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Zauberinn.

Kinder, Eure Zärtlichkeit

Erinnert mich an jene Zeit,

Da Reiz und Jugend mich, wie ist Lucinden, schmückten,
Und eines Jünglings Herz, das an Empfindlichkeit
Alcindors Herzen glich, entzückten;

Und sie erweckt beynah noch meines Alters Neid.
Besingt die Göttin doch, die Euch dieß Glück gegeben.
Besingt die Göttinn, deren Macht
Der meinigen so triumphirend lacht.
Ich selbst will sie mit Euch erheben.

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Du lehrst den stummen Mund der Blöden
Mit ihren Schönen seufzend reden;

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Die Betschwester.

Ein Lustspiel in drey Aufzügen.

Personen.

Frau Richardinn, eine alte und reiche Wittwe.

Christianchen, ihre Tochter.

Lorchen, ihre weitläuftige Befreundinn.

Simon, Christianchens Bräutigam.

Ferdinand, Simons Brautwerber.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Jungfer Lorchen.

Herr Ferdinand.

Lorchen. Was ich Ihnen sage.

Sie können die Frau Muhme ist nicht sprechen. Sie hat ihre Andacht. Und ich wollte nicht viel nehmen, und sie stören.

Ferdinand. Aber die gute Frau muß ja den ganzen Tag beten. Ich mag kommen, wenn ich will, so hat sie ihre Andacht. Heute Vormittage wollte ich zu ihr; da war Betstunde. Nun komme ich nach Tische; so hat sie wieder ihre Betstunde.

Lorchen. Es ist nicht anders. Ihr Leben ist ein beständiges Gebet.

Ferdinand. Das Beten ist ein wichtiges Stück der Religion. Allein es giebt ja noch andere Pflichten, die eben so nöthig und eben so heilig sind. Sie wird doch nicht Tag und Nacht beten, das will ich nicht hoffen.

Lorchen. Nein, sie wechselt ab. Wenn sie nicht beten will: so singt sie. Und wenn sie nicht mehr Lust zum Singen hat: so betet sie. Und wenn sie weder beten noch singen will: so redet sie doch vom Beten und Singen.

Ferdinand. Nun das muß ich bekennen. Ich habe mir wohl sagen lassen, daß meine Frau Muhme sehr fromm ist. Ich

habe es auch geglaubt. Allein ihr stetes Beten und Singen bringt mich fast auf die Gedanken, daß sie nicht fromm ist, sondern nur fromm scheinen will. Sie möchte sich immer ein Ges bet machen lassen, um des Abends die Sünde zu verbeten, die sie den Tag über mit Beten und Singen begeht. °)

Lorchen. Mein lieber Herr Ferdinand, es ist niemand wes niger mit der Andacht der Frau Muhme zufrieden, als ich. Sie betet uns oft um das Mittagsessen; und nie ist sie andächtiger, als um die Stunde, da die Köchinn das Marktgeld holen will. Sie hat ihr schon aus frommen Eifer zweymal das Gebetbuch an den Kopf geworfen, weil sie so unverschämt gewesen ist, und fie im Singen gestört hat.

Ferdinand. Ich lerne meine Frau Muhme immer besser kennen. Es würde ein sehr mittelmäßiges Glück für Herr Simonen seyn, wenn er mit seiner künftigen Frau Schwiegermutter in einem Hause wohnen sollte. Sie würde ihn entweder bald aus dem Hause, oder bald ins Grab beten. Ueberhaupt geht sie mit ihm und mit mir sehr wunderbar um. Sie hat verlangt, daß wir zu ihr kommen, und das Jawort wegen der Heirath mit ihrer Jungfer Tochter abholen sollen. Wir sind von Berlin hieher gereiset. Wir sind schon vier Tage hier. Und alle Tage hat sich ein Hinderniß finden müssen, dem Herrn Simon das versprochene Ja zu ertheilen. Morgen müssen wir wieder fort. Und der heutige Tag ist endlich zu der Versprechung angeseßt. Gleichwohl sehe ich noch wenig Anstalt dazu.

Lorchen. Gedulden Sie sich nur bis um vier Uhr, wenn ich bitten darf. Eher nimmt die Frau Richardinn keinen Besuch an. und ehe sie sich in ihrer Nachmittagsandacht stören läßt, eher läßt sie Herr Simonen und zehn ardre Freyer wieder fortreisen.

°) begeht. Stets beten heißt nicht beten, und den ganzen Tag beten ist so strafbar, als den ganzen Tag schlafen.

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