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bert componirt hat. Er schrieb es als vierzehnjähriger Knabe am 30. März im Convict nieder und erregte damit Salieri's Aufmerksamkeit in so hohem Grad, daß dieser die weitere Pflege des seltenen Talentes durch Unterricht im Generalbaß sofort veranlaßte. Die Composition des umfangreichen Klaggesanges dehnt sich über 28 geschriebene Seiten aus und zerfällt in mehrere, durch Tonart und Rhythmus geschiedene Theile, worunter auch ein Paar kurze Recitativstellen. Dieselbe leidet allerdings noch an einer gewissen Zerrissenheit; die Stimmführung ist zuweilen gesucht, die Accordenfolge hart und die Clavierbegleitung hie und da an Zumsteg und Mozart erinnernd. Demungeachtet ist die Composition im Ganzen genommen von Bedeutung und verfehlte niemals ihres Eindruckes, wenn sie von Sängern gut vorgetragen wurde. Einige Stellen darin athmen unverkennbar Schubert'schen Geist, und wenn auch noch leise, vernimmt man doch schon den Flügelschlag des Genius. Das Lied ist nicht im Stich erschienen ').

Die zweite Gesangscomposition heißt „Der Vatermörder", eine Parabel 2) (Autor nicht genannt). Sie trägt

und noch sind, vorgelegen. Der Gesang beginnt in Largo Es-Dur auf die Worte:

Hier am Hügel heißen Sandes sitz' ich,

Und mir gegenüber liegt mein sterbend Kind u. s. w.

') Hagar's Klage, und alle noch folgenden Lieder und mehrstimmigen Gesänge sind, mit fast verschwindender Ausnahme, in der Witteczek'schen Sammlung (derzeit im Besitz des Herrn Hofrathes Freiherr Josef von Spaun in Wien) in Abschrift, und größtentheils mit Angabe des Datums ihrer Entstehung enthalten.

2) Das Autograf besitzt Herr Spina in Wien.

das Datum 26. Dec. 1811. Auch von dieser gilt im Allgemeinen das über „Hagar's Klage" Bemerkte; doch ist das lettere Lied umfangreicher und an sich werthvoller.

Sonderbarer Weise findet sich unter den Liedern, deren Entstehungszeit angegeben ist, ein einziges mit der Jahreszahl 1812. Es ist dies: „Klagelied" 1) von Rochlitz, eine kleine unbedeutende Composition. Um so reicher ist die Kirchen- und Instrumentalmusik 2) vertreten.

Ueberschaut man die Thätigkeit des in das fünfzehnte Lebensjahr eingetretenen Knaben, so liegt die Vermuthung nahe, daß er sich in und außer den Schulstunden mehr mit dem Beschreiben von Notenpapier, als mit den Vorträgen der Professoren und Ausarbeiten der Pensa beschäftigt baben mag. Dem war auch so. Er componirte heimlich in der Schule und schrieb für die Donnerstags- Concerte der Zöglinge Ouverturen und Sinfonien für Orchester, die gelegentlich daselbst gespielt wurden. Dieser seiner Verwendung

') Es ist in op. 131 enthalten. Ohne Zweifel hat Sch. auch in diesem Jahre noch mehrere Lieder componirt, worüber die Originalien Aufschluß geben würden, da er auf allen seinen Compositionen das Jahr, - auch den Monat und Tag, an dem er sie niedergeschrieben, bei größeren Werken anch den Zeitpunkt des Beginnes und der Beendigung anzumerken pflegte.

2) In dem erwähnten Verzeichniß Ferd. Schubert's finden sich aufgeführt:

Ein Salve regina und Kyrie (im Stich erschienen), eine Sonate für Clavier, Violine und Cello, zwei Streichquartette (in B und C), eine Quartett-Ouverture (in B), Andante und Variationen (in Es), eine Onverture für Orchester (in D) und 30 für seinen Bruder Ignaz componirte Menuette mit Trios, welch letztere die Bewunderung des Dr. Anton Schmidt, eines Freundes Mozart's und trefflichen Violinspielers,

wurde auch in den von der Convictsvorstehung an die Oberbehörde erstatteten Berichten nach beiden Seiten hin Erwähnung gethan, und während seine musikalischen Leistungen darin auf das beste hervorgehoben erscheinen, ist dies bezüglich seiner Fortschritte in den eigentlichen Fachgegenständen nur in beschränktem Maß der Fall gewesen 1).

Hier möge vorerst einiger, zum Theil noch am Leben befindlicher Männer gedacht werden, die, obgleich an Jahren verschieden, sich mit Schubert zu gleicher Zeit im Convict befanden, und von welchen mehrere auch in der Folgezeit ihre innigen Beziehungen zu dem mittlerweile berühmt gewordenen

in so hohem Grad erregten, daß er sagte: „Wenn diese Stücke ein halbes Kind geschrieben hat, so wird aus diesem noch ein Meister hervorgehen, wie es wenige gegeben." Diese Menuette gingen schon damals durch Begleihen verloren, und Schubert kam ungeachtet wiederholter Aufforderung nicht mehr dazu, sie aus dem Gedächtniß wieder aufzuschreiben.

