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Die Expedition zur Aufsuchung Leichhardt's in Australien, 1865 und 1866.

Seit wir über Ausrüstung und Beginn der Expedition. berichteten, die, von Dr. Ferdinand Müller und einem Damen-Comité ins Leben gerufen, im Juli 1865 aus der Kolonie Victoria abging, um sicheren Aufschluss über das Schicksal des im Innern Australiens verschollenen Leichhardt zu suchen (siehe,,Geogr. Mittheil." 1865, SS. 133, 239 u. 388), erhielten wir fast nur unerfreuliche Nachrichten über ihren Verlauf und jetzt ist sogar ihre Weiterführung in Frage gestellt, denn ihr Führer M'Intyre, der durch Auffindung verschiedener Spuren Leichhardt's die Hauptveranlassung zu dem Unternehmen gegeben hatte, starb am 4. Juni d. J., bevor die angestrebten Resultate erzielt waren.

Die auf 3000 Pf. St. veranschlagten Kosten waren durch Privatsammlungen, durch Beiträge der Kolonialregierungen, der Königin von England und der Londoner Geogr. Gesellschaft gedeckt, diese Mittel reichten aber nicht hin, die Expedition zu Schiff nach dem Golf von Carpentaria bringen zu lassen, und so wurde der billigere, aber weit beschwerlichere Landweg gewählt. Mit 12 Kameelen und einer grossen Anzahl Pferde zogen die Reisenden unter Anführung des Arztes Dr. Murray den Darling hinauf nach Mount Murchison 1), wo sich M'Intyre ihnen am 21. August anschloss, und kampirten darauf vom 5. Oktober bis 11. November an den Curracunaye-Quellen, mit den letzten Vorbereitungen zur Reise ins Innere beschäftigt. Als die Expedition diese Quellen verliess, bestand sie aus 65 Pferden, 12 Kameelen, etwa 5 Tonnen Gepäck und 10 Mann, nämlich M'Intyre, Dr. Murray, M'Calman, Barnett, M'Donald, Grey, Barnes, dem Indischen Kameeltreiber Belooch und den beiden Eingebornen Welbo und Myola. Am 13. Novbr. überschritt sie den Bulloo, erreichte am 17. den Wilson, dem sie einige Tage abwärts folgte, und kam spät am Abend des 26. am Cooper-Creek an, da wo sich derselbe unter 26° S. Br. nach Süden wendet. Der Weg vom Parroo-Fluss bis hierher war nahezu eine gerade Linie und wohl identisch mit dem 1864 von McIntyre eingeschlagenen.

Unglücklicher Weise war das Jahr ein ausserordentlich trockenes, M'Intyre fand das Flussbett des Cooper ganz ohne Wasser und musste zum letzten Wasserplatz zurück

1) Zur Orientirung s. A. Petermann's Karten von Australien und Südost - Australien in der 1. und 5. Lief. der jetzt erscheinenden neuen Ausgabe von Stieler's Hand-Atlas, Gotha, J. Perthes. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft X.

kehren. Als er sich auf dem Rückzug von den Gefährten entfernte, um Wasser aufzusuchen, vertheilte Dr. Murray an die durstigen Leute den für Kranke mitgenommenen Branntwein. Unter dem Einfluss dieses Getränkes wurden die Pferde, die vier Tage ohne Wasser gewesen waren, losgelassen, ohne sie auch nur des Gepäckes zu entledigen. So gingen sämmtliche Pferde nebst Gepäck verloren, nur die Kameele wurden gerettet.

