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16.

Der siebzigste

Geburtstag.

Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden | Sicherlich kämen sie beide, das Fest mit dem Vater

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Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher und zu empfahn den Segen von ihm und der würmit Schniswerk,

und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare,

geziert war:

digen Mutter. Eine versiegelte Flasche mit Rheinwein hatte der Bater

Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegs Froh sich gespendet zum Mahl, und mit Mütterneten Freidorf, chen auf die Gesundheit Organist, Schulmeister zugleich, und ehrsamer Ihres Sohns Zacharias geklingt, und der freundlichen Gattin, Die sie so gern noch sähen, und Töchterchen nennten, und bald auch

Küster;

Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der

Vorzeit,

Einst Taufwasser gereicht, und Sitte gelehrt und | Mütterchen, ach! an der Wiege der Enkelin, oder Erkenntniß, des Enkels! Dann zur Trauung gespielt, und hinweg schon Viel noch sprachen sie fort von Tagen des Grams manchen gesungen. und der Tröstung,

Oft nun faltend die Hånd', und oft mit lauterem

Murmeln,

Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen.

Aber allmählig

Und wie sich alles nunmehr auflös' in behagliches
Alter:

Gutes gewollt, mit Vertraun und Beharrlich-
keit, führet zum Ausgang!

Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Solches erfuhren wir selbst, du trauteste; solches
Mittagsschlummer.
`der Sohn auch!

Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Hab' ich doch immer gesagt, wenn du weinetest:
Jacke;
Frau, nur geduldig!
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupt- Bet' und vertrau'! Je größer die Noth, je nåher
haar

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Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Nach, wie den Sperling ernåhr' und die Lilie kleide

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Froh des erlebeten Heils. Sein einziger Sohn Doch der balsamische Trank, der altende, löfte dem

Welcher als Kind auf dem Schemel geprediget, und, von dem Pfarrer

Auserschn für die Kirche, mit Noth vollendet die

Laufbahn,

Durch die lateinische Schul', und die theuere Aka

demie durch: lig,

Alten

Sanft den behaglichen Sinn, und duftete süße Be=
täubung.

Mütterchen hatte mit Sorg' ihr freundliches
Stübchen gezieret,

Wo von der Schule Geschäft sie ruheten, und mit
Bewirthung

Der war jest einhällig erwähleter Pfarrer in Mers Rechtliche Gäst' aufnahmen, den Prediger, und den

Und seit kurzem vermählt mit der wirthlichen Toch
ter des Vorfahrs.

Fernher hatte der Sohn zur Verherrlichung seines
Geburtstags

Edlen Toback mit der Fracht und stärkende Weine
gesendet,

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Auch in dem Briefe gelobt, er selbst und die freund- und das bestäubte Gewächs am sonnigen Fenster

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Hemmeten nicht Hohlweg' und verschneiete Gründe Knospende Ros' und Levkoj' und spanischen Pfeffer2

die Durchfahrt,

und Goldlack,

Sammt dem grünenden Korb Maililien hinter dem Hungerig oft und zerlumpt!

Ofen.

Ringsum blinkten gescheurt die zinnernen Teller und

Schüsseln

Hungerig oft und zerlumpt! Kein Mensch wohl
jagte bei solchem

Better den Hund aus der Thüre, wer seines
Viehs fich erbarmet!

Auf dem Gesims'; auch hingen ein Paar stettinische Dennoch kommt mein Söhnchen, das Fest mit dem

Krüge
Blaugeblúmt an den Pflöcken, die Feuerkieke3 von

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Messing,
Desem und Mangelholz, und die zierliche Elle von
Nußbaum.

Aber das grüne Klavier, vom Greise gestimmt und

Vater zu feiern !

Was er wollte, das wollt' er, von Kind auf! Gar
zu besonders
Bühlt mir das Herz! Und seht, wie die Kag' auf
dem Tritte des Tisches
Schnurrt, und das Pfötchen sich leckt, und Bart
und Nacken sich puget!

