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Fortgerissen von dem Beispiel ihrer Offiziere, warf die Infanterie mit den Jägern, Schüßen und Pionieren den Feind aus einer Position, die er selbst für uneinnehmbar hielt. Groß sind die Verluste, mit denen der Sieg erkauft ist, aber St. Marie aur Chênes und St. Privat la Montagne sind glänzende Lorbeerblätter, welche ihr dem reichen Siegeskranze des Gardekorps neu hinzugefügt habt.

Soldaten des Gardekorps! Abermals habt ihr das Vertrauen gerechtfertigt, welches Se. Majestät unser Allergnädigster König jederzeit Allerhöchst seinem Gardekorps geschenkt haben, und dieses Vertrauen werdet ihr euch ferner zu erhalten wissen. Ich bin stolz darauf, der kommandirende General eines solchen Armeekorps zu sein. Es lebe der König!

Biwak bei St. Marie aux Chênes, den 20. August 1870.

gez.: August, Prinz von Württemberg.

Wir hatten heute wieder recht anstrengenden Marsch. Auf den Feldern von Mars la Cour war durch die Massen ge: fallener Pferde und das nur oberflächliche Begraben der Toten die ganze Luft verpestet. Erst nach zweistündigem Marsche_hatten wir das weite Totenfeld hinter uns. Wir bezogen in Beuville Quartiere.

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Bein Ausmarsche aus Beuville wurde das 2. Bataillon 21. August. in taktischer Beziehung auseinander gezogen, die kombinirte 5. und 6. Kompanie unter Premierleutnant v. Saldern gehört zum 1., die 7. und 8. Kompanie unter Premierleutnant v. Stückradt `zum Füsilierbataillon. Unser Korps ist aus dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl ausgeschieden und bildet mit dem IV. Korps und den Sachsen die Maasarmee unter dem Kommando des Kronprinzen Albert von Sachsen. Nach nur kurzem Marsche heute kamen wir in Vadonville in Quartier. Die Bauern hier waren anfangs recht hartnäckig. Allenthalben hörten wir nur die stereotype Phrase, daß die französischen Soldaten bereits alles fortgenommen hätten. Malheur, Malheur! Dieses traurige Wort „Malheur“ hörten wir häufiger als jedes andre. In meinem Quartier war's der alte Dollmann, der in den Gedanken an seine eignen Kinder daheim sich angelegentlich mit den beiden hübschen Kindern unsres Quartiergebers be chäftigte und sich und uns dadurch nicht nur das Herz der jungen Hausfrau, sondern auch den Wein und Schinken des renitenten Hausherrn eroberte.

22. August.

23. August.

25. August.

26. August.

Wir haben Ruhetag in M. G. Vadonville. Heute morgen langten die Cornisterwagen an und haben wir unsre Tornister wieder erhalten. Die Ruhe wird zur Wäsche, zum Reinigen und Instandsetzen von Kleidern und Waffen benutzt.

Die Kompanien verteilen requirirten Wein, den wir großenteils dem spürsinnigen Sergeanten Zander zu verdanken haben, er verzapft und Unteroffizier Mary assistirt am Fasse. Alles kneipt und ist guter Dinge.

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früh waren wir ausgerückt, wir hatten strengen Marsch und kamen um 2 Uhr nach Morville ins Quartier. Fritz Zuschlag und ich gingen auf die Suche nach Brot. Unser Pech führte uns in ein Haus, in welchem Offiziere lagen; eben hatten wir mehrere Brote und einen ungeheuren Topf Dickmilch erworben, als einer der Offiziere sich dem Raume näherte, in welchem wir bereits am Einhauen waren. Ich retirirte durchs Fenster in mein Quartier, die Leiter hinauf auf den Heuschober, wo wir zu 30 Mann lagen. Hinter mir kam auch Zuschlag mit dem großen Topfe die Leiter hinaufgekrochen, über und über mit dicker Milch besudelt. Wir hielten famose Mahlzeit. Es war das erste Mal, daß Fritz was Gescheites gemacht hatte, denn, ließ ich ihn kochen, so hatte ich stets Heuschrecken und sonstiges Getier aus der Suppe wieder herauszufischen, was er alles, weil er Grünes in der Suppe liebte, mit in den Kessel hineingeworfen hatte. Fritz ist ein intelligenter Kerl, aber er staunt über die Intelligenz der Menschheit hierzulande, wo selbst die Kinder schon Französisch sprechen. Sein Gewehr ist ein Unikum, ein Granatsplitter hat ihm bei St. Privat den Lauf verbogen, die Flinte besitzt mithin die besten Eigenschaften, um die Ecke zu schießen.

