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cher Abkunst. Ueberdies hatte Frankreich bisher die Absich ten des Kurfürsten wenigstens öffentlich mehr unterstúkt als gehindert, folglich den Argwohn von sich entfernt. Unterdessen, wenn nun einmal Argwohn Raum finden soll, so neigt sich die Wahrscheinlichkeit mehr gegen Frankreich, wel= ches die osterreichische Parthey in Spanien weit zurückge= drångt hatte und den kleinen Prinzen als das wichtigste Hinderniß bey seinen, nun schon auf den Besiz des Ganzen ausgedehnten Erwartungen betrachten mußte. Was konnte den jungen Prinzen hindern, wenn er einst als Monarch von Spanien die Bedingungen, welche der Vater im Namen des Unmündigen unterschrieben hatte, für ungültig erklärte und Anspruch auf die abgerissenen Theile machte? - Das Mittel heimlicher Ermordung hatte Frankreich auch gegen König Wilhelm, obwohl vergeblich, angewendet. Die Leichtigkeit der Ausführung an dem Hofe zu Brüssel, wo so viele Fran= zosen lebten und mit Vorliebe behandelt wurden, unterstützt den Gedanken. Doch auch von dieser Seite ist es Unbilligkeit, bey dem völligen Mangel an Beweisen, sich der bloßen Muthmaßung dahin zu geben. Saß ausbrechender Blatterstoff in dem Innern des Prinzen, so hat man nicht Ursache, die Muthmaßungen über seinen Tod anderweitig herbeyzuziehen.

Verschwunden sind Bayerns große Erwartungen; Desterreich erhielt durch den Tod des Prinzen einen neuen Anhaltungspunkt, den dritten Faden, an welchen es seine von nun an unstreitig richtigen Ansprüche knupfen konnte. K. Leo= pold war nicht bloß der Gatte einer spanischen Prinzessin, auf deren Erben der Besitz Spaniens übergehen sollte; er war zugleich der Sohn der spanischen Prinzessin Maria Anna, einer Tochter K. Philipps III. Da nun Frankreich durch seyerliche Entsagung sich seines Rechts begeben hatte, und mit dem Prinzen Joseph Ferdinand der nähere Erbe ge= storben war, so ist nun Leopold auch von weiblicher Seite der nächste naturliche Erbe; er ist es überdies durch das Testament K. Philipps IV., welches ihm die Nachfolge zusicherte, in dem Falle, daß seine an K. Leopold verheirathete Tochter Margaretha Theresia oder ihre Erben aussterben souten.

Dieser Fall war nun vorhanden, und mit ihm das völlig ges gründete Recht Desterreichs; aber von diesem Rechte ist nun schon weit weniger am spanischen Hofe die Rede, als von dem Gewichte der einzelnen Partheyen, und da war Frankreich beträchtlich überwiegend geworden; der einzige König hielt sich an sein Gewissen, welches ihm sagte, daß nach dem Absterben des bayerischen Prinzen Desterreich die zuverlässig sten Anspruche habe; doch auch in diesem Punkte wußte endlich der Cardinal Portocarrero den seinem Ende sich nahenden König eines Andern zu belehren.

Um den allgemeinen Krieg zu verhuten, welcher, aller Vorsichtsmaaßregeln ungeachtet, denn nun doch in der Folge ausgebrochen ist, vereinigten sich die Seemachte mit K. Ludwig XIV. zu einem zweyten Theilungstraktate, durch wel- 1700 chen Kaiser Leopolds nachgeborner Prinz Karl an die Stelle 3.Marz Joseph Ferdinands als Erbe des spanischen Throns treten, Frankreich aber durch neuen Zuwachs an Besizungen noch reichlicher soute begabt werden. Für Bayerns Geschichte hat dieser Vertrag nur durch den Umstand Bedeutung, daß in demselben der Kurfürst Maximilian Emanuel ganz mit Still schweigen übergangen wird. In den frühern hatte man ihn bey dem unbeerbten Tode seines Sohns als Nachfolger in der Monarchie erklärt, und nun erhält er nicht einmal die Bu= sicherung der Niederlande. Ursache sind wahrscheinlich die Holländer. Schon vor dem ersten Entwurse der Theilung sollte er als Herr der Niederlande anerkannt werden, Holland fand aber seine Macht nicht hinreichend, um als Vormauer gegen Frankreichs immer lebendige Vorschritte zu dies nen *); und dieser Fall trat nun abermals ein. Daher suchte der Kurfurst durch andere Wege sich in seinem rechtmas ßigen Besize zu erhalten. Berechnungen gab er ein von den in den Niederlanden zu Spaniens Dienste verwendeten vier Millionen Thalern; 500000 Kronen forderte er als vers sprochenes, aber nie gezahltes Heirathsgut seiner Gemahlin Mutter, auf welches ihn Desterreich vertröstet hatte; im Ganzen Forderungen, deren Zahlung Spanien in seiner ges

