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Fiction im Auslande bereits erworbenen concreten Successionsrechten die Anerkennung nicht zu versagen sein wird'. Keineswegs kann aber behauptet werden, daß selbst Dasein und Bedingungen eines Rechtsverhältnisses, welches in einem auswärtigen zuständigen Staate erwachsen ist, von jedem anderen, wo die Wirkungen in Anspruch genommen werden, lediglich nach dessen eigenem Recht zu beurtheilen seien. Man würde dadurch dem eigenen Gesetz eine ultraterritoriale und selbst retroactive Kraft geben.

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38. Als leitende Grundsätze für die Zuständigkeit der Rechtssatzungen dürfen hiernach folgende für begründet, meistens auch in der Rechtsübung als angenommen bezeichnet werden:

I. Jeder Staat ist berechtiget, den bürgerlichen Stand seiner Unterthanen, so wie die Rechte und Verpflichtungen einer Person als solcher gegen andere, nebst denen der persönlichen Repräsentation und Succession zu bestimmen (statuta personalia), theils auf legislativem Wege, theils durch Ausübung der reinen oder gemischt freiwilligen und unfreiwilligen Gerichtsbarkeit (iurisdictio voluntaria mera et mixta), z. B. durch Anordnung von Vormündern, Beiständen und dergl. Die hierdurch begründeten Zustandsrechte werden in Ansehung des Heimathstaates hinsichtlich der hier neu entstehenden oder hier wirksam sein sollenden anderweitigen Rechtsverhältnisse, selbst durch einen Aufenthalt der Person im Auslande, nicht aufgehoben, so lange noch das bisherige Vaterland beibehalten wird. Ein fremder Staat kann diese Rechtsverhältnisse zwar in der Anwendung auf Zustände, Personen und Sachen seines Gebietes modificiren oder ganz bei Seite setzen; thut er es aber nicht, so beläßt er es stillschweigend bei dem Heimathsrecht, ein Princip, welches der Selbständigkeit und

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3. B. dem Repräsentationsrecht der Erben eines in seiner Heimath Todterklärten rücksichtlich seiner im Ausland befindlichen Güter.

2 Daß selbst der Wechsel des Heimathlandes mit einem andern die Rechte des Privatstatus nicht ändere, z. V. das Ziel der Minderjährigkeit, ist nicht zu behaupten. Doch ist Einiges der Art zuweilen in Staatsverträgen vereinbart worden, z. B. zwischen Preußen und Sachsen.

3 Dies ist z. B. nach der Russischen, Niederländischen und vormaligen Neapolitanischen Gesetzgebung der Fall. Foelix p. 48. 49. (p. 72 éd. 2.)

4 Vgl. den vorigen Paragraphen. Eine ähnliche Erklärung giebt Eichhorn, Deutsches Privatr. § 35.

Stetigkeit privatrechtlicher Verhältnisse, so wie der, anderen Staaten schuldigen Achtung am meisten entspricht, deshalb auch von jeher die meisten Stimmen der theoretischen und praktischen Jurisprudenz für sich gewonnen und in dem größesten Theile der Gesetzgebungen Eingang erlangt hat1. Sollte ein Fremder verschiedenen Staaten angehören, so würde in dem dritten Staate dasjenige auswärtige Zustandsverhältniß anzunehmen sein, womit daselbst das jetzt in Frage befangene Rechtsverhältniß am besten bestehen kann2.