Die Expedition wurde nun von Neuem organisirt. Dr. Murray, Grey, McDonald und Barnes kehrten nach der Kolonie zurück und McIntyre brachte den Dezember damit zu, Wasserplätze im Cooper-Creek aufzusuchen und die verstreuten Vorräthe, Waffen, Instrumente &c. zu sammeln. Eine mehrwöchentliche Ruhe an einem günstigen Punkte des Cooper liess die Kameele wieder zu Kräften kommen und am 9. Februar 1866 konnte McIntyre mit ihnen, fünf Pferden und dem Rest der Mannschaft nach Norden aufbrechen. Er überschritt am 18. Februar den Docker-Fluss, ging stets in fast gerader Linie nach dem Müller-Fluss (der McKinlay'schen Route), da wo ihn der Wendekreis schneidet, verliess ihn wieder am 1. März, erreichte am 10. März den oberen Lauf des Gilliot-Flusses, ging an diesem abwärts und schlug am 18. das Lager am östlichen Ufer desselben, Fort Bowen ungefähr gegenüber, auf. Von hier lag der Flinders nur wenige Meilen östlich, nicht weit war Gibson's Station bei Mount Little entfernt und etwa 12 Engl. Meilen höher oben am Flinders standen bei Morrissell's Station die früher aufgefundenen, mit L (Leichhardt) gezeichneten Bäume.

Diese Gegend sollte den Verabredungen gemäss der Ausgangspunkt für die Operationen zur Aufsuchung von Spuren der Leichhardt'schen Expedition bilden. McIntyre machte auch alsbald mit Welbo einige Ausflüge am Flinders auf und ab, so wie zum Cloncurry-Fluss, um andere L-Bäume oder sonstige Spuren zu suchen, fand aber weder solche noch Eingeborne, die er hätte um Auskunft fragen können. Anfang April wendete er sich nordwärts und über diesen letzten Theil seiner Reise berichtet er in einem Brief, d. d. Gregory-Fluss d. 2. Mai, Folgendes:

,,Ich schrieb Ihnen vor etwa 5 Wochen vom Gilliot-River, indem ich die auf die Expedition bezüglichen Berichte und Papiere einschickte. Die Kameele, Pferde und Mannschaft bedurften einige Wochen Ruhe. Ich engagirte einen

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Mann Namens McLeod und zwei schwarze Knaben, die

mein Bruder mit dem Vieh hierher gebracht hatte, nebst 7 Pferden. Am 2. April brach ich auf, um nach weiteren Spuren Leichhardt's zu suchen und um an einem Hafen noch einige Provisionen einzukaufen.

,,In der ersten Woche kam Nichts von Bedeutung vor. Wir reisten stets über herrliches Land, bis wir die Wasserscheide des Leichhardt-Flusses überschritten hatten. Hier wurde der Boden rauh und steinig. In direkt westlicher Richtung brauchten wir fast eine Woche, um den Hauptarm des Flusses zu erreichen, überschritten ihn dann und gingen abermals einen Tag gegen Westen. Der Boden war hier so gut wie unpassirbar, unsere unbeschlagenen Pferde konnten ihn nicht ertragen; wir mussten uns daher wieder ostwärts dem Hauptarm des Leichhardt zuwenden. Nachdem wir ihn 3 Tage lang abwärts verfolgt hatten, erreichten wir die besiedelten Distrikte, Kennedy und McDonald sind die südlichsten Ansiedelungen am Leichhardt. Auch bis zu der 40 Engl. Meilen weiter abwärts gelegenen nächsten Station hielten wir uns am Fluss entlang, verliessen ihn dann (unter 18° 56' S. Br.), schlugen eine nordwestliche Richtung ein und gelangten (am 18. April) nach etwa 50 Engl. Meilen zu T. G. McDonald's Station am Gregory. Hier erfuhren wir, dass das Klima ungesund sei, wenige Tage vor unserer Ankunft war ein Mann gestorben und dicht an einem Schutzdach, das sie eine Hütte nannten, begraben worden. Es befanden sich nur zwei Männer auf der Station und der überlebende hatte nicht Kraft genug, seinen unglücklichen Gefährten fortzutragen.

