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die göttliche Sendung Christi und seine Auferstehung zu glauben anfängt, anderntheils, weil er sich damit tröstet, daß alle Schuld nur auf den Juden laste.

Hier schließt der erste Theil des Schauspiels. Da zulezt Pilatus wie ein König und Lehensherr auftritt und die Wächter ohnehin Ritter genannt werden, so liegt deutlich die Absicht vor, im ersten Theile des Stückes zu zeigen, wie die Mächtigen der Erde durch die Auferstehung zu Schanden geworden. Der zweite Theil kann also nach dem Parallelismus des religiösen Schauspiels nur die Darstellung enthalten, wie die Mächtigen der Hölle durch die Auferstehung besiegt und beschämt werden. Das ist auch wirklich der Inhalt des zweiten Theils, er ist ein Seitenstück, eine Gegenstellung des ersten.

Von der Art, wie im jezigen Schauspiele die Verwicklung und Auflösung gebildet wird, sind die religiösen Osterspiele des Mittelalters sehr verschieden. Es ist jedoch nothwendig, die Anlage der alten Stücke zu kennen, und weil das folgende vollkommen ausgebildet und erhalten ist, so habe ich seinen Zusammenhang dargestellt. Man muß es in seiner Art als ein Kunstwerk anerkennen, das so gut seinen Werth hat als ein altes Gemälde. Diesen Werth kann man aber nicht finden, wenn man nicht in die alten Vorstellungen sich hinein denkt. Deshalb muß ich auch über den zweiten Theil etwas umständlich seyn.

D. Das religiöse Luftspiel.

Nimmt man den heutigen Begriff des Lustspiels, so läßt sich damit das Merkmal religiös nicht vereinigen; was man also ein religiöses Lustspiel heißen kann, muß eine andere Grundlage und einen andern Charakter haben als die jeßige Comödie. Den Ursprung und die Natur der ernsten Komik lernt man kennen, wenn man untersucht, welcher komische Stoff zuerst im alten Schauspiel vorkommt und am frühesten

ausgebildet ist. Dieser Stoff ist die Darstellung des Teufels. Er gehört nothwendig zum religiösen Schauspiel, auch sind die Teufelsscenen die früheste komische Ausbildung desselben und in folgendem Stücke zu einem eigenen Spiel erweitert. Der Grund, warum der Teufel einen komischen Stoff liefert, ist sein Hochmuth, sein Stolz, der ihn zum Falle gebracht hat. Das ist der ernste Zug dieser Komik, die sich sehr gut mit dem religiösen Schauspiele verbinden läßt. Wie dem Teufel, geht es auch den Menschen, auch bei ihnen kommt der Fall nach dem Hochmuth, und der Stolz wird mit Beschämung (confusio) bestraft, was ganz im biblischen Sinne gedacht ist. Von dieser ernsten Komik enthält folgendes Stück schon im ersten Theile sprechende Beispiele, es sind die Leufelsscene in der Vorhölle, das Benehmen der Juden, des Pilatus und der Wächter, wie oben angegeben, und man sieht auch daran, wie der parallele Gang der Gegenstellungen in diesem Stücke eingehalten wird.

Die ernste Komik hat ihre Entwickelung in der Zeit und demgemäß ihre Abstufung. Ihr Ursprung liegt im Falle der bösen Engel. Darin empörte sich der Hochmuth unmittelbar gegen Gott und zwar in den höchsten Kreisen der geschaffenen Wesen. Es ist mir kein Schauspiel darüber bekannt, hat vielleicht auch keines gegeben, aus dem Grunde, weil der Fall der Engel außerhalb dem Menschen liegt. Die zweite Abstufung der ernsten Komik beginnt mit der Schöpfung des Menschen und verläuft daher in niederen Kreisen, in welchen der Mensch lebt, weshalb diese zweite Stufe oft dargestellt wurde. Gott schuf den Menschen unschuldig, nach seinem Ebenbild, der Teufel brachte die ersten Menschen durch Ungehorsam zum Sündenfall und verhöhnte damit die Schöpfung Gottes. Der Tod war damit in die Welt gebracht und das Wunder Gottes, der auch dem Leibe des Menschen Unsterblichkeit gegeben, war vereitelt. Welch' ein Triumph des Teufels, wenn er jede Schöpfung Gottes in niederen Kreisen,

