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Erste wissenschaftliche Sitzung.

Vorsitzender Herr Ipsen-Innsbruck.

Herr Ipsen: Sehr geehrte Herren! Bevor ich meines Amtes walte, kann ich es nicht unterlassen, für die werk tätige Unterstützung, die wir als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche Medizin durch die Mithilfe der beiden Einführenden, der Herren Kratter und Schonka, gefunden haben, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Sie wissen wohl, dass sich jetzt durch Jahre das Verhältnis derart ausgebildet hat, dass gleichzeitig mit der Naturforscherversammlung die Deutsche Gesellschaft für gerichtliche Medizin tagt, und diese Einrichtung eines innigen Anschlusses hat sich glänzend bewährt. Ich denke, nur dadurch ist es unserem speziellen Fache möglich, die nötige Befruchtung aus den einzelnen medizinischen und naturwissenschaftlichen Fächern zu gewinnen, die wir nötig haben, um unseren grossen Aufgaben beim Suchen nach der Wahrheit gerecht werden zu können. Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Phase erfreulichen Aufschwunges. Da wir in diesen Tagen unsere Geschäftssitzung abzuhalten haben, möchte ich vorschlagen, dass wir uns morgen um 11 Uhr zu dieser Sitzung zusammenfinden. Von der Absage der beiden Vortragenden, der Herren Anton und Hartmann hat Herr Kratter schon Nachricht gegeben. Ich kann dem nur hinzufügen, dass wir es auf das Lebhafteste bedauern, dass es uns wieder unmöglich wird, ausgezeichnete Referate zu hören; und es wird Aufgabe unserer Gesellschaft sein, in dieser Richtung vielleicht doch nach Mitteln zu suchen, um in Zukunft möglichst derartige Ausfälle zu paralysieren ganz ausschalten lassen sie sich selbstverständlich nicht aber man wird vielleicht trachten müssen, für eine grössere Zahl von Referenten Sorge zu tragen für den Fall, dass einer oder der andere der Vortragenden verhindert ist und das Referat ausfällt. Ich wünsche auch der heurigen Tagung unserer Gesellschaft reichen Erfolg, was mit Rücksicht auf die Zusammenstellung der Vorträge mit Sicherheit zu erwarten ist. Ich denke, wir gehen gleich in medias res ein und bitte Herrn Strassmann mit seinem Vortrage zu beginnen.

Herr F. Strassmann-Berlin:

1) Merkmale der behufs Vortäuschung fremden Angriffs

bewirkten Selbstverletzungen.

M. H. Der Kriminalfall, der mir den Anlass zu den nachfolgenden Betrachtungen gegeben hat, liegt jetzt bereits etwa 13 Jahre zurück. Ich habe ihn zunächst nicht veröffentlicht, weil ich damit rechnete, dass durch spätere Ermittelungen die Täterschaft festgestellt und die zweifelhaften Punkte völlig geklärt werden könnten. Als ich dann vor 10 Jahren auf der Münchener Versammlung einen Vortrag über dieses Thema anmeldete, haben mich zwingende persönliche Gründe ebenso wie dieses Jahr in Budapest von der Teilnahme an der Versammlung und von der Besprechung des Falles abgehalten. So komme ich erst jetzt dazu, ihn der wissenschaftlichen Oeffentlichkeit zu übergeben. In meinen Vorlesungen und Kursen habe ich schon öfter auf ihn hingewiesen und vielleicht befinden sich daher unter Ihnen, meine Herren, einige, die schon von ihm Kenntnis besitzen und die ich deshalb um Entschuldigung bitten muss, wenn

Sie zum Teil Bekanntes hier wieder hören. Der betreffende Fall selbst war folgender:1)