a) Mém, de Torcy, T. I. p. 31.

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genwärtigen Lage nur durch die vollige Abtretung des Lan= des leisten konnte. Seine Anspruche waren vielleicht als gültig erkannt worden, aber K. Karl II. wird mit jedem Tage schwacher, unterzeichnet sein lektes Testament zu Gunsten 1700 Frankreichs und stirbt.

Aller seiner Erwartungen sieht sich Max Emanuel beraubt, wie er argwohnte, durch Desterreich beraubt; sein ganzes späteres Benehmen gewinnt dadurch leidenschaftlichen, nicht durch hinreichende Ueberlegung gemäßigten Anstrich; seine Rathschläge führten zum Verderben. Daß Frankreich den Funken anzufachen strebte, versteht sich von selbst. Geheime und öffentliche Unterhandler am Hofe zu Brüssel bez wachten von nun an jede Handlung, jedes Wort des Fürsten, um es zu ihrem Vortheile zu benuken. Mündliche Versprechungen wurden gemacht ohne Zahl, nicht bloß von der Abtretung der Niederlande, nicht nur von großen Geldsummen, sondern die Aussicht hielt man ihm hin zur Besteigung des Kaiserthrons nach Leopolds Tode oder Absekung, zum Besize von Franken und Schwaben, um die neue Würde mit Ansehen behaupten zu können; noch weit mehr würde ihm Frankreichs machtige Hand ertheilen. Der leidenschaft= liche Prinz ließ sich locken; den neuen König von Spanien Philipp V. erkennt er sogleich als rechtmäßigen Besizer des Throns, die niederländischen Festungen liefert er unvermuthet in Frankreichs Hånde, und zur nähern Verabredung reiset er selbst, als Jäger verkleidet, nach dem Hofe von Ver= sailles. Den geheimen schriftlichen Vertrag kennen wir durch einen der bey dem Geschäfte angewendeten Unterhandler). Er enthielt außer den schon angeführten Punkten, daß der Kurfürst an seiner Stelle den Marquis von Bedmar in den Niederlanden lassen, seinen Bruder den Kurfürsten von Köln durch das Versprechen großer Subsidien und kraftiger Unterstúkung gegen sein widerspånstiges Domkapitel für Frankreich gewinnen sollte; daß er sogleich nach Deutschland zurückkehre, Anhang unter den deutschen Fürsten werbe, unter dem Vorwande, den Reichsfrieden zu erhalten; daß

1. Nov.

a) Mém. du Marquis D**. T. I. p. 295.

er einwillige, eine französische Armee in das Innere seiner Länder aufzunehmen und gemeinschaftlich bey den Unternehmungen mitzuwirken. Alle Kosten des Aufwands versprach dagegen Frankreich auf sich zu nehmen und in dem Falle unglücklicher Ereignisse ohne Zuziehung und ohne volle Entscha digung des Kurfürsten keinen Frieden zu schließen. Das dringende Bedürfniß des Geldes wirkte vorzuglich auf die Eins willigung des Kurfürsten, denn er hatte Schulden in Menge, und sein Kurhut nebst vielen Kleinodien des bayerischen Schahes war bey den Holländern verseht.