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d. h. in solchen, die unter den Engeln sind, zerstören könnte. Im Sündenfalle hat sich der Teufel mittelbar gegen Gott empört, nämlich durch die Menschen, und diese Empörung auf der zweiten Stufe segt er fort, so lang die gefallene Menschheit auf Erden lebt, d. h. bis zum jüngsten Tage, weil er sich unmittelbar auf der ersten Stufe nicht mehr empören kann, seitdem er aus dem Kreise der Engel verstoßen ist.

Gleich anfangs hat er den Kain zum Brudermord getrieben, um den himmlischen Heerscharen den boshaften. Beweis zu liefern, daß er die leibliche Unsterblichkeit des Menschen zerstört habe. Darum sagt auch Christus von ihm: er ist ein Menschenmörder von Anbeginn. Hat ihm Gott den Mord zugelassen, so sind ihm auch andere Qualen gegen die Menschen erlaubt. Im Buch Job vermißt er sich, den Menschen von Gott abwendig zu machen, und Gott gibt ihm dazu die Erlaubniß. Aber der geduldige Job beschämt den Teufel, dieser muß die gehoffte Beute fahren lassen, und Gottes Allmacht auch im Kreise der gefallenen Menschheit anerkennen. Man hat das Buch Job in neuester Zeit mit Unrecht der Sage vom Faust zu Grunde legen wollen, aber Job verschreibt sich dem Teufel nicht und lebt auch nicht ein sündhaftes Leben. Der geduldige Mensch Job im alten Bunde, der den Versuchungen des Teufels widersteht, ist ein Vorbild des Gottmenschen Jesus im neuen Bunde, dem ebenfalls der Teufel nichts anhaben kann. Hat er den Menschen Job ins äußerste Unglück gebracht, so brachte er den Gottmenschen Christus bis zum Tode, wurde er durch Job beschämt, so noch viel mehr durch Christus, denn dieser hat sogar den Tod durch seine Auferstehung überwunden und gezeigt, daß der Teufel die leibliche Unsterblichkeit nicht zerstört habe *).

*) Es ist mir kein altes Schauspiel über den Job bekannt, das von Hans Sachs kam im Jahr 1547 heraus und steht bei Gottsched (Nöthiger Mone, Schauspiele. II.

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Denn dieser sah im Tode nur die Zerstörung, nicht aber den Uebergang zu einem verwandelten Leibe. Die Auferstehung Christi ist ein Vorbeweis der Auferstehung des Fleisches am jüngsten Tage, diese ist eine zweite Schöpfung, die auferstandnen Gerechten fallen aber nicht mehr in die Sünde, der Teufel hat über sie keine Gewalt mehr.

Was bleibt ihm also übrig, nachdem er durch die Auferstehung Christi die Altväter verloren ? Nichts anders, als wie die Bibel sagt, wie ein brüllender Löwe auf Erden umherzugehen und zu suchen, wen er verschlingen könne. Das

Vorrath S. 91) verzeichnet. Die dramatisché Erzählung der Bibel hätte wohl ein Schauspiel veranlassen können, aber das Muster der Geduld, das im Job vorgebildet ist, war von Christus übertroffen. Indeffen kann ich ein Beispiel geben, daß die dramatische Einkleidung selbst in Gebetz büchern beibehalten wurde, wo man den Job erwähnte. Ich seße dafür eine Stelle her aus der S. Georger Handschrift Nr. 36, Bl. 97, zu Karlsruhe, welche Homilien für Klosterfrauen aus dem 13ten Jahrhundert enthält. Es wird zu Anfang darin bemerkt, daß man viel von Jobs Geduld lese, eine Aeußerung, die wohl auch auf andere Schriften als die Bibel geht. Die Stelle lautet also:

Man liset och harte vil von hern Jobis gedultichait. so unfir herre deme tievil gewalt gap, daz er ime kint unde gût nidir slüch, do sprach er: „got der gap mirz, der het mirz och genomin; geseginet si unsirs Herren name."

