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Zur Vermeidung solcher Nachtheile, wie zur Herbeiführung eines gleichmäßigen und prompten Verfahrens ersuche ich die Herren Bürgermeister: 1. die unterstellten Beamten nochmals anzuweisen, Anzeigen über strafbare Handlungen nach erlangter Kenntniß sogleich aufzusehen und ausnahmslos dort einzureichen.

Die auf dem Bürgermeisteramte gemachten Anzeigen sind nach § 156 StrPrOrdg. stets zu beurkunden, also auch dann, wenn überhaupt eine strafbare Handlung behauptet wird.

2. In einfachen Sachen, wie bei Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Körperverlegung, Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung 2c. den Beschuldigten und einige Zeugen zur Aufklärung des Sachverhaltes sogleich zu vernehmen, falls diese Personen im dortigen Bezirke wohnen, andernfalls aber, sowie 3. bei Verbrechen oder complicirten strafbaren Handlungen, wie Urkundenfälschung, Grenzverrückung, Meineid, Verbrechen gegen Leib und Leben 2c. von jeder Vernehmung abzusehen und lediglich auf schleunigste Uebermittelung der Anzeige an die Staatsawaltschaft beim Landgericht Bedacht zu nehmen. Hierbei muß aber

4. erwartet werden, daß von der Befugniß zur vorläufigen Festnahme und Vorführung beim Amtsgericht mittelst besonderer Anzeige von selbst Gebrauch gemacht wird, sobald die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzuge obwaltet.

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5. zur Verhütung einer Verdunkelung des Thatbestandes von selbst (ohne weitere Anfrage!) schleunige Anordnung nach der Vorschrift des § 161 StPrOrdg. zu treffen, z. B. durch Vornahme einer Haussuchung nach dem gestohlenen Gute (§§ 105, 102 ff. a. a. D.) oder durch Beschlagnahme der bei der Strafthat gebrauchten Werkzeuge (§§ 94, 98 a. a. D.), also der Dieteriche bei einem schweren Diebstahle, der Stöcke, Messer und sonstigen Waffen bei Körperverlegung, oder der Gewehre 2c. (§ 295 a. a. D.) bei Jagdvergehen.

Der sofortigen Uebersendung der Sachen bedarf es regelmäßig nicht; in dem Uebersendungsschreiben wird aber ersichtlich zu machen sein, daß diese Sachen auf dem Bürgermeister-Amte sicher verwahrt werden.

6. Ganz besonders mache ich darauf aufmerksam, daß das Gefeß die Uebersendung aller Anzeigen an die StAschaft den Polizeibehörden zur Pflicht macht. Demgemäß darf niemals eine Verhandlung oder eine Anzeige unter dem Vorwande zurückbehalten werden, daß eine strafbare Handlung nicht vorliege, oder daß hinreichender Beweis nicht gegeben sei. Die Prüfung hierüber hat allein die StAschaft anzustellen. Nur bei Uebertretungen wird dem Polizeiverwalter die Wahl überlassen, entweder selbst eine polizeiliche Strafverfügung zu erlassen oder die Sache an den Amtsanwalt zur gerichtlichen Verfolgung abzugeben.

§ 2 der Anweisung des Min. des Innnern u. des Justizmin. v. 8. Juni 1883 zur Ausführung des Gesezes v. 23. April 1883 (GS. S. 65).

7. In allen Fällen ist bei Uebersendung der Anzeigen der Personalbericht des oder der Beschuldigten beizufügen, nachdem er zuvor in allen Spalten, namentlich auch hinsichtlich der Militärverhältnisse und der Fähigkeit zur Zahlung der Kosten sorgfältig ausgefüllt ist.