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Wir gingen am Fluss hinab und erreichten die sogenannte Stadt (Burketown) oder den Hafen. Ihre Bewohnerzahl war etwa 60, davon litten aber 45 bis 50 am Fieber. Überall waren die Leute krank. Ich konnte nicht zehn finden, die im Stande gewesen wären zu arbeiten. Mein Lager schlug ich bei einer Lagune, ungefähr 1 Engl. Meile von der Stadt, auf und glaubte so aller Krankheit aus dem Wege zu gehen. Zwei Zelte standen in unserer Nähe. Am nächsten Morgen war von den Bewohnern dieser Zelte ein Mann todt und als ich hierauf nach der Stadt ging, erfuhr ich, dass hier zwei andere am Morgen gestorben waren. Ich nahm Provisionen mit und bezog 16 Engl. Meilen weiter oben am Fluss ein Lager, aber schon während des Bepackens der Pferde bekam einer der schwarzen Knaben das Fieber und diesen Morgen ist McLeod davon befallen worden. Der Knabe wird wohl durchkommen, McLeod hält sich aber für verloren. Ich bin bereit zur Abreise und warte nur auf die Besserung der Leute, die hoffentlich in einigen Tagen eintreten wird. Es dauert nicht lange, in einer Woche liegt man entweder im Grab oder ist wieder wohl.

,,Ehe ich hierher kam, zählte die Stadt etwa 80 Personen, von denen 66 das Fieber hatten. Man sagt mir, dass im Ganzen 25 gestorben sind, und jetzt zimmern sie die Särge für zwei, die hoffnungslos darnieder liegen. Hoffentlich komme ich gesund davon. Die Leute eilen, so schnell sie können, hinweg, zu Wasser und zu Land. Es giebt hier zwei Magazine, Mehl, Thee und Zucker in Menge, aber sehr schlecht; das Mehl können wir kaum geniessen, da es ganz sauer ist. Auch hat die Stadt zwei Schenkwirthschaften. Sie liegt auf einer Ebene wenige Fuss über dem Spiegel der See. Vielleicht giebt es diess Jahr etwas Ungewöhnliches in der Luft, aber alle Eingebornen des Landes scheinen sich ganz wohl zu befinden.

,,Bis jetzt haben wir noch keine bestimmte Spur von Leichhardt angetroffen, aber wir haben ausser Zweifel gestellt, dass sich unter den Eingebornen jetzt noch Weisse aufhalten oder innerhalb der letzten zehn Jahre aufgehalten haben. Ein Knabe und ein Mädchen, 10 bis 12 Jahre alt, fast weiss mit hellblauen Augen und rothem Haar leben dort, in einem anderen Stamm ein etwa 15 Jahre altes Mädchen, in einem dritten ein ausgewachsenes, etwa 18 Jahr altes Weib, und es geht das Gerücht, ein weisser Mann befinde sich unter einem starken Stamm von etwa 200. Köpfen einen Tagesritt von hier. Die Eingebornen sind sehr wild, keiner der Ansiedler hat sich mit ihnen auf guten Fuss setzen können. Sie kommen auf die offene Ebene heraus und kämpfen bis aufs Äusserste. Ich bin schon nach diesem vermeintlichen weissen Mann ausgewesen, und zwar mit dem hiesigen Offizier der eingebornen Polizisten, zwei von seinen Leuten und einem schwarzen Knaben. Wir sahen 30 bis 40 Schwarze, aber keine Spur von Weissen unter ihnen. Wir mussten sie alle einfangen, bevor sie sich ordentlich betrachten liessen. Um einen Dolmetscher zu haben, nahmen wir einen jungen Burschen mit nach der Polizei-Station. Er fühlt sich jetzt wie zu Hause und wird in drei bis vier Monaten etwas Englisch sprechen können, so dass wir erfahren werden, wie die Mischlinge unter die Schwarzen kamen.

