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unter gräßlichen Auftritten, sein Schicksal erfüllen zu müssen; doch hatten Ermüdung und das allgemeine Gefühl des Verfalles des öffentlichen und Privatwohlstandes, so wie das Ausbleiben der von jeder Seite gefaßten Hoffnungen, Annäherung und einen bessern Zustand herbeigeführt, in dem man auf die Grundlage einer allgemeinen Gleichheit der Rechte zu der ältern Staatsform zurückkehrte. Neuenburg hingegen war seit dem Aufstande und der Ermordung Gaudot's in den sechsziger Jahren ruhig geblieben. Hatte es sich in den ersten Jahren nach der französischen Staatsumwälzung, wo Preußen dem großen Königsbunde gegen Frankreich beigetreten war, mehr schweizerisch gezeigt, um dem Sturme zu entgehen, so neigte man sich jeßt, seit dem Baseler Frieden, mehr zu Preußen hin, woher nun größere Sicherheit zu gewärtigen sein mochte. Den Bischof von Basel hatte seine Nachbarschaft mit Frankreich und seine doppelte Stellung als Reichsfürst und als Verbündeter der Eidgenossenschaft zuerst in den Strudel des Revolutionskrieges hineingezogen. Die innere Gährung in seinen Landen war durch die schweizerischen Clubs in Paris zum Ausbruche gebracht worden, was ihn veranlaßte, kaiserliche Dazwischenkunft und Exekution zu begehren. Nach dem Ausbruche des Krieges zwischen Frankreich und Oesterreich hatten die Franzosen den zum deutschen Reiche gehörenden Theil des Bisthums Basel besezt, und dem vorübergehenden Schattenbilde einer raurachischen Republik war im März 1793 die Einverleibung mit Frankreich gefolgt. Von da an wurde der eidgenössische Theil des Bisthums Basel beständig von dort her für ähnliche Pläne bearbeitet. Die Städte Mühlhausen und Rothweil waren, durch ihre Lage vom eidgenöffischen Staatskörper abgetrennt, nur in sehr schwacher Verbindung mit demselben.

Niemand beneidete die sogenannten geheimen Vogteien um ihre Verwaltung, und besonders um die traurige Rechtspflege unter den wechselnden Amtleuten der regierenden Stände, unter denen sich die von den demokratischen Ständen

gesezten Landvögte durch Härte und Bestechlichkeit auszeichneten. So wurde die Landgrafschaft Thurgau von den acht alten Orten beherrscht, deren Landvögte alle zwei Fahre wechselten. Doch hatten auch Freiburg und Solothurn Antheil an den Landgerichten und den dazu gehörenden Rechten. Unter den Landvögten stand ein Landammann evangelischen und ein Landschreiber katholischen Glaubensbekenntnisses. Uebrigens besaßen auch das Hochstift Konstanz, die fürstliche Abtei St. Gallen und das Kloster Fischingen bedeutende Rechte in diesem Gebiete. Freilich hatte der Friedensschluß von 1712 eine bessere Einrichtung versprochen, und besonders war die Absicht ausgesprochen worden, der Verkäuflichkeit der Richter und des Landvogts Schranken zu seßen, allein da jede Regierung ihren Landvogt gegen die Einsprachen anderer Stände unterstüßen und schüßen zu müssen glaubte, so wurden die Mißbräuche aufrecht erhalten. Den nämlichen Ständen, nebst Appenzell, gehörte das benachbarte schöne Rheinthal und wurde auf ähnliche Weise verwaltet, so wie auch die gleichfalls den acht alten Orten gehörende Grafschaft Sargans. Gaster und Uznach hingegen wurden abwechselnd durch Schwyz und Glarus bevogtet, Rappersschwyl batte seine eigene Stadtregierung unter dem Schirme der Stände Zürich, Bern und Glarus. Bis 1712 hatte die Landvogtei Baden den acht alten Orten gehört, allein im Aarauer Frieden hatten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug ihre Antheile an Zürich und Bern abtreten müssen. Die Urtheile der Landvögte konnte man vor das Syndicat der drei Stände Zürich, Bern und Glarus zichen; in einzelnen Bezirken herrschten Untervögte. Auch auf das untere Freiamt hatten jene fünf Stände ihre Rechte an Zürich und Bern abtreten müssen. Während das obere Freiamt fortwährend den acht alten Orten blieb. Den Ständen Bern und Freiburg gehörten die Aemter Schwarzenburg, Murten, Grandson, nebst Orbe und Echallens, und wurden ie fünf Jahre lang von jedem Stande bevogtet. Die Landvögte aber gaben von ihrer Verwaltung den Gesandten beider

Stände, welche jährlich auf die Konferenz zu Murten abgeschickt wurden, Rechnung. Von den sogenannten italienischen Vogteien wurden drei, Bollenz (valle di Bregno), Riviera und Bellenz (Bellinzona) blos von Uri, Schwyz und Nidwalden verwaltet und bevogtet, während die Herrschaft über die vier andern, Lugano, Mendrisio, Locarno und Val Maggia den zwölf Ständen, mit Ausnahme von Appenzell, zukam. Meistens der Sprache, Sitten und den Verhältnissen des zu verwaltenden Landes unkundig und mehrentheils ohne alle Kenntnisse des Rechtsgangs wurden die zweijährigen Landvögte noch von den Freiheiten und Rechten der Unterthanen gehindert, wenn sie eine Verbesserung vornehmen wollten. Eine ungeheure Menge Anwälte und Schreiber vermehrten noch durch Aufheßungen und Versprechungen die angeborne Prozeßlust, bei der dann solche Landvögte, die, wie dieß in den demokratischen Ständen häufig der Fall war, ihr Amt als Meistbietende ersteigert hatten, vorzüglich ihre Rechnung fanden; hiefür entschädigte freilich auch die Mäßigkeit der Abgaben, so daß das an jenen traurigen Rechtszustand gewöhnte und in seiner Bildung höchst vernachlässigte Volk vielleicht weniger unzufrieden war, als anderwärts, wo weniger Mißbräuche herrschten.

