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indem der Großvezier Kara Mustapha mit zweimalhundert tausend Muselmännern, unter fünf und zwanzig tausend Zelten, die Residenzstadt Wien eng belagert hielt, und der Kaiser Leopold der 1. selbst unter den Flüchtlingen begriffen hie und da sichere Stätte suchte. Erst als Kara Mustapha, nach einer gänzlichen Niederlage am 12. September 1683, mit zerrauftem Haare und Barte in wildester Unordnung, in rath- und thatlofer. Flucht tobend, mit den Ueberresten seines Heeres gegen Raab wogte, **) fing die alte Ordnung im Geschäftsgange wieder an rege zu werden, worauf den 5. Oktober 1683 auch die kaiserliche Bestätigung des neuerwählten Abtes Maurus Rauczka erfolgte. 65) So sehr auch das ruhige Kloster St. Nikolaus von dem stürmischen Schauplage des Türkenkrieges entfernt lag, drangen doch die Folgen desselben bis in die geweihten Hallen dieses relis giösen Institutes ein. Wie die brennende Fackel, die man schnell im Kreise schwingt, auf allen Punkten zu gleicher Zeit gegenwärtig erscheint, so waren später die unglücklichen Folgen, selbst der glücklich geschlagenen Schlachten, überall sichtbar, vorzüglich aber in den Klőz stern. Denn Leopold der I., durch den geheimnißvollen Glanz, und unerklärbaren Reiz der Kriege erschöpft, sah mit sicherem Blicke die Klöster seines Reiches als Res servekammer an, welche zur Zeit der Noth eine Masse Geldes zusammenschoßen, die auf die gewöhnliche Weise,

64) Wien's Geschichte und seine Denkwürdigkeiten. Wien 1823. 8. 4. Band.

65) ¡,A. 1683, 5. Octobris Confirmatio Caesarea Regia Leopoldi 1. pro neo Abbate S. Nicolai VeteroPragae Domino Mauro Rauczka" Archivum, 1. c. Msp.

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ohne Gefahr für die Regierung selbst, nicht herbeigeschafft werden konnte. In Beziehung dieser traurigen Folgen trug des unbedeutende Kloster St. Nikolaus, nach der großen Niederlage des türkischen Heeres bei Wien, über welche Ludwig der XIV. in der Mitte seiner traurigen Lorbeern so sehr seufzte, fünf tausend Gulden bei, um die Kriegskosten zu decken. Wie viel mochten die reichen Klöster und Stifte nicht beigetragen haben? Und doch war es eine Summe Geldes, auf welcher keine fremde Thräne ruhete, und um die herbeizuschaffen, der Kaiser Leopold I. gar nicht brauchte als Souvrain zu reden, sondern nur seinen Wunsch zu äußern. Aber daran handelte der Abt Maurus Raucžka unbesonnen, daß er unter dem Vorwande, die fünf tausend Gulden erlegen zu können, das schöne Landgut Sstičjn verkauft, und den ererbten Wohlstand des Klosters hiedurch so merklich geschwächt hatte. Dies war ein Fehler seines jugendlichen Alters, - denn er zählte kaum dreißig Lebensjahre, welchen er später eingesehen und bis zu seinem Tode bereuet hatte. Selbst für das geistige Leben herrschte in dem Kloster unter seiner Leitung nicht die ererbte Wirksamkeit, und ward auch das heilige Feuer, welches unter seinem Vorfahrer im Herzen der Ordensbrüder für Gott flammte, und das Volk mit erwärmte, nicht ausgelöscht; so verschwanden doch sehr viele Funken desselben in dem langen Zeitraume seiner Verwal tungsepoche. Auch der Wohlthätigkeitssinn für die bedrängte Menschheit äußerte sich in dem Kloster nicht so werkthätig wie zuvor, wodurch selbst das unbedingte Vertrauen in der öffentlichen Meinung geschwächt wurde. Der Abt Maurus Raucžka mehr mit der Außenseite des Klosters beschäftigt, sann auf Mittel anderen Mängeln

und Bedürfnissen abzuhelfen, vorzüglich aber den so sehr beschränkten Raum der Klostergebäude weiter auszudehnen, und dies stille Institut wider das Gewirre der unruhigen Nachbarschaft der Juden, wie möglich, zu sichern. Um sein Vorhaben schneller auszuführen, sehte er, nach dem, in der Altstadt Prag (1689) ruchlos verübten Mordbrande Ludwig des XIV., alle Kräfte in Bewegung, um entweder den angränzenden Theil der Brandstätte für das Kloster zu erwirken, oder wenigstens den Bau neuer Häuser auf demselben zu verhindern. In dieser Absicht unternahm der Abt gleich nach der Feuersbrunst die Reise nach Wien, und überreichte dem Kaiser Leopold I. sein Bittgesuch, in welchem es hieß: ,,Dannenhero gelanget an Euer Kays. Königl. Mayestät mein allerunterthänigst demüthigstes Bitten, Dieselben. geruhen aus dero angebohrnen zur göttlichen Ehre, wie weltkündig hochwohlgewogenen Müldigkeit, mich und die sonst ängstig verschrenkte Geistlichen mit einer Erweiterung des Plages, vermittelst Einraumung zwey oder drey solcher Juden-Häuser, vielmehr abscheulichen Spelunken, wie es sonsten anderwertigen vielen Geistlichen geschehen, undt in allergnädigster Beherzigung, daß derlei verlangende Jüdische-Häuser wie auß denen annoch vorhandenen Kirchen-Büchern zu erweisen vorhero lauther Christenhäuser und jure parochiali zu öffters berührten S. Nicolai Kirchen gewesen, auch nicht gar so lange dieselben in den Judenbesig gekommen, allergnädigst zu begnaden." 66) Schon am ersten Dezember 1689 erließ Kaiser Leopold I., aus Augsburg,

