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Ideen andern aufzudrängen. Als Gast des Dichters Shenstone findet er dessen Herz zu sehr Idolen hingegeben, weil Shenstone sein Besitztum auf allerlei künstliche Weise ausgeschmückt hat. Wildgoose steht nachts auf, zerstört die Springbrunnen und Statuen usw. und verlässt mit seinem Diener das Haus (Buch 1X, Kap. 8).

Sonst aber ist Wildgoose viel harmloser als Don Quijote; wenn er verspottet wird, so lässt er seine Gegner ruhig gewähren, da es seine christliche Duldungspflicht nicht anders zulässt. Ja, als er einst von einem Strassenräuber überfallen wird, mit der Aufforderung, das Geld oder das Leben! gibt er ruhig alles was er hat, nicht etwa aus Feigheit oder Furcht, sondern da er glaubt, dass ,nothing... but the utmost necessity could possibly drive a man to such desperate acts of violence') (Buch VIII, Kap. 27).

Wie Cervantes durch die Reden des Don Quijote den Stil der Ritterromane verspottet, so tut dies auch Graves in den Reden seines Helden mit den methodistischen Predigten. Besonders findet Graves die Gewohnheit der Methodistenprediger lächerlich, ihre bildliche Ausdrucksweise unmittelbar an ihre jeweilige Umgebung anzuknüpfen. Diese Eigenheit sehen wir wiederholt verspottet, so Buch IV, Kap. 4: Wildgoose ist eben aus dem Bette aufgestanden; die Frau, bei der er als Gast war, hat einen Säugling auf dem Arm, dem sie Milch gibt, und meint, zu Wildgoose gewendet, er habe wohl nicht die ihm gebührende Nachtruhe gefunden, worauf Wildgoose erwidert: Ah I sweetly leaned on my Saviour's bosom, and sucked out of the breasts of his consolation; and I can truly say, the banner of his love was spread over me the whole night 2).

Tugwell,

der Begleiter des Wildgoose, gleicht in mancher Beziehung dem Gefährten Don Quijotes. Er ist bisher ein ehrsamer

1) vol. II, p. 278.

2) vol. I, p. 213.

Schuster gewesen, lässt sich aber von Wildgoose überreden und verlässt, ohne ein Wort zu sagen, seine Frau, um seinem neuen Herrn zu folgen. Gegenüber seinem ernsten Herrn ist er die lustige Person in dem Roman. Verschiedene Male macht er sich bei fremden Personen über seinen Herrn lustig (Buch X, Kap. 16 u. ö.), wie dies Sancho bei der Herzogin und sonst noch tut (D. Q. II. Teil, Kap. 33). Wenn er aber seinen Herrn für einen Narren hält, so muss er bekennen, dass er noch ein grösserer Narr sei, um einem Narren zu folgen '). Dasselbe gibt auch Sancho der Herzogin zu2).

Gegenüber den idealen Anschauungen seines Herrn erscheint Tugwell mit seinen dummen und prosaischen Ansichten. Buch II, Kap. 5 ergeht sich Wildgoose in einer Bewunderung der Landschaft: "I am always charmed with this fine prospect, though I have viewed it so many hundred times." Worauf Tugwell erwidert: "Yes... one may see a number of miles here that's sartain." Darauf folgt dieses Gespräch: "I don't think the beauty of a prospect depends upon the number of miles one may see", says Wildgoose, "but upon the number and distinctness of the objects, and the richness of the country." "Why, yes", says Tugwell, "to be sure the vale is rich land and most of it worth forty shilling an acre but then it's plaguy dirty in the winter." 3) In derselben Weise hat auch Cervantes seinem idealen Don Quijote den prosaischen Sancho gegenübergestellt.

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Eine der schönsten Aussprüche Sanchos, die Lobrede auf den Schlaf("bien haya el que inventó el sueño, capa que cubre todos los humanos pensamientos"), etc.), ist wohl Vorbild

1) vol. III, p. 126.

...

2) vgl. II. Teil, Kap. 33, Obras p. 416 a: pues Don Quijote de la Mancha es loco, menguado y mentecato y Sancho Panza lo conoce, y con todo eso le sirve y le sigue ... sin duda debe de ser él mas tonto que su amo ... Par Dios, señora, dijo Sancho, que ese escrúpulo viene con parto derecho.

3) vol. I, p. 64.

4) D. Q. II, Kap. 68; Obras p. 475 b.

für Graves, wenn er Tugwell folgende Worte in den Mund legt: And blessed be that good Christian who first found out chimney-corners! (said Tugwell to himself upon spying the distant light of the inn to which they had been directed). Nothing is more comfortable, continued Jerry, than a pipe of tabacco in a chimney-corner, after wandring about in a dark night and in a strange country, as we have done. And if I can but meet with a bit of soft cheese and a radish, to close the orifice of the stomach (as the Exciseman used to say) I shall be as happy as the Great Mogul). Doch ist leicht zu erkennen, wo das Gemüt schöner zum Ausdruck kommt.

