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Die Kaiserfeier am 18. Januar 1871.

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und Gliedern reformirtes Reich unter dem alten Namen und dem tausendjährigen Abzeichen aus sechzigjähriger Nacht hervor."

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In dem Spiegelsaal", der Galerie des Glaces, des Schlosses zu Versailles fand um die Mittagsstunde des 18. Januar 1871 eine gottesdienstliche Feier statt, von der König Wilhelm absichtlich und planmäßig alles fern gehalten hatte, was mit eitlem Schaugepränge auch nur die leiseste Verwandtschaft zeigte. Einen Thron, den man ihm bauen wollte, verbat er sich ausdrücklich. Statt dessen ließ er einen Feldaltar errichten und an diesem, mitten unter seinen Mitfürsten stehend, wollte er die neue schwere Verpflichtung übernehmen". Dem Divisionsprediger Rogge schärfte er ein, keine Predigt und keine Rede zu halten, nur ein Weihegebet zu sprechen. ,,Lassen Sie aber, betonte er dabei, meine Person möglichst aus dem Spiel, ich bin nur das Werkzeug in der Hand der Vorsehung." Es komme ihn, fügte er hinzu, überhaupt nicht leicht an, sich in den neuen Titel zu finden; lieber hätte er ihn dereinst seinem Sohne vorbehalten gesehen. Der Altar war die einzige Veränderung, die in dem Spiegelsaal für den 18. Januar vorgenommen worden war, und von dem Anblick der Versammlung, die am 18. December in der Präfektur getagt, unterschied sich die des 18. Januar eigentlich nur dadurch, daß statt der Abgeordneten jezt 5-600 Offiziere und Mannschaften von allen Truppentheilen der Belagerungsarmee mit 60 Fahnen. und Standarten gekommen waren. Die lehteren waren auf einer in zwei Stufen sich erhebenden Estrade an der östlichen Schmalseite des Saales zusammengestellt, während an der südlichen Langseite nach dem Park zu die Mannschaften, welche sie nach Versailles begleitet hatten, links und rechts des mit einer rothen Decke bekleideten Altars standen, der als Symbol das Zeichen des eisernen Kreuzes trug.

Um ein Viertel nach 12 Uhr trat der König in den Festsaal ein. Ein Sängerchor, gebildet aus Mannschaften des 7., 47. und 58. Regiments, stimmten den Choral an: „Jauchzet dem Herrn alle Welt". Der König nahm in der Mitte vor dem Altar Aufstellung, im Halbkreise um ihn die Prinzen und Fürsten; der Kronprinz, Prinz Karl und Prinz Adalbert von Preußen, der Kronprinz und Prinz Georg von Sachsen, die Großherzoge von Baden, Sachsen und Oldenburg, die Herzoge von Koburg, Meiningen und Altenburg, die Prinzen Otto, Luitpold und Leopold von Bayern, die Prinzen Wilhelm und August, sowie die Herzoge Eugen der Aeltere und Eugen der Jüngere von Württemberg, die Erbgroßherzoge von Sachsen, Mecklenburg-Schwerin und Strelit, die Erbprinzen von Meiningen, Anhalt, die Fürsten von Schaumburg-Lippe und Schwarzburg-Rudolstadt, der Erbprinz von Hohenzollern, der Landgraf von Hessen, der Herzog von Augustenburg, die Fürsten von Wied, Putbus, Lynar, Pleß, die Prinzen von Reuß, Croy, Biron von Kurland. Hinter den Fürsten und ihnen zur Seite standen die Generale und Minister. An der Spize des linken Flügels der Bundeskanzler und der Hausminister Freiherr v. Schleinig, rechts Staatsminister Delbrück.

Nach dem Chorgesang sang die Gemeinde einen Vers des Chorals: ,,Sei Lob und Ehr". Darauf folgte das Weihegebet, welches anknüpfte an den Spruch, der an der Decke des Saales zu lesen stand: „Le roi gouverne par lui-même" und dem Sultanübermuth französischen Despotenthums entgegenseßte des Apostels Bekenntniß:,,Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren und Alleinweisen sei Ehre und Preis in Ewigkeit!"

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Dann folgte die herrliche Weise: Nun danket Alle Gott" und der Segensspruch. Nachdem so die kirchliche Feier beendet war, schritt König Wilhelm von den Fürsten gefolgt auf die Estrade zu, wo die Fahnen standen,1) und richtete von hier aus folgende Ansprache an die Versammlung:

„Durchlauchtigste Fürsten und Bundesgenossen! In Gemeinschaft mit der Gesammtheit der deutschen Fürsten und freien Städte haben Sie sich der von des Königs von Bayern Majestät an Mich gerichteten Aufforderung angeschlossen, mit Wiederherstellung des Deutschen Reiches die Kaiserwürde für Mich und Meine Nachfolger in der Krone Preußen zu übernehmen. Ich habe Ihnen, durchlauchtigste Fürsten, und Meinen andern hohen Bundesgenossen bereits schriftlich Meinen Dank für das Mir kundgegebene Vertrauen und den Entschluß ausgesprochen, Ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Diesen Entschluß habe Ich gefaßt, in der Hoffnung, daß es Mir unter Gottes Beistand gelingen werde, die mit der kaiserlichen Würde verbundenen Pflichten zum Segen Deutschlands zu erfüllen. Dem deutschen Volke gebe Jch Meinen Entschluß durch eine heute von Mir erlassene Proklamation kund, zu deren Verlesung Ich Meinen Kanzler auffordere."