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66) Acta de Religiosis Abbatiae Emaus ad S. Nicolaum translatis. Msp.

an die böhmische Statthalterschaft den Befehl, das Bittgesuch des Abtes Maurus Raucžka gutächtlich zu prűfen, und fügte die Worte hinzu: „So wird hiemit Euch remittirt, mit gnädigsten Befehl, daß Ihr die Judenschaft alda hierüber vernehmen, und Uns folgends mit Beobachtung, ob solches mit dem vorhabenden neuen Gebau der Juden-Stadt constatibl seyn mit Gutachten und Zurücksendung der Inclusis zu Handen unserer königl. böhmischen Hoffkanzlei gehorsamst berichten sollet." 67) Allein die weitwendigen Erhebungen blieben aus unnennbaren Gründen ohne Wirkung; weßhalb der Abt am ersten Juli 1690 ein zweites Gesuch an die Majestät Leopold des I. gelangen ließ, in welchem er ausdrücklich bat: Also ist an Euer Kays. Königl. Mayest. mein und meines Convents wiederholt allerunterthänigstes Bitten, Euer Mayest. geruhen aus Dero gegen die Gotteshäuser höchst tragender Zuneigung, und in gnädigster Beherzi= gung, das in von selbsten indecorum, daß die Judenschaft so nahe an denen Gott geheiligten Orten anwoh nen, und alles sehen, in die Kirchen- Cerimonien hören, und man ihr Geschrey und S. v. Gestanck leiden solle." 68) Als aber auch dieses unbeachtet blieb, schrieb der Abt ein drittes: „Euer Kays. Königl. Mayeft. geruhen fich gnädigst zu erinnern, welcher gestalten E. M. ich mit zwei Memorialen allerdemüthigst angeflehet, und umb diese Königl. Gnadt gebeten, damit, weilen die Judenstadt durch die unglückselige Feuersbrunst in Asche gelegt worden, undt auch die hart an mein Convent angebaut geweste jüdische Häußle in Rauch zugleich mit

67) Acta de Religiosis Abbatiae Emaus ad S. Nicolaum translatis. 1. c. Msp.

68) Acta de Religiosis. etc. 1. c. Msp.

auffgangen seyndt, bei Wiedererbauung der Judenstadt eine gewisse Distanz in Form einer Gasse, undt indeme mein Convent, sehr äng, undt nicht einmahl ein beque mes Orth hat, wohin das Brenholz, undt andere Hausnothdürftigkeiten verwarlich gelegt werden können, meis nem Convent von den abgebrändten Brandstätten ein gewisser Plaz zu Bestreitung solcher Notturfften, ent weder aus Kays. und Königl. Gnaden umb sonst, oder wenigstens gegen Bezahlung eines billichmeßigen Werthes die Brandstätt eingeräumet werden möchten." 69) Erst hierauf erfolgte an die Statthalterschaft die allerhöchste Entschließung Leopold des I. vom 27. Juni 1691, in welcher es hieß: „Als befehlen Wir Euch gnädigst hiemit, daß Ihr hierüber eine gründliche Information einziehet, und auf so bewandten Fall, daß ermeldte Judenheußer noch nicht erbauet wären, gewisse, dem Werk gewachsene Commissarios verordnet, welche mit denen jüdischen Inhabern derselben in der Güte darüber traktiren, undt ob dem Kloster zu Erhandlung solcher Stellen und Derter in billichmäßigen Werth verholffen werden könnte, besten Fleißes bemühet seyn sollet." 7°) In Gemäßheit des erschöpften Berichtes, und erfolgter kaiserlichen Sanction des Antrags der Statthalterschaft, ging der Abt Maurus Rauczka mit dem Löbl. Magistrate der k. Altstadt Prag einen gütlichen Vergleich ein, bezüglich der, auf den gewünschten Lichtensteinischen Brandstellen und einem hiezu gehörigen unverzehrten Hause in der Judenstadt, haftenden Abgaben, 7) wel

69) Acta de Religiosis. I. c. Msp. 70) Acta de Religiosis. 1. c. Msp. 71) Urkunde C.

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