Um 6 Uhr morgens waren wir vorgestern von Morville abmarschirt, nach 12 Uhr nach Courovre gekommen, von wo uns heute der Marsch nach Pret-en-Argonne führte. Da in der Umgegend bewaffnete Bauernbanden aufgetreten sind, suchten wir gleich nach dem Einrücken das Dorf nach Waffen ab.

Nachdem wir früh von Pret-en-Argonne abgerückt, traf uns gegen 7 Uhr auf dem Marsche der Befehl, daß, da Chalons, wohin uns die Marschrichtung führte, geräumt sei,

eine andre Marschlinie eingeschlagen würde. Wir gingen in die eben verlassenen Quartiere zurück. Die Gesichter der Bauern leuchteten auf, als sie uns diese rückgängige Marschbewegung machen sahen.

Wir waren eben einige Koblenzer in meinem Quartier, als alarmirt wurde, es war ↑ Uhr mittags. Das Regiment ließ die Tornister zurück, die auf requirirten Fuhren nachgebracht werden sollten, und trat den Marsch an, einen fürchterlich anstrengenden Marsch bei einem Hundewetter, Sturm, Hagel und Regen. Abends halb 9 Uhr bezogen wir Alarmquartiere in Blercourt vor der Festung Verdun, gegen welche die Sachsen bereits einen leider mißlungenen Handstreich versucht hatten. Unser 1. und Füsilierbataillon gaben Vorposten gegen die Festung, unser 2. Bataillon und zwei Schwadronen Ulanen hatten die rechte Seitendeckung gegen Verdun.

Um 7 Uhr marschirten wir ab. Wir hatten wieder 27. August. strengen Marsch, bis über die Knöchel sanken wir auf den schlechten Wegen in dem aufgeweichten Boden ein. Wir passirten das Städtchen Clermont-en-Argonne. Se. Majestät der König wie auch der Oberbefehlshaber der Maasarmee, Kronprinz Albert von Sachsen lagen mit ihren Stäben hier.

Auf dem Weitermarsche begegneten uns gefangene Mobil garden, welche von Ulanen überrumpelt worden waren. Traurige Gestalten, nur die wenigsten waren uniformirt und sahen die Kerle mehr Banditen als Soldaten gleich. Um 4 Uhr kamen wir bei dem Städtchen Montfoucon an. Wir zogen im Walde Bois de Chesmain gen Varennes auf Feldwache.

Um 9 Uhr marschirten wir auf Romage sous Montfoucon. 28. August. Dort bezogen wir Quartier. Die Gewaltmärsche bei dem schreck. lichen Wetter, wie wir es jetzt haben, setzen uns viel zu. Die Gegend trägt hier einen rauhen, wilden Charakter, gebirgiges Terrain und große dichte Wälder.

Wie wir vernehmen, sollen gestern sächsische Reiter bei Buzancy und ebenso unsre Husaren bei dem Dorfe Voncq mit dem Feinde wieder Fühlung gehabt haben. Haben die die Rothosen wieder mal aufgethan, dann sind auch wir bald dran. Schwarzgrau hing heute der Himmel über dem Argonnenwalde,

29. August.

30. August.

jenem rauhen Waldgebirge, in dem einst durch ein ähnliches Wetter und seine Folgen die preußische Armee von 1792 zerschmolzen war. Endlose Regengüsse ergossen sich aus dem bleischweren Wolkendache, von Zeit zu Zeit unterbrochen von fürchterlichen Hagelwettern, welche jede Aussicht auf die nächsten Schritte beschränkten. Und dabei die herbstliche Kälte nachts! Wenn wir vor nichts in Frankreich Furcht haben, so ist es dieses Heidenwetter, welches sich einem doppelt fühlbar macht, wenn man nichts im Leibe hat und kein Feuer brennen will, um sich daran zu erwärmen.