,,Die Eingebornen sind jetzt alle in der Nähe der Seeküste zwischen dem Albert- und Leichhardt-Fluss versammelt, mit den Weissen oder Mischlingen unter ihnen. Sie sollen gut bewaffnet sein und jeden sich nähernden Weissen angreifen. Diess glaube ich natürlich nicht, aber ich kenne sie allerdings als meist sehr kühne, kräftige, tüchtige Burschen, die sich vor Feuerwaffen durchaus nicht fürchten. Sobald ich von hier aufbrechen kann, morgen oder übermorgen vielleicht, will ich dorthin gehen, wo die Schwarzen sind, und in ihrer Nähe lagern, bis ich ausfindig gemacht habe, wer der weisse Mann ist oder ob er nur ein Mischling ist; Etwas ist sicherlich an der Sache. Ich

werde es in wenigen Tagen erfahren. Hoffentlich gehen der Offizier und eingeborne Polizisten mit mir, da von uns nur ich und ein schwarzer Knabe arbeitsfähig sind und zwei nicht hinreichen, um 100 oder mehr Schwarze zu umzingeln und zu entwaffnen, was fünf oder sechs ausführen können, ohne einen Schuss zu thun. Wir lagerten fast zwei Monate lang unter 600 Eingebornen am Cooper-Creek. Sie waren zeitweis sehr lästig, aber niemals brauchten wir auf einen zu schiessen, obwohl sie es manchmal reichlich verdient hätten. Wir sahen keine Eingebornen, bevor wir den Wendekreis erreicht hatten. Sie belästigten uns durchaus nicht. Auf dieser Expedition sahen wir sehr viele und täglich Anzeichen vom Vorhandensein grosser Stämme, besonders an den Quellen des Leichhardt; wir konnten jedoch keine Auskunft von ihnen erhalten und hatten viel Mühe, ihnen nahe zu kommen, waren wir aber ein Mal dicht bei ihnen, so betrachteten sie sich stets als Gefangene. Wahrscheinlich ist diess so Sitte bei ihnen. Hier sowohl wie überall bis zur Ostküste sind sie Kannibalen. Zwar sah ich keinen bestimmten Beweis, dass sie einander aufessen, aber sie haben dieselben Gewohnheiten wie ihre östlichen Nachbarn. Viele Lager zu untersuchen, hatte ich noch keine Zeit, alle von mir besuchten enthielten Nichts, was nicht alle wilden Schwarzen besässen; von Eisen oder einem anderen Metall keine Spur in irgend einer Gestalt. Das Quellgebiet des Leichhardt und die Gegend an den westlichen Zuflüssen des Flinders sind wahre Sicherheitsplätze für die Eingebornen, denn sie enthalten eine Menge Defileen, die von wenigen Eingebornen gegen ein Regiment Soldaten vertheidigt werden könnten. Die Pässe sind von 6- bis 800 Fuss hohen senkrechten Felsen gebildet und an manchen Stellen oben enger als unten. Diese Gegenden sind nicht anders zu durchreisen als in den Rinnen der Wasserläufe; freilich ein Mann ohne Stiefel oder Schuhe könnte wie ein Schwarzer in der einen Schlucht hinauf und in der anderen hinab gehen. Man muss beim Durchreisen eines solchen Landes sehr vorsichtig sein, um nicht von Eingebornen überrascht oder abgeschnitten zu werden, ein grosser Vortheil ist aber, dass es überall vollauf Wasser giebt, wogegen es häufig an Viehfutter mangelt.

,,Seit wir das Dépôt-Lager am Gilliot verlassen, erforschten wir etwa 500 Engl. Meilen neuen Landes, meist längs des Nordabhangs der Küstenberge. Wir kamen dabei über einen Landstrich, der sich unzweifelhaft binnen Kurzem als ein reiches Goldfeld ausweisen wird. Wir fanden zwar kein Gold, aber nach der Beschaffenheit des Bodens zweifle ich nicht im Mindesten an seinem Vorhandensein.

