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Doch' hab ich hier zwei gute Flügel.
Hoch über Land und Meer und Hügel
Schwing ich mich auf, beseh' die Welt,
Und welches Land mir dann gefållt,
Nach diesem steuert mein Gefieder.
Wenn ich es will, laß ich mich nieder,
Find' aller Orten meinen Herd,
Und esse, was mein Herz begehrt;
Da du hingegen stets im Wust
Auf deinem Hofe bleiben mußt,
Und wenn du dich zum Flug ermannst,
Kaum auf die Scheuer fliegen kannst ;
Drum sieh mich so gering nicht an!

Nicht immer macht das Kleid den Mann !”

9. Die Schnecke und die Frösche. Ein großer Haufen Frösche saß

An einem Teich, im grünen Gras;

Sie machten sich mit Hüpfen, Springen,

Mit Schwimmen, Quacken, Schreien, Singen

Sehr lustig. Eine Schnecke sah

Dies voller Neid, und sprach: „Ja, ja !

Das glaub' ich wohl, ihr habt gut lachen,
und könnt euch hier wohl lustig machen!
Ihr habt vier schöne, lange Beine,
Damit springt ihr von Rain zu Raine;
Doch ich, ich unglückselig Thier,
Ich krieche stets im Staube hier,
Und schleppe noch von Ort zu Ort
Mein Haus, wie einen Buckel fort."
Indem ließ sich der Storch hernieder ;
Den Fröschen bebten alle Glieder ;

Er stach und fraß in sie hinein,

Und schluckte hinter Groß und Klein.

,,Ei,“ sprach die Schnecke nun voll Muth,

"Ich seh', mein Buckel ist ganz gut;

Den will ich künftig lieber tragen,

Als so mein Leben stets zu wagen.“

10. Der Hån fling.

Ein Hånfling, den der erste Flug
Aus seiner Eltern Neste trug,
Hub an, die Wålder zu beschauen,
und kriegte Lust, sich anzubauen ;
Ein edler Trieb; denn eigner Herd
Ist, sagt das Sprichwort, Goldes werth.

Die stolze Gluth der jungen Brust
Macht ihm zu einem Eichbaum Lust.

,, Hier wohn' ich,” sprach er,,, wie ein König, Dergleichen Nefter giebt es wenig.“

Kaum stand das Nest, so ward's verheert,
und durch den Donnerstrahl verzehrt.

Es war ein Glück bei der Gefahr,
Daß unser Hånfling auswärts war ;
Er kam, nachdem es ausgewittert,
Und fand die Eiche halb zersplittert.
Da sah er mit Bestürzung ein,
Er könnte hier nicht sicher sein.

Mit umgekehrtem Eigensinn
Begab er sich zur Erde hin,
Und baut in niedriges Gestråuche,

So scheu macht ihn der Fall der Eiche.

"

Doch Staub und Würmer zwangen ihn,
Zum andern Mal davon zu ziehn.

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Vergnügte Tage findet man,
Woferne man sie finden kann,

Nicht auf dem Thron und nicht in Hütten;
Kannst du vom Himmel es erbitten,

So sei dein eigner Herr und Knecht,

Dies bleibt des Mittelstandes Recht.

11.-Die Sonne und die Thiere.

O Sonne, scheine nicht so heiß!

Ich muß vor Mattigkeit und Schweiß

Bei meiner Arbeit hier erliegen !//

So rief der Esel.-,, Dank für deinen Schein,

Sonne !" rief die Schlange.

Leg' ich mich stundenlang hinein."

,,Mit Vergnügen

-Die Eule schrie:,, Verschone mein Gesicht

Mit deinem mir verhaßten Licht,

O Sonne! Kann ich doch kein Schlupfloch finden,

Wohin dein Strahl nicht dringt! Ich werde noch erblinden !"

-Wohlthät'ge Sonne, sei mir lange noch geneigt!"

Hub eine Feldmaus an. ,,Es reifen meine Wehren ;

Vollauf kann ich mich wieder nåhren !//

-Die Sonne hört es an, scheint fort und—schweigt.

12. Die Vorsicht.

Ein junges, muthiges Roß,
Dem Arbeit nicht so wohl gefiel,
Als Freiheit, Müssiggang und Spiel,
Riß sich von seinem Joche los,
Und floh davon auf grüne Weiden;
O, welche Freuden!

Der Lenz und Sommer strich
In frohem Müssiggange hin;

Ihm kam die Zukunft nicht in Sinn;
Es lebte jegt und freute sich;
Allein der Winter nahm die Freuden
Den grünen Weiden.

Die Wiesen wurden leer;

In Lüften stürmt ein rauher Nord;
Das Pferdchen floh von Ort zu Ort,
und fand kein Dach, kein Futter mehr;
Jest warf es ångstlich seine Blicke
Auf sich zurücke.

Ich Thor!" rief es,,,ach! ach!
Hått' ich die kurze schöne Zeit

Das Bischen Arbeit nicht gescheut, —

Jegt hått' ich Hafer, Heu und Dach. Wie schändlich! für so kurze Freuden So lang' zu leiden! //

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Dieses war das Klagelied

Einer Mücke, und sie flieht

In den nächsten Stall.

,,Fier drinnen

Sind nicht solche Mörderinnen! //

Doch, weldy schreckliche Gefahr Nimmt sie hier von neuem wahr ! Ueberall sieht sie an Mauern

Spinnen in Geweben lauern.

Wie viel schlimmer!,, doch warum,“ Rief sie,,, bin ich denn so dumm? Offen steh'n mir ja Palåste ;

Da vertilgt man solche Gåste."

Kaum gedacht und auch geschehn. Sie flog in ein Schloß.,, Wie schön Sorgenlos darf ich hier leben,

Nicht vor Schwalb' und Spinne beben."

Sieh, der Abend kommt heran.

Man steckt zwanzig Lichter an.

Welch ein Schimmer! Welch Vergnügen,

Wie am Tag umher zu fliegen!

Uber ach! was sie bedroht, Was sie ångstlich floh, den Tod, Fand sie hier; von Lust bethöret,

Ward sie schnell zu Staub verzehret.

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