↳ Nur im ersten Jahrgange soll sich Sch. durchaus guter Zeugnisse erfreut haben; in den folgenden Jahrgängen wurden Nachprüfungen nothwendig. Curator der Anstalt war um jene Zeit Josef Carl Graf Dietrichstein. Den Unterricht ertheilten regulirte Priester des PiaristenOrdens. Director war der Piarist Innocenz Lang, Doctor der freien Künste, und Rector der akademischen Kirche. Das Vicedirectorat bekleidete (von 1811 an) Franz Schönberger; akademische Prediger waren Markus Haas, Andreas Plazer (1812) und Georg Kugelmann; (1813) Katechet Egid Weber und Josef Tranz (von 1811 an). In den zwei unteren Classen lehrten Pius Strauch und Mathias Rebel; in den oberen Alois Vorsix; die übrigen Professoren waren: Vincenz Kritsch und Benedikt Lamb (Poetik), Amadäus Brizzi und Josef Walch (Mathematik), Benedict Rittmannsberger (Geografie und Geschichte), Josef Lehr (Kalligrafie), Leopold Baille und Carl Bernard (französische Sprache), Carl von Molira (italienisch), Johann Botter und Böttner (Zeichnen). Als Inspector fungirte Gottfried Kerschbaumer.

Tondichter fortsetten. Diese Convicts-, wenn auch nicht Classengenossen, waren: Josef Spaun, Josef Kenner 1), Leopold Ebner 2), Josef Kleindl 3), Max Weiße 4), Franz Müllner, Carl Rueskäfer 5), der Dichter Johann Senn, Benedict Randhartinger), Joh. Baptist Wisgrill3), Anton Holzapfel und Albert Stadler. Von den eben Genannten sind Spaun, Stadler, Senn und Holzapfel als seine intimeren Freunde zu bezeichnen.

Josef Spaun (derzeit Frh. v. Spaun, k. k. jubilirter Hofrath in Wien), damals schon und auch in späterer Zeit einer der wahrsten, uneigennüßigsten Freunde Schuberts, versorgte den (um neun Jahre jüngeren) Convictszögling mit Notenpapier und unterstüßte ihn auf mannigfache Weise s). In Folge seiner Beamtenlaufbahn zu wiederholten Malen

') Kenner absolvirte 1816 im Convict, wurde später Magistratsrath in Linz und 1854 Bezirks-Vorsteher in Ischl, wo er gegenwärtig in Pension lebt. Er war auch Belletrist, und Schubert componirte mehrere seiner Lieder.

2) Ebner lebt als jubil. Cameralrath in Junsbruck.

3) Kleindl, Rath des obersten Gerichtshofes in Wien.

4) Weiße, der nachherige Professor und Advocat.

3) Rueskäfer, f. k. Unterstaats- Secretär; derzeit Reichsrath in Wien.

6) Randhartinger, geb. 1802 zu Ruprechtshofen, ebenfalls ein Schüler Salieri's, trat 1832 als Tenorist in die Hofcapelle, wurde 1844 Vice-Hoscapellmeister und nach Aßmayer's Tod 1862 Hofcapellmeister in Wien.

7) Wisgrill, der nachherige Dr. Med. und Profeffor, gest. 1851. *) Wie es in Spaun's Aufzeichnungen heißt: „Der damals arme Schubert war durch Wochen und Monate der Gast eines Freundes im Wirthshause, und dieser theilte oft Zimmer und Schlafstätte mit ihm, so ist damit wohl Niemand anderer, als eben Spaun gemeint.

räumlich von ihm geschieden, stand er mit dem wunderbar fortschreitenden Tondichter fortan in lebhaftem Verkehr und bewahrte ihm seine aufrichtige Neigung und Verehrung bis an dessen Lebensende. Schubert war diesem Mann- und es liegen viele Beweise dafür vor auf das herzlichste zugethan 1).

Albert Stadler 2) (geb. 1794 in Steyr, derzeit t. k. Statthaltereirath in Pension in Wien) trat im Jahre 1812 aus dem Stifte Kremsmünster in das Stadtconvict über, wo er bis 1815 blieb, und absolvirte 1817 die juridischen Studien. Er hatte Neigung zur Musik und Dichtkunst 3), spielte Clavier, componirte auch, und war Zeuge des Entstehens und Vortrages fast aller in der damaligen Zeit von Schubert aufgeschriebenen Compositionen, die er sich auch so schnell als möglich in Abschrift anzueignen wußte. Nach vollendeten Studien prakticirte Stadler bei dem Kreisamt in Stehr und kam um Ostern 1821 als Beamter zu der Landesregierung in Linz. Als Schubert in den Jahren 1819 und 1825 Oberösterreich besuchte, fanden sich die beiden Jugendfreunde in Steyr und Steyeregg zusammen, wo sie, insbesondere in dem Koller'schen und Paumgartner'schen Hause sowie auf dem gräflich Weißenwolf'schen Schloß in Steyeregg (bei Linz) genußreiche Stunden verlebten.

Anton Holzapfel befand sich bereits im Convict, als Stadler in dasselbe eintrat, und absolvirte mit letterem zu

1) Er dedicirte ihm die Sonate op. 78 und mehrere Lieder.
2) Ich verdanke ihm die hier folgenden Mittheilungen.

*) Von Stadler's Gedichten componirte Schubert das Singspiel "Fernando" (1815), das Lied: „Lieb Minna“ (1816), ein zweites Lied für Josefine Koller (1820) und eine Cantate zu Ehren Vogl's (1819).

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