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von ihnen waren dieselben in eitriger Erweichung (6, 11, 20, 21); und von den Fällen von ausgesprochener Pyämie mit Retention ergab. sich ebenfalls viermal Fehlen eines Thrombus an der Placentarstelle (12, 14, 15, 25). In zwei Fällen fanden sich Thromben daselbst vor; so zeigte Fall 8 teilweise Thrombose der Gefässe an der Placentarstelle; Fall 23 ergab Thrombose an der Plancentarstelle (gelbliche und rötliche Gerinnsel), ferner Thrombose des unteren Abschnittes der Vena cava inf. und ihrer Verästelungen aufwärts bis zum Oberschenkel; im rechten Ligamentum latum fand sich ein 6 cm. langer eitrig zerfallener Thrombus.

Bedeutet die Thrombenbildung an der Placentarstelle in diesen zwei Fällen von Pyämie mit Retention etwas Besonderes? Ich kann das nicht finden. Ich verweise hier darauf, dass sich ja auch in den erwähnten Fällen von Thrombophlebitis, in denen es nicht zu metastatischen pyämischen Eiterungen gekommen ist, Vereiterung der Thromben an der Placentarstelle fand; es ist eben dasselbe Bild, mag nun Retention vorliegen oder nicht, und darauf kommt es doch im wesentlichen an, ob sich Zeichen von Eiterinvasion in das Blut finden.

Fall 9 der Tabelle I bedarf noch einer kurzen Erwähnung. Es handelte sich um Retention von putrid gewordenem Placentargewebe, ferner um eine Perforation des Uterus nach der Excavatio vesicouterina hin. In der rechten Schenkelvene fand sich ein frischer Thrombus. Es ist möglich, dass der Obduzent mit seiner Ansicht Recht hat, dass diese Perforation durch Erweichung des Uterusgewebes und nicht mechanisch bei Gelegenheit der Ausräumung des retinierten Placentarrestes (10-12 Tage post partum) erfolgte. Da das Protokoll aber nichts darüber sagt, ob die Perforation sich im Bezirk der Placentarstelle fand, so kann dieser Fall nicht in dem Sinne verwertet werden, dass hier eine besonders schwere Veränderung an der Placentarstelle durch die Retention des Placentargewebes bewirkt worden sei.

Die vorstehenden Vergleiche zwischen den Befunden bei den Fällen mit und ohne Retention beweisen sonach, dass weder in der Erscheinungsweise der Infektion, noch hinsichtlich der Frage, ob Putreszenz vorliegt oder nicht, noch auch endlich hinsichtlich der Beschaffenheit der Placentarstelle wesentliche Unterschiede bestehen, und es ergibt sich hieraus die wichtige Schlussfolgerung, dass der bei Retention von Placentar- und Eihautgewebe ver

laufenden puerperalen Infektion gegenüber der ohne diese Komplikation verlaufenden Infektion etwas Spezifisches nicht zukommt.

Die puerperale Infektion geht eben ihre eigenen verschiedenartigen, aber so häufig dem gleichen infausten Ziel zugewandten Wege, mag nun Placentargewebe retiniert sein oder nicht.

Wenn uns auch anfangs die Zahl der mit Retention einhergehenden Fälle von puerperaler Infektion in Verwunderung setzte, so werden wir angesichts dieses mit Notwendigkeit sich aufdrängenden Untersuchungsergebnisses nicht umhin können, anzunehmen, dass eben in den weitaus meisten Fällen von Puerperalfieber mit Placentarretention eine Infektion von aussen erfolgte und erst ihrerseits den tödlichen Ausgang vermittelte.

Dass sich solche Infektionsmöglichkeiten in vielen meiner Fälle ohne weiteres ergeben, lässt sich wohl nach den wenigen Proben von Begebenheitsdarstellung, die ich mitzuteilen in der Lage bin, vermuten. In keinem dieser Fälle war das Verhalten der verantwortlichen Persönlichkeiten ein solches, wie es hätte sein sollen. Wie es in den übrigen Fällen war, steht natürlich dahin; die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass eine Unkorrektheit zu einer Infektion von aussen Veranlassung gab.