II. In Beziehung auf Sachen, die sich in seinem Territorium befinden, kann jeder Staat bestimmen, welche Rechtsverhältnisse dabei zulässig sein sollen. Die positiven Gesetzgebungen beschränken sich jedoch bei Ausübung dieses Rechtes meist auf unbewegliche Sachen, die es ihrer Natur nach sind, oder damit in Verbindung stehen, oder eine Analogie damit haben; es ist sogar jezt als ein in den Europäischen Staaten durchgängig herrschender Sag anzusehen, daß unbewegliche Güter zu allererst nach dem Gesetz ihrer Lage beurtheilt werden müssen. Von der weiteren Erklärung jedes Staates und der ihn vertretenden Jurisprudenz hängt es demnächst ab, in wiefern die Ausschließlichkeit seiner Statuten selbst den im Auslande geborenen Status- und Repräsentationsrechten gegenüber gelten soll. Das Völkerrecht entscheidet diese Frage an und für sich nicht imperativ. Es führt nur zu der Annahme

a) daß, so weit kein ausschlicßliches einheimisches Statut für alle Realfragen besteht, der Staat eben dadurch auch die Giltigkeit der im Auslande nach dortigen allgemeinen Statuten* erworbenen Rechte an diesseitigen Sachen anerkennt, und nur noch dasjenige hinzukommen muß, was nach dem einheimischen Statut zur Vollendung oder Sicherstellung der Erwerbung erfordert wird;

b) daß an solchen (beweglichen) Sachen, die von außerhalb erst in einen Staat hineingebracht werden, auch noch diejenigen Rechtsverhältnisse fortdauern, welche bereits im Auslande giltig daran con

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VIII, 181.

Die Nachweisungen giebt Foelix p. 39 f. (§ 30).

Einen solchen Ausweg deutet das A. Preuß. L-R. Einl. § 35 an.
Wächter, im Arch. XXV, 200. 383. Foelix § 56 s. v. Savigny,

4 Nicht etwa nach solchen, deren Wirksamkeit sich bloß auf Sachen eines bestimmten Ortes beschränkt.

stituirt waren, so weit nicht ihrer dauernden Vollzichbarkeit ein exclusiver Grundsatz des Staates, wo die Sachen sich dermalen befinden, entgegensteht'.

In der Beweglichkeit der Sachen und ihrer steten Abhängigkeit von der Person liegt übrigens eine natürliche und fast unvermeidliche Veranlassung für alle Staaten, die Mobilien dem persönlichen Recht zu unterwerfen (mobilia ossibus inhaerent, personam sequuntur), so daß nur wenige Gesetzgebungen auch hier die Realstatuten (Gesetze der Ortslage) entscheiden lassen2.

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III. Die Giltigkeit von Rechtsgeschäften ist zunächst abhängig von derjenigen Gesetzgebung, unter welcher dieselben Wirkung äußern sollen, falls und so weit jene ein exclusives System befolgt. Sonst3 ist die Fähigkeit der Interessenten von ihrem Heimathsrecht, und nur das Substantielle jedes Actes Behufs Begründung persönlicher Zustandsrechte (I) von der Gesetzgebung des Landes, wo der Act Wirkungen äußern soll, abhängig. Persönliche Verpflichtungen durch Vertrag regelt das Heimathsgesetz des verpflichteten Theiles, so weit solches nicht einer Autonomie der Privaten bei ihren Willenserklärungen Raum gestattet, für deren Auslegung dann das Ortsgesetz der Erklärung eine nähere Bedeutung haben kann. Dagegen ist hinsichtlich der Form die Rechtsübung wohl durchgängig dahin gelangt, jene durch das Ortsrecht der Entstehung des Rechtsactes bestimmen zu lassen, ein Herkommen, welches auf dem Bedürfniß beruht, seinen Privatwillen allenthalben geltend zu machen3, vorbe

1 3. B. der Satz des Französischen Rechtes: en fait de meubles la possession vaut titre u. dergl.