Die 46jährige Krankenwärterin Marie N. bewohnte im Badeort Zoppot zusammen mit dem 30jährigen idiotischen Sohn der Justizrätin B., die im Nebenzimmer schlief, eine Stube im ersten Stock des Pensionats W. Sie gab an, dass sie in der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1896 durch eine Stoss gegen die Schulter erwacht sei; in der Schlaftrunkenheit bemerkte sie eine schattenhaftte Gestalt forthuschen. Als sie sich vollständig ermuntert hatte, hörte sie ihren Pflegling röcheln. Sie eilte hinzu, sah ihn blutüberströmt, weckte die Mutter; beide Frauen stürzten an das Bett und bemerkten nun eine grosse Schnittwunde des Halses. Diese verlief, wie die spätere Sektion ergab, von links oben nach rechts unten, sie hatte die Luftröhre. Speiseröhre, die grossen Blutgefässe und Nerven durchtrennt und zwar die linke Karotis vollständig, die rechte unvollständig und drang noch in die Zwischenknorpelscheibe zwischen 5. und 6. Halswirbel ein. Auch der Hemdkragen war zum Teil durchschnitten. Es fand sich wenig Blut im Zimmer verspritzt, die Hauptmasse im Bett, wonach zu vermuten war, dass der Täter seinem Opfer unter der Bettdecke hinter ihm stehend den Hals durchschnitten hatte. Ein Messer fand sich im Zimmer nicht; schon deshalb und wegen der körperlichen und geistigen Beschaffenheit des Verstorbenen, der auf dem Standpunkt eines vierjährigen Kindes stehen geblieben war, der seine zum Teil verkrüppelten Hände kaum zu den einfachsten Verrichtungen hatte brauchen können, musste die Möglichkeit eines Selbstmordes zurückgewiesen werden. Es sind übrigens später im Hause selbst und in der Nähe eine Anzahl Messer gefunden worden, die zur Verübung der Tat mehr oder weniger geeignet erschienen, von denen aber keines mit Blut bedeckt war.

Die Wärterin, welche zunächst das Haus alarmiert hatte, um Hilfe herbeizuholen, wurde erst später darauf aufmerksam gemacht, dass sie selbst verletzt sei. Es wurde nunmehr bei ihr die nachher noch genauer zu beschreibende Halswunde entdeckt.

Der Verdacht des Mordes lenkte sich alsbald auf diese Wärterin, sie wurde verhaftet und unter Anklage gestellt. Der Verdacht gründete sich wesentlich darauf, dass Spuren eines anderen Täters nicht aufgefunden worden sind, und dass es für einen solchen schwierig, wenn auch keineswegs unmöglich gewesen sein müsste, unbemerkt das Haus zu verlassen. Andererseits hat die Untersuchung irgend ein Motiv für die Tat auf Seiten der Angeklagten nicht ermittelt. Ihr Vorleben war von tadelloser Reinheit, ihr Leumund der denkbar beste, ihr Verhalten gegen den Getöteten während der mehrjährigen Pflege war musterhaft gewesen. Von epileptischen Antezedenzien war nichts bei ihr zu ermitteln.

Unter diesen Umständen war es von entscheidender Bedeutung festzustellen, ob die Wunde, die sich am Halse der Angeklagten fand, ihr von jemand anderem beigebracht war oder ob sie, wie die Anklage auf Grund des Gutachtens der Obduzenten annahm, sie sich selbst beigebracht hatte, um den Schein zu erwecken, dass ein Dritter den Mord an ihrem getöteten Pflegling verübt hätte.

Man fand an dem sehr mageren Hals der Angeklagten eine mehrfach unterbrochene Schnittwunde. Diese begann unter dem linken Schlüsselbein, hier war das Messer anscheinend mehr stichartig eingesetzt worden, es lag eine ca. 1 cm tiefe und ebenso breite, von oben nach unten und von innen nach aussen verlautende Wunde mit blutunterlaufener Umgebung etwa an der Grenze von mittlerem und äusserem Drittel des Schlüsselbeins. Dem entsprach auch ein Stich im Hemde der Angeklagten dicht unter dem obersten derberen Saum. Ueber diesen war das Messer dann anscheinend hinübergesprungen und dadurch über das Schlüsselbein hinweggeglitten. Oberhalb desselben setzte die Schnittwunde wieder ein und verlief

1) Ich referiere nach den unmittelbar nach der Hauptverhandlung von mir aus dem Gedächtnis aufgenommenen Notizen, da mir die Akten damals nicht zu Gebote standen. Irrtümer in Kleinigkeiten, die aber für das Wesen der Sache jedenfalls ohne Bedeutung sind, mögen deshalb vorgekommen sein.