Wie kommt es nun, dass so häufig in meinen Fällen Placentarretention vorhanden war? Ich glaube wohl, dass uns die beiden zu den Fällen 15 und 24 gehörigen Sachdarstellungen einen wertvollen Fingerzeig zur Erklärung dieses Vorkommnisses geben: Zug an der Nabelschnur führte in beiden Fällen zu vorzeitiger Beendigung der Nachgeburtsperiode und zu Retention eines Teiles der Placenta; und so mag denn auch gewiss ein anderer und, wie ich vermute, nicht unbeträchtlicher Teil der Fälle mit Retention durch den gleichartigen Mechanismus zustande gekommen sein. Da häufig Pfuscherinnen in meinen Fällen in Betracht kommen, und da der Ort, an dem sich die Begebenheiten abspielten, in meinen Fällen in der Regel das platte Land weit von der Stadt war, so erklärt es sich auch wohl, weshalb in den Fällen des pathologischen Instituts, dessen Material doch wohl zumeist aus der mit Hebammen wohl versorgten grossen Stadt herrührt, so wenig Fälle von Placentarretention vorhanden sind.) Dass

1) cf. die Diskussion über das Puerperalfieber auf dem XIII. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. Deutsche med. Wochenschr. Vereinsbericht S. 1174.

selbstredend in einem anderen Teil der Fälle pathologische Adhäsionen zwischen Placenta und Uterus vorhanden sind, ist ohne weiteres. anzunehmen.

Für die Annahme, dass in der grössten Zahl der Fälle eine Infektion von aussen vorliegt, spricht auch die Tatsache, dass sich in zwei Fällen von tödlicher puerperaler Infektion (2, 19) Eihautreste retiniert fanden; sie findet ihre Erklärung wohl ebenfalls einwandfrei durch die Annahme einer Infektion von aussen; die allgemeine Annahme ist doch wohl die gewesen, dass eine Retention von Eihäuten wohl Resorptionsfieber, nicht aber eine tödliche Infektion verursachen kann. Liegen aber, wie z. B. im Fall 2, die Symptome einer tödlichen puerperalen Infektion bei Eihautretention vor, dann besteht die Annahme zurecht, dass nicht die retinierten Eihäute die Ursache des Todes waren, sondern die Infektion von aussen.

Es ist nicht angängig, von dem vorliegenden Material irgend welche Rückschlüsse hinsichtlich der Wirkung der Ausräumung der retinierten Placentarteile auf den Verlauf des Falles zu ziehen. Gleichwohl mag erwähnt werden, dass in zwei der Fälle mit Retention Ausräumungsversuche vorgenommen wurden; Fall 9, in welchem es zur Perforation des Uterus kam ob infolge der Ausräumung? steht dahin wurde bereits erwähnt. Und in Fall 15 (Retention nach Zug an der Nabelschnur), bei dem gelegentlich einer (Uterus- oder Scheiden-) Spülung ein Stück Placenta entleert wurde, räumte der Arzt mit Finger und Curette aus, eine Operation, welche den ungünstigen Ausgang nicht aufzuhalten vermochte, eher wohl beschleunigte.

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Der Beschaffenheit der Placentarstelle in den Fällen von Retention. wurde bereits die nötige Aufmerksamkeit geschenkt; es ist nach Winters Erfahrung bei der Ausräumung des Uterus sehr wohl möglich, ja wahrscheinlich, dass die bei der Elimination von Placentarresten auftretenden Blutungen eine besonders ungünstige Folgeerscheinung der Placentarretention darstellen, weil die Eröffnungen des Gefässsystems Eingangspforten für Streptokokken und saprophytische Bakterien darstellen. Es ist auch gleichfalls nach Winters Erfahrungen möglich, dass die Umwertung der Streptokokken im Genitalkanal eine besonders leicht stattfindende ist, wenn sich in Gestalt von Placentarresten viel Nährmittel für sie findet.

