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Zweiter Theil. II. Abth.

Literatur und Kunst.

(Fortsekung.)

Vier und zwanzigstes Capitel.

Die Weihe der Kraft. Attila. Die Schöne des Thas les.. Das Kreuz an der Ostsee. Der vier und zwanzigste Februar, von Werner.

Seitdem Schiller todt ist, und Göthe nicht mehr für das Theater schreibt, ist Werner unter den drás matischen Schriftstellern Deutschlands der erste; keiner hat mehr als er über die Tragödie den Reiz und die Würde der lyrischen Poesie verbreitet; was ihn aber als Dichter so bewundernswerth macht, schadet dem Erfolge seiner Stücke auf der Bühne. Diese Stücke, von vorzüglicher Schönheit, so lange man nur Lieder, Oden, religiöse und philosophis sche Sentenzen darin sucht, können dem Ladel nicht entgehen, sobald man sie als darzustellende Dras men beurtheilt. Ich will damit nicht gesagt haben, daß es Wernern an Talent für die Bühne fehle, daß er die theatralischen Wirkungen nicht besser v. Staël Deutschland II.

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inne habe, als die mehresten deutschen Schriftsteller; nur sollte man glauben, er wolle mit Hülfe ter dramatischen Kunst ein mystisches System von Religion und Liebe fortpflanzen, und seine Tragödien sind das Mittel, dessen er sich bedient, nicht der Zweck, den er sich vorstellt.

Die Weihe der Kraft, in dieser geheimen Abficht geschrieben, hat gleichwohl auf der Berlinischen Bühne den größten Erfolg gehabt. Die Refors mation ist für die ganze Welt, und besonders für Deutschland, die Wiege derselben, von der höchsten Wichtigkeit. Luther, mit seinem kühnen, kaltherois schen Charakter, macht den tiefsten Eindruck, zus mal in Låndern, wo das Denken die ganze Eris stenz ausmacht; kein Gegenstand war so geeignet, als dieser, die Aufmerksamkeit der Deutschen auf sich zu ziehn.

Alles, was den Einfluß der neuen Meinungen auf die Gemüther schildert, ist in Werners Weihe der Kraft vorzüglich ausgedrückt. Das Stück hebt mit der Darstellung der Bergwerke von Sachsen, ohns weit Wittenberg, an, wo Luther seinen Wohnsit hatte; der Gesang der Bergleute bemeistert fich der Einbildungskraft; der Endgedanke dieses Ges fangs ist immer ein Aufruf an die äußere Erde, an die freie Luft, an die Sonne. Diese Månner aus der gemeinen Volksklasse sind schon von Luthers Lehre ergriffen, und unterhalten sich über ihn und die Reformation; in ihren finstern, unterirdischen Gången beschäftigen sie sich mit der Freiheit des Gewissens, mit der Untersuchung der Wahrheit, mit dem neuen Tageslichte, welches durch die Nacht. der Unwissenheit dringen soll.

Im zweiten Act, öffnen die Abgeordneten des Churfürsten von Sachsen den Nonnen die Thür ihrer Kldster. Diese Scene, welche leicht hätte

komisch ausfallen können, wird von Werner mit einer rührenden Feierlichkeit behandelt. Werner umfaßt mit seinem Gemüth alle christlichen Gots tesdienste; er begreift die edle Einfalt des Pros testantismus, weiß aber auch zu unterscheiden, wie streng und heilig die Gelübde am Fuße des Kreus zes sind. Die Aebtissin durchdringt in dem Augenblick, wo sie den Schleier ablegt, der ihre schwarzen Haare in der Jugend verhüllte, und jetzt ihr graues Haar im Alter bedeckt, ein eben so rüh, rendes als natürliches Gefühl; Schauder ergreift fie; harmonische Verse, rein wie die klösterliche Ab, geschiedenheit, drücken ihre Rührung aus.

Unter diesen Klosterfrauen befindet sich die Jungs frau, die sich einst mit Luthern verbinden soll, und gegenwärtig, mehr als alle, dem Einflusse seiner neuen Lehre Widerstand leistet.

Unter die Hauptschönheiten dieses Acts, muß man das Gemälde zählen, welches Werner von Carl dem Fünften entwirft, von ihm, der aus Sättigung der Herrschaft der Welt entfagte. Ein fächsischer Ritter in seinen Diensten schildert ihn mit folgenden Worten.

In seinem Riesenbusen wohnt fein Herz,

Nicht tönt in ihm der Gottheit Anklang wieder,
Den Donnerton der Kraft vernimmt er nur,
Doch kann er nicht durch Liebe ihn vergöttern.
Ein Gott an Kraft, ein Teufel an Begier.
Schon jeder sah in ihm den jungen Adler,
Der stark und frech genug, den ganzen Erdball
Su fassen und zum Futter zu verschlingen.

Diese wenigen Worte sind hinreichend, Carl den Fünften würdig anzudeuten. Uebrigens war es leichter, diesen großen Mann zu malen, als ihn redend einzuführen.

Luther traut dem Versprechen des Kaisers, ohngeachtet hundert Jahre vorher, auf der Kirchen15 *

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