Tugwell kommt schliesslich, wie Sancho, mit seinem Herrn nach Hause, besänftigt durch das erworbene Geld, das ihm Wildgoose einhändigt, seine erzürnte Frau und nimmt. wieder sein Schusterhandwerk auf.

Die Abenteuer

gleichen denen im D. Q. insofern, als der Held mit seinen Versuchen, fremde Menschen zu bekehren, überall Spott und schlechte Behandlung findet. Er wird samt seinem Gefährten meist mit Schmutz und dergleichen beworfen und muss unverrichteter Sache abziehen. Nur Tugwell lässt sich mitunter in eine Balgerei ein. Die Gegner, die sich Wildgoose auf diese Weise schafft, sind meist Wirtshausgäste; vielfach aber will er auch Volksbelustigungen stören 2) und erinnert in diesem Bestreben an Hudibras; aber letzteres ist die einzige Ähnlichkeit, die zwischen Wildgoose und Hudibras besteht.

Einmal schreiben spottlustige Leute dem Tugwell seinen Namen auf den Rücken, so dass er an einem andern Ort zu seiner grossen Verwunderung seinen Namen aus dem Munder fremder Leute vernimmt (Buch VI, Kap. 21). Dasselbe passiert D. Q. in Barcelona (D. Q. II. Teil, Kap. 62).

1) vol. I, p. 207/8 (Buch IV, Kap. 3).

2) Etwa Buch II, Kap. 10.

Noch in anderer Beziehung scheint die Romantechnik des Cervantes auf Graves eingewirkt zu haben, nämlich insofern es der Engländer liebt, die Abenteuer seines Helden in eine Reihe heiterer und schöner Landschaften zu verlegen, wodurch dem gesamten Werke derselbe reizvolle Hintergrund gegeben werden soll, den Cervantes so wunderbar in sein klassisches Werk einzuflechten verstanden hat. Dies Bestreben Graves' ist das erste derartige in der Geschichte des Einflusses des Don Quijote und weist deutlich auf das Aufkommen der Romantik hin, zu dem Cervantes' Nachwirken auch in dieser Richtung beigetragen hat.

Nach dem Vorgange des Cervantes hat Graves in die Abenteuer seines Helden mehrere novellenartige Erzählungen eingefügt, die der Held aus dem Munde einer beteiligten Person vernimmt. Auf diese Weise lernt Wildgoose ein schönes Mädchen, Julia Townsend, kennen, in die er sich verliebt, und die hauptsächlich Veranlassung für ihn wird, sich einen vernünftigeren Lebenszweck zu suchen.

Rückblick auf die Geschichte des Einflusses.

Es erübrigt sich, noch einige zusammenfassende Bemerkungen zu machen, die im Laufe der Einzeluntersuchungen nicht zur Sprache kommen konnten. Die letzteren haben gezeigt, dass der Einfluss von dem unsterblichen Werke des Cervantes her gar mannigfacher Art sein konnte, weil eben dasselbe ein wahrhaftes Kunstwerk und darum unerschöpflich ist. Aber es ist doch auch deutlich erkennbar, dass diese vielfachen Anregungen, die von dem Don Quijote ausgingen, so individuell verschieden sie auch sein mochten, nach Zeitperioden enger zusammen gehören.

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Am Anfang des Einflusses durch das ganze 17. Jahrhundert hindurch nehmen wir eine Auffassung wahr, die den Eindruck wieder gibt, den die Lektüre des Don Quijote etwa auf Kinder macht: Der Manchaner ist der tolle Ritter, der seine ergötzlichen Streiche ausführt, über die die Menschen so gerne lachen. Das Werk des Cervantes ein gutes Unterhaltungsbuch, weiter nichts! Es ist die Zeit der Jestbooks. Klar ist dies ausgesprochen, z. B. bei Gayton, blickt in mannigfachen Vergleichen des Don Quijote mit närrischen Figuren der englischen Literatur durch, und kommt in Nachahmungen wie dem Knight of the Burning Pestle, dem Zara del Fogo und der Dramatisierung des spanischen Werkes durch D'Urfey zur Darstellung. In demselben Masse wie man den Ritter nach seiner intellektuellen Seite verkennt, so auch nach seiner moralischen. Wie man seine Torheiten hervorkehrt, so sucht man sie auch als Ausfluss einer niedrigen Seele zu erklären; man zieht sogar seinen Mut in Zweifel

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