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VI. Nichtigkeitsklage.

Für die Nichtigkeitsklage (j. oben II 1) gelten die nachfolgenden „besonderen Vorschriften", neben welchen die allgemeinen Vorschriften der CPO. über das Verfahren, soweit nicht in Abschn. 1 Buch VI CPO. Abweichungen enthalten sind, zur Anwendung kommen.

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Den Gegensaz dazu bilden die Anfechtbarkeitsgründe des
BGB. §§ 1335–1350.

Lettere kommen für die Nichtigkeitsklage nicht in Betracht gemäß
CPO. § 633.

2. Für das Verfahren giebt es für den StA. drei Möglichkeiten:

a) Entweder gemäß:

CPO. § 632 Abs. 1: Die Klage kann von jedem Ehegatten sowie von dem St A. erhoben werden, . .

CPO. § 632 Abs. 2: Die von dem StA. oder einem Dritten erhobene Klage ist gegen beide Ehegatten, die von einem Ehegatten erhobene Klage ist gegen den anderen Ehegatten zu richten.

b) Oder gemäß:

CPO. § 634: Der StA. kann, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben, insbesondere selbstständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen.

c) Oder der StA. beschränkt sich auf die I–V gedachte Thätigkeit.

3. In den beiden Fällen, in denen der StA. selbst klagt oder betreibt (2 a und b), hat er die in der CPO. gegebenen Vorschriften über Gestalt, Inhalt, Anbringung, Zustellung von Schriftfäßen und Erklärungen zu beobachten.

4. a) Die Erhebung der Nichtigkeitsklage hängt von dem pflichtmäßigen Ermessen des StA. ab; letzteres eintreten zu lassen ist Amtspflicht des StA. („Erler, Ehescheidungsrecht“, zweite Auflage S. 196).

b) Der StA. ist von Anfang an vollständig Prozeßpartei; er bedarf jedoch keines Rechtsanwalts zu seiner Vertretung, ungeachtet die Ehesachen im Anwaltsprozesse verhandelt werden.

c) Was seine Stellung zu den beklagten Ehegatten betrifft, so werden diese nothwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 CPO.

d) Zuständig für die Erhebung der Nichtigkeitsflage ist der Erste StA. beim Landgericht. Wird der Rechtsstreit sodann beim Oberlandesgericht anhängig, so tritt der Oberstaatsanwalt an seine Stelle, ebenso beim Reichsgerichte der Oberreichsanwalt. Zur Einlegung der Berufung ist demgemäß der ObStA. zuständig, ebenso zur Einlegung der Revision der Oberreichsanwalt (Entsch. d. RG. in Civilsachen Bd. 18 S. 405; Bd. 25 S. 421).

e) Sehr vorsichtig ist vor der Anstellung der Nichtigkeitsflage die örtliche Zuständigkeit zu prüfen. Denn nicht der Gerichtsstand zur Zeit der Eheschließung, noch der Ort dieser Eheschließung bei Doppelehe etwa der Ort der zweiten Eheschließung -kommen in Betracht, sondern es ist nach CPO. § 606: ... das Landgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand (zur Zeit der Klageerhebung) hat, ausschliesslich zuständig.

Diese Zuständigkeit ist eine ausschließliche, und es muß bei Unzuständigkeit die Abweisung der Klage erfolgen.

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1. den . . . (Ehemann),

2. die (zweite Ehefrau),
wegen Nichtigkeit der Ehe.

Der Beklagte 1 verheirathete sich am . . . mit der . . . (ersten Ehefrau). Ohne daß diese Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt war, schloß er am ... eine neue Ehe mit der Beklagten 2.

am

Beweis: Heiratsurkunden Bl. ... der Untersuchungsakten. . .

Wegen der hierdurch begangenen Doppelche ist ... rechtskräftig verurtheilt

Beweis: Untersuchungsakten. .

Ich lade die Beklagten mit der Aufforderung, einen bei dem nebenbezeichneten Gerichte zugelassenen Rechtsanwalt zu bestellen, vor die CK.... zur mündlichen Verhandlung, in welcher ich beantragen werde, die zwischen ... bestehende Ehe für nichtig zu erklären.

B.

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6. Auf die Terminsanberaumung hin, und ebenso in späteren Fällen, hat der StA. zu laden, wie jede Civilpartei.