nun schräg von unten und aussen nach innen und oben in der Richtung auf den Kehlkopf zu. Dort, wo die Schnittlinie den Kopfnicker kreuzte, änderte sie ihre Richtung und verlief nunmehr horizontal bis ca. 2 cm links von der Mittellinie. Diese Schnittwunde war tiefer dort, wo das Messer wieder eingesetzt hatte, war dann eine Strecke lang ganz seicht, wurde allmählich wieder tiefer, so dass sie über dem Kopfnicker die ganze Haut und das Unterhautgewebe durchdrang; der Muskel lag hier frei. Die Wunde hatte von dem behandelnden Arzte mit acht Nähten verschlossen werden müssen. Es folgte rechts eine Lücke von etwa 1 cm und dann wieder eine Fortsetzung der Schnittwunde, die Haut durchtrennend, 1-2 cm lang, etwas nach unten gerichtet, deren Ende gerade in die Mittellinie des Halses fiel.

Das Hemd und die Nachtjacke waren im obersten Abschnitte stark durchblutet, so wie man es nach der Beschaffenheit der Verletzung erwarten konnte. In der Nachtjacke lag linkerseits ein Schnitt, welcher mit einem seichten Einschnitt des obersten Knopfes auf seiner linken Seite endete; auf der rechten Seite der Nachtjacke ein paar Zentimeter von dem Knopf nach rechts und unten entfernt begann ein zweiter, 4-5 cm langer, etwas nach unten verlaufender Schnitt. Der erste Schnitt war ein Stück kleiner als die gesamte Halswunde. Wenn man daher, wie es die erstvernommenen Sachverständigen getan hatten, den Knopf der Nachtjacke genau in die Mittellinie des Körpers brachte, so dass er dem Ende der Wunde entsprach, so erschien es allerdings nahezu unmöglich, ein Messer durch den Schnitt der Nachtjacke und den im Hemde auf den unter dem Schlüsselbein liegenden Anfang der Wunde zu bringen, während andererseits für den rechtsseitigen Schnitt in der Nachtjacke sich gar keine Erklärung fand. Daraus wurde geschlossen, dass die gesamte Verletzung nicht beigebracht worden sein konnte, während die Angeklagte Hemd und Nachtjacke anhatte, dass sie vermutlich letztere zurückgeschlagen hatte, als sie sich die Wunde beibrachte und sie erst nachträglich durchschnitten hat. Dies und die verhältnismässig geringe Tiefe der Wunde der Angeklagten gegenüber der des Getöteten hatte die erstvernommenen Sachverständigen zu dem Gutachten geführt, dess die Angeklagte sich selbst verletzt habe und dieses Gutachten war wohl die wesentlichste Stütze der Anklage.

In der Hauptverhandlung, zu der ich vom Gericht zugezogen wurde, machten wir einen neuen Versuch, indem wir die Angeklagte die betreffenden Kleidungsstücke anziehen liessen. Dabei ergab sich Folgendes:

Legte man den Knopf der Nachtjacke 2 cm nach links von der Mittellinie auf die Lücke in der Wunde, so verschob sich das linke Ende des Schnittes so weit, dass es nun keine Schwierigkeiten mehr machte, mit einem Messer durch dieses Ende und den Stich im Hemde den Beginn der Wunde unter dem Schlüsselbein zu treffen. Bildete man ferner eine kleine Falte in der Nachtjacke rechts vom Knopf und schob diese Falte unter den Knopf, so begann der rechtsseitige Schnitt der Nachtjacke nunmehr dicht am Knopf und entsprach dem Ende des Hautschnittes, nur, dass er ein Stück länger war. Das konnte nicht auffallen; die Nachtjacke war ja gewissermassen die oberste Schicht des Körpers der Verletzten, bei Ausziehen des Messers musste hier ein längerer Schlitz entstehen, ganz wie wir sonst eine längere Durchtrennung der Oberhaut am Ende der Halsschnittwunde zu sehen gewohnt sind. Es ergab sich also, nachdem eine Verschiebung der Bekleidung vorgenommen war, wie sie beim Liegen im Bett sehr wohl eintreten konnte, eine völlige Uebereinstimmung zwischen den Verletzungen des Körpers und der Kleidungsstücke und es unterlag keinem Zweifel, dass die Verletzung beigebracht worden war, während die Angeklagte Hemde und Nachtjacke trug und durch diese hindurch.

