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Mountjoy, ihr nachheriger Liebhaber, | zu Amsterdam gedruckten Historia rerum schreibt in einer schon erwähnten Epistel Britannicarum. Da erzählt der Verfasser:

an den König James: „Nachdem Lord Rich sie wohl zwölf Jahre lang gemieden, wußte er sie durch überredung und Drohungen zur Einwilligung in eine Trennung und zu dem Geständnis zu zwingen, daß sie sich mit einem namenlosen Fremdling vergangen habe." Wäre diese Beschuldigung nicht schon an und für sich zu plump, so erschiene sie im Hinblick auf den plumpen, brutalen Lord Rich in ihrem richtigen Lichte.

Das Verhältnis zu Lord Mountjoy begann etwa um 1600 und war bald so sehr zum Stadtskandal geworden, daß die Königin sie vom Hofe verwies. Aber auch das Verhältnis selbst wurde sehr bald zum öffentlichen Skandal. Sie ging von ihm und kehrte zurück nach ihrem Belieben. Solange sie es mit Mountjoy hielt, fiel das niemandem auf, es war so Mode und beeinträchtigte die sociale Stellung der Dame nicht. Endlich dachte Mountjoy daran, Lady Rich zu seinem ehelichen Weibe zu machen. Er that dies, um seine Kinder zu legitimieren; er er wirkte ihre Scheidung beim geistlichen Gerichtshof und heiratete sie. Nun brach der Sturm der Prüderie über das Paar los. „Die Hofwelt, die so wohlgefällig zugesehen, während das göttliche Gesez vor den Augen aller Welt gebrochen wurde, entsetzte sich über die Verlegung des Menschengesetzes," sagt Massey. Der König war so erzürnt, daß er zu Mountjoy sagte, er habe purchased a fair woman with a black soul. Über diese Worte wird noch zu reden sein. Mountjoy beteuerte, sein Gewissen habe ihn getrieben, das Urteil der Welt zu verachten was half es ihm? Er blieb gerichtet, und sie mit ihm. Darüber brach sein Herz, und er starb vier Monate nach seiner Hochzeit.

durch die Vorwürfe des Königs tief getroffen, sei Devonshire ganz zusammengebrochen und habe seine Seele in Lady Richs Armen unter ihren Liebkosungen, Küssen und Thränen ausgehaucht. Sie aber, vom Kummer und Wehklagen ganz vernichtet, habe ihn nicht lange überlebt; mit den Trauergewändern und dem Trauerschmuck beladen, habe sie Tag und Nacht auf dem Boden ihres Schlafzimmers in einer Ecke gelegen, allen anderen Trost als den des Todes von sich weisend.“

Noch ein einziger Zug über Lady Rich als Messalina, weil sie bisher als solche angedeutet wurde. Nach Massey wie auch nach Brown fand sie neben der Liaison. mit Mountjoy in ihrem Herzen noch Raum für verstecktere Intriguen. Übrigens doku= mentiert die Pembroke-Familie wiederholt die Schande, die Lady Rich über ihr Haus gebracht habe.

Es ist eine psychologische Beobachtung, daß weibliche Naturen, die stark zur erotischen Extravaganz neigen, äußerst gutherzig, nachgebend und nachsichtig sind, woraus folgt, daß niemand von listigen Menschen leichter zu mißbrauchen ist als die Priesterinnen der Venus. „Gutherzig sind sie alle!" sagt Othello von seiner Desdemona. Die Lady war daher eine oft gesuchte Hilfe für alle Not- oder Dienstbedürftigen.

