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XI. Das Zeitalter der franzößschen Revolution und der Befreiungskriege.

A. Die französische Revolution.

(Ziel: Wir wollen heute hören, wie wenige Jahre nach Friedrichs des Großen Tode das französische Volk sich gegen seine Obrigkeit empört.)

I. Vorbereitung.

Wenn ein Volk sich gegen seine Obrigkeit, gegen seinen König empört, so ist das Aufruhr, Empörung, Revolution. Wir haben schon mehrere Völker im Kampfe mit ihrer Obrigkeit gesehen, z. B. die Israeliten unter Rehabeam, die Sachsen unter Heinrich IV., die Lombarden unter Friedrich Barbarossa. Bei den Israeliten war die Ursache der Empörung der harte Druck durch Steuern und Frondienste, sowie die harte Antwort Rehabeams, bei den Sachsen Heinrichs IV. Grausamkeit und Härte, die sich ebenfalls in hohen Steuern und schweren Fronarbeiten zeigte, bei den Lombarden Barbarossas grausames Strafgericht besonders über Mailand. Immer aber trieb der Fürsten Grausamkeit und Härte die Völker zu blutiger Empörung. Und wenn wir die Empörung gegen die Obrigkeit auch nicht gutheißen können, wenn wir besonders der unterdrückten Völker blutige Rache verurteilen müssen, so finden wir bei unerhört hartem Druck den Aufruhr doch begreiflich.

Ob die Franzosen aus gleicher Ursache wie die Israeliten, Sachsen und Lombarden sich empört haben? Ob sie zu denselben Mitteln blutiger Gewalt, wie besonders die Sachsen, gegriffen haben? Welche Folgen ihre Empörung gehabt haben mag? Das sind Fragen, die wir uns heute beantworten wollen.

II. Darbietung.

A. Der neue Stoff.

1. Ursachen der französischen Revolution. Während das preußische Volk unter der weisen, wahrhaft landesväterlichen Regierung Friedrichs

Kornrumpf, Handbuch 2c. III.

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des Großen sich steigender Wohlfahrt erfreute und unter seinem Scepter sich sicher und glücklich fühlte, hatten Frankreichs Könige sich immer weniger um die Wohlfahrt ihres Landes und Volkes gekümmert. Schon Ludwigs XIV. äußerlich so glänzende Regierung hatte dem eigenen Lande nicht zum Segen gereicht. Seine Raubkriege, sein verschwenderisches Leben, die glänzende Hofhaltung, die zahlreichen Prachtbauten in und um Paris, der Bau zahlreicher Festungen an der Nord- und Ostgrenze des Landes hatten den französischen Staat in eine ungeheure Schuldenlast gestürzt. Am Ende seiner Regierung war die Kraft des Staates durch die überaus hohen, noch dazu mit größter Härte eingetriebenen Steuern nahezu aufgezehrt. Derselbe Herrscher, der ein Menschenalter hindurch (1643-1715) nicht nur Frankreich beherrscht, sondern auch in Europa den Ton angegeben, starb einsam und verlassen. Mit Gleichgiltigkeit, ja mit Frohlocken vernahm sein Volk seinen Tod. Der Pöbel der Hauptstadt Paris begleitete seinen Leichenzug mit lauten Verwünschungen. Ihm folgte sein fünfjähriger Urenkel Ludwig XV., der ebenfalls sehr lange Zeit (1715-1774, beide zusammen also 131 Jahre) über Frankreich regierte. Von seinem Volke anfangs in solchem Grade geliebt, daß man ihn den Vielgeliebten nannte, wandelte er bald in den Wegen seines Urgroßvaters, gab durch ein leichtfertiges, sittenloses Leben dem Volke ein schlechtes Beispiel und vermehrte die Staatsschulden durch eine grenzenlose Verschwendung. Um das Wohl seines Volkes kümmerte er sich gar nicht; dafür ließ er seine Günstlinge und Weiber nach Belieben schalten und walten. Durch solches Beispiel des Königshofes war nach und nach ein tiefes sittliches Verderben im ganzen Lande eingerissen; Religion und gute Sitte wurden verspottet und verachtet, der Glaube an Gott als eine Thorheit verlacht. Daran trug jedoch der Königshof nicht allein die Schuld. Geistreiche Männer, auch solche, mit denen der geistvolle Friedrich der Große besonders gern verkehrt, trugen durch ihre Schriften die sogenannte Aufklärung in das Volf, untergruben dadurch dessen Glauben an Gott und seinen willigen Gehorsam gegen die Obrigkeit und bereiteten auf diese Weise die Revolution vor. Die Lehren des Christentums wurden von ihnen verspottet und als Unsinn dargestellt; ja, es galt für vornehm und gelehrt, seinen Glauben zu verleugnen und ein Spötter und Gotteslästerer zu werden. Diese Männer, welche die Gabe der Beredsamkeit in hohem Maße besaßen, erzählten in ihren Schriften dem Volke viel von der Gleichheit aller Menschen und von den Menschenrechten, welche kein König ihm nehmen könne. Dadurch reizten sie das Volk noch mehr auf; es erwachte nach und nach eine unbesiegbare Sehnsucht nach Freiheit und Gleichheit, die um so gefährlicher war, weil man durch sie von dem harten Druck, der auf dem Volke lastete, befreit zu werden hoffte. Denn von Jahr zu Jahr stiegen die Staatsschulden, die endlich die für damalige Zeit ungeheure Höhe von 4000