Eilig verläßt daher Maximilian Emanuel die Niederlande 1701 nach einem Aufenthalte von neun Jahren, auf der Rückreise 22. Mårz. gewinnt er vollends seinen Bruder Joseph Clemens für die franzosische Parthey, und seine ersten Handlungen bey der Rückkunst nach Munchen streben auf die Ergänzung und Vermehrung der bayerischen Kriegsmacht; sechs neue Regi. menter wurden errichtet, die Stärke der Armee überstieg nun schon 18000 Mann. Das deutsche Reich billigte für jekt noch seine Anstrengungen, weil ein großer Theil der Fürsten wegen der Religionsklausel im Ryswicker Frieden und wegen der neuen hannoverischen Kur mit dem Kaiser unzufrieden war und mit Recht den Erbfolgekrieg als eine für das Reich fremde Sache betrachtete. Gleich anfangs schlossen daher 1701 Franken und Schwaben auf Bayerns lebhaften Betrieb ein6. May. Neutralitätsbündniß, welchem im nächsten Jahre auch die übrigen vorliegenden Kreise beytraten. Für Frankreich war dadurch viel gewonnen, weil es gegen Desterreich keine Armee am Oberrheine auszustellen brauchte; im Grunde auch am Niederrheine nicht, weil der Kurfürst von Köln nicht nur mit Widerspruch seiner Stånde Truppen warb, sondern auch bald französische Besakungen in seine Rheinfestungen aufnahm. Alle Anstrengung des Kaisers zum unmittelbaren Angriffe gegen Frankreich wurde auf dieser Seite gelähmt; er mußte noch Vergeres erwarten, wenn im Fortgange des Kriegs der Kurfürst sich für die Gegenparthey erklärte, das unbewachte Desterreich in seinem Innern angriff und den im neuen Aufstande begriffenen Ungarn die Hand reichte.

Diese für jekt noch im Dunkel drohenden Gefahren wenMannert, Bayer. Gesch. Bd. II.

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dete K. Leopold durch das gewohnliche Mittel ab; die meisten Fürsten des Reichs wußte er allmåhlich einzeln zur Theil-nahme an seiner Erbschaftssache zu gewinnen; der Beschluß eines Reichskriegs gegen Frankreich wurde endlich gefaßt, die bisherigen Rüstungen zur Behauptung der Neutralitat er= wuchsen zu Rústungen für Desterreich, an der Spike der Truppen sekte sich sogleich der römische König Joseph I. in Bewegung zur Belagerung der wichtigen Festung Landau.

Drey und zwanzigstes Kapitel.

Der Kurfürst Maximilian Emanuel erklärt sich für Frankreich. Das Treffen bey Hochstadt. Bayern in den Hånden der Desterreicher.

Da blieb nun freylich für den Kurfursten Maximilian Emanuel keine andere Wahl übrig, als entweder mit dem Strome zu schwimmen und des Kaisers Bundesgenoß zu werden, oder sich öffentlich für Frankreich zu erklären. Er wählte das lektere durch eine auffallende Handlung. Unter dem Namen eines Lustlagers hatte er seine gesammte regelmäßige Armee auf dem Lechfelde nicht fern von Augsburg versammelt. Ein Theil derselben ging zurück in die Standquartiere, ein ande= rer aber blieb noch ferner in der Nähe; diesen wendete er an zum Ueberfalle der Reichsstadt und Festung Ulm. Unbe merkt rückten einzelne Abtheilungen vor, Officiere verkleidet als Bauern, welche Gemüse durch das Gansethor in die Stadt bringen wollten, bemächtigten sich leicht der aus invaliden Bürgern bestehenden Wache; die Stellung wurde so lange behauptet, bis die im nahen Gebusche versteckten Soldaten zur Unterstúkung herbeyeilten. Zwar stellte sich beym entstandenen Lärme die kleine Besakung von 200 Mann auf, es stellten sich auf die Bürgerkompagnieen nach alter reichsstädtischer Einrichtung, aber die Zahl der immer wachsenden bayerischen Truppen war nun schon übermächtig, an Wider

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