,,Sollte das Nachsuchen in dieser Gegend erfolglos sein, so werden wir sofort die Küstenberge überschreiten und die Nachforschungen an den südlicheren oder Binnen

gewässern, etwa südwestlich gegen den Swan River hin, fortsetzen."

Bald nach dem Niederschreiben dieses unvollendet gebliebenen Briefes ging McIntyre nach dem Dépôt am Gilliot zurück, indem er einen gewissen W. F. Sloman von Burketown als zweiten Chef der Expedition mitnahm. Am 20. Mai war er am Dugald-Fluss (der McKinlay'schen Route) und eilte von hier am 23. allein nach dem etwa 50 Engl. Meilen östlich gelegenen Gilliot voraus, um den Rest der Expedition von dort abzuholen. Sehr erschöpft kam er hier an, erkrankte alsbald in bedenklicher Weise und starb am Morgen des 4. Juni.

Über diesen letzten Theil seiner Reise führte er, wie Sloman berichtet, kein Journal, er traute seinem allerdings ausgezeichneten Gedächtniss und schrieb nur Notizen in sein Feldbuch, die Sloman zusammenstellen will. Dagegen hatte er bis zum Gilliot-Fluss ein vollständiges Feldbuch und ein Journal geführt, alle wichtigeren geographischen Daten aufgezeichnet und die Position der Lagerplätze durch 5 bis 6 Beobachtungen allnächtlich festgestellt. Er war mit Thermometern, Barometern, Sextanten und Kompassen reichlich ausgestattet, man darf daher erwarten, dass seine Routenaufnahmen zur genaueren Niederlegung der von ihm durchschnittenen Routen von Gregory (1858), McKinlay und Burke dienen und sein Nachlass auch ausserdem Werthvolles namentlich über die noch fast ganz unbekannten Höhenverhältnisse enthalten wird.

Sloman berichtete am 7. Juni an das Comité, er befand sich mit 2 Mann, 11 Kameelen, 32 Pferden und ansehnlichem Proviant in der Nähe des Gilliot an einem Wasserplatz und wartete dort auf die Befehle aus Melbourne. Das Comité hatte, wie uns Dr. Ferd. Müller mittheilt, Ende Juli noch keine Entscheidung getroffen, doch schien so viel sicher, dass die Expedition trotz dem neuen Unglück fortgesetzt werden sollte, und es wurde einstweilen an Sloman die Weisung geschickt, sich für weitere Feldoperationen fertig zu halten.

Wir sehen an dieser Expedition von Neuem, mit welchen ungeheuren Schwierigkeiten geographische Erforschungsreisen zu kämpfen haben, welche grosse Opfer sie fordern und in wie wenigen Fällen das vorgesteckte Ziel erreicht wird. Wenn man bedenkt, wie viele Hoffnungen dieser Art jedes Jahr zu Grabe getragen werden, so braucht man sich nicht zu wundern, wenn Muth und Eifer in dieser Richtung erlahmen. In der That lesen wir auch in Englischen Blättern aus Melbourne, wie sich laute Stimmen erheben, die diese und alle ferneren Erforschungen in Australien für unnöthig und verwerflich erklären. Von ihrem, dem rein materiellen Standpunkt aus, von dem

nur immer die nächsten, greifbaren und unmittelbaren materiellen Interessen ins Auge gefasst werden, haben diese Leute Recht, aber es würde traurig um menschliche Bildung und Kultur aussehen, wenn es unter den vielen so Urtheilenden nicht Einzelne gäbe, die anders urtheilen und einem höheren Ziele nachstreben. Wir sind der Ansicht, dass die Erforschung Australiens erst begonnen hat, dass sie unausgesetzt fortschreiten und wenigstens so lange nicht ruhen wird, als es solche erleuchtete und thatkräftige Männer dort

giebt wie Dr. Ferdinand Müller, Direktor des Botanischen Gartens in Melbourne. Anderthalb Jahre lang hat dieser verdiente, unausgesetzt thätige Mann gearbeitet, um diese Expedition zu Stande zu bringen, wie er denn überhaupt eine der hervorragendsten Stellungen in der neueren Erforschungsgeschichte der Australischen Welt einnimmt und es wohl kaum ein grösseres Unternehmen dieser Art während der letzten Decennien giebt, an dem er nicht einen mehr oder weniger thätigen Antheil genommen hätte.