Alsdann trat Graf Bismarck an den Fuß der Estrade und verlas folgende Urkunde:

1) Hier sei die Mittheilung eingeschaltet, die er am 19. seinem getreuen Hofrath Schneider gemacht hat: „Ich habe mich dies Mal gar nicht um das militärische Arrangement bekümmert. Fragen Sie beim Generalstab der III. Armee nach. Ich wußte auch nicht, wo die Fahnen stehen würden. Die Herren wollten mir einen Thron aufbauen, das habe ich mir aber verbeten. Ich wollte während der ganzen Ceremonie vor dem Altar, mitten unter den Fürsten stehen bleiben. Als ich aber sah, daß man meine Fahnen und Standarten auf jenen hant pas gestellt hatte, ging ich natürlich dort hin, denn wo meine Fahnen sind, da bin ich auch. Nun war aber der haut pas so voll, daß die Fürsten fast keinen Plaz gehabt hätten. Dann würden sie aber während der Proklamation haben unten stehen müssen. Ich ließ sie also zuerst hinauf treten und befahl nur, daß die Fahnen des 1. Garde-Regiments zu Fuß, bei dem ich überhaupt in die Armee eingetreten bin, die Fahne meines GrenadierRegiments (77) und die des Garde-Landwehr-Bataillons, dessen erster Commandeur ich so lange gewesen, dicht hinter mich treten sollten. Meine eigentliche Absicht, vor dem Altar stehen zu bleiben und vor ihm die neue schwere Verpflichtung zu übernehmen, ist mir durch die Fahnen auf dem haut pas vereitelt worden. Es that mir nur leid, daß nicht die sämmtlichen Gardefahnen dabei waren. Auf dem Wege nach Versailles waren sie schon, kehrten aber durch eine falsche Bestellung in ihre Kantonnements zurück. Jedenfalls waren doch die des 1. Garde-Regiments dabei, die mich mein ganzes Leben hindurch begleitet haben." Aus dem Leben des Kaisers Wilhelm III, 154.

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Die Kaiserproklamation in Versailles; 18. Januar 1871. Bon Anton von Werner; nach den an Ort und Stelle entstandenen Originalstizzen gezeichnet.

An das deutsche Volk!

Wir Wilhelm

von Gottes Gnaden König von Preußen,

nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmüthigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des Deutschen Reiches die seit mehr denn sechzig Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu übernehmen, und nachdem in der Verfassung des Deutschen Bundes die entsprechenden Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden hiermit, daß Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem Rufe der verbündeten Fürsten und Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen. Demgemäß werden Wir und Unsere Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Unseren Beziehungen und Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen und hoffen zu Gott, daß es der deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer alten Herrlichkeit das Vaterland einer segensreichen Zukunft entgegenzuführen. Wir übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schüßen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestüßt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu vertheidigen. Wir nehmen sie an in der Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner heißen und opfermuthigen Kämpfe in dauerndem Frieden und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherheit gegen erneuten Angriff Frankreichs gewähren. Uns aber und Unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.

Gegeben Hauptquartier Versailles den 18. Januar 1871.

Wilhelm.

Ohne die Stimme zu heben, hatte Graf Bismarck die Urkunde verlesen und lautlos war sie angehört worden. Kaum waren die lezten Worte verklungen, als der Großherzog von Baden vortrat und mit hoch erhobenem Helm ausrief: „Es lebe Seine Kaiserliche Majestät, Kaiser Wilhelm!" Und während nun die ganze Versammlung ihrer Ergriffenheit Luft machte in dreimaligem jubelnden Kaiserruf, beugte der Kronprinz Friedrich Wilhelm ein Knie vor dem Kaiser und küßte ihm die Hand, der Kaiser aber hob ihn auf, zog ihn an seine Brust und küßte ihn auf beide Wangen.

Darauf drückte der Kaiser dem Großherzog von Baden die Hand, ließ die Abordnungen der Offiziere an sich vorüberziehen und ging an den Reihen. der im Saale aufgestellten Mannschaften entlang. Im östlich anstoßenden ,,Friedenssaal" standen die Musikcorps, welche den Hohenfriedberger Marsch anstimmten, als der Kaiser begleitet von den Prinzen und Fürsten den Fest

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