7. In der mündlichen Verhandlung steht dem StA., sofern er Partei ist, auch das Fragerecht der Anwälte zu, aus

CPO. § 397 Abs. 2.

Die in CPO. § 297 vorgeschriebene Verlejung der Anträge bezieht sich nicht auf diejenigen des StA. (Erler a. a. D. S. 171). Im Sizungsprotokoll ist der Name des StA. anzugeben und sind die von ihm gestellten Anträge aufzunehmen.

8. Die Betreibung des Prozesses (oben 2b) steht dem StA. auch dann zu, wenn die Parteien das Verfahren ruhen lassen, oder wenn unterbrochen oder ausgesetzt ist. Er kann ohne Weiteres in den Prozeß eintreten. Mit dem Gebrauch dieser Befugniß übernimmt er ebenso wie bei Erhebung der Klage die Rolle einer Partei, ohne jedoch dadurch zu irgend einer Partei, deren Antrag er unterstützt, in eine blos beigeordnete Stellung zu gerathen, da er kein Partei-Interesse, sondern nur das davon verschiedene selbstständige öffentliche Interesse verfolgt. Daher kann er auch hier für Aufrechterhaltung der Ehe eintreten. Er hat aus demselben Grunde die Befugniß zur Einlegung von Rechtsmitteln auch dann, wenn nach seinen Anträgen erkannt ist:

CPO. § 636: Wird ein Rechtsmittel von dem StA. oder einer Privatpartei eingelegt, so sind im ersteren Falle die Privatparteien, im letzteren Falle die übrigen Privatparteien und der StA., sofern derselbe Partei ist, für das Rechtsmittelverfahren als die Geguer anzusehen.

9. Was den Geschäftsverkehr zwischen Gericht und StA. betrifft, so sagt

Allg. Verf. v. 13. Juni 1881 (j. oben) Nr. 5: Hat die StA. die Nichtigkeitsklage erhoben oder tritt dieselbe sonst als Partei auf, so ist sie rücksichtlich der zu ertheilenden Ausfertigungen und Abschriften den Parteien gleich zu behandeln.

B. Die Kindschaftssachen.

In den Prozessen, die die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern und Kindesverhältnisses oder einer elterlichen Gewalt zum Gegenstande haben, hat die StA. ebenfalls in Thätigkeit zu treten.

1. Es findet nach

CPO. § 640

der § 607 CPD., oben A II, entsprechende Anwendung".

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1. Der StA. ist also von allen Terminen des Prozesses von Amtswegen in Kenntniß zu sehen, und zwar wird dies in der oben A III 1 und 2 genannten Weise erfolgen.

2. Die Thätigkeit des StA. beschränkt sich (da eine Ausnahmestellung wie bei der Nichtigkeitsklage wegfällt) auf das oben A II 2 Gesagte; doch kann der StA. daneben außergerichtliche Ermittelungen zur Aufklärung anstellen, die er im Termine verwerthet.

3. Welches das öffentliche Interesse an dem einzelnen Prozesse ist, läßt sich nicht so allgemein bestimmen, wie für die Ehefachen. Es wird hier daran liegen, der Wahrheit zum Siege zu verhelfen und zur Aufklärung dunkler Rechtsverhältnisse beizutragen.

4. Das persönliche Erscheinen der Parteien kann auch in diesem Prozesse angeordnet werden (CPO. §§ 640 und 620); oben A I 3.

5. Für das Sekretariat gilt das zu A III 7 Gesagte.

$ 180.

C. Das Entmündigungsverfahren.

Das Entmündigungsverfahren ist nach der CPD. gegeben: a) wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche (CPO. §§ 645 ff.); b) wegen Verschwendung; c) wegen Trunksucht (CPO. §§ 680 ff.).

I. Umgrenzung.

In dem Verfahren zu b und e findet nach

CPO. § 680 Abs. 4. . . eine Mitwirkung der StA. nicht statt.

Eine Ausnahme greift nur insofern Plah, als die Klage auf Aufhebung des Entmündigungsbeschlusses wegen Verschwendung und Trunksucht und auf Wiederaufhebung dieser Entmündigungen nach.

CPO. §§ 684 Abs. 3, 686 Abs. 3: gegen denjenigen, der die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den StA. zu richten (sind).