Millionen Frank erreichten. So unermeßlich die Schuldenlast war, die das Land drückte, so unerschwinglich waren infolge derselben die Steuern, die noch dazu von einem, dem sogenannten dritten Stande, nämlich dem der Bürger und Bauern, aufgebracht werden mußten. Dagegen waren die beiden höheren Stände, Adel und Geistlichkeit, in deren Händen der größte Grundbesig, ungefähr zwei Drittel des vorhandenen Grund und Bodens, sich befand, von den meisten Steuern und Abgaben befreit. Sie allein wurden zu den höheren Ämtern und Würden zugelassen, denn alle diese Stellen waren käuflich und wurden nur dem zuteil, der recht viel dafür bezahlen konnte. Bürger und Bauern seufzten unter dem gewaltigen Steuerdruck; die notwendigsten Lebensbedürfnisse wurden durch hohe Zölle verteuert, und Steuern und Zölle waren in den verschiedenen Provinzen nicht einmal von gleicher Höhe, denn sie wurden an einzelne Pächter verpachtet, die auch wieder große Summen dabei verdienen wollten. Die ungeheure Schuldenlast, der unerträgliche Steuerdruck, der erschütterte Glaube, die mit Füßen getretene Hingebung des einst so treuen Volkes, die nach dem Vorbilde des Hofes eingetretene Sittenverderbnis, die ganze, so sehr gepriesene Aufklärung - dies alles wirkte zusammen, eine blutige Revolution vorzubereiten. Ein tiefes Mißvergnügen grollte erst leise, dann lauter und lauter wie ferner Donner durch das Land.

