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fertig gestellt und mit sechs Vierundzwanzigpfündern armirt. Unfre Belagerungsarbeiten nehmen jetzt einen raschen Fortgang, anderseits sezen aber auch die Franzosen ihre Arbeiten vor Le Bourget mit großem Eifer fort, die in den letzten Tagen unternommenen Rekognoszierungen lehrten, daß sie das Dorf förm lich mit Parallelen und Laufgräben umgeben haben. Wir haben heute Ruhetag. Nach dem Löhnungsappell formirte sich unser Bataillon auf dem Schloßhofe, woselbst Major v. Behr eine Ansprache an dasselbe hielt.

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Das Füsilierbataillon, welches behufs Gestellung von Wachen und Arbeitern seit 1. Dezember nach dem drei Meilen von Paris gelegenen Mesnil Amelotte kommandirt war, wo sich das Hauptproviantamt des Gardekorps befindet, ist heute in die Zernirungslinie wieder eingerückt.

Nachdem wir am 2. zur Besetzung der Vorposten nach_ 6. Januar. Sevran gerückt, waren wir am 3. abends wieder nach Villepinte zurück und gestern wiederum nach Sevran marschirt. Dort lösten heute abend die Sachsen unsere Feldwachen ab und kehrten wir wieder nach Villepinte in die Quartiere zurück. Anhaltend donnern unsre Geschütze gegen die Forts und die Stadt.

Besen, Schippen und Mistgabeln waren gestern unsere Aus 8. Januar. rüstung, es war große Reinigung der Quartiere und der Dorfstraßen vorgenommen worden. Heute früh 3 Uhr rückten wir zur Arbeit beim Barrikadenbau nach Le Bourget.

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Bereits in der Nacht vom 10. Januar hatten die Fran- 15. Januar. zosen verschiedene Angriffe auf Le Bourget gemacht, waren jedoch ohne weiteres zurückgeworfen worden. Gegen 11 Uhr heute abend wurden wir wiederum alarmirt. Ein kalter, sehr dichter Nebel lag über der Landschaft und ließ uns noch keine zehn Schritte weit blicken, wir hörten nur das intensive Kleingewehr- und Artilleriefeuer.

Hinter Le Blanc Mesnil nahmen wir Aufstellung, erhielten jedoch schon nach einer Viertelstunde Befehl zum Wiedereinrücken in die Quartiere.

18. Januar.

20. Januar.

21. Januar.

25. Januar.

Allnächtlich beunruhigen die Franzosen durch Gewehrfeuer aus den Schützengräben, womit sie Le Bourget umgeben haben, unsere dort aufgestellten Vorposten. Die Geschüße unsrer beiden, links von Le Bourget erbauten Batterien haben gestern morgen ihre Thätigkeit begonnen. Schuß auf Schuß erwidern die Franzosen das Feuer. Gestern gab das Füfilierbataillon die Be: deckung der Artillerie, heute nachmittag 4 Uhr rückte zu dem Zwecke das 2. Bataillon nach Le Bourget.

Eine gestern gegen Drancy unternommene Rekognozirung zeigte, daß der Ort trotz des unausgesetzten Bombardements unsrer Belagerungsbatterien auf die feindlichen Stellungen, immer noch von den Franzosen besetzt sei. Das Gehöft Groslay wurde hierbei von der 11. Kompanie genommen. Die Franzosen verloren 4 Offiziere und 50 Mann an Gefangenen. Unser Verlust bestand in 3 Toten und 10 Verwundeten.

Gestern abend kehrten wir von Le Bourget nach Villepinte zurück. Heute mittag ↑ Uhr traf das Ersatzbataillon aus Koblenz ein, in dessen Reihen wir viele inzwischen eingetretene Koblenzer Freunde begrüßten. Wohl an hundert Söhne unserer Vaterstadt und deren nächster Umgebung mögen innerhalb des Regiments jetzt vor der französischen Hauptstadt stehen.

Unsere Belagerungsbatterien sind in fortgesetzter Thätigkeit, die nur zuweilen in den Früh- und Nachmittagsstunden durch den dichten Nebel unterbrochen wird, die forts erwidern nur schwach das Feuer.