8. Eine besondere Aufmerksamkeit erheischen endlich die Brandsachen. Zur wesentlichen Erleichterung der nothwendigen Ermittelungen, wie auch der Feststellung des Thatbestandes dienen die Formulare, welche bereits Ende des Jahres 1888 angeschafft sind. Die Wahrnehmung, daß seit einiger Zeit von Benutzung dieser Formulare nicht selten abgeschen wird, legt die Vermuthung nahe, daß dieselben nicht mehr überall vorhanden sind; ist dies richtig, so bin ich zur Entgegennahme von Bestellungen und demnächstigen Zusendung auf Kosten der Bürgermeisterämter gern bereit, falls nicht die directe Bestellung beim Königlichen Landgerichtsrath Dr. Medem zu Greifswald vorgezogen wird. Eine sachgemäße Feststellung des Thatbestandes wird durch zweckmäßige Benutzung dieses Formulars augenscheinlich wesentlich erleichtert und deshalb halte ich die weitere Anordnung deffelben für geboten. Hierbei will ich aber mein Einverständniß damit erklären, daß bei Bränden, wo wie beim Bligschlage absolute Straflosigkeit von vornherein feststeht, von Benußung des Formulars abgesehen wird. Ergeben sich aber umgekehrt, bei oder unmittelbar nach Entdeckung des Brandes Anhaltspunkte für eine strafbare Inbrandseßung, insbesondere für absichtliches Anzünden, so ist nicht blos für sehr eilige Uebersendung der Anzeige, womöglich. telegraphisch Sorge zu tragen, sondern auch geeignete Vorkehrung zur Verhütung einer Verdunkelung des Thatbestandes zu treffen, insbesondere durch Sicherstellung etwaiger mit Petroleum getränkter Gegenstände.

Indem ich Ihnen, Herr Bürgermeister, diese einzelnen Bestimmungen mittheile, ersuche ich Sie, die unterstellten Beamten eingehend damit bekannt zu machen, auf die gewissenhafte Befolgung derselben zu achten und damit für das sichere Gedeihen einer prompten Strafrechtspflege fernerhin eine Thätigkeit zu entwickeln, wie sie das Gesetz von den Hilfsbeamten der StAschaft erwartet.

S., den 28. Oktober 1894.

Der Königliche Erste Staatsanwalt.

§ 50.
Die Gensdarmerie.

Kön. Verordg. v. 30. Dezbr. 1820 über die anderweite Organisation der Gensdarmerie (GS. 1821, S. 1 ff.) Kön. Verordg. v. 23. Mai 1867, betr. die Organisation der Landgensdarmerie in den neu erworbenen Landestheilen (GS. S. 777 ff.). Müller, Die Preussische Justizverwaltung, Berlin 1892, S. 26, 44, 1433, 1440 u. 1452. Dienstinstruction für die Gensdarmerie v. 30. Dezbr. 1820 (GS. 1821 No. 636 S. 10). Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs v. 20. März 1837 bei Groschuff, Eichhorn u. Delius, S. 112 (GS. S 60).

1. Militärisch organisirt in Bezug auf Deconomie, Disciplin und die innere Verfassung untersteht die Gensdarmerie, unter dem Oberbefehl des Chefs der Landgensdarmerie, dem Kriegsminister. Die Mitglieder der Gensdarmerie gehören zu den Personen des Soldatenstandes (vgl. oben § 23 sub III) und haben den Gerichtsstand des stehenden Heeres.

§§ 2 u. 11 der Kön. Verordg. v. 30. Dezbr. 1820.

In Ansehung der Jurisdiction und Strafgewalt finden die Vorschriften für das stehende Heer auch auf die Gensdarmerie Anwendung. Das nächste Militärgericht ist verpflichtet, die Dienst- und ge

meinen Vergehen der Gensdarmen auf Requisition ihrer Vorgeseßten zu untersuchen und darüber zu erkennen.

2. In Ansehung ihrer Wirksamkeit und Dienstleistung ist die Gensdarmerie dem Minister des Innern und den betreffenden Civilbehörden untergeordnet.

Die Vertheilung der Gensdarmerie im Lande nach Maßgabe des Bedürfnisses und der örtlichen Verhältnisse, die Bestimmung des Stationsortes oder ihrer Mitglieder einschließlich der Offiziere, sowie die Bezeichnung derjenigen Civilbehörden, welchen die Oberwachtmeister der Gensdarmerie und die Gensdarmen in ihren civildienstlichen Verrichtungen unterzuordnen sind, bleibt dem Minister des Innern unter Rücksprache mit dem Chef der Gensdarmerie überlassen.

3. Die Civildienstbehörde ist berechtigt, die Gensdarmen in ihrer Dienstführung unmittelbar mit Anweisung zu versehen und zu leiten, sie, wo sie gefehlt haben, zu belehren und zurechtzuweisen und darauf zu halten, daß jeder ihnen zugewiesene Gensdarm mit seinen Pflichten immer bekannter werde, und Letterer schuldig, der Anweisung dieser Behörde unbedingt Folge zu leisten. Diese Behörde ist sogar befugt:

gegen ihn (den Gensdarmen) wegen eines Dienst- oder anderen Vergehens oder Verbrechens eine vorläufige Untersuchung einzuleiten, auch nach Befinden in dringenden Fällen ihm vorläufig, bis zur Entscheidung der kompetenten Militärbehörde über seine Suspension vom Dienste, die Ausübung aller Dienstverrichtungen zu untersagen, demnächst aber verbunden, die Akten dem vorgesetzten Distriktsoffizier zum weiteren Verfahren zu übersenden.