Als endlich 1774 Ludwig XV. sein lasterhaftes Leben schloß, trat sein Enkel Ludwig XVI., ein zwanzigjähriger Jüngling, die Regierung Frankreichs an. Es war eine trostlose Erbschaft. Er fühlte dies, denn als man ihm die Nachricht vom Tode seines Großvaters brachte, rief er aus: „ Gott, nun beginnt mein Unglück!“ Wohlwollend gegen sein Volk und sittenrein, war er doch an Willen und Einsicht viel zu schwach, um in den Stürmen einer so schweren Zeit das Staatsschiff sicher zu leiten; denn jene Zeit brauchte nicht nur einen guten und wohlwollenden König, sondern vor allem einen starken und weisen Regenten. Adel und Geistlichkeit verhehlten dem Könige sorgfältig die traurige Lage des Volkes, weil sie von den schlechten Einrichtungen Ge= winn zogen, und wollte der König ja sparen und hier und da etwas bessern, so wurde er durch jene, die von ihren Vorrechten nichts aufgeben wollten, daran gehindert. Bei solchem Hochmut, solcher Ungerechtigkeit und Verachtung des Volkes durch Adel und Geistlichkeit rückte das Verderben immer näher. 2. Ausbruch der Revolution. Als die Geldnot größer und größer geworden, die Zinsen der alten Staatsschuld nicht mehr bezahlt werden fonnten und niemand dem Staate neue Summen borgen wollte, berief der König im Jahre 1789 auf den Rat seines Ministers, der nicht mehr ein und aus wußte, die Reichsstände, die Vertreter des Volkes, welche über die geeigneten Mittel zur Besserung der schlechten Zustände beraten sollten.

Volke gewählt, kamen sie aus allen Teilen des Landes nach Versailles, der Residenz des Königs; es waren 300 aus dem Adel, 300 aus der Geistlichkeit und 600 aus dem Bürger- und Bauernstand. Viele Glieder des dritten Standes waren mit tiefem Groll gegen den König und alle Reichen und Mächtigen erfüllt. Diese Unzufriedenen, von geistvollen Männer geleitet, ge= wannen bald die Oberhand. Nach stürmischen Verhandlungen mit den beiden anderen Ständen, und nachdem viele Mitglieder des Adels und der Geistlichkeit sich ihnen angeschlossen, die anderen aber grollend sich zurückgezogen hatten, erklärten sich die Vertreter des Bürger- und Bauernstandes als unabhängige Nationalversammlung. Zwar ließ der König das Sizungslokal derselben schließen; als sie aber ein anderes bezogen und dort schwuren, sich nicht früher zu trennen, bis sie dem Staate eine neue Verfassung gegeben hätten, da zeigte sich der König diesem kühnen Auftreten gegenüber schwach und ohne Festigkeit und fügte sich in den Willen der Versammlung. Viele seiner Ratgeber aber, auch seine eigenen Brüder, waren unwillig über diese Nachgiebigkeit und bewogen ihn, den Minister, der ihm die Zusammenberufung der Reichsstände geraten, zu entlassen und einige Regimenter Soldaten, geworbene Deutsche und Schweizer, nach Versailles zu beordern, weil man den französischen Soldaten nicht traute. Vergebens suchte die Nationalversammlung diese Maßregel zu hintertreiben; der Hof beharrte bei der Ausführung derselben. Da bemächtigte fich eine ungeheure Aufregung der Pariser; man glaubte, der König wolle die Versammlung auflösen; auch war man mit der Entlassung des beim Volke beliebten Ministers nicht einverstanden. Die Aufregung stieg immer höher. Scharen rohen Gesindels durchzogen lärmend die Straßen; die Sturmglocken wurden geläutet, die Werkstätten der Waffenschmiede geplündert; Verwirrung und Tumult herrschte überall. Am 14. Juli drang der Pöbel in das alte Invalidenhaus, raubte dort 30 000 Gewehre und einige Kanonen, bewaffnete fich damit und rückte nun nach dem alten Staatsgefängnisse Frankreichs, der Bastille. Die alte, düstere Burg mit ihren acht finsteren Türmen war von jeher den Parisern verhaßt gewesen; denn mancher Unschuldige hatte hinter ihren dicken Mauern jahrelang schmachten müssen. Die Zwingburg der Tyrannei" wurde erstürmt und geschleift, der Kommandant und sieben Mann. von der Wache, die nur ihre Schuldigkeit gethan, fielen als Opfer der Volkswut, und ihre Köpfe wurden auf langen Stangen unter lärmendem Jubelgeschrei durch die Stadt getragen. Das war die erste That der Revolution, der Anfang einer schauerlichen, blutigen Zeit für Frankreich. Bald folgten andere Grausamkeiten; der Bürgermeister und viele Adelige wurden ermordet; in den Provinzen erstürmten die Bauern die Schlösser des Adels, und viele vom Adel, die königlichen Prinzen an der Spize, wanderten aus, um in anderen Ländern wenigstens ihres Lebens sicher zu sein. Ihre Güter wurder

