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find also die reißenden Wölfe, welche dem Ruhm und dem Leben der Unschuldigen nachstellen“.

Die andere Stelle ist im 20. Brief des 2. Bandes, wo Mr. Marquardus Foßenhut aus Rom an Ortuin schreibt, viele Cardinäle seien für die Kölner und besonders der Cardinal vom heiligen Kreuz (Bernardinus Caravajal), ,,der Papst werden muß, wenn der jezige Papst stirbt. Und ich habe gehört, daß er sagte: Ich will jenen notablen Theologen Jacob von Hochstraten gegen Reuchlin vertheidigen, und wenn alle Juristen der Welt auf seiner Seite wären"", wie er es auch gethan hat, als Jener Artikel gegen Petrus Ravennas aufstellte, die auch gar keßerisch waren".

Ferner werden im Hochstratus Ovans (1521) Hochstraten die Worte in den Mund gelegt: „Dann habe ich durch neue Bemühungen es endlich dahin gebracht, daß (zu den gegen Reuchlin gestimmten Cardinälen) als dritter Bernardinus, Cardinal vom heiligen Kreuz, hinzukam: Da war die Sache im Sicheren, da dieser ein hartnäckiger Thomist ist und sich einst in Deutschland als wackeren Kämpfer gegen Petrus Ravennas erwiesen hatte" 30).

Hieraus, wie aus der Widmung der dritten Ausgabe von Hochstratens Defensorium, läßt sich entnehmen, daß der Cardinal vom heiligen Kreuz, der nämliche, welcher Petrus Ravennas bei seinem ersten Auftreten in Mainz mit scheichelhaften Lobreden beglückt hatte, im weitern Verlauf von Hochstraten gegen Petrus gewon

nen war.

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Zu beachten ist dabei, daß bei dem Streit um die Natur der Zehenten sich der Gegner des Petrus auf einen Ausspruch des St. Thomas berufen, Petrus aber

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auszuführen gesucht hatte, St. Thomas sage nicht das, was jener aus der Stelle herausgelesen. Wohl also mag der eifrige Thomist" Bernardinus Caravajal sich in diesem Punkt gegen Petrus erklärt haben und daß Hochstraten dem Petrus nach Mainz gefolgt war, um die Hülfe des Cardinals gegen ihn anzurufen, läßt sich auch recht gut annehmen.

Dennoch bezweifle ich, daß gegen Petrus Ravennas ein förmlicher Kezerprozeß eingeleitet worden sei. Gewiß hätte dieß größeres Aufsehen gemacht und wäre das Andenken daran bei den Zeitgenossen nicht so bald erloschen.

Heinrich Cornelius Agrippa v. Nettesheim, der sich als Schüler des Petrus Ravennas bekennt, erwähnt desselben mehrmals, ohne jedoch eines Weiteren zu ge= denken, als daß Petrus durch Hochstraten und Genossen aus Köln vertrieben wurde.

In seiner Apologie gegen die Löwener Theologen schreibt er 31):,,Was habt Ihr gewonnen gegen Erasmus v. Roterdam, Fabius Stapulenfius und Petrus Ravennas?" An anderer Stelle (Defensio proposit.) 32) ruft er den Theologen zu:,,-- Die ihr die Wahrheit verlästert und ihre Doctoren mit immerwäh rendem Haß verfolgt. . . . Dieß that zu unseren Zei ten Jacob Hochstraten gegenüber Petrus Ravennas, einst meinen Lehrer 2c." Ferner schreibt er (Epist. L. II n. LX) 33): „Wer weiß nicht, daß diese Kölner Magistri diejenigen sind, welche Joh. Campanus 34), ausgezeichnet an Gelehrsamkeit und Tugend, von der Universität ausschlossen? welche Petrus Ravennas, den berühmten Rechtsgelehrten, aus der Stadt vertrieben?" Endlich heißt es (Epist. L. VII n. XXVI) 35):,,Und ich glaube,

es ist unvergessen, wie Kölner Magistri zum großen Nachtheil der Universität Petrus Ravennas 2c. vertrieben."

Jm,,Hochstratus ovans" ferner läßt der Verfasser Hochstraten aussprechen: „Außerdem übertreffe ich an Disputirgeschick den Johann Eck, wofür den Beweis abgiebt Petrus Ravennas, der durch die Waffe meiner Argumente in die Flucht Geschlagene“ 36).

Hierzu kommt noch das Zeugniß Reuchlins, welcher am 1. Nov. 1518, von Hochstraten redend, an den Cardinal Achilles de Craffis schreibt:,,Der göttliche Petrus Ravennas ging durch dieses Ungeheuer von Menschen Aschthrata (denn so wird auf Chaldäisch auch der Teufel genannt I R. VII) unter aus Kummer (prae maerore) "37).