Das erste für Selbstverletzung sprechende Moment fiel also weg. Auch das zweite, der auffallende Unterschied in der Tiefe der Wunden von beiden Personen war wohl erklärlich. Die Angeklagte lag einem Mörder nicht so handlich, er konnte nur von der Seite an ihr an der Wand stehendes Bett, während das Bett des Ermordeten frei in der Stube stand und er bequem an dessen Kopfende stehend, ihm den Hals von links nach rechts vollständig durchschneiden konnte. Ferner war bei der Angeklagten die Wucht des Schnittes durch ihre dicke Nachtjacke abgeschwächt, vielleicht auch durch die zunehmende seelische Erregung des

Verbrechers. Es war endlich wahrscheinlich, dass das Messer, welches bei dem ersten Schnitt bis in die Wirbelsäule hineingedrungen war, nachher nicht mehr so scharf und schneidig war wie vorher. Dass ein Mörder, der neben dem Bette der Angeklagten stand, wenn diese auf der rechten Seite mit etwas gebeugtem Kopf lag, sehr wohl den Schnitt in der Richtung, die er tatsächlich hatte, hätte ausführen können, davon hatten wir uns direkt überzeugt. Die winkelige Richtung war vielleicht durch eine reflektorische Streckung im Momente der Verletzung zu erklären. Somit sprach nichts dagegen, dass die Angeklagte von fremder Hand verletzt worden war, andererseits sprachen erhebliche Umstände dagegen, dass sie sich selbst verwundet hatte. Denn ihre Verletzung zeigte auch sonst nicht die Charaktere, die zum Zwecke der Vortäuschung eines Attentats beigebrachte Selbstverletzungen erfahrungsgemäss aufweisen.

M. H. Als ich mich über die Charaktere derartiger Verletzungen unterrichten wollte, nachdem die Aufgabe an mich herangetreten war, das entscheidende Gutachten in diesem Kapitalfall abzugeben, standen mir eigene Beobachtungen in dieser Beziehung nicht zu Gebote und auch die meisten literarischen Hilfsquellen aus unserem Fache versagten fast völlig. Ueber einen Strangulationsversuch von eigener Hand, der in der Absicht ausgeführt worden war, einen fremden. Angriff vorzutäuschen, liegt ja eine immer wieder zitierte Mitteilung Tardieus (Fall Armand-Roux) vor. Von Einwirkungen dieser Art sehe ich hier ganz ab und will mich nur auf die Erörterung der Verletzungen durch Instrumente im engeren Sinne beschränken. Hierüber fand ich nach langem Suchen nur Auskunft in einem Werke, das mir wiederholt schon als Fundgrube für seltene Beobachtungen und für die Entscheidung ungewöhnlicher Fragen gedient hat, bei denen unsere übrige Literatur versagte. Es sind das Taylors „Principles and practice of medical jurisprudence" aus dem Jahre 1865. Er bringt ein ganzes Kapitel (S. 462-466) über diese imputed or self-inflicted wounds", dessen Hauptinhalt ich, da es wenig bekannt geworden ist, hier wiedergeben möchte.1)

Taylor bezieht sich zunächst auf einen Fall Bolam, der 1839 vor dem Schwurgericht in Newcastle verhandelt wurde. Bolam wurde in einem brennenden Zimmer liegend gefunden, neben ihm lag der Leichnam eines Mannes, Namens Millie, der sicher gewaltsam umgebracht worden war, da der Schädel in ausgedehntem Umfange zertrümmert war, offenbar mittelst eines Feuerhakens, der in der Nähe lag. B. war, als er gefunden wurde, entweder bewusstlos oder stellte sich so. Er behauptete nachher, dass er plötzlich von einem Manne angegriffen worden sei, der ihn durch einen Schlag auf die rechte Schläfe niederstreckte. Er versuchte zu entfliehen, wurde aber nochmals niedergeschlagen. Dann fühlte er ein Messer an seinem Hals, versuchte aber keine Abwehr mit seinen Händen diese waren nicht verletzt. Er erinnere sich angeblich noch, am Halse verletzt worden zu sein, wurde dann aber bewusstlos und nahm weiter nichts mehr wahr. Bei der Unter