als Nationalgüter verkauft. Es wurde eine neue, nur aus Bürgern bestehende Nationalgarde eingerichtet; der König selbst reiste nach Paris und zeigte sich mit der dreifarbigen Kokarde, dem neuen Nationalzeichen, am Hut, vom Söller des Rathauses dem versammelten Volke, dadurch seine Zustimmung zu dem Geschehenen ausdrückend. Von da an schwiegen Gesetz und Ordnung; die Empörung herrschte in der Hauptstadt wie in den Provinzen.

3. Neuerungen der Nationalversammlung. Bald ging die Nationalversammlung an die Lösung ihrer Aufgabe, alte Übelstände zu verbessern und der Not des Staates abzuhelfen. Da ihr jedoch von der Regierung keine Vorlagen gemacht wurden, so verfuhr sie plan- und ziellos, übereilte sich in gewaltsamen Neuerungen und suchte auf einmal umzustürzen, was nur nach und nach geändert und verbessert werden konnte. Zuerst mußte der Adel allen aus dem Mittelalter stammenden Rechten entsagen, auf die Frondienste und Abgaben der Bauern verzichten und das Jagdrecht und die damit verbundene barbarische Bestrafung der Jagdfrevler und die gutsherrliche Gerichtsbarkeit abtreten. Die Geistlichkeit mußte auf die Entrichtung des Zehnten verzichten; die Kirchengüter wurden als Staatseigentum erklärt und zum Verkauf ausgeboten, die Klöster und Mönchsorden aufgehoben und vollkommene Religionsfreiheit gewährt; die Geistlichen sollten vom Volke gewählt, nicht mehr vom Bischof eingesezt werden, auch sollten sie den neuen Bürgereid leisten und sich dadurch vom Papste lossagen. Die Macht des Königs wurde sehr be= schränkt, seine Rechte auf das geringste Maß herabgedrückt. Die Nationalversammlung sollte nicht unter, sondern neben dem Könige stehen, so daß er ihr eigentlich nichts zu befehlen hatte und ihm fortan nur noch ein Schein früherer Macht verblieb. So befand sich der König in der unglücklichsten Lage; seine Befehle wurden gar nicht mehr gehört, denn auch die Soldaten verbanden sich mit dem Volte. Alle Standesunterschiede wurden aufgehoben, Titel, Wappen und andere Bezeichnungen der Standesunterschiede abgeschafft, der Adel aufgelöst und die Gleichheit aller Bürger ausgesprochen, so daß jeder, auch der bisher Vornehmste, nur mit „Bürger" angeredet werden sollte. Die großen Güter der Kirche und des Adels wurden verkauft, so daß dadurch auch der Bürger- und Bauernstand Grundeigentum erhielt. Ebenso wurde Gleichheit des Maßes, Gewichtes, Münzfußes und Gleichförmigkeit des Gerichtswesens eingeführt. Das Land, das bisher in Provinzen zerfiel, erhielt eine neue Einteilung in 83 nach Flüssen, Gebirgen u. s. w. benannten Kreisen oder Departements. Um die Schulden zu tilgen, wurde eine Menge Papiergeld in Umlauf gesezt, das später völlig wertlos war. So vernichtete die Nationalversammlung in kurzer Zeit den künstlichen Bau einer mehr als tausendjährigen Einrichtung, gestaltete den bisherigen Zustand Frankreichs völlig um und brachte den Staat in endlose Verwirrung.

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