Der Distriktsoffizier hat sodann den Ausfall der Untersuchung der vorgedachten Dienstbehörde bekannt zu machen.

§§ 11, 5 a. a. .

4. Als Zweck und Aufgabe der Gensdarmerie wird hervorgehoben:

„die Polizeibehörden in Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung im Innern des Staates und in Handhabung der deshalb bestehenden Geseße und Anordnungen zu unterstüßen . . . . über die Befolgung der . . . Geseze und Anordnungen zu wachen, Verbrechen, Vergehen und anderen strafbaren Handlungen nachzuforschen und den Behörden, sowie sonstigen öffentlichen Beamten, wenn dieselben zur Ausübung ihres Dienstes Schut bedürfen, solchen auf Ansuchen zu gewähren."

Auch sollen sie

den Verwaltungs- und Justizbehörden zur Unterstüßung und Sicherung der Execution in denjenigen Fällen als bewaffnete Macht dienen, in welchen Widerset= lichkeit zu besorgen ist oder sonst Militär-Execution eintreten würde.

5. Die ursprünglich beigelegte Befugniß:

,,auch ohne Auftrag bei gefeßmäßiger Veranlassung und unter Beobachtung der in dem Geseze vorgeschriebenen Formen Personen festzunehmen oder in polizeiKrobiksch.

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liche Verwahrung zu nehmen, in Wohnungen einzudringen und Haussuchungen vorzunehmen"

ist durch die neuere Gesetzgebung wesentlich eingeschränkt:

Dem Gensdarmen steht die Ausübung der Gewalt (Festhaltung und Ablieferung von Personen) nicht nach seinem Ermessen zu, sondern nur nach Maßgabe der jezt geltenden reichs- und landesgefeßlichen Vorschriften. Hiernach ist ihnen die besondere und selbständige Befugniß, Personen zum Zwecke bloßer Vernehmung aus eigenem Ermessen zwangsweise einer Behörde vorzuführen, nicht eingeräumt. IV. Straff. ReichsG. v. 17. Novbr. 1891, Goltd. Arch. Bd. 39 S. 333.

6. Dagegen ist der Gensdarm verpflichtet:

„Deserteure aufzugreifen und an die nächste Garnison abzuliefern. . . Verbrecher und Vagabonden in Gemäßheit der darüber bestehenden Vorschriften zu transportiren und deren Transport zu decken.“

Geht dieser Transport über ihren Patrouillenbezirk hinaus, so erhalten sie Tagegelder und Reisekosten.

Verordg. v. 1. April 1874 (GS. S. 131), v. 1. Novbr. 1876 (GS. S. 459) u. v. 14. Oct. 1881

(GS. S. 339).

Zur Verwendung des Gensdarmen außerhalb seines Patrouillenbezirks ist die Genehmigung des Landraths erforderlich, welche auch nachträglich ertheilt werden kann.

Verfüg. des Min. des Innern v. 7. Januar 1880, Min.BI. f. d. i. Verw. S. 53.

7. Zum Hülfsbeamten der StAschaft ist der Gensdarm in Preußen nicht bestellt, wie das Reichsgericht am 24. October 1884 (Entsch. Bd. XI S. 175) noch besonders erkannt hat (vgl. Ziffer 11). Seine für die StAschaft und damit für die Strafrechtspflege sehr ersprießliche Thätigkeit regelt in der Hauptsache der Erlaß des Ministers des Innern vom 7. August 1880 (Min.Bl. f. d. i. Verw. S. 239): 1. Die Gensdarmen haben ihre Anzeigen gegen Civilpersonen wegen der ihnen von diesen zugefügten Beleidigungen und wegen Widerseßlichkeit wie bisher direkt an die StAschaft einzureichen;

2. Anzeigen von Verbrechen und Vergehen sind von den Gensdarmen an die Ortspolizeibehörde, in deren Bezirk die strafbare Handlung verübt worden ist, und nicht an die StAschaft oder Amtsanwaltschaft, noch auch an die Civildienstbehörde (s. oben) abzugeben.