Wenn aber eine solche Möglichkeit besteht, dann liegt auch die Möglichkeit vor, dass einmal ein tödliches Puerperalfieber durch Pla

centarretention vermittelt wird. In der Regel aber wird erst eine exogene Infektion die Placentarretention komplizieren; oder die Retention kann ohne Infektion spontan ohne schwere Zwischenfälle ablaufen.

Ich muss gestehen, dass mich die Ergebnisse meiner Untersuchungen überrascht haben. Auch ich war der Ansicht, dass das retinierte Placentarstück häufig zu schweren Infektionen Veranlassung geben kann. Ich habe diese Ansicht auf Grund meines Materials nicht mehr in diesem Umfange aufrecht erhalten können und stimme Winter im wesentlichen bei, welcher bestreitet, dass retinierte. Placentarstücke eine derartige Wirkung haben müssen.

Diskussion.

Herr Veit-Halle: Gerichtsärztlich hat die von dem Herrn Vortragenden angeregte Frage ein anderes Interesse als geburtshilflich. In ersterer Hinsicht scheint es mir bei der Kombination von Tod unter Fieber und mit Placentarretention unmöglich, einen Kunstfehler zu statuieren, nachdem einmal ein erfahrener Geburtshelfer wie Winter das Entfernen des Placentarrestes verworfen hat.

Aber geburtshilflich praktisch liegt die Frage anders. Ich unterscheide puerperale Infektion mit virulenten Streptokokken von Fäulnisfieber und von Pyämie. Handelt es sich um reine Fäulnis und Placentarretention, so liegt meines Erachtens kein Grund vor, die Placenta im Uterus zu lassen. Handelt es sich um virulente Streptokokken, so ist die Entfernung nicht imstande, die Frau zu retten; ja selbst die Uterusexstirpation ist dazu kaum fähig. Aber dazwischen liegen für uns auch Fälle, deren Entscheidung schwer ist: sie hängen zusammen mit der Frage, ob bei längerer Retention aus den Fäulnisformen der Streptokokken virulente Formen entstehen. Ist dies erst erwiesen, so muss man bei Fäulnis so früh wie möglich den Rest entfernen. Ist der Uebergang der einen in die andere Form nicht möglich, so schadet die Verhaltung und das Nichtentfernen nicht.

So wird also die praktische geburtshilfliche Frage durch die bakteriologische Untersuchung entschieden werden und mit ihr dann auch die gerichtsärztliche.

Haben die Keime des Lochialsekretes in sich die Charaktere hoher Virulenz, so kann die Entfernung der Placenta den Zustand verschlimmern.

Handelt es sich um frische Retention post partum, so entfernt man stets die Placenta. Vorläufig aber kann ein Kunstfehler in dem Nichtentfernen der Placenta bei Puerperalfieber nicht gefunden werden. Vorläufig liegt für die geburtshilfliche Therapie die Entscheidung in der Frage, ob aus den Fäulniskeimen virulente entstehen können.

Herr Latzko-Wien: kann der Retention von Placentarteilen in bezug auf die Entstehung von Puerperalfieber keine Bedeutung beimessen. Die Entfernung solcher Reste ist ebenso gefährlich, wie die manuelle Placentarlösung. Er hält sie nicht für indiziert und meint, dass ein Arzt, der sich bewusst auf den Standpunkt stellt, den Latzko einnimmt, und die Entfernung solcher Reste unterlässt. nicht zu verurteilen sei.

Uebereinstimmend wird von Schauta und Veit die Entfernung von Placentarresten unmittelbar nach der Geburt (bis zum zweiten Tage) als indiziert anerkannt.