1) Etwas gekürzt sind übrigens die gleichen Angaben in Taylors älterem, gedrängterem Werk Manual of medical jurisprudence" enthalten, dessen letzte und 12. Ausgabe von Thomas Stevenson bearbeitet, 1891 in London erschien.

suchung seines Halses fand man auf der linken Seite eine 11/2 Zoll lange Wunde, die 1/4 Zoll unter dem Kiefer sass. Eine kleine Menge Blut war aus dieser Wunde herabgelaufen, entlang der Innenfläche des Halstuches. Die Wunde hatte nur die eigentliche Haut durchtrennt und war von unbedeutender Ausdehnung. Es fanden sich zahlreiche Schnitte im Rocke, an dessen Rücken und an der Seite, durch die Weste, Hemde und Unterjacke hindurch, denen aber keine Verletzungen, selbst nicht leichtester Art, an der Haut entsprachen. Die Frage war, ob diese Verletzungen durch den Unbekannten erzeugt waren, der Bolams Angabe nach, nachdem er ihn selbst unschädlich gemacht, M. getötet und das Gebäude angesteckt haben musste, oder ob Bolam sie sich selbst beigebracht hatte in der Absicht, das Verbrechen, das er begangen hatte, zu verbergen und die Anschuldigung von sich abzulenken. Man fand keine Motive für das vermutete Verbrechen B.'s, aber das ärztliche Gutachten lautete so bestimmt auf selbst erzeugte Wunden, dass B. wegen Totschlags verurteilt wurde. Auch Taylor bezweifelte nicht, dass der Verurteilte die Wunden sich selbst beigebracht hatte in der Absicht, den Verdacht zu beseitigen, dass er den Tod des Verstorbenen verursacht hatte. Sie waren oberflächlich, betrafen keine lebenswichtigen Organe und trugen den Charakter, den solche Selbstverletzungen zeigen, die nicht in selbstmörderischer Absicht bewirkt worden sind.

Bald nach B.'s Fall ereignete sich ein ähnlicher in London. Der Steward eines Klubhauses wurde eines Morgens verwundet im Bett gefunden und die Geldkasette des Klubs fehlte. Verschiedene Umstände liessen die Polizei annehmen, dass es sich nicht um einen Einbruch von aussen handelte. Aber der Mann selbst erschien so glaubwürdig, dass kein Verdacht gegen ihn wegen Beteiligung am Raube. geltend gemacht wurde. Brandy Cooper, der ihn untersuchte, fand die Verletzungen an seinem Körper unbedeutend und es erschien ihm nach später bekannt gewordenen Tatsachen nicht zweifelhaft, dass der Steward die Verletzungen selbst erzeugt hatte in der Absicht, den Verdacht von sich abzulenken.

Für die allgemeine Beurteilung dieser Fälle scheidet Taylor, wie auch ich es tun will, diejenigen aus, in denen ein Mensch Selbstmord versucht hat und nachträglich aus Schamgefühl den Fall als versuchten Mord darstellen will. Hier liegen die Verhältnisse in der Tat andersartig. Aber wenn jemand nicht in solcher Absicht, sondern nur, um ein Verbrechen vorzutäuschen, sich selbst verletzt, dann zeigen die Wunden bestimmte übereinstimmende Eigentümlichkeiten. Sie sind im allgemeinen oberflächlich, bestehen aus Schnitten, die nicht über die Haut hinabreichen; sehr selten findet man wirklich tiefe Stiche. Die Wunden sitzen an der Vorderseite des Körpers rechts oder links soll wohl heissen links oder rechts je nachdem die Person rechts- oder linkshändig ist. Sie sind gewöhnlich zahlreich und über einen grossen Umkreis zerstreut;1) mitunter zeigen sie einen vollkommen parallelen Verlauf ungleich denen, die von einem anderen bei einem tödlichen Angriff mittelst

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1) Dieser Satz ergibt sich aus den von Taylor selbst damals mitgeteilten Fällen nicht; ich kann nicht entscheiden, ob er noch über anderes kasuistisches Material verfügte, das ihn begründen konnte oder ob er nur das Ergebnis aprioristischer Erwägungen ist, die allerdings eine psychologische Wahrscheinlichkeit für sich haben.

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