Briefe von Gerhard Rohlfs aus Bilma, Mai und Juni 1866.

Schimmedru in Kauar 1), 23. Mai 1866.

Ich benutze die Gelegenheit eines Mannes, der heute Morgen hier ankam und binnen Kurzem nach Fesan gehen will, um Nachricht von mir zu geben.

Hier bin ich ohne Unfall angekommen, zumal meine eigene Karawane durch die Maina Adem's, Bruders des Sultans von Kauar, verstärkt war. Leider wurde ich aber hier aufgehalten. Anfangs hiess es immer, man müsse Nachricht von Bornu abwarten, die Tuareg seien auf einer Razzia nach Kanem begriffen, dann, man wolle das BairamFest vorüber gehen lassen &c. Der wahre Beweggrund war jedoch nur die Furcht vor den Tuareg, die in der That nach Kanem auf Raub gegangen sind, sich dort aber unmöglich Monate lang halten können. Ich entschloss mich daher gestern, einen Chabehr (Führer) zu miethen, und es gelang mir auch, einen solchen zu finden, doch nur für den unerhörten Preis von 60 Maria-Theresia-Thalern. Nun werde ich übermorgen von hier nach Bornu aufbrechen, wo ich Mitte Juni einzutreffen gedenke, wenn wir glücklich durchkommen.

Der Sultan Maina Abadji von Kauar benahm sich ganz niederträchtig. Im Anfange, ehe er meine Geschenke in Händen hatte, versprach er mir eine Gafla (Karawane) zu verschaffen oder, falls Niemand gehen wolle, mir einen Chabehr zu miethen; dann, als er die Geschenke im Werth von fast 60 Thalern erhalten hatte, vernachlässigte er mich nicht nur gänzlich, sondern erschwerte mir sogar Aufenthalt und Weiterkommen. Als ich ihn daran erinnerte, dass ich einen Firman vom Sultan besässe und ihm überdiess einen Empfehlungsbrief vom Kaimakam von Fesan überbracht hätte, liess er mir erwidern, dass weder der Sultan von

1) Kauar oder Hénderi- Tege ist die von Nord nach Süd etwa 14 Stunden lange Oase auf der Karawanenstrasse zwischen Fesan und Bornu, deren südlichste Landschaft Bilma wegen ihres Salzexportes weit und breit in Afrika berühmt ist. Auf dem Rande ihrer östlichen Umwallung, des Gebirges Mogodom, liegt der Ort Schimmedru, etwa 6 Stunden nördlich von Bilma. A. P.

als

Stambul noch der Kaimakam von Fesan ihm Etwas zu sagen habe. Und doch weiss dieser übermüthige Patron recht gut, dass es jetzt bloss die geordnete Regierung Fesan's ist, die ihn vor den Araber-Razzieh schützt und hindert, dass er selbst oder seine Verwandten, wie es früher vorkam, Sklaven verkauft werden. Sein Bruder Maina Adem ist ein eben so grosser Schuft. Nachdem wir in Fesan seit Monaten über meine Reise nach Tibesti berathen hatten, liess er mir gestern plötzlich sagen, dass, falls ich ihm 100 Thaler geben wolle, er mich von hier sicher nach Tibesti senden könne. Aber abgesehen davon, dass ich schon einen Chabehr nach Bornu gemiethet und bezahlt habe, glaube ich, es war auf eine blosse Gelderpressung abgesehen. Der Sultan selbst, der in Kalála in der Provinz Bilma residirt, hat nur einen Abend Gastfreundschaft geübt, indem er mir ein Gericht Ngafuli von einigen schon abgenagten Kameelknochen sendete; selbst meine Diener konnten das Gericht nicht geniessen, nur der Hund Mursuk profitirte von der Grossmuth Sr. Majestät.