Einer ihrer Briefe, datiert 1596, an den Bruder Essex, den damals noch allmächtigen Günstling der Elisabeth, lautet: „Werter Bruder! Es kam mir so schwer an, Euch in Sachen dieser armen Edelfrau zu bestürmen. Es war in der Zeit meiner Anwesenheit bei Hofe, als ich dieses ihr Gesuch entgegennahm, und gestern ließ ich ihrem Manne sagen, ich könnte Euch damit nicht belästigen, sondern wünschte ihr gewisse andere Freunde zu gewinnen. Der Mann weiß in seiner

Krauß berichtet, wie Massey es überliefert hat: „Von hier an weiß die Geschichte nichts mehr von Lady Rich; dieser | Verzweiflung nicht, was er thun soll, und blendende Stern verschwindet plößlich in glaubt an kein menschliches Mitleid mit Finsternis. Eine einzige Erwähnung ihres ihr und ihren Kindern, wenn Ihr Euch Todes gelang es aufzufinden in der 1655 | nicht erbarmt. Wenn er keine Begnadigung Monatshefte, LVI. 331.- April 1884. Fünfte Folge, Bd. VI. 31.

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legte, seit sie wegen ihrer dissoluten Sitten geradezu berüchtigt war, geschah es sehr leicht und zwanglos, daß man die Schwärze der Augen mit der Schwärze der Seele identifizierte. Der Widerspruch ihres weiblichen Charakters und ihrer Reize fand in ihrem Äußeren das Abbild in dem

den schwarzen Augen sprühten alle Dämonen der Tiefe, aber das goldige Haar eignete sie den Heerscharen des Himmels.

erhalten kann, so muß er flichen und die | line. Seit Penelope in der Gesellschaft Seinen in wahrem Elend zurücklassen. ihrem Blute keinen Zwang mehr auferLieber Bruder, laßt mich Euer Belieben wissen und glaubet, daß ich ohne Ende bleibe Eure getreuste Schwester." Dieser Fälle, wo sie sich unglücklicher Menschen so warm annahm, liegen mehrere Beispiele überliefert vor. „Esser hatte," schreibt Krauß nach Massey, „seine Thorheit mit dem Leben gebüßt, seine Schwester war | Gegensaße von Haar und Augen. Aus des Hofes verwiesen, ihr Umgang war gefährlich geworden und wurde von allen gemieden, die der Königin Zorn fürchteten. Der Stern der ehrgeizigen Lady war tief gesunken, aber ehe er erlosch, sollte er noch einmal glänzend am Himmel des Hofes leuchten. Mit dem Tode der Königin und der Thronbesteigung von James wen dete sich plötzlich alles. Lady Rich war eine von den vornehmen Damen, welche die Ehre hatten, der neuen Königin bis zur schottischen Grenze entgegenzugehen. Bei der königlichen Prozession vom Tower nach Whitehall 1604 erhielt sie den Platz an der Spize von vierzehn Gräfinnen von altem Adel. Der König sezte sie in den Plaz und Rang des ältesten Grafen von Essex ein." Daß sie mit Mountjoy lebte, genierte an diesem Hose niemanden. Wie sie ihre Scheidung anstrengte, wie dem Mountjoy das Herz bei den Worten des Königs brach, habe ich oben erwähnt. Aber diese Worte a fair woman with a black soul bedürfen noch einer Erwägung.

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Auf die schwarze Schöne" der Shakespeare-Sonette, für die ja seit wenigen Jahren Lady Rich gilt, einzugehen, ist verlorene Müh. Das Rätsel ist noch lange nicht gelöst, und es ist nur natürlich, daß jeder Interpret, der das Geheimnis gelüftet haben will, in seine eigene Beweisführung verliebt ist, von Bedenken, Widersprüchen und Einwendungen nichts hören. will und für nichts Auge hat als für das von ihm errichtete Gebäude, das er aus den subjektivsten Begründungen und gewaltsam geschürzten Beweisen zusammentrug. Ich stelle einige der markantesten Stellen zusammen, welche den Widerspruch mit der Persönlichkeit der Lady Rich enthalten. Das Sonett 130 muß ich ganz citieren.