Stand mit bebildertem Deckel, und schimmerte; | Das bedeutet ja Fremde, nach aller Vernünftigen

besaitet,

unten befestigt

Hing ein Pedal; es lag auf dem Pult ein offnes

Choralbuch.

und Schnörkeln,

Urtheil !

Sprach's, und trạt an den Spiegel, die feft= liche Haube zu ordnen,

Auch den eichenen Schrank mit geflügelten Köpfen Welche der Vater verschob, mit dem Kuß ausgleichend den Zwiespalt; Denn er leerte das Glas auf die Enkelin, sie auf den Enkel.

Schraubenförmigen Füßen, und Schlüsselschilden

von Messing,

(Ihre selige Mutter, die Küsterin, kauft' ihn zum | Nicht ganz schåme sich meiner die Frau im modischen Kopfzeug!

Brautschah:) Hatte sie abgestaubt, und mit glänzendem Wachse | Dachte sie leis' im Herzen, und lächelte selber der gebohnet.

Oben stand auf Stufen ein Hund und ein züngeln

der Löwe,

Thorheit.

Neben dem schlummernden Greif', an der anderen Ecke des Tisches,

Beide von Gyps, Trinkglåser mit eingeschliffenen Deckte sie jego ein Tuch von feingemodeltem

Bildern,

Zween Theetöpfe von Zinn, und irdene Tassen, und Äpfel.

Drillich,

Stellete dann die Tassen mit zitternden Hånden in
Ordnung;

Als sie den Greis wahrnahm, wie er ruht' in Auch die blechene Dos', und darin großklumpigen
Zucker,

athmendem Schlummer;

Stand das Mütterchen auf vom binsenbeflochtenen | Trug sie hervor aus dem Schrank, und scheuchte Spinnstuhl, die sumsenden Fliegen,

Langsam, trippelte dann auf knirrendem Sande zur Die ihr Mann mit der Klappe verschont zur WinWanduhr tergesellschaft;

mit Posen,

Leis', und knüpfte die Schnur des Schlaggewichts | Auch dem Gesims' enthob sie ein Paar Thonpfeifen an den Nagel, Daß ihm den Schlaf nicht störte das klingende Glas und der Kukuk.

Jego sah sie hinaus, wie die stöbernden Flocken am
Fenster

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Rieselten, und wie der Ost dort wirbelte, dort in
den Eschen
Rauscht', und der hüpfenden Krähn Fußtritte ver-
weht' an der Scheuer.
Lange mit ernstem Gesicht, ihr Haupt und die

Hånde bewegend,

Grún und roth, und legte Toback auf den zinner-
nen Teller.

Als sie drinnen nunmehr den Empfang der
Kinder bereitet,
Ging sie hinaus vorsichtig, damit nicht knarrte der
Drücker.

Aus der Gesindestube darauf, vom rummelnden
Spulrad,
Rief sie, die Thür' halb öffnend, Marie,
die ges
schäftige Hausmagd,

Stand sie vertieft in Gedanken, und flisterte halb, Welche gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte was sie dachte:

zum Weben,

Lieber Gott, wie es stürmt, und der Schnee | Haftiges Schwungs, von dem Weber gemahnt, und in den Gründen sich anhåuft! eigenem Ehrgeiz.

Armer, wer jezt auf Reisen hindurch muß, ferne | Heiser ertönte der Ruf; und gehemmt war plöhlich

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Dicht an die Platte der Wand, die den Lehnstuhl wårmet im Rücken;

Daß ich frisch (denn er schmeckt viel kräftiger) brenne den Kaffee.

Heize mit Kien dann wieder und Torf, und büchenem Stammholz,

Ohne Geräusch, daß nicht aus dem Schlaf aufwache der Vater.

