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freien Orten kommen wie es die internationale Conferenz in Constantinopel annimmt, sonst würde wohl kaum die Epidemie sich auf bestimmte Theile des Schiffes beschränken, wie es fast bei sämmtlichen der oben angeführten Schiffe angegeben ist, auch in den Fällen, wo die Personen in den verschiedenen Kajüten vor der Einschiffung den gleichen Bedingungen ausgesetzt waren. Ebenso stimmen alle Berichte darin überein, dass die blosse Reinlichkeit ohne Einfluss sei, während fast in allen Nachrichten über schwere Epidemien auf Schiffen die Bemerkung wiederkehrt, dass zur Zeit Sturm geherrscht habe mit allen seinen üblen Folgen für die Bereitung der Speisen, für die Ventilation und Reinlichkeit und für den psychischen Zustand der Passagiere.

Die Cholera - Quarantainen.

Die wenigen vorhergehenden Sätze zeigen schon zur Genüge, wie viel weniger die Quarantainen der Cholera gewachsen sein können als dem Gelbfieber. Hier haben wir eine Krankheit, die zu Lande ebenso gut fortschreitet wie zu Wasser, von Klima und Jahreszeit wenig abhängig ist, in vielen Orten überwintert (d. h. zeitweise endemisch wird), die nur an wenigen Stellen einen unempfänglichen Boden trifft und ohne eine rechte Krankheit der Seeschiffe zu sein doch noch nie vor dem Ocean stillgestanden hat. Während wir bei den Gelbfieber-Quarantainen mit Sicherheit das Schiff selbst als Hauptobject der Behandlung kennen, schwanken wir bei der Cholera noch unsicher zwischen weit auseinander liegenden Möglichkeiten, wohin wir unsere Aufmerksamkeit besonders zu richten; während wir dort die Incubation selten 6 Tage überschreiten sehen, müssten wir hier zu einer vollkommenen Quarantaine bis 4 Wochen lang die verdächtigen Menschen zurückhalten; während unter dem Misserfolge einer Gelbfieber - Quarantaine nur der betroffene Hafen leidet, setzt der Durchbruch der Cholera nur an einer Stelle das ganze Land in Gefahr trotz der sorgfältigsten Sperren an allen anderen Punkten der Küste.

Wie ist es da zu verwundern, dass der Erfolg der CholeraQuarantainen ein so geringer ist, dass unter diesen Eindrücken beim grossen Publikum das von Gelbfieber und Pest hinten weit in der Türkei nur an Sonn- und Feiertagen redet Quarantainen überhaupt allen Credit eingebüsst haben.

die

Einigen seltenen Erfolgen in Griechenland und Sicilien 1865, in Kopenhagen und Dominica 1866, auf den Seychellen, Mayotta, Nos-Beh in den Jahren 1869 und Anfang 1870 werden Misserfolge der allerstrengsten Quarantainen gegenübergestellt, so für Malta und Gibraltar 1865, für die Türkei 1871. Jene Erfolge aber werden für nur scheinbar erklärt. Es wird behauptet, dass jenen frei gebliebenen Ländern und Städten die örtliche und zeitliche Disposition für die Aufnahme des Giftes gefehlt habe, dass dieselben auch ohne alle Sperren ebenso frei geblieben sein würden wie Lyon, Würzburg und andere Orte, die trotz der häufigsten Einschleppungen stets ihre Immunität gegen Cholera bewahrt hätten.

Aber nur ein einseitiger Parteistandpunkt kann so reden. Als im Herbst 1866 der Aufstand in Palermo dazu nöthigte, aus dem inficirten Neapel und Genua rasch Truppen nach Sicilien zu schaffen brach dort sofort die Cholera aus; ein Zeichen, dass die bisherige Immunität nicht den günstigen zeitlichen und örtlichen Dispositionen zu danken gewesen, sondern allerdings den bis dahin mit äusserster Strenge geübten Quarantainen; wenn in Nos - Beh 1870 schliesslich doch die Cholera auftrat, so fiel dies Ereigniss mit einem notorischen Quarantainebruch zusammen.

