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8. August.

folgender Tagesbefehl ward uns bekannt gegeben:

Soldaten der zweiten Armee!

Ihr betretet den französischen Boden. Der Kaiser Napoleon hat ohne allen Grund an Deutschland den Krieg erklärt, er und seine Armeen sind unsre Feinde. Das französische Volk ist nicht gefragt worden, ob es mit seinen deutschen Nachbarn einen blutigen Krieg führen wolle, ein Grund zur Feindschaft ist nicht vorhanden. Seid dessen eingedenk den friedlichen Bewohnern Frankreichs gegenüber, zeigt ihnen, daß in unserm Jahrhundert zwei Kulturvölker, selbst im Kriege miteinander, die Gebote der Menschlichkeit nicht verletzen. Denkt stets daran, wie eure Eltern in der Heimat es empfinden würden, wenn ein Feind, was Gott verhüte, unsre Provinzen überschwemmte. Zeigt den Franzosen, daß das deutsche Volk nicht nur groß und tapfer, sondern auch gesittet und edelmütig dem Feinde gegenüber steht. gez.: Friedrich Karl, Prinz von Preußen.

Morgens halb 5 Uhr rückten wir aus dem Biwak. Vorher teilte unser Bataillonskommandeur, Major v. Behr, uns mit, daß die Möglichkeit eines Zusammenstoßes mit Teilen der in einer vorgestrigen Schlacht geschlagenen feindlichen Armee heute vorliege, welche die Festung Bitsch zu gewinnen suchten. Wir Katholiken erhielten von unserm Feldgeistlichen die Generalabsolution. Unfre Offiziere glühten vor Kampfeslust und ohne Ausnahme sehnten alle im Regimente die Gelegenheit herbei, sich endlich auch einmal mit dem Feinde messen zu können. Wir marschirten über die Orte Weinbach und Breitfort. Bei dem Dorfe Wedelsheim hatten wir längeres Rendezvous, nachher ritt Prinz Friedrich Karl in der Uniform der Zietenhusaren mit seinem Generalstabe an uns vorbei. Der Gutmorgengruß des prinzlichen Führers ward vom Regimente kräftig erwidert. Um 11 Uhr hörten wir von den Landleuten, daß vorgestern französische Rekognoszierungstruppen, Infanterie und Kavallerie, in den umliegenden Dörfern gewesen; wir waren noch zwei Stunden von der Grenze entfernt. Halb 1 Uhr näherten wir uns derselben, wir hielten Rendezvous, gegen 1 Uhr spielte Keiper das Preußenlied; wir überschritten mit Hurra die französische Grenze bei Eppingen. Läden und Thüren der Häuser waren geschlossen, die Bewohner schienen geflüchtet. In einem

andern Dorfe, welches wir nachher passirten, waren die Leute nicht so verblendet gewesen, sie saßen oder standen vor den Thüren, jedoch zeigten ihre ängstlichen, erstaunten Gesichter, daß fie uns nicht so nahe geglaubt. Die Leute sprachen deutsch, jedoch bewiesen ihre verzweifelten Mienen, mit denen sie uns anstarrten, wie sehr sie, die doch der Sprache und Abstammung nach mit uns verbunden, uns entfremdet waren. Wir hatten einen strammen Marsch auf schlechten Feldwegen, durch Gräben und Bäche. Nach Überschreitung eines Eisenbahndammes mit einspurigem Geleise marschirten wir noch zwei Stunden und kamen dann ins Biwak bei Groß-Redersching, wo die ganze 2. Division Lager bezog. Es war uns nicht vergönnt gewesen, den Feind zu erwischen. Da die Wagen mit den Vorräten noch nicht nachgekommen, so wurden Requisitionskommandos aus. geschickt, um den nötigen Lebensmittelbedarf herbeizuschaffen. Wohl mag hier manche Härte mit untergelaufen sein, aber der hungrige Magen verlangte nach Speise und Trank, die gebieterische Notwendigkeit den Bauern klar zu machen, hielt oft schwer. Da ertönte manches Wehklagen der mit eiserner Zähigkeit an ihrer sauer erworbenen Habe hängenden, nebenher auch ergrimmten Bauern, manches Jammern und Zetern der Weiber. Mit möglichster Schonung wurde ja allgemein verfahren und mit großer Strenge gegen ihre Untergebenen ließen unsre Offiziere es sich angelegen sein, das harte Los der Einwohner nach Kräften zu lindern; aber das Notwendige mußte geschafft, das Unvermeidliche getragen werden. Wir bekamen denn auch reichlich Proviant. Eine ertrafeine Flasche Roten, die ich spät noch das Glück hatte, von Willnecker, einem Koblenzer, der unsern Füsilieren als Marketender ins Feld gefolgt war, zu erlangen, gab der Feier des Einmarsches in Frankreich die rechte Weihe.

