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Punkten. Wie ein hülsenartiger Staub werden sie angeweht und sehen sich fest an die offnen Fleischtheile des Körpers, eine unangenehme Empfindung hervorbringend, ehe man weiß, wo diese herrührt. Auf die Dauer wird sie zur unertråg lichen Quaal, der selbst Lappische Geduld nicht mehr zu widerstehen vermag, und die Seuchen, welche zuweilen die Rennthierheerden befallen, schreibt man ebenfalls diesem Ungeziefer der Lüfte zu.

Schon verzweifelten wir, das Ziel unserer Reise zu erreichen; vergeblich streckten unsere Führer die Hålse aus, und vergeblich zeigten sie uns Stellen, wo einst Lappen gelagert hatten. Ein Rennthierschlitten, den wir unter einem Schuppendach im Walde gesehn, gab uns noch keine Gewißheit, seine Eigenthümer zu finden, die ihn hier während des Sommers geborgen hatten. Auch eine verlassene Hütte, das heißt kegelförmig an einander gebundene Birkenståm: me, sprachen nur vom ehemaligen Dasein des Völkchens. Plößlich aber jauchzte unser Vorders mann auf. Es regte sich an der braunen Bergwand, zwei Rennthiere wurden sichtbar, und wenn sie auch sogleich verschwanden, mußten ihre Hir: ten doch nahe sein. Das bewaffnete Auge suchte

längs der fernen Bergwånde, und plößlich stieg dicht vor uns am Rande des See's eine Rauch: såule empor und wenige hundert Schritte ents fernt lag das Ziel unserer nordischen Reise, eine Lappenhütte.

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Zweites Kapitel.

Die Rennthiere. Die Lappenfamilie. Ihre Hütte. Romans tische Siuationen. Sampsons Ragout. Rennthiermilch. Regen und Rauch. Die Lavpendame. Schäße des Volks aus grauem Alterthume. Branntwein, Geschichte und Poes fie? Wildes umherschweifen, ihre Prediger, ihre Todten. Abschied.

Wir nahten zu einer günstigen Stunde. Zweis

mal des Tages wird an den Hütten gemolken und aus allen Schluchten, von allen Höhen stürzten in dem Augenblicke schöne Thiere pfeil: schnell in anmuthigen Såßen an uns vorüber nach dem Seeufer, wo der Lappe auf einer Land: zunge seine Heerden sammelt, um sie beim Mels ken besser in Obacht und Gewalt zu haben. Ein wahrhaft feenartiger Anblick, wie die Wüste, die wir mehrere Tage lang nur als den Siß der uralten Einsamkeit kennen gelernt, sich pldßlich belebte und das schönste und edelste Thier der

wilden Schöpfung in Rudeln von hundert und aber hundert dahin schoß über das braune Bergmoos. Denn den Hirsch erkennt man auf den ersten Anblick in dem Rennthier; schlank, feurig, behende, wie der Fürst unserer Hochforsten, er scheint es in seinen eleganten Bewegungen beim Galoppiren. Erst wenn man die. Thiere einzeln und in der Ruhe betrachtet, tritt der Unterschied heraus. Die Geweihe sind mächtiger. Die Körper nicht so schlank, ein struppiger nordischer Pelz deckt die stärkeren Leiber. Auch will Man: cher in ihm ein trauriges Thier und den Trubs. finn des Nordens erblicken. Wir lernten sie nur in der muthwilligen Lust ihrer Freiheit kennen.

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Die vielen hundert Köpfe von Jung und Alt, zusammengedrångt auf der kleinen Landspike, bildeten einen schönen beweglichen Wald mit ih ren Geweihen, von den zierlichen der Kälber an bis zu den unförmlichen und für die Eigner sehr unbequemen der ausgewachsenen Thiere. Die Geweihe der größeren Hälfte waren noch mit feinem braunem Sammet ihrer Frühlingsnatur überzogen, andere waren im blutigen Prozeß be: griffen, während auf den Köpfen der älteren Thiere die Hörner schon in fürchterlicher Nackt

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heit prangten. Es schien nicht gefahrlos, sich: einen Weg zu brechen durch das dichte Gedränge. dieser bewaffneten Schaaren. Ein kräftiger Stoß der zackigen Hörner in den Leib hätte jez den weiteren Versuch unmöglich gemacht, doch unser Französischer Reisegefährte, vertraut mit ih; rem Wesen vom Stockholmer Park her, brach die Bahn, indem er die Thiere wenig sanft an ihren Geweihen bei Seite schob, oder allenfalls selbst mit ihnen spielte, indem er beide Geweihs spißen mit den Hånden so fest hielt, daß sie den Kopf nicht bewegen konnten. Die Dreistigkeit imponirte auch hier, und freigeworden kehrte sich keines der Thiere gegen den muthwilligen Peiniger, sondern fing lieber einen, wenn auch nicht Halsbrechenden, doch Geweihbrechenden Kampf mit einem seines Gleichen an. Dies Spiel kam häufig vor, indem gewöhnlich die ausgewachsens sten und stårksten Thiere herausfordernd sich such; ten, die Köpfe zur Erde beugten, mit ihren über. ellenlangen Geweihen sich faßten und nun die Kraft des Stärkeren probirten, daß die Geweihe krachten und der Untergang beider, fest durch ihre Verschlingung an eine Stellung gefesselter, Thiere gewiß schien. Die Lappen sahen aber

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