Im übrigen kommt für den StA. nur die Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche in Betracht; nur von ihr wird im Folgenden gehandelt.

II. Grundsätze.

1. Die Pflichten der StA. in dem Verfahren giebt an

Allg. Verf. v. 28. Nov. 1899 über das Verfahren bei Entmündigungen wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche Bürgerliches Gesetz

buch § 6 Nr. 1; Civilprozessordnung §§ 645 bis 679 (JMBI. 388):

I. Thätigkeit der Staatsanwaltschaft.

§ 1. Die StA. hat darüber zu wachen, (a) dass beim Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 2) die Entmündigung eines der Fürsorge bedürftigen Geisteskranken oder Geistesschwachen erfolgt, und (b) dass Personen, bezüglich deren die bezeichneten Voraussetzungen nicht gegeben sind, nicht entmündigt werden, (c) dass auch eine Entmündigung beim Wegfall ihres Grundes wieder aufgehoben wird.

Zu diesem Zwecke hat die StA. selbständig die geeigneten Anträge zu stellen und von einem auf Antrag eines Anderen Berechtigten eingeleiteten Verfahren fortlaufend Kenntniss zu nehmen.

2. Die entsprechenden Befugnisse aber verleiht dem StA.

CPO. § 646 Abs. 2: In allen Fällen ist auch der StA. bei dem vorgesetzten Landgericht zur Stellung des Antrags befugt.

CPO. § 652: Der StA. kann in allen Fällen das Verfahren durch Stellung von Anträgen betreiben . . . (Forts. j. unten).

III. Voraussetzungen der Entmündigung.

1. Was zunächst den Fall a der Allg. Verfügung v. 28. Nov. 1899 betrifft (wegen b s. unten V 2; wegen c s. unten XVI), so erklärt über die gesetzlichen Voraussetzungen der Entmündigung

Allg. Verf. v. 28. Nov. 1899 (fährt fort): § 2. Entmündigt kann werden, wer in Folge von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag (BGB. § 6 Nr. 1). Unter Angelegenheiten sind nicht nur Vermögensangelegenheiten, sondern die gesammten Lebensverhältnisse, z. B. auch die Sorge für die eigene Person, die Sorge für Angehörige, die Erziehung der Kinder u. dgl. zu verstehen.

Aus einem anderen als dem bezeichneten Grunde darf die Entmündigung nicht erfolgen, insbesondere nicht lediglich aus polizeilichen Rücksichten oder im ausschliesslichen Interesse anderer Personen.

2. Aber auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, wird doch in denjenigen Fällen die Entmündigung nicht im öffentlichen Interesse liegen und daher vom StA. nicht zu betreiben sein, in denen der Geisteskranke oder schwache nicht der Fürsorge bedürftig" (Allg. Verf. oben) ist. Eine Pflicht, etwa in allen Fällen der Unheilbarkeit die Entmündigung zu beantragen, besteht nicht. Die in entgegengeseztem Sinne

lautende

Cabinets-0. v. 5. April 1804

ist mit dem Wegfall der gesetzlichen Bestimmung, auf der sie beruhte (ALR. Theil II Titel 18 § 12), weggefallen.

3. Um zu finden, in welchen Fällen jene Bedürftigkeit und damit das öffentliche Interesse an der Entmündigung vorhanden ist, erscheint es geboten, von der Wirkung der Entmündigung auszugehen.

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BGB. § 104: Geschäftsunfähig ist: ... 3. Wer wegen Geistes krankheit entmündigt ist.

BGB. § 114: Wer wegen Geistes schwäche, wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht entmündigt oder wer nach § 1906 unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist, steht in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen gleich, der das siebente Lebensjahr vollendet hat. 2. Aber abgesehen von diesen civilrechtlichen Folgen hat die Entmündigung auch Wirkungen auf anderen Gebieten, und zwar ist es zunächst natürlich, daß eine Festhaltung in einer Irrenanstalt nicht mehr möglich ist, falls die Entmündigung abgelehnt worden ist (s. unten V 2).