Sinkt das Feuer in Gluth, dann schiebe den knorrigen Klog nach, Der in die Nacht fortglimme, dem leidigen Froste zur Abwehr. Siebzigjährige sind nicht Fröstlinge, wenn sie im Sommer

Gern an der Sonn' ausruhn, und am wårmenden Ofen im Winter.

und zu Marie, die den Ofen verspündete, sprach sie gebietend:

Eile, Marie, und sperre den wachsamen Hund
in das Backhaus;

Daß, wenn der Schlitten sich naht, das Gebell
nicht störe den Vater.
Denkt auch Thoms an die Karpfen für unseren
Sohn und den Pastor,

Der uns zu Abend beehrt, ihr Lieblingsessen von
Alters?

Hol' er vor dunkeler Nacht; sonst geht ihm der kigliche Fischer

Schwerlich zum Hälters hinab. Aus Vorsicht bring' ihm den Beutel.

Wenn er auch trockenes Holz für die Bratgans, die wir gestopfet,

Auch für die Kinderchen wohl braucht's gründliche Splitterte! Bring' ihm das Beil, und bedeut' ihn. Wärme zum Aufthaun.

Und der ermahnenden folgte Marie, und sprach im Herausgehn :

Barsch durchkältet der Ost; wer im Sturm lustreiset, ist unklug;

Nur ein wähliges Paar, wie das unsrige, dammelt hindurch wohl.

Wärmenden Trank auch bracht' ich den Kälberchen heut' und den Milchkühn,

Auch viel wårmende Streu in das Fach. Schönmädchen und Bluming

Dann im Vorbeigehn

Steig' auf den Taubenschlag, und sich, ob der Schlitten nicht ankommt.

Kaum gesagt; so enteilte Marie, die geschäf= tige Hausmagd,

Nehmend von rußichter Mauer das Beil und den maschigen Beutel;

Lockte den treuen Monarch mit Geburtstagsbrocken zum Backhaus,

Fern an den Garten hinab, und schloß mit der Krampe den Kerker.

Brummten am Trog, und leckten die Hand, und Anfangs kragte der Dogg', und winselte; aber so

ließen sich kraueln.

Sprach's; und sobald sie dem Ofen die funkelnden Kohlen entscharret,

Legte sie Feurung hinein, und weckte die Gluth mit dem Blasbalg,

Hustend, und schimpfte den Rauch, und wischte die thrånenden Augen.

bald er

Wärme roch vom frischen Gebäck des festlichen
Brotes,

Sprang er behend' auf den Ofen, und streckt' aus-
ruhende Glieder.

Jene lief in die Scheune, wo Thoms mit gewaltiger Arbeit

Ümsig stand an dem Heerde das Mütterchen, Häckerling schnitt, denn ihn fror! und sie sagt' in

brannte den Kaffee

über der Gluth in der Pfann', und rührte mit

hölzernem Löffel:

der Eile deu Auftrag. Splittere Holz für die Gans, und hol' in dem Beutel die Karpfen,

Knatternd schwigten die Bohnen, und bråunten sich; Thoms, vor dunkeler Nacht; sonst geht dir der

während ein dicker

kigliche Fischer

Duftender Qualm aufdampfte, die Kúch' und die Schwerlich zum Hälter hinab, troß unserem Sohn Diele' durchräuchernd.

Sie nun langte die Mühle herab vom Gesimse des

Schornsteins,

und dem Pastor! Thoms antwortete drauf, und stellte die Häckerlinglad' hin:

Schüttete Bohnen darauf, und fest mit den Knieen Splitter, Marie, und Karpfen verschaff' ich dir,

sie zwångend,

Hielt sie den Rumpf in der Linken, und drehete munter den Knopf um;

Oft auch hüpfende Bohnen vom Schooß haushälterisch sammelnd,

Goß sie auf graues Papier den grobgemahlenen

Kaffee.

früher denn noth ist. Wenn an dem heutigen Tage sich kigelich zeiget der Fischer,

Treib' ich den Kizel ihm aus; und bald ist der Hålter geöffnet!

Also der rustige Knecht; da rannte sie durch das Gestöber,

Plöglich hemmte sie nun die raffelnde Mühl in Stieg auf den Taubenschlag, und pustete, rieb sich

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Steckte sie unter die Schürz', und schlug sich über die Schultern.