Der Liebsten Augen sind kein Sonnenpaar,
Auch nicht korallenrot die Lippen traun;
Dem Schnee verglichen ist ihr Bujen braun,
Drahtringeln gleich ihr schwarzes Lockenhaar (!).
Nicht nenn ich ihren Atem balsamreich,

Nicht der Damastusrose buntes Prangen,
Halb rot, halb weiß, erwähl ich zum Vergleich
Des Farbenschmucks auf meiner Liebsten Wangen.
o gern ich höre ihrer Kehle Laut,
So weiß ich doch, Musik hat bessern Klang,

Roch hab ich teiner Göttin Gang geschaut,
Doch fühlt der Grund der Liebsten derben Gang.
mich düntt sie doch nicht minder auserlejen
Als irgend ein vergleichgeschminktes Wesen.

Ein blondes Weib mit einer schwarzen Seele." Denn fair bedeutet dem Germanen „blond“, weil blondes Haar zu dem germanischen Schönheitsideal gehört. Daß der König unter black die Augen der Lady meint, geht aus zahlreichen Schilderungen und Anspielungen auf sie bei den Dichtern ihrer Zeit hervor. Man denke nur an das deutsche: In den Augen liegt das Herz. Penelope war also ein Und das soll Lady Rich sein? Diese soll Schönheitswunder, eine seltsame Laune den Fußboden mit derben Füßen getreten. der Schöpfung, die auf den Betrachter haben? If hairs be wires, black wires geradezu verblüffend wirkte. Gezeichnet grow on her head. Also doch schwarze von Shakespeare ist Lady Rich in Lie Haare wie Drahtfäden! Was Wunder, besleid und Lust", und zwar als Rosa- | wenn die Erklärer wie Jordan aus dem

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(Überj. von Jordan.)

krausen schwarzen Drahthaar, aus den eine Mannesnatur beneiden, eine weibderben Füßen und dem schlechten Atem die liche Natur hinreißen kann, verlobt. Vermutung herausholen, es handle sich um | Aber Sidney zögert auch jahrelang noch eine Kreolin von den westindischen Kolonien bis in die Zeit hinein, da Penelope sich mit einer Beimischung afrikanischen Blutes! zur Jungfrau entwickelt haben mußte. Und dann in anderen Sonetten, besonders 128, die hohe musikalische Begabung der Dame, welche die Saiten der Laute mit schlanken Fingern meistert! Diese thut man doch nicht wie Jordan mit der Be merkung ab, daß das musikalische Talent den Mischlingen der schwarzen und weißen Rasse angeboren sei. Das NegerTamtam ist noch keine gebildete Musik, aber nur von solcher ist in den Sonetten die Rede.

Das entscheidende, das werbende Wort fällt nicht, und halb durch Verwandte bestürmt, halb aus kindischem Troß und aus Verblendung, die sich für die getäuschte. Erwartung rächen will, wirst sich das unselige Mädchen dem wüsten, rohen Lord Rich, einem liederlichen Menschen, in die Arme. Kaum ist sie sein Weib, so erkennt sie, was sie verloren. Wir können uns in ihr dumpfes Brüten, in die Bitterkeit ihres Fühlens hineindenken, wenn sie, die öden Hallen ihres Palastes vorausgesezt, daß sie nicht von den schmählichsten Orgien ihres Gatten wiederhallten trostlos durchwandelnd, den Mann, den sie genommen, mit dem verglich, der sie aufgegeben! Da schreit der wütendste Schmerz aus den Tiefen ihrer Seele herauf: „Bin ich allein vom Glück ausgeschlossen, von einem Glück, das die gemeinste Arbeiterfrau in den Vorstädten von London an ihrem Herde so mühelos haben kann? Wozu mir der blendende Reiz und die ungewöhnliche Holdseligkeit in Antlig und Gestalt? Daß ich einem rohen Wüstling angehöre? nein, ich will mein Teil auch haben vom reichÜberblicken wir noch einmal das ästhe- besetzten Tische des Erdenglückes, ich will tische Problem, das uns in diesem Weibe mich hingeben gern und freudig, um zu vorliegt. Ein Kind von dreizehn Jahren, beglücken und beglückt zu sein." Und sie ausgestattet mit ganz ungewöhnlichem wirft sich dem verführerischen Lord MountReiz, einem der edelsten Häuser entstam- joy in die Arme. Der erste Schritt ist mend, wird mit dem achtzehnjährigen gethan; sie sinkt nach und nach bis zu Sidney, der feinsten Blüte der englischen einer Stufe der Verworfenheit, vor der Aristokratie, geschmückt mit allem, was | uns schaudert.

