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Daseins ihr erstes Concert angekündigt hatte, und da Schreiber dieses kaum in Berlin dem heißen Juli: Enthusïasmus für ihren Gesang und den einer Sontag, Schechner, Heinefetter entgangen war, wollte er die im kalten Hauch Lappländischer Moråste wiedergewonnene Ges sundheit nicht sogleich zum zweiten Male preis: geben in den Russischen Dampfbådern, zu wels chen hier übrigens die gekrönte Sångerin nicht das Opernhaus, sondern die geråumigste Kirche eingerichtet hatte.

Neuntes Kapitel

Ja fo!" Hamlet. Conversations: Stücke auf dem Stocks holmer Theater. Opern und Musik. Stockholm's äußere Erscheinung. Södre, die Mosebacke. Die enge Insel stadt, die Quais, Statuen. Das Schloß. Das Ritter. haus. Nordre. Der Thiergarten. Darwik. Drottning: holm. Sammlungen. Sergel.

Mit dem Worte „Ja so" kommt man durch ganz Schweden und Norwegen; es ist der Grund: ton der scandinavischen Sprache. Die Bedeu tung ist wie bei uns, die Kunst liegt aber in der Betonung. Damit reicht man nicht aus, daß man es bald als Jambus, bald als Trochåus, oder als Spondåus, oder gar wie zwei Kürzen ausspricht. Diese Füße variiren in sich vielfältig, wer sie aber inne hat, kann mit dem einzi: gen „Ja so!" eine vollständige Conversation führen, er kann auf alle Fragen seine Meinung åußern; denn außer anderm ist es Komma, Se

mikolon, Kolon, Punktum, Frage: und Ausru fungszeichen. Einiges Mienenspiel gehört frei: lich dazu; die Accentuation ist aber doch die Hauptsache. Daß man, wie Einige meinen, mit dem Worte: Gott bewas," Gott bewahre, welches aber in Schweden keine negirende, son: dern eine affirmative Betheurung ist, dasselbe ausrichten könne, bestreite ich.

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Auch die Schauspielerkunst beruht darauf, indem in dem Wörtchen die ganze Tonlehre des Schweden enthalten ist. In der Sprache des Lebens accentuirt er jede Sylbe, auf dem Theater noch stärker. Ich sah ein Trauerspiel, ich sah. ein Conversationsstück: Mienenspiel, Gesten, die ganze Declamation, im Affect, in der Ruhe, er: innerte an das Steigen und Fallen im Worte Ja so. Doch entsteht daraus nichts weniger als ein singender Ton; im Gegentheil unter: scheidet sich dadurch die Schwedische Sprache von der Dänischen, welche schon in den süd: lichen Provinzen beginnt, daß lehtere ein ununterbrochenes melodiöses Schwingen der Töne ist. Eine herbe Kraft klingt durch den monoto: nen Worthall der Schwedischen hindurch, und selbst Ausländern, die sich eine Weile in das

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Schwedische hineingedacht und gebildet haben, kommt die Dänische singende Aussprache dagegen wie unnatürlich vor. Ein äußerst gebildeter Mann, unbefangen von Nationalvorurtheilen, meinte, einen einzigen Dänischen Schriftsteller höre der Schwede gern Dänisch vorlesen Holberg. Das Komische gewinne in dieser Aussprache eine unwiderstehliche Kraft.

Als Schriftsprache ist das Schwedische nichts weniger als unmelodids. Man sehe die Volks: lieder, man spreche z. B. laut einige Verse aus dem berühmten Gefängnißliede Erich's XIV., man recitire einige Stanzen aus der Frithiofsaga. Aber die Kunst, die Sprache auch im Vortrage zu einer melodidsen zu machen, ist wohl noch nicht ausgebildet. Wie lange galt auch die Deuts sche für eine Barbarische, bis sie neuerdings im gebildeten Vortrage Zauberlaute entfaltet, die bei nordischer Konsonantenkraft mit dem Vocals Reichthum südlicher Sprachen in die Schranken treten können. Die dramatischen Vorlesungen Tieck's, Schall's und Holtei's mögen immer mehr dahin wirken und wecken. Die Schau: spielkunst hat das Ihrige gethan, aber sie hat

noch lange nicht genug gethan. Doch in Schwes den muß sie erst beginnen.

Dies scharf zerhackende Accentuiren tritt zumeist, den Wohllaut störend, in der Tragödie heraus. Es ist der Rest des tragischen Pathos aus der Französisch: classischen Zeit. Man arbeis tet sich ab und kommt zu keinem Ziele, weil man kein Ziel kennt. Mein Glücksstern wollte, daß man den Hamlet gab. Mit ziemlicher Erinne: rung an das Original konnte ich die lückenhafte Verständniß der Sprache ausfüllen. Shakspeare håtte sich, dünkt mich, im Grabe umwenden müssen, obgleich er deshalb wohl nicht nöthig gehabt, bis Stockholm zu kommen, und neben dem Verfehlten und Mißverstandenen auch man: ches Gute war. Allein der grellste Abstich zwi: schen pathetischer Declamation und trivialem Conversationstone zerstörte die Poesie, welche der Schwedische Bearbeiter sonst so ziemlich dem Stücke gelassen hatte. Das Streichen und Zu: sammenziehen war mit Maaß erfolgt; der Be arbeiter mochte dabei den Schröderschen Deut: schen Hamlet zur Hand gehabt haben. Doch stirbt der Held, die allgemeine Blutscene am Ende findet statt, wogegen Fortinbras fortbleibt,

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