Während unsere Geschütze gegen Paris donnern, üben unsre mit dem Ersatzbataillon angelangten Rekruten feierlich den lang. samen Schritt. Sie müssen stramm exerziren, zielen, haben Instruktions- und Flickstunde. Im Schloßparke wird zum Schießen nach der Scheibe die Bahn hergerichtet. Einer unserer jungen Koblenzer Freiwilligen klagte mir, daß er daheim sich das alles anders vorgestellt habe: „lustiges Feldlagerleben, Gefechte und Schlachten und nachträglich Orden und Lorbeerkränze“, aber daß man den angehenden Helden hier beim Reinigen der Quartiere zum Mistfahren kommandiren würde, so was habe er sich nicht träumen lassen. Ich suchte ihn zu belehren, daß

für einen richtigen Feldsoldaten nichts in der Welt zu hoch und zu erhaben, aber auch nichts zu tief und niedrig sein dürfe, wenn die Umstände es geböten.

Auf dem Boden unsres Quartiers haben die Kameraden eine Drehorgel unter verschiedenem Gerümpel entdeckt. Draußen donnern die Kanonen, innen wird georgelt, wir haben heute abend beim Schein einer Stalllaterne eine musikalische Soiree mit Abendimbiß im Quartier veranstaltet.

Das Feuer der schweren Batterien ist seit gestern eingestellt. 28. Januar. Die Stille berührt einen jetzt ganz unheimlich, so sehr ist man an den steten Donner der Kanonen schon gewöhnt.

Schon heute nacht suchten die französischen Vorposten einen 29. Januar. friedlichen Verkehr mit den Unseren anzubahnen, überall in der Linie hörte man von ihnen das Wort „,armistice". Da ihre Flaschen gut mit Kognak gefüllt waren, so wurde die freundschaftliche Annäherung nicht so ganz von der Hand gewiesen, nicht ohne jedoch bei dem Austausch internationaler Artigkeit die nötige Vorsicht außer Acht zu lassen. Aber sie waren zahm, die Kerle, die Erbswurst aßen sie einem aus der Hand. Welche Freude, als wir die Kunde von einem wirklich bis zum 19. Februar abgeschlossenen Waffenstillstande und der Kapitulation von Paris hörten!

Wir verließen heute mittag die Trancheen von Le Bourget, um Drancy zu besetzen, es erfolgte jedoch Kontreordre und wir besetzten nunmehr die Vorstadt Aubervilliers, während unser Füsilierbataillon in das gleichnamige fort einzog. Von der ersten Division wurde fort de l'Est besetzt, Romainville, Noisy und Rosny besetzten die Sachsen, während Kronprinz Albert mit Teilen des 4. Korps in St. Denis einzog.

So wäre er denn da, der Anfang vom Ende. Jeder fühlt, 2. februar. daß die Unterbrechung der Feindseligkeiten gegen Paris die Verkündigung des Friedens ist. Und stolz und gehoben fühlt ein jeder sich in dem Bewußtsein, mitgeholfen zu haben an dem großen Werke der vollständigen Niederwerfung Frankreichs und der Erhebung Deutschlands zu Ruhm und Ehren, zu einem geeinten Reich, dessen Abgesandte am 18. vorigen Monats im

22. februar.

2. März.

Königsschlosse zu Versailles unsern siegreichen führer und König zum Kaiser ausgerufen haben.

Heute nach dem Gottesdienste, welchen Pfarrer Heinen abhielt, wurden wir unter Führung truppweise zum Besuch der forts beurlaubt. In Fort Noisy hatten die Sachsen ganze Fässer gesalzenen Fleisches ausgegraben, ein Beweis, daß bei den französischen Soldaten an Lebensmitteln Mangel noch nicht eingetreten, bei der Zivilbevölkerung muß er sich schon erheblich bemerklich gemacht haben, das ganze Benehmen der mit Passirscheinen aus Paris herausgekommenen, teilweis recht erschöpft aussehenden Männer und Frauen, welche um Brot oder Fleisch baten, bewies dies.

Vorgestern fand durch den Regimentskommandeur Major v. Rosenberg die Kompaniebesichtigung beim 1. Bataillon, gestern beim 2. und heute bei den Füsilieren statt. Der Waffenstillstand ist verlängert, man spricht ernstlich vom Frieden.