Als sie mit schärferem Blick in des Schnee's umne

belnden Wirbeln

Fragte der Sohn. Schnell tuschte 10 mit winkendem Haupte die Mutter:

Still! das Våterchen hålt noch Mittagsschlummer im Lehnstuhl!

Spåhete; fiche da kam's mit verdecktem Gestühl | Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl" ihn

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Unter ihr bebten die Knie'; und sie lief mit klopfen- | Auch den Flor, der die Wangen geschirmt, und

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Kam das Gekling', und das Klatschen der Peitsch', Ihr, uns Altenden Freud', in Freud' auch altet

und der Pferde Getrampel.

Nun, nun lenkten herein die muthigen Ross' in den Hofraum, Blankgeschirrt; und der Schlitten mit halb schon offnem Verdeckstuhl

Hielt an der Thür', und es schnoben, beschneit und dampfend, die Renner.

Mütterchen rief: Willkommen! daher: Willkommen, ihr Kindlein! Lebt ihr auch noch? und reichte die Hånd' in den schönen Verdeckstuhl; Lebt in dem grimmigen Ost mein Löchterchen? Dann, für sich selber Nur zu sorgen, ermahnt: Laßt, Kinderchen! sprach sie; dem Sturmwind

Wehret das Haus! Ich bin ja vom eisernén Kerne der Vorwelt!

und greiset,

Stets einmüthiges Sinns, und umwohnt von ge= deihenden Kindern!

Nun mag brechen das Auge, da dich wir gesehen im Amtsrock, Sohn, und dich ihm vermählt, du frisch aufblühendes Herzblatt12 ! Armes Kind, wie das ganze Gesicht roth glühet vom Ostwind!

O du Seelengesicht! Denn ich duge dich, weil du es foderst! Aber die Stub' ist warm, und gleich soll der Kaffee bereit sein!

Ihr um den Nacken die Arme geschmiegt, licb= kos'te die Tochter:

Mutter, ich dute dich auch, wie die leibliche, die mich geboren;

Stets war unser Geschlecht steinalt, und Verächter | Also geschah's in der Bibel, da Herz und Zunge

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Hüllte das Töchterchen dann aus bårenzottigem Mütterchen, habe mich lieb; ich will auch artiges

Fußsack,

und liebkosete viel, mit Kuß und bedauerndem

Streicheln,

Kind sein.

Fröhliches Herz und rothes Gesicht, das hab' ich beständig,

Zog dann beid', in der Linken den Sohn, in der Auch wenn der Ost nicht weht. Mein Våterchen

Rechten die Tochter,

sagte mir oftmals,

Rasch in das Haus, dem Gesinde des Fahrzeugs | Klopfend die Wang', ich würde noch krank vor lauSorge vertrauend.

Aber wo bleibt mein Vater? Er ist doch ges fund am Geburtstag?

ter Gesundheit.

Jeho sagte der Sohn, sein Weib darstellend der Mutter:

Mütterchen, nehmt sie auf Glauben. So zart und geschlank, wie sie dasteht,

Ift sie mit Leib und Seele vom edelsten Kerne der

Vorwelt.

Unserem Vater zur Lust, und dem Mütterchen, ohne dein Wissen !

Sprach's, und faßte dem Manne die Hand; die führende Mutter

Daß sie der Mutter nur nicht das Herz abschwaze | Öffnete leise die Thür', und ließ die Kinder hineingehn.

des Vaters! Komm denn, und bring' als Gabe den zärtlichsten Aber die junge Frau, voll Lieb' im lächelnden Kuß zum Geburtstag. Antlig,

Schalkhaft lächelte drob, und sprach die treff-| Hüpfte voraus, und küßte den Greis. Mit verwunderten Augen

liche Gattin:

Nicht zur Geburtstagsgabe! Was besseres bring' | Sah er empor, und hing in der trautesten Kinder ich im Koffer

Umarmung.

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