Do kam der tievil zu unsirme herren, do sprach unfir herre zime: „wie nu herre tievil, wie gevallet iu min kneht Job ?"

Do sprach der tievil: wie herre, war umbe solt er ungedultich sin, er het doch noch ainen schönen lip.“

Do sprach unsir herre: „nu wil ich dir gewalt gen übir sinen lip, unde enrüre mir abir der sele niht, die wil ich allaine in minir hant han.“

Do für der tievil inweck, unde virunrainde in, daz von der schætelun unz an die zehun dehain lit an ime gesunt waz. do waz er noh do also gedultich, baz er nie enhain ungedultich wort gesprach.

Do kam abir der tievil fur unfirn herren. Do sprach unsir herre: „wie nu herre tievil, wie gevallet dir min kneht Job ?“

Do sprach der tievil: wie herre? hut umbe hut, unde alliz daz der man hat, alde swaz er gelaistin mach, daz ist alliz ain clain dinch umbe dich unde umbe himilriche ze gebinne.“

ist eben der Inhalt des folgenden zweiten Theils, es ist ein Spiel der Welt und des Lebens, worin der Teufel auf seinen Raub ausgeht. Hier hat man nun den Begriff und ein Muster des ernsten Lustspiels, dessen Anlage genauer zu erforschen ist.

Lucifer sigt mit Ketten gebunden in einem Fasse, denn durch die Erlösung ist seine Gewalt beschränkt und das Faß ein Bild der Hölle, in die er gebannt ist. Bemerke man nebenbei die Satire, daß dem Fasse der Boden ausgeschlagen, also der Wein ausgelaufen, d. h. die Seelen aus der Vorhölle entronnen sind. Diese Bedeutung hat das Faß auch im Alsfelder Spiele (Haupt 3, 483. 493). Bei Fichard 3, 139 ist es auch auf der Bühne. Die Franzosen hatten dafür einen künstlichen Drachenschlund (gueule de dragon, Jubinal myst. 1, XLI), wie die Hölle immer abgebildet wurde. So weit war die Maschinerie bei den Teutschen nicht, sie begnügten sich mit einem leeren Fasse, welches gleichsam der Hundsstall des Teufels war. Man begreift aus dieser Vorstellung den Namen Höllenhund, welchen die altteutschen Dichter dem Teufel geben, was man nicht nothwendig vom Cerberus abzuleiten braucht. *) In dem Selbstgespräche (1042 flg.) wird die Verzweiflung und Zerrissenheit Lucifers geschildert, die abgedrungene Anerkennung, daß Christus Gott sey (1056 flg.), weil er die Vorhölle zerstört, ist dem Lucifer unerträglich, denn aus der Wegführung der Seelen der Altväter muß er einsehen, daß durch die Erlösung Christi nun alle Menschen zur Seligkeit berufen sind, aus welcher die gefallenen Engel verstoßen wurden. Diese Demüthigung bringt ihn zur Raserei,

*) Wenn es wild hergeht, sagt man: der Teufel ist los, eine Redensart, die in der Vorstellung beruht, daß der Teufel gebunden ist. Sie kommt auch im Mittelalter vor, denn Lambert von Hersfeld sagt von seiner Zeit (PERTZ, monum. hist. Germ. 7, 246): jam enim solutus carcere suo satanas non solum corporali sed et spirituali armatura obpugnabat pacem ecclesiae.

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