichen Gewalt liegen außer dem schon erwähnten Gebundensein an das göttliche Recht darin, daß der apostolische Sit

durch göttliche Fügung an Rom geknüpft ist, so daß der Papst ohne gewichtigen Grund ihn nicht verlegen darf. Auch kann sich der Papst keinen Nachfolger wählen, er kann nicht alle Bischöfe der ganzen Welt zugleich abseßen, er darf nicht wohlerworbene Privilegien namentlich nicht Privilegien des Gerichtsstandes aufheben, endlich vermag er nicht Laien und Clerifern, die der weltlichen Herrschaft eines Anderen unterworfen sind, ihr Privatvermögen zu entziehen.

Nun will ich Einiges von der Gewalt des Kaisers ausführen. Auch er hat unumschränkte Macht. Schon vor seiner Krönung kann er Privilegien ertheilen, denn er ist Herr der Welt. Bloß aus der deutschen Nation darf er gewählt werden. Ehedem war die Kaiserkrone zwar bei den Franken, aber die Herren Deutschen“ · haben sie durch ihre Tugend verdient. Die Könige von Frankreich und Spanien sind dem Kaiser untergeben, außer wenn sie ihre Eremtion beweisen. Vom Papst hat der Kaiser das Privilegium, daß er bei jeder deutschen Kirche einen Canonicus ernennen kann. Auch adeln kann er, uneheliche Kinder legitimiren und Pfalzgrafen ernennen, denen er die Ausübung der letteren Befugniß überträgt. Der Wille des Kaisers hat Kraft eines Geseßes, und überhaupt ist er, wird gesagt, in der Welt wie ein körperlicher Gott, vergleichbar dem Morgensterne mitten im Nebel 2c.

Und weil ich vorhin die Frage aufwarf: ob der Papst seine Gewalt ohne Kardinäle ausüben dürfe, ist es den anwesenden Fürsten vielleicht interessant zu vernehmen, ob der Kaiser befugt ist, von den Rechten seiner Gewalt ohne Beirath der Kurfürsten Gebrauch zu machen? Darauf ist ganz zweifellos mit Ja" zu antworten.

Allerdings wird es auch hier wieder anständig und räthlich sein, wenigstens in wichtigen Sachen die Großen des Reichs zu hören. Auch wird der Kaiser nicht wichtige Rechte seiner Krone frei veräußern dürfen. Aber sonst ist seine Gewalt unumschränkt. Universitäten kann er

selbst für Theologie und kanonisches Recht privilegiren, ohne daß Zustimmung des Papstes erforderlich wäre. Im Allgemeinen steht der Kaiser an Gottes Stelle in weltlichen Dingen, wie der Papst in geistlichen. Nur an das natürliche und göttliche Recht ist er gebunden, über dem positiven Recht, auch dem Gewohnheitsrecht, steht er. Wohl kann er ohne Ursache Jemand verlegen, wenn nur die Verletzung nicht alles Maaß überschreitet. Dagegen darf er Niemanden ohne Grund Eigenthum und Lehn entziehen. —

Soweit Petrus Ravennas. Ich habe den Inhalt der Rede in ihren Hauptsäßen gegeben und nur im Anfange angedeutet, wie jeder Gedanke durch einen Syllogismus bewiesen wird und wie die Beweise sich immer auf Allegate aus Quellen, Glossen und Schriftstellern stüßen. Oft kommen ganze Seiten, die nichts enthalten als Citate, Wiederholungen finden sich in Menge und es läßt sich denken, daß es nichts Angenehmes gewesen sein mag, dem Redner einige Stunden zu folgen, wenn man auch gezwungen war dem Gedächtniß desselben welchem er den Namen Petrus ab memoria verdankt Be= wunderung zu zollen.

Im Ganzen und Großen ist es nur die bekannte mittelalterliche Lehre von der päpstlichen und kaiserlichen Gewalt, die wir vernahmen. Bemerkenswerth aber bleibt es immer, daß gerade in Wittenberg, wo einige Jahre darauf die energische Berufung Luthers von der Ent

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