Herr Puppe-Königsberg i. Pr.: Ich möchte mir das Wort zu einer Anfrage erbitten. Muss der Arzt, welcher, nachdem die Placenta geboren ist, erkennt, dass ein Stück Placentargewebe retiniert ist, dieses Stück ausräumen, auch ohne dass eine Blutung besteht? (Herr Veit und Herr Schauta: Ja).

Hinsichtlich des Kunstfehlers möchte ich nunmehr folgendes hervorheben: Wenn der Arzt ein Stück Placenta zurücklässt und es entstehen Blutungen und

verzögerte Rückbildung des Uterus, so ist das doch eine fahrlässige Körperverletzung! Ja, wenn der Arzt zur Verantwortung gezogen wird, so kann sogar eine gefährliche Körperverletzung vorliegen, weil er durch das Zurücklassen des Stückes Placenta der Frau eine das Leben gefährdende Behandlung hat zuteil werden lassen.

Herr Schauta-Wien: hält die Entfernung von Placentarresten für indiziert, da sich in den faulenden Massen leicht Streptokokken ansiedeln, anreichern und ihre Virulenz steigern können. Bei infizierten Resten ist die Entfernung gefährlich, soll aber noch unternommen werden, wenn die Infektion noch nicht den Uterus und seine Umgebung ergriffen hat. Er hält es bei Beurteilung eines solchen Falles vom gerichtsärztlichen Standpunkte für sehr wichtig zu individualisieren und besonders zu begutachten, in welchem Stadium der Arzt den Fall übernommen hat.

Herr Puppe-Königsberg i. Pr.: Ich bin den Herren Gynäkologen ausserordentlich dankbar, dass sie mit uns in dieser Frage beraten haben. Manche Anregungen haben wir aus der Diskussion entnommen. Ich möchte meinen Standpunkt noch einmal dahin zusammenfassen, dass in der Regel eine exogene Infektion das Kindbettfieber bewirkt, mag nun Placentarretention vorliegen oder nicht. Denn die Fälle von Kindbettfieber mit Placentarretention verlaufen wie die Fälle ohne Retention. Solange es aber vorkommt, dass eine Frau, nachdem sie 63 Tage lang ein Placentarstück bei sich beherbergt hat, ohne zu fiebern, nach der Ausräumung zu fiebern beginnt und solange somit die Möglichkeit besteht, das Eitererreger hinsichtlich ihrer Giftigkeit durch das Verweilen im Uterus und auf dem Placentarrest im Sinne einer Vermehrung ihrer Giftigkeit beeinflusst worden sind, so lange halte ich die Möglichkeit für vorliegend, dass gewissermassen durch eine endogene Infektion infolge der Placentarretention eine tödliche Wochenbetterkrankung entstehen kann. Darauf hinzuweisen war lediglich meine Absicht.

Zweiter Sitzungstag.

Dienstag, den 21. September 1909, vormittags 94 Uhr. Zweite wissenschaftliche Sitzung.

Vorsitzender: Herr Beumer-Greifswald.

Herr J. Kratter-Graz:

6) Bemerkungen über den Wert der Guajak-Reaktion für den forensischen Blutnachweis.

M. H. Vor zwei Jahren habe ich auf der dritten Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche Medizin in Dresden", kurz über die van Deensche Blutprobe in der Ausgestaltung berichtet, wie sie seit mehr als drei Jahrzehnten von mir und meinen Schülern ausgeführt wird. (1) Ich war dabei von der Absicht geleitet, dieser hochempfindlichen und für uns unentbehrlichen Methode allgemein Eingang zu verschaffen. Meine Absicht wurde anscheinend nicht erreicht. Ich schliesse dies daraus, dass seither keine bestätigenden Angaben in der forensischen Literatur gemacht wurden, wohl aber schon bei der damaligen Diskussion sowie in späteren Veröffentlichungen (2) mehr weniger abweisende oder zweifelnde Bemerkungen

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