Freilich aber zeigen auf der anderen Seite die wenigen glücklichen Resultate, dass dieselben nur bei äusserst harten Massnahmen zu erreichen seien, die im Bereiche des grossen Weltverkehrs platterdings unausführbar sind. So sind denn auch am Mittelmeere, wo in den Jahren 1865 bis 1867 noch 14, 17, ja 30 tägige Quarantainen vom Tage der Ankunft an geübt wurden, dieselben auf eine 10 tägige und kürzere Dauer zusammengeschrumpft*), bei der oft noch die Ueberfahrtszeit mit in Anrechnung gebracht wird. Aber auch diese Praxis ist nur durchführbar bei einer Bǝvölkerung, die den Quarantainen ein blindes Vertrauen schenkt, die von jeher durch die Pest an derartige Störungen des Verkehrs gewöhnt ist, die Angesichts der grösseren Nähe der Gefahr leichter ein Opfer bringt als die erst in zweiter Linie bedrohten Länder. Im ganzen Norden Europas übertreffen denn auch nirgends die Cholera-Quarantainen die Dauer von 5 Tagen, wo überhaupt noch von denselben die Rede ist **).

Wie kann man denn auch von 15 tägigen und längeren Seesperren Erfolg hoffen, wenn gleichzeitig der Landweg vollkommen offen bleibt, ja wenn durch die Erschwerung des Seeweges aller Verkehr auf jenen hingedrängt wird. Es sind daher auch Inseln, die die glücklichen Erfolge aufweisen und die langen Quarantainen nur dort berechtigt, wo die Einführung auf einem Landwege unmöglich oder unwahrscheinlich ist.

*) Sigmund 1. c.; nur Italien hat 1870 wieder eine 15 tägige Quarantaine eingerichtet.

**) Ueber die Bestimmungen in Preussen cf. Eulenberg 1. c.
Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 1.

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p. 190.

Mit Recht übt man daher in Amerika wieder strengere Massregeln. Leider habe ich die gegenwärtigen dortigen Quarantainegesetze nicht erhalten können, doch entnehme ich aus den mündlichen Mittheilungen eines Capitains der in New-York mit seinem Auswandererschiffe eine Cholera-Quarantaine überstanden Folgendes: Nach der Visitation durch den Arzt werden die Kranken ins Lazareth geschafft, während die sämmtlichen Gesunden auf Deck ihre Effecten selbst waschen und lüften mussten, um dann einer längeren Quarantaine zu unterliegen, die auch für das Schiff selbst. eintrat.

In der That kann auch beim gegenwärtigen Stande unseres Wissens eine Cholera-Quarantaine nur dann mit einiger Sicherheit etwas leisten, wenn sie mutatis mutandis in ähnlicher Weise gehandhabt wird, wie wir es bei den Gelbfieber-Quarantainen kennen gelernt haben. Die wesentlichen Unterschiede beider liegen darin, dass ausser bei einzelnen Schiffen auf denen es wirklich zu einer Cholera - Epidemie gekommen bei dieser Krankheit die Sorge für das Schiff und die Waaren geringer sein kann, während die Menschen und deren Effecten eine viel gründlichere (tägliche Examination nach Diarrhoekranken) und längere Beobachtung erfordern.

Selbstverständlich ist dies nur möglich in Häfen, deren Ankünfte eine längere Ueberfahrtsdauer hinter sich haben wie z. B. in den amerikanischen, wo kein Schiff aus dem inficirten Europa eintrifft, das nicht eine mindestens 10 tägige Reise zurückgelegt hätte. Durch die Vorkommnisse während dieser Reise ist von vornherein selbst bei grossem Andrange eine gewisse Sichtung des Materials möglich gemacht und einer Ueberfüllung der Anstalten vorgebeugt, umsomehr da mit nur einzelnen Ausnahmen der Abhaltung der Quarantainen auf den Schiffen selbst keine Bedenken entgegenstehen.

Dass derartige Massregeln am Mittelmeer je allgemein ausführbar seien, um einer ähnlichen Ausbreitung der Krankheit durch den Schiffsverkehr wie im Jahre 1865 vorzubeugen, halte ich für unmöglich, dagegen wohl in Suez, und darf man hoffen, dass die Bemühungen die Wanderung der Krankheit schon hier zu unterbrechen vorkommenden Falls mit Erfolg gekrönt sein werden. Sind aber jene unvollkommenen 10-, 5- und weniger tägigen Quarantainen ohne allen Werth? Pettenkofer klagt, dass wir

mit denselben nutzlos Kräfte und Geld vergeuden, die besser für wissenschaftliche Forschung verwendet würden, und hofft von ihnen höchstens wissenschaftlichen, keinen praktischen Erfolg.

Nun hat gerade England, das so sehr allen Quarantainen abhold, neuerdings*) solche gegen Cholera eingeführt. Gerade dies Quarantaine - Gesetz müsste Pettenkofer's Anschauungen ganz besonders entsprechen, da es alle Gesunden nach stattgehabter Revision sofort freigiebt, dagegen alle Effecten einer sehr strengen Behandlung resp. Vernichtung unterwirft. Sollte ein solcher Versuch nicht der Mühe werth sein?