Das war eine fürchterliche Nacht! Gegen 1 Uhr begann 9. August. es vom Himmel zu schütten und regnete unaufhörlich bis morgens 7 Uhr. Gegen 3 Uhr war ich erwacht, im Wasser schwimmend, welches fast fußhoch in den Feldfurchen stand. Der furchtbare Regen hatte alle Lagerfeuer ausgelöscht; hier und da hatten Mannschaften bei dem großen Mangel trockenen Holzes neue Feuer entzündet. An einem solchen die durchnäßte Haut sich zu erwärmen, konnte man jedoch erst dann ankommen, nachdem man auch seinen Teil noch einigermaßen trockenen Holzes

10. August.

11. August.

herbeigeschafft hatte. An der einen Seite frierend, an der andern verbrennend, hatten wir uns um die allmählich sich mehrenden Feuer gelegt, sehnsüchtig den anbrechenden Tag erwartend. Innen durch Fusel, von außen durchs Feuer erwärmt, trock neten nach und nach die Kleider auf ganz herrliche Art am Leibe. Nach 7 Uhr brach die Sonne durch und sandte ihre Strahlen auf uns nieder. Nach Abkochen des Kaffees wurde uns gesagt, daß heute Ruhetag im Biwak Groß- Redersching. Um 8 Uhr hatten die Katholiken, um 9 Uhr die Protestanten Feldgottesdienst. Ein eigentümliches Bild boten die an einem Bergabhange in weitem Kreise um den Geistlichen gescharten Mannschaften, noch fröstelnd und frierend in die Mäntel gehüllt, dem Worte Gottes lauschend. Nachdem wir mittags abgekocht und gegessen, spielte die Musik, der Himmel zeigte ein heiteres Gesicht, wir hatten Wein geliefert bekommen und waren daher in bester Stimmung. Später schleppten wir junge Stämme und Laubwerk aus dem nahen Gehölz herbei und bald entstanden Hunderte von Laubhütten zu 5-10 Mann, eine praktischer und solider wie die andre, jedoch liefen alle auf eine Bauart hinaus, deren sich unsre Reservisten noch vom böhmischen Feldzuge erinnerten. Nachmittags besuchte der Korpskommandeur Prinz August von Württemberg das Lager. In seiner Begleitung befanden sich der Chef des Stabes, Generalmajor v. Dannenberg sowie ein Prinz von Nassau.

Wir marschirten halb 5 Uhr ab und kamen über Sielit des Ascher nach fünfstündigem Marsch ins Biwak bei dem Städtchen Saaralbe. Da ein Wald nicht fern, so bauten wir auch heute wieder Laubhütten.

Die Nacht vom 10. auf 11. war schauderhaft! Blitz und Donner, Sturm und Regen. Der Sturm fegte die Trümmer unsrer Schutzhütten in den Feldern umher, wir schwammen im Wasser. Gegen 6 Uhr verließen wir die in Sümpfe verwandelten Biwaks, durchwateten bis an den Leib die angeschwollene Saar, passirten Saaralbe und kamen nach nicht allzustrengem Marsch in die bereits von Artillerie belegten Notquartiere Überkingen.

Nach längerem Marsche kamen wir heute 1 Uhr in Ra 12. August. crange ins Quartier. - Schon in den zuletzt passirten Ortschaften verstanden die Bewohner kein Deutsch mehr, man spricht nur Französisch hier. Mit verbissenem Ingrimm umstehen die Bauern den alten mit Medaillen geschmückten Invaliden, welcher, auf einer großen Trommel wirbelnd, in den Dorfstraßen unsre Requisitionen 2. kund thut.