Soviel scheint nun freilich seit Massey als zweifellos gelten zu müssen, daß Lady Rich und die schwarze Schöne der Shakespeare Sonette identisch sind. Aber kaum haben wir dies behauptet, welche zweifelvolle Fragen umdrängen sofort diese Behauptung! Ein Haufe von Zweifeln, mit deren Aufzählung ich den Leser nicht er müden darf und über die ein klärendes Licht nicht eher aufgehen wird, als bis ein glücklicher Zufall in den englischen Bibliotheken oder Privatarchiven Dokumente, Schriftwechsel und dergleichen entdeckt hat, die der elisabethanischen Ära entstammen und sich direkt mit den bezüglichen Perjonen beschäftigen.

J. S. Chardin.

Ein Maler des bürgerlichen Familienlebens.

Don

I. E. Wessely.

ill man ein zutreffendes Bild | Gaumen herbeigezogen werden, der, satt der vornehmen französischen von lukullischen Mahlzeiten, einmal Appetit Gesellschaft des achtzehnten nach gesunder Hausmannskost hat?

Jahrhunderts entwerfen, so bieten neben den Geschichtswerken, der Roman- und Memoirenlitteratur dieser Zeit auch die Werke der Maler und Buchillustratoren reichlichen Stoff dazu. In Gemälden (und Stichen nach denselben) eines Boucher, Lancret, Baudouin, Lavreince und selbst eines Watteau, des sittlichsten in dieser Gesellschaft, lacht, extem poriert und prickelt der Wiz jener Kreise uns entgegen, deren Mitglieder sich für Götter hielten, denen jene Künstler in allen ihren Kompositionen Weihrauch streuten.

In der Mitte einer solchen Umgebung einen Künstler zu finden, der in seinen Werken die reine unverdorbene Natur verherrlicht, der ein Apostel des idyllischen und dabei wahren Familienlebens ist und

Der Künstler, der oben bezeichnete Ausnahme bildet, ist Jean Baptist Simeon Chardin. Er hat keinen gewöhnlichen Heroismus bewiesen, indem er seinen eigenen Weg einschlug und im Widerspruch zu den lebensfrohen Kreisen und zur ganzen Künstlerwelt jeder Versuchung trohte und dem heiligen Berufe seiner Kunst treu blieb.

Er verdient es darum sehr wohl, daß wir uns einige Augenblicke mit ihm beschäftigen.

Chardin ist ein Pariser Kind; er erblickte am 2. November 1699 das Licht der Welt und war der Sohn eines Kunsttischlers (wie wir heutzutage zu sagen pflegen). Dieser hatte für den König monumentale, reich verzierte Billards verfertigt, war auch ein geübter Zeichner. was besonders hervorzuheben-den- Der Sohn sollte in die Fußstapfen des noch von der Kunstakademie geachtet und Vaters treten, was ihm aber nicht bevon der geschminkten, in Sinnlichkeit auf hagte. Schließlich gab der Vater nach, gegangenen Gesellschaft geschätzt wird, ist und der junge Chardin wurde beim Maler gewiß eine interessante, für den ersten Cazes als Schüler untergebracht. Viel Blick unerklärliche Thatsache. Sie mag lernte er hier nicht, da er nur des Lehihren Grund darin haben, daß im Ge- rers Bilder nachzeichnen mußte. Da wissen selbst des sinnlichsten, nur nach nahm ihn E. N. Coypel zu sich, und hier Genuß und Freude strebenden Menschen | erschloß sich ihm der Beruf der Kunst eine Erinnerung an den Ernst des Lebens, an das Paradies der Kindheit schlummert. Oder sollte vielleicht zum Vergleich der

auf eigene Weise. Coypel malte das Porträt eines Jägers. Natürlich durfte ein Gewehr nicht fehlen. Eine Studie

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