Freilich stehen die englischen Gesetzgeber nicht auf Pettenkofer'schem Standpunkte, vielmehr gehen sie, wie auch die Gesetzgeber anderer Länder, von der Voraussetzung aus, dass der Mensch bei der Verschleppung betheiligt sei, und wie wir oben sahen mit vollem Rechte, sie sehen von Quarantainen für Personen nur ab, weil sie dieselben nicht würden durchführen können. Gewiss aber sind alle Pettenkofer dankbar, wenn er mit gewichtigen Gründen die Aufmerksamkeit auch auf andere Objecte als die Dejectionen und die mit diesen beschmutzten Effecten gelenkt hat.

Aus dieser Betrachtung ergiebt sich, dass wo Quarantainen für die Personen ausführbar sind, dieselben auch durchgeführt werden sollen. Freilich sind für die Dauer von 4, 6, 10 oder mehr Tagen nicht medicinische Gründe entscheidend, sondern ausschliesslich die Verkehrsverhältnisse des betreffenden Ortes.

Eine volle Sicherheit kann nur eine Quarantaine bieten, die die Incubationsdauer um einige Zeit übertrifft; mit jeder Verkürzung dieser Frist sinken im gleichen Verhältniss die Garantien für den Erfolg.

Zweifellos liegt nun aber der Misserfolg der meisten CholeraQuarantainen nicht in der zu grossen Kürze derselben, sondern darin, dass man zu sehr das Gift an den Leib der Personen gebunden erachtete, dass man durch eine blosse Zurückhaltung derselben (an einzelnen Orten sogar mit den Kranken) etwas zu erreichen hoffte.

Sollen diese abgekürzten Cholera-Quarantainen nicht zu einer

*) und allem Anschein nach nicht aus commercial reasons und nur

ceremonial.

unnützen Quälerei des Publikums werden, dann sind folgende Forderungen unbedingt zu stellen:

Trennung der Gesunden und Kranken, tägliche Examination der Gesunden auf Diarrhoe, Desinfection aller Effecten der Verstorbenen, Kranken und Gesunden.

Das alles ist aber ohne grosse Apparate durchzuführen, um so leichter da bei uns in Europa keine Auswandererschiffe eintreffen, da bei unseren Entfernungen Schiffsepidemien nicht zu erwarten sind.

Gewiss bieten solche Einrichtungen manche Lücken. Wie will man sich zuverlässig davon unterrichten, ob nicht unter den Gesunden eine Zahl Diarrhoekranker sich befinde? wie will man eine wirksame Desinfection der Effecten Gesunder vornehmen? Wer einmal eine Räucherung an einem Cholera- oder RinderpestCordon durchgemacht hat wird eingestehen, dass dieselbe in der Regel nur für symbolisch gelten kann. Da werden die Kleider bis an den Hals zugeknöpft, Bart, Haupthaar und Ueberrock mit Chlorgestank erfüllt, während das Zeug dicht am Leibe, die Wäsche, der Schmutz unter den Füssen (bei Rinderpest!) vollständig unbetroffen bleibt. Darum braucht man aber mit Küchenmeister noch nicht gleich alles zu verbrennen, vielmehr scheint mir jene in New-York geübte Wäsche, resp. Lüftung der Effecten hinreichend zu sein, wenn selbst diese praktisch ausführbar ist.

Wer von den oben besprochenen Massregeln freilich Erfolge erwartet wie Amerika und Spanien sie für ihre Gelbfieber - Quarantainen aufweisen können, befindet sich im Irrthum. Aber ist es denn nicht schon ein Gewinn, wenn wir einer Stadt oder einem Lande auch nur auf ein Jahr die Cholera fern halten, wenn wir die Einschleppung in so späte Jahreszeit hinausschieben, dass der Ausbruch einer schweren Epidemie, der Fortschritt in der Wanderung der Seuche immer unwahrscheinlicher wird. Wir sind durch die immer häufigere Begegnung mit der Gefahr allmählich gleichgültiger gegen dieselbe geworden wie der Soldat in einem langdauernden Kriege, sollen darum aber die Berufenen nicht immer auf's Neue versuchen, die Gefahren abzuwenden wenn auch bisherige Versuche missglückten? Ich meine, dass gerade Pettenkofer's neueste Forschungen uns manchen Wink geboten

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