Wir hatten gestern einen starken Marsch, bezogen dann bei 14. Auguft. La Neuville Biwak, welches wir heute in der Frühe verließen; gegen 3 Uhr nachmittags kamen wir in St. Geniève in Quartier, während unser erstes Bataillon unten im Chale Vorpostenbiwak bezog. Das Dorf liegt auf steilem Berge, unten fließt die Mosel. Als wir anrückten, läutete man die Glocke und auf der entgegengesetzten Seite des Dorfes hinaus trieben die Bauern das Vieh dem nahen Walde zu. Aber Hauptmann von Coels von der 5. Kompanie, der dies Treiben bemerkt hatte, holte durch die Schnelligkeit seines Pferdes die Flüchtigen ein und zwang sie, nach dem Dorfe zurückzukehren. An den Häusern fanden wir französische Proklamationen und Depeschen angeschlagen. Die Quartiere sind so weit gut. Es wird viel Wein hier gebaut und leiden wir an solchem keinen Mangel. Man zeigte uns in der Ferne die dunklen Umrisse eines vorgeschobenen forts der Feste Metz. Vom andern Moselufer her hören wir starken Kanonendonner.

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Napoleonstag. Um 5 Uhr verließen wir die Quartiere und 15. August. marschirten auf beschwerlichen Wegen in das Moselthal hinab. Nach einigen Stunden Marsch überschritten wir die Mosel. Die Marschrichtung entfernte uns wieder von Met. Nach einem äußerst anstrengenden Marsche kamen wir ins Biwak bei Villers en haie. Mangel an Brot, auch kein Zwieback. Von Ihrer Majestät der Königin erhielten wir heute als Geschenk pro Mann sechs Zigarren, etwas Tabak, Kognak und Kaffee.

Heute mittag bezogen wir Biwak bei Broussay und Ram 16. Auguft. bocourt. Aus weiterer Entfernung mußten wir das nötige Wasser herbeischaffen, da das anfangs aus einem in der Nähe des Biwaks befindlichen Weiher entnommene ungenießbar war.

17. August.

-Dadurch, daß eine neben uns lagernde Batterie Artillerie die Entnahme von Kartoffeln auf dem von ihr belegten Ackerland nicht gestatten wollte, hatte sich zwischen ihr und unsern Leuten ein Streit entsponnen, welcher zuletzt in offenen Kampf ausartete. Erst das energische Einschreiten des Prinzen Salm, des Kommandeurs des Füsilierbataillons, beendete denselben, nachdem bereits mehrere füsiliere verwundet worden waren. Die betreffende Batterie heißt für uns nur noch die Kartoffelbatterie.

Morgens 3 Uhr schmetterten schon die Alarmsignale in die warme Sommernacht. Schnell stand das Regiment marschbereit und der dämmernde Tag fand uns schon auf dem vorgezeichneten Wege. Soweit man zu blicken vermochte, loderten unzählige Feuer. Der Marsch artete bald in Geschwindmarsch aus. Verwundete französische Offiziere aus der gestrigen Schlacht, welche von Mannschaften westfälischer Regimenter eskortirt wurden, wurden auf Wagen an uns vorbeigebracht, man sagte es sei ein feindlicher General darunter. Gegen 11 Uhr wurden seitwärts der Chaussee die Tornister abgelegt, die Kochgeschirre an die Mäntel geschnallt, dann ging es ohne Aufenthalt weiter. Es war ein furchtbar anstrengender Marsch, viele konnten nur mit Mühe dem schnellen Marschtempo folgen, niemand jedoch wollte zurückbleiben, jedermann that sein Bestes in der Erfüllung der Pflicht des Tages und setzte die äußerste Kraft an, um mitzukommen, und nur wenige im Regiment gab es, die trotz aller Kraftentfaltung der Überanstrengung nicht gewachsen waren und entkräftet am Wege umfielen. Würdige Vorbilder an Willenskraft und stolzer Ausdauer waren uns unsre Offiziere. Schwer ward es den Alten in unsern Reihen, den Kämpfern von Düppel und Königgrätz, jedoch auch uns jungen Leuten, aber keiner ergab sich, es sei denn gewesen, daß die Ermattung ihn umwarf, und deren waren nur wenige. Avantageur von Hardenberg war durch ein Loch im Fuße fast marschunfähig gewesen heute gab's für ihn kein Marschhinderniser hatte sich, Gott weiß woher, ein paar Gummischuhe zu verschaffen gewußt, alle Schmerzen waren vergessen, unverdrossen marschirte er mit! Nachmittags 5 Uhr kamen wir in einem Wiesengrunde unmittelbar südlich von dem an der Metz-Pariser Straße gelegenen Dorfe Suczemont und unweit Hannonville au Passage ins Biwak. Das ganze Korps biwakirte

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