Morgens 74 Uhr trat das Regiment zum Abmarsch nach Suresnes an, wo dasselbe mittags nach 2 Uhr anlangte. Das ganze Gardekorps sowie die Gardelandwehr war um Courbe voie zusammengezogen. Nur die Seine und das Bois de Boulogne trennten uns von der eroberten Hauptstadt, in welche das VI. und XI. Korps sowie das I. bayrische Korps um 1 Uhr ihren Einzug gehalten hatten. Nachmittags begaben wir uns nach Paris. Es war ein herrlicher Tag, vom heiteren wolkenlosen Himmel strahlte die Sonne so warm, daß man sich in den Sommer versetzt glaubte. Die Passage des Arc de Triomphe war durch eine Barrikade versperrt, preußische Geschütze waren auf dem Rond Point aufgefahren, am Arc de l'Etoile, auf dem Konkordienplatze und verschiedenen andern Plätzen biwakirten Bataillone auf Stroh. Im Industriepalast lagen zwei bayrische Regimenter, andere im Zirkus der Kaiserin und im Panorama, der größte Teil der einmarschirten Truppen war jedoch bei den Bürgern einquartiert. Mit der Pfeife im Munde lagen die Mannschaften mit einer Gemütsruhe an den Fenstern der hohen Prachtbauten, als wenn sie hier in Paris zu Hause seien, andere standen auf den Straßenkais und radebrechten sich mit den Bürgern herum. Überall wogte es von Menschen, zwischen denen langsam sich Patrouillen bayrischer Chevau-legers und

preußischer Husaren bewegten. In der Rue royale standen die dem Treiben der Unsern mit Interesse zuschauenden Pariser Kopf an Kopf bis zur Kirche St. Madeleine. Nur wenige Frauen der besseren Stände sah man, und diese tief in Schwarz gekleidet; wohl näherte sich auch manche junge hübsche Pariserin den Unsern aber das war leichte Ware. Läden, Kaffees und Wirtschaften waren nur in geringer Zahl geöffnet, erst gegen Abend thaten sich mehr auf. Vom Standpunkte des Durstes aus betrachtet, hat Paris entschieden Fiasko bei uns gemacht. An vielen Häusern waren die Fenster verhangen, Läden und Thüren geschlossen. Aber wo unsre Musikkorps spielten, da drängten zu Hunderten die Pariser sich heran, und als unsere Musik erst die Marseillaise spielte, da war ihr Staunen und ihre Freude groß.

Es begann zu dunkeln, drüben bei den in langen Reihen von Zelten auf dem Camp de Mars lagernden französischen Truppen flammten die Feuer auf, es war Zeit zur Rückkehr nach Suresnes. Adieu Paris!

Dom herrlichsten Wetter begünstigt, hatten wir heute mor- 3. März. gen in den Longchamps Parade vor Sr. Majestät dem Kaiser: Gardekorps, Gardelandwehr, das Königs - Grenadierregiment Nr. 7, die Belagerungsartillerie und Pioniere. Die Bataillone standen in Kolonne nebeneinander. Vom Hippodrom bis zur Windmühle dehnte sich die Paradeaufstellung. Der Kaiser ritt mit einem Hunderte von Offizieren zählenden glänzenden Stabe, in welchem der nordamerikanische General Sheridan durch seine fremdländische Uniform auffiel, die front ab. Ein dem Donner ähnliches Hurrarufen durchzitterte die Luft. Die Musikkorps spielten „Heil dir im Siegerkranz“, die Truppen präsentirten, die ruhmbedeckten Feldzeichen senkten sich, die Augen blißten auf und manche füllten sich mit Thränen ob des erhebenden Momentes. Dann folgte der Vorbeimarsch, der mit außerordentlicher Präzision ausgeführt wurde. Mit freudiger Rührung blickte der Kaiser auf seine treuen Garderegimenter und sprach am Schlusse sich sehr befriedigt bei dem kommandirenden General Prinzen August von Württemberg aus. Nach 12 Uhr war die denkwürdige Parade beendet, um 1 Uhr marschirten wir in die Quartiere zurück. Die Gardelandwehr trat sofort den Rückmarsch nach der Heimat an.

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