Die Ortspolizeibehörde kann dann die nöthigen Schritte thun. Bei wichtigen und schweren Verbrechen gehen die Anzeigen direkt an die StAfchaft. 8. Als schwere Verbrechen kommen namentlich Brandstiftungen in Betracht:

„Bei der Feuersbrunst haben die Gensdarmen zwar auch für die schleunige Anwendung und hinreichende Unterstüßung der Löschungsanstalten, besonders aber für die Erhaltung der Ordnung, für die Rettung der dem Feuer ausgeseßten Gegenstände und für die Sicherheit der geretteten zu sorgen; ingleichen liegt ihnen ob, der Entstehung des Brandes, Ermittelung und Feststel lung des Thäters die höchste Sorgfalt zu widmen.“

§ 25 Abs. 2 der (oben bezeichneten) Dienstinstruction.

9. Die sonstige Thätigkeit der Gensdarmerie in Straffachen erstreckt sich nicht auf schriftliche, protokollarische Vernehmung irgend welcher Personen; dagegen haben sie der

„Requisition um eine geeignete Recherche 2c.“

zu genügen.

Die Beamten der StAschaft haben übrigens darauf zu achten, daß die von ihnen an die Polizeibehörden wegen Feststellung verübter Verbrechen und Vergehen ergehenden Requisitionen möglichst selten besondere Kosten verursachen, was vornehmlich bei etwaigen Zeugenvernehmungen und sonstigen Ermittlungen durch das Ersuchen um eine geeignete Recherche Seitens der Ortspolizeibehörden oder Gensdarmen zu erreichen sein wird.

Allgem. Verfüg. v. 29. Dezbr. 1865 (JMBI. 1866 S. 2).

10. Für den Fall der Beleidigung oder Körperverlegung gegen einen Gensdarmen kommt die Allgem. Verfüg. vom 25. August 1879, betr. die von den Beamten der StAschaft an andere Behörden 2c. (JMBI. S. 251) sub III, 6 in Betracht:

Im Falle einer Beleidigung oder Körperverlegung einer Militärperson ist, sofern der Militärbehörde (bezw. dem Vorgesezten des Verleßten) ein Strafantragsrecht zusteht, die Untersuchung aber ausschließlich auf Grund des Strafantrages des Verleşten anhängig gemacht ist, die vorgesezte Militärbehörde des Verlegten rechtzeitig von dessen Strafantrag in Kenntniß zu seßen.

Muster § 29 sub V.

Folgende Entscheidungen kommen hier noch in Betracht:

Das Recht, die Strafverfolgung wegen einer einem Beamten in Ausübung seines Berufs zugefügten Beleidigung zu beantragen, steht jedem Vorgesezten des Beamten 2c. selbständig zu. Die Frist beginnt für Jeden mit der ihm gewordenen Kenntniß von That und Thäter. Dadurch, daß ein Vorgeseßter den

von ihm gestellten Antrag zurückgenommen hat, wird der höhere Vorgesezte nicht behindert, seinerseits rechtzeitig einen erneuerten Antrag zu stellen.

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Erk. d. Obertrib. v. 4. Januar 1873 (JMBI. S. 70).

Insbesondere der preußische Kriegsminister ist zur Stellung des Strafantrages wegen Beleidigung von Militärpersonen berechtigt.

II. Straff. ReichsG. v. 10. Dezbr. 1886, Rechtspr. Bd. 8 S. 743.

11. In anderen deutschen Staaten sind die Gensdarmen Hülfsbeamte der StAfchaft, z. B.:

a) im oldenburgischen Fürstenthum Birkenfeld;

Nach § 17 Instruction vom 30. Januar 1888 gehören die Landgensdarmen zu den Civilbeamten, welche durch die Verordnung vom 18. Aug. 1879 (S. 323 des Großherzogl. Amtsblattes) auch zu Hülfsbeamten der StAschaft bestellt sind.

b) im Königreich Baiern;

Die auf Grund der Allerh. Verordnungen vom Jahre 1868 als Organismus der staatlichen Verwaltung errichtete Gensdarmerie steht unter Aufsicht der Militär- und Civildienstbehörde; durch Allerh. Verordg. vom 31. August 1879, betr. die Hülfsbeamten der StAschaft ist die Gensdarmeriemannschaft auf Grund des § 153 Ger.Verfass.Ges. und Art. 56

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