Dieses waren die verschiedenen Bestandtheile der schweizerischen Eidgenossenschaft, wie sie sich im Ablauf der Zeiten gestaltet hatte, und wie sie jezt im europäischen Staatenvereine da stand, als das republikanische Frankreich, aus sechsjährigen Kämpfen siegreich hervorgegangen, sich auch hier auf den Trümmern der alten Ordnung der Dinge einen festern und bleibendern Einfluß zusichern wollte, als es bisher geübt hatte.

Erstes Buch.

Von der Gründung der helvetischen Republik bis zur Staatsveränderung vom 7. Jånner 1800.

Erstes Kapitel.

Umgestaltung der alten Eidgenossenschaft. Gründung der helvetischen Republik am 12. April 1798.

Hatten sich 1795 Preußen und das nördliche Deutschland, so wie Spanien, von der großen Fürstenverbindung gegen das republikanische Frankreich getrennt, so hatten zwei glänzende Feldzüge des jungen Feldherrn Napoleon Bonaparte in Italien den Franzosen dieses schöne Land in die Hände gegeben und das ermüdete Oesterreich gezwungen, wenigstens auf einige Zeit die Waffen niederzulegen. Noch ehe in einem Frieden die frühern Beherrscher diesen Ländern entsagt hatten, wurden aus österreichischen und päbstlichen Provinzen ein neuer Freistaat, nach dem Muster des franzöfifchen, unter dem Namen der cisalpinischen Republik, geformt. Früher schon war das mit der Schweiz so viel Aehnlichkeit dar bietende Holland in die batavische umgegossen worden. Venedig bezahlte, nach langem Hin- und Herschwanken, mit seiner Existenz die Kosten des Friedens, den jeßt Oesterreich und Frankreich am 17. Okt. zu Campo Formio abschlossen. Für die Abtretung der österreichischen Niederlande an die franzöfische Republik und die Verzichtleistung auf seine bisherigen italienischen Länder, zu Gunsten der cisalpinischen Republik, die er als unabhängige Macht anerkannte, erhielt der Kaiser Istrien, Dalmatien die vormals venetianischen Inseln des adriatischen Meeres, die Mündungen des Cattaro, die Hauptstadt Venedig selbst, die Lagunen und die Länder, die innerhalb der kaiserlichen Erbstaaten dem adriatischen Meere

und einer genau bestimmten Linie begriffen waren. In einigen geheimen Artikeln hatte er seine Einwilligung zur Ausdehnung der französischen Gränze an den Rhein gegeben, und man war auch in denselben übereingekommen, daß die Oesterreicher Venedig an demselben Tage beseßen sollten, an dem die Franzosen in Mainz einrücken würden. Auffallend aber war es jedenfalls, daß für die Schweiz, die man bisher als das wichtigste Bollwerk zwischen jenen großen Nachbarstaaten betrachtet hatte, keine einzige günstige Bestimmung in jenem Vertrage festgesezt und ihr Fortbestand auf keine Weise gewährleistet worden war.

Dieses Stillschweigen mußte um so bedenklicher erscheinen, als mehrere gleichzeitige Merkmale auf die Absicht der Franzosen schließen ließen, die Schweiz gleichfalls so zu ihren Zwecken umzuwandeln und umzugestalten, wie dieses bereits mit Holland und mit einem großen Theile Italiens geschehen war. Seit dem Ursprunge der cisalpinischen Republik hatte sich im Veltlin eine Parthei zur Vereinigung der bündtenschen Unterthanenländer mit ihr gebildet. Doch wünschte der weit größere Theil des Volks eine Uebereinkunft mit Bündten, auf der Grundlage einer Entschädigung für die Rechte der bisherigen Landesherren, mit denen man sich dann zu einem Freistaate vereinigen wollte, wozu der französische Resident Comeyras seine Vermittlung darbot. Aber kleinliche Rücksichten und die Abneigung, ein zeitgemäßes Zugeständniß zu machen, verhinderten die Bündtner während der ihnen von dem gleichfalls um Vermittlung angesprochenen General Bonaparte gefeßten Frist, irgend einen Schritt zu thun, so daß wenige Tage vor dem Frieden von Campo Formio Veltlin, Chiavenna und Bormio unwiderruflich mit der cisalpinischen Republik vereinigt wurden, 1) welche leßtere kurz vorher von der Eidgenossenschaft unbedenklich anerkannt worden war. 2) Der Umschwung der Dinge in Frankreich am 18. Fruftidor (4. Sept. 1797) und die Entdeckungen, welche die französische Regierung von Umtrieben der Königlichgesinnten erhielt, zu deren Schauplaß der englische

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