Darf ich mir nach alle dem eine Vermuthung er lauben, so ist es die, daß Petrus Ravennas der Verfolgung Hochstratens durch einen vorzeitigen Tod entzo gen wurde. Gewiß hätte er sein Versprechen, gegen Hochstraten ausführlich zu schreiben, erfüllt, wenn er nicht daran verhindert worden wäre. Diese Verhinderung kann aber nur darin ihren Grund haben, entweder daß ihm die öffentliche Verantwortung vom Kardinal Bernardinus Caravajal untersagt wurde, oder aber, daß er bald nach Hochstratens im Juli 1508 erschienener Schrift das Zeitliche segnete. Vielleicht hat auch die beim Päpstlichen Legaten nicht wirkungslos, wie wir annehmen müssen, versuchte Anklage den ohnehin aufgeregten, eitlen und auf seine Rechtgläubigkeit oder vielmehr Päpstliche Richtung stolzen Mann so angegriffen, daß seine durch das herannahende Alter und einen aufreibenden Lebensgang geschwächte Kraft zusammenbrach.

Dieß halte ich für das Wahrscheinlichste und möchte

daher annehmen, daß Petrus Ravennas, ohne daß seine Sehnsucht nach dem heißgeliebten Vaterland Befriedigung fand, im Jahr 1508 oder kurz nachher in Mainz starb und zwar allerdings ,,prae maerore" wie Reuchlin fagt 38).

Ihn unter die,,Zeugen evangelischer Wahrheit“ zu sehen, wie Manche gethan haben, ist nach dem Vorstehenden durchaus ungerechtfertigt, denn Petrus war bis zulezt ein strenger Anhänger der Italienisch - papistischen Richtung. Daher läßt es sich auch nur zur Noth rechtfertigen, wenn ihn Luther 39) unter diejenigen zählt, ge= gen welche die Anhänger der Römischen Curie" ihre Versuche, die Wahrheit mit Gewalt zu unterdrücken, gerichtet.

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Der Grund der Verfolgung des Petrus Ravennas durch Hochstraten und dessen Genossen war überall nicht die Abweichung des Petrus von der päpstlichen Kirchenlehre, sondern der Neid und der Haß gegen die großen Erfolge, welche der Ausländer auf deutschen Universitäten erzielte, hervorgerufen vielleicht oder doch mindestens verstärkt durch das nicht gerade bescheidene und deutschen Verhältnissen und Einrichtungen gegenüber aggressive Auftreten des Italieners. Dazu mögen noch Ordensmaliçen gekommen sein, die wir nicht wohl erkennen können, denn daß Petrus unter die Tertiarier trat und sich den Minoriten anschloß, scheint auf die Dominikaner den ungünstigsten Eindruck gemacht zu haben.

Am Räthselhaftesten bleibt das Benehmen des Or tuin Gratius. Während er 1508 die Criticomastix schrieb, ließ er der 1511 erschienenen dritten Ausgabe von Hochstratens Protectorium principum Alamanniae" ein Distichon vorseßen. Die Criticomastix ist aus der Burse

„Knyck" datirt, wo damals der Dominikaner Gerhardus de Zutphania, ein Hauptgegner des Petrus Ravennas, „regierte“, dem dann später Ortuin eine in den Epp. Obsc. Vir. (I. 19) verhöhnte, von Lobeserhebungen überströmende Grabschrift dichtete 40). Im October 1509 erschien zu Cöln (Quentel) ein Buch mit dem Titel ,,Purgatorium detractorum saluberrimum", demselben ist ein Tetrastichon des Ortuin Gratius vorgefeßt 41). In dem nämlichen Jahr hat er auch die Werke der ge= tauften Juden Victor v. Carben und Jo. Pfefferkorn mit empfehlenden Gedichten und Schreiben ausgestat tet 42). Die Schrift Pfefferkorns über die Feier des Osterfestes bei den Juden erschien schon im Februar, sein „Judenfeind“ im März jenes Jahres. Ein Buch von Hochstraten,,Tractatus magistralis declarans quam grauiter peccent querentes auxilium a maleficis" aus dem Jahr 1510 trägt wohl das unvermeidliche Epigramm Iacobi Gandensis, nicht aber ein solches von Ortuin; erst im Jahr 1511 scheint also die Verbindung zwischen ihm und Hochstraten erfolgt zu sein.

Auffallend ist es auch, daß die Epp. obscurorum virorum nirgends an das Auftreten des Ortuin für Petrus Ravennas und seinen nachherigen Abfall erin= nern. Es hätte doch die Criticomastix und das spätere Verhalten des Verfassers derselben Stoff genug für die Satire geboten.

Erwähnen will ich noch, daß am leßten Febr. 1509 ein D. N. Ravennas als Reichskammergerichtsadvokat recipirt wurde 43), ohne daß sich behaupten ließe, daß derselbe mit unserem Petrus irgendwie in Zusammenhang stehe.

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