Seit wir den Wendekreis passirt, befinden wir uns nicht nur auf der Karte in der heissen Zone, sondern auch in Wirklichkeit. Das Thermometer steht Nachmittags immer über 50° und Morgens vor Sonnenaufgang meist nicht unter 30°. Das Hygrometer erreicht in der Differenz Morgens meist 15 oder 20°, Mittags und Abends 30° F. Die Barometerschwankungen sind hier wie in der ganzen Sahara äusserst gering. Wie schwächend ein solches Klima nebst den schlechten Lebensmitteln, die man hier wörtlich mit Silber aufwiegen muss, auf uns wirkt, wird man leicht begreifen. So bekam ich in der That in Kalála Blutdiarrhöe und nur der rasche Wegzug nach Schimmedru, das wie alle Orte am Mogodom hoch, also gesunder liegt, heilte mich schnell.

Wie wird es in Bornu aussehen? Entweder geht in diesem Reiche selbst Etwas vor oder der Weg dahin ist in Wirklichkeit durch die Tuareg unterbrochen, denn seit Mo

naten mangeln alle Nachrichten von Süden. Zudem habe ich augenblicklich nur noch drei Diener, da ich zwei hier entlassen musste, und Noël, der kleine Neger, zählt noch nicht. Von diesen Dreien kann ich nur auf meinen eigenen alten Riffi zählen, der selbst wenn ich ihm befehlen wollte, mir den Kauar-Fürsten zu bringen, sich nicht scheuen würde, es auf irgend eine Art möglich zu machen. Mohamed Gatroni, der Diener Barth's, ist mir sehr nützlich als ausgezeichneter Arbeiter und in jeder Beziehung ehrlich, aber eine grosse Memme. Als gestern das Gespräch darauf kam, dass bei einem Angriff von Seiten der Tuareg für uns nur in der Flucht Rettung zu finden sei, meinte er, er würde zuerst davon laufen.

Den 15. Juni.

Mein schon abgeschlossener Miethsvertrag mit dem Führer wurde wieder aufgehoben und so bin ich heute nach fast zwei Monaten noch hier in diesem jämmerlichen Königreich, welches an Grösse vielleicht einem unserer LiliputStaaten in Deutschland gleich kommt, an Einwohnerzahl aber nicht einmal Liechtenstein erreicht. Da es mir indess gelungen ist, zu demselben Preis von 60 Thlr. einen anderen Führer aufzutreiben, will ich morgen alle Briefe nach Anay an Maina Bu Bekr senden, der nächstens nach Fesan geht und diese Briefe dann mitnehmen wird. Ich selbst werde, so Gott will, am 20. d. M. abreisen. Von Bornu sind zwar unbegreiflicher Weise seit 5 Monaten keine Nachrichten gekommen, auch weiss Niemand zu sagen, ob der Weg dahin frei ist, aber ich kann unmöglich länger hier bleiben. Einerseits geht mir die Zeit ganz unnütz verloren, andererseits erschöpft sich mein Geld hier so, als wenn ich mit vier oder fünf Dienern in Paris lebte. Das Ausbleiben der Karawanen von Bornu und Air hat in der That eine Art Hungersnoth hervorgerufen, Weizen ist so theuer, dass für 1 Thaler kaum hinreicht, uns täglich zu ernähren. An Butter und Öl ist nicht zu denken. Meine Leute essen indess Ngafuli mit Weizenmehl gemischt, was etwas billiger kommt; ich selbst konnte mich an Ngafuli nicht gewöhnen.