Das Regiment trat um 6 Uhr an, nach 9 Uhr wurde erst abmarschirt. Vor 12 Uhr hatte die Avantgarde des Korps Fühlung mit dem Feinde. General v. Budritzky fragte beim Korpskommando an, ob er angreifen solle, was verneint wurde. Der Marsch ging dann weiter, feldeinwärts, durch dichte Wälder. Die Nacht brach bereits an, als wir bei Briquenay bezw. Ribecourt Biwak bezogen. Der Boden war total aufgeweicht, an Stroh zum Nachtlager war nicht zu denken. Spät in der Nacht kam nach vielen Schwierigkeiten die Bagage mit den Lebensmitteln an. Noch am Abend hatten die Sachsen ein heftiges, aber siegreiches Gefecht bei dem Dorfe Nouart gehabt. Um 2 Uhr nachts wurde eine Sektion von uns mit einigen Ulanen nach einem rechts von uns liegenden Dorfe gesandt, in welchem Beamte einer Proviantkolonne von den Bewohnern überfallen worden waren. Wir brachten auch bald einige heulende und ihre Unschuld beteuernde Bauern ein. Da wir sie auf ihre bloßen Gaunergesichter hin doch nicht erschießen oder aufknüpfen konnten, wurden sie morgens wieder laufen gelassen.

Ohne vorher abgekocht zu haben, marschirten wir in aller Frühe ab. Die Marschrichtung ging über Thenorgues, wo wir um 10 Uhr ankamen und bis 3 Uhr Zeit zum Kochen hatten. Halb 11 Uhr ritt Seine Majestät der König mit dem großen Generalstab an uns vorbei, dem die sächsische Armee folgte. Gegen halb Uhr donnerten vor uns die Geschütze. Man sagte, das IV. Korps habe eine französische Armeeabteilung überfallen. Fast taktmäßig hörte man die schweren Detonationen zwischen den Hügeln und Wäldern. Unser Marsch im bergigen, waldi. gen Terrain ward immer forcirter. Das Getöse des nahen

Kampfes, das uns während des stundenlangen Marsches durch die Wälder nicht einen Augenblick verließ, war im höchsten Grade aufregend und wir atmeten auf, als wir freies Feld vor uns erblickten. Bereits um 4 Uhr hätten wir nötigenfalls in das Gefecht eingreifen können, wir blieben jedoch zur Reserve.

Gegen 11 Uhr abends bezogen wir östlich des Städtchens Beaumont Biwak auf dem Schlachtfelde. Ein Bild schrecklicher Verwüstung bot das verlassene Lager der Franzosen mit seinen gestürzten und niedergetretenen Zeltreihen, den zahlreichen Gruppen gefallener und verwundeter Feinde, zwischen denen nur einzelne der Unsern lagen. Die Chassepots fand man noch in Pyramiden zusammengehäuft, die Pferde an die Zeltstangen gebunden, auf den Feuern standen die Feldkessel! Umgeworfene Wagen mit Offizierbagage, Intendanturwagen, Geschütze, Mitrailleusen, Munitionsvorräte, eine große Anzahl Maultiere nebst Gepäck waren erbeutet.

Wir lagerten rechts von der Chaussee. Die ganze Nacht hindurch marschirten Truppen, Infanterie, Kavallerie und Artillerie an uns vorbei. Die dadurch erzeugte Unruhe, umherirrende Pferde und das Gestöhne der Verwundeten ließen uns die notwendige Ruhe nicht finden. Ich machte es wie so viele andre und unterhielt mich damit, die erbeutete Bagage zu durchmustern. Was diese Franzosen nicht alles für Zeug mit ins feld geführt hatten! Da an einer meiner Patrontaschen die Schlaufe zerrissen war, so ging ich unter unseren Toten auf die Suche nach einer besseren. Ich fand eine solche bei einem Einunddreißiger. Der arme Junge hatte einen Schuß in den Leib, er war schon kalt und steif; ich hatte Mühe, ihm das Koppel vom Leibe zu schnallen, so angeschwollen war er. Bei diesem toten Kameraden kam mir der Gedanke an seine Eltern, welche vielleicht in gegenwärtiger Stunde an ihn dachten, von ihm spra chen, sich der baldigen Rückkehr ihres vielleicht einzigen Sohnes freuten, während er hier liegt, kalt und starr, die Mundwinkel schmerzlich verzogen, die Hände krampfhaft geballt, und vielleicht heute noch in die fremde Erde eingescharrt wird. Das 31. Regiment hatte überhaupt bedeutende Verluste hier, die meisten unserer Toten, welche rechts und links von der Chauffee auf den Feldern umherlagen, waren von jenem Regiment.

In den Chausseegräben, wo sie bei ihren Kochfeuern getötet, von eingeschlagenen Granaten zerrissen, lagen die Fran30sen massenhaft, meist ohne Waffen. Nur links vom Dorfe

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