3. Andererseits fann der förmlich Entmündigte überhaupt weit leichter als der nicht Entmündigte in eine Irrenanstalt gebracht, oder darin festgehalten werden. Dies ist namentlich für die Unterbringung aus öffentlichen Mitteln wichtig. Manche städtischen oder Provinzial-Statuten enthalten die Bestimmung, daß die Aufnahme unheilbarer Geisteskranker in die Anstalt überhaupt nur auf Grund der Bescheinigung des wenigstens eingeleiteten Entmündigungsverfahrens erfolgt (s. allerdings das oben III 2 am Ende Gesagte).

4. a) Auf dem Gebiete des Strafrechts bedeutet die Entmündigung nichts weiter, als einen Anhalt dafür, daß der Entmündigte nicht geistig gesund ist. In klaren Fällen darf sich allerdings der StA. im Vorverfahren und der Richter in der Hauptverhandlung damit genügen lassen, um die Zurechnungsfähigkeit zu verneinen. Kommt es aber zu einer wirklichen Beweiserhebung darüber, so bewegt sie sich völlig unabhängig von jenem Verfahren; Verurtheilungen von Entmündigten sind möglich; ja, es ist denkbar, daß solche trotz der gerichtskundigen Entmündigung ohne nochmalige Anhörung von Sachverständigen lediglich auf Grund des persönlichen Eindrucks, den der Angeklagte macht, erfolgen.

b) Wenn der Geisteskranke infolge seiner Strafthaten gemeingefährlich erscheint, sei es nun, daß er eine schwerere Strafthat begangen hat, oder daß er geringere fortgesezt zu verüben pflegt, oder daß endlich sein Thun die öffentliche Sittlichkeit gefährdet, so ist es nöthig, daß ihm durch die Einbringung in eine Irrenanstalt die Möglichkeit, sein Thun zu wiederholen, ge= nommen wird; die sicherste Handhabe hierfür bietet das Entmündigungsverfahren. V. Deffentliches Interesse an der Entmündigung.

Nach dem vorher Gesagten läßt es sich beantworten, in welchen Fällen das Entmündigungsverfahren im öffentlichen Interesse liegt.

1. Zunächst in dem Falle 1 oben dann, wenn

a) der zu Entmündigende Vermögen besitzt oder zu erwarten hat. Denn der Staat, der den Entmündigten dem Kinde unter bezw. über 7 Jahren gleichstellt (s. oben), will und muß auch in der Lage sein, für ihn zu sorgen und ihn zu schüßen, wie für ein solches Kind.

b) Auch wenn kein Vermögen vorhanden ist, kann die hülflose Lage des Kranken den dauernden Schuß eines Vormundes nöthig machen, ohne daß andererseits, wegen der Harmlosigkeit des Leidens, die Unterbringung in eine Anstalt geboten ist, z. B. zwecks Beschaffung einer geeigneten Beschäftigung, die ihn vielleicht ganz oder zum Theil ernähren kann, wenn der Vormund sie entsprechend für ihn ausfindig macht.

2. Ferner für den Fall 2 oben; denn der Staat muß darüber wachen, daß nicht Personen in Irrenanstalten festgehalten werden, welche nicht geisteskrank oder schwach find (f. Allg. Verf. v. 28. Nov. 1899 § 1 oben). Hier ist gerade das Entmündigungsverfahren der Weg, um Sicherheit über den wirklichen Geisteszustand des Festgehaltenen zu gewinnen (f. unten VII 4). Der Staat sorgt also entweder, falls ein Verfahren bereits schwebt, dafür, daß er so vertreten ist, daß unabhängig von dem Drängen und den Machenschaften etwaiger Interessenten die Beweise beschafft werden, oder, falls das Entmündigungsverfahren noch nicht eingeleitet ist, daß es nicht länger, als dringend nothwendig (f. unten IX 1) verschoben wird.

3. Auch im Falle 3 oben muß die Entmündigung vom Staate betrieben werden, um die unentgeltliche Unterbringung in einer öffentlichen Anstalt zu ermöglichen; es sei denn, daß

a) der Kranke durch Vermittelung seiner Angehörigen in einer Frrenanstalt bereits Aufnahme gefunden hat und diese Anstalt Gewähr dafür bietet, daß die Unterbringung eine gerechtfertigte ist.

Ueber den Unterschied in der Behandlung privater und öffentlicher Anstalten sagt hierzu

Min.-Verf. v. 25. April 1862 (Eulenberg S. 45): Es liegt nahe, dass die zur Verhütung ungerechtfertigter Freiheitsberaubung angeblich gemüths

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