Einen unangenehmeren Aufenthalt als Kauar giebt es wohl auf der ganzen Erde nicht: eine Hitze, dass man fortwährend in einem Türkischen Bade zu sein glaubt, und dabei stets mit Staub geschwängerter Wind, denn von welcher Richtung derselbe auch kommen mag, immer streift er über Dünen losen Sandes. Dazu ist die Bevölkerung keineswegs zuvorkommend und liebenswürdig gegen Fremde, zumal gegen Christen. Habsüchtig, geldgierig, ausgehungert, fanatisch, so weit ihre grenzenlose Dummheit es erlaubt, haben sie dagegen nur Eine gute Eigenschaft, dass sie nämlich nicht so schmutzig sind wie die Araber, Berber und Tuareg, die mit ihnen die grosse Wüste bewohnen. Ich freue mich wirklich immer über die reinlichen Häuser der Tebu und

auch am Körper sind sie viel reinlicher als alle anderen Wüstenbewohner.

Ich habe eine entsetzliche Zeit hier durchgemacht, es kam mir manchmal der Gedanke, nach Tripoli umzukehren und dann über Kairo auf dem Nil ins Innere einzudringen; aber bei dem Gedanken, dass ich voriges Jahr von Rhadames umkehren musste und nun dieses Jahr nicht über Bilma hinauskommen sollte, harrte ich aus, nach vielem Suchen trieb ich einen Führer auf und in einigen Tagen werde ich nach Bornu abreisen, ohne andere Gefährten als den Führer, meine drei Diener, den kleinen Neger, den Hund Mursuk und vier Kameele. Obgleich über hundert Leute hier sind, die nach Bornu wollen, verlässt doch keine Karawane das Land, bevor Nachrichten von Kuka eintreffen.

Der Araberhund Mursuk hatte sich im Dendal Galadima oder der Promenade des Ministers') die Füsse verbrannt, da ich vergessen hatte, ihm wie früher zum Schutz gegen den heissen Boden Sandalen anzulegen. Er bestieg daher eins der Kameele bis zur Ankunft in Kauar. Jetzt wieder ganz hergestellt, ist er zwar den Tag über wegen der grossen Hitze zu Allem unfähig, aber Nachts versieht er als fleissiger Wächter treu sein Amt und die Teda nennen ihn nur Bultu oder Hyäne.

Wir haben immer 40 Schüsse in Bereitschaft, guter Muth und Gesundheit beleben mich und so denke ich, bald von den blauen Gestaden des Tsad schreiben zu können, denn wenn wir dort ankommen (Mitte Juli), wird er wohl schon seine sumpfige Natur verloren und sich in einen wirklichen See verwandelt haben. Dort werden meine Augen auf dem saftigen Grün der äquatorialen Pflanzen ausruhen, denn wenn hier in den Oasen auch üppige Vegetation vorkommt, so ist dieselbe doch immer mit einer grauen Staubdecke überzogen.

Von Bornu aus werde ich auch schreiben, ob ich nach Wadai oder nach Süden vordringen kann.

Der lange Aufenthalt in Kauar hat wenigstens das Gute gehabt, dass ich genaue Erkundigungen über mehrere Wege einziehen, namentlich aber nach den Aussagen mehrerer Teda ein ziemlich getreues Bild von Teda-Tu, Tu oder Tibesti entwerfen konnte. Auch den Weg von Fesan bis Kauar habe ich zu croquiren nicht unterlassen und Sie werden finden, dass, trotzdem Denham, Clapperton, Lyon (theilweis), Vogel, Barth und v. Beurmann diese Strasse nahmen, noch Manches zu ändern und nachzutragen war, was wohl daher kommt, dass alle diese Herren die Wüste so schnell als möglich zu passiren trachteten oder

1) Ein öder Landstrich südlich von Tedjerri, den der Weg von Mursuk nach Bilma überschreitet. Siehe Petermann und Hassenstein Inner-Afrika, Bl. 1.

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