2 Vgl. Foelix p. 71 (§ 65 éd. 2).

3 Ausführlich erörtert von Wächter S. 365 f., Foelix p. 87 (§ 69) s., womit Obiges in den Hauptpunkten übereintrifft.

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5 Vgl. Wächter S. 377. 405. Foelix § 73 s. Zweifel bestehen nur darüber, ob die Beobachtung der ortsgesetzlichen Form etwas Facultatives oder Nothwendiges sei. Sprechen sich die Staatsgefeße nicht dagegen aus, so ist gewiß die erstere Ansicht die richtigere. Die Interesseuten haben die Wahl, entweder die ortsgesetzliche Form zu beobachten, oder aber diejenige, welche das Gesetz vorschreibt, wonach die Vollziehung gefordert werden kann. Wächter S. 406. Wie wenig dabei ein s. g. in fraudem legis agere in Betracht komme, s. ebendas. 413. Vgl. v. Savigny 348 ff.

haltlich dessen, was etwa noch zur nachträglichen Vervollständigung der Form ausdrücklich gefordert wird. Verlangt freilich ein Gesetz zur Giltigkeit oder Wirksamkeit eines Actes die Vornahme vor gewissen inländischen Behörden, was oft nur wieder Sache der Interpretation ist, so können jene nicht durch ausländische, wenn schon gleichnamige Behörden, vertreten werden'.

IV. Obligationen, welche aus erlaubten oder unerlaubten Handlungen und Unterlassungen unmittelbar entspringen können, unterliegen zunächst dem Ortsrecht, unter welchem sie sich ereignet haben. Jedoch kann das heimathliche Statusrecht die Entstehung der Obligation verhindern oder modificiren, ja selbst auch eine Verpflichtung erst erzeugen, wenn sie nach dem Ortsrecht der Thatsache nicht anzunehmen ist2.

In allen Fällen versteht sich übrigens die Bedeutsamkeit ausländischer Rechtsacte und Obligationen, nächst den schon § 37 ge= machten allgemeinen Beschränkungen, für andere Staaten nur von den rein privatrechtlichen Wirkungen, nicht auch von solchen Nebenwirkungen, z. B. Hypotheken und Vorzugsrechten, welche ein Staat lediglich den unter seinem Rechtssystem entstandenen Rechtsverhältnissen beilegt, sofern nicht hierüber ein Einverständniß mit anderen Staaten besteht.

39. Hinsichtlich der richterlichen Entscheidungsgewalt lassen sich die nachstehenden Gesetze als Richtschnur annehmen*;

I. Jeder Staat hat die, wenn gleich nicht ausschließliche, Competenz, über alle Privat-Rechtsverhältnisse3 zu entscheiden, welche in

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Beispiele hierzu liefert die Französische Rechtspraxis. Foelix § 471 s. 2 Hier ist ein reiches Feld von Controversen, namentlich in Betreff der Obligationen ex lege und aus unerlaubten Handlungen. Ein gemeinsames internationales Herkommen ist für alle Fragen nicht nachzuweisen.

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3 Vgl. Foelix § 438.

Foelix 175 s. Klüber, Völkerr. § 58. 59. Unter Deutschen Staaten bestehen hierüber sehr bestimmte und ausreichende Verträge. S. Otto Krug, das Internationalrecht der Deutschen. Leipz. 1851.

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Nicht auch über hoheitliche Ansprüche eines fremden Staates an eine Privatperson. L. Höpfner, Beitr. z. civ. Praxis. Leipz. 1841. N. I. Vergl. oben § 35, II. und Seuffert, Archiv f. Entscheidungen IX, Nr. 211.. Jedoch wird das bestritten. S. ebd. XXVII, Nr. 174.

ihm, sei es auch gegen einen Fremden, oder gegen einen seiner Angehörigen, auf Veranlassung eines Interessenten' zur Vollstreckung gebracht werden sollen und einer rechtlichen Entscheidung hier be= dürftig sind 2.

II. Das gerichtliche Verfahren bestimmt sich nach den Gesetzen und Ordnungen des Staates, dessen Gerichte die Entscheidung abgeben sollen. Die Gerichte verschiedener Staaten pflegen sich hierbei auf gehörige Requisition einander zu unterstüßen, sofern nicht in ihre eigene Competenz eingegriffen wird. Der requirirte Richter verfährt dabei nach seinen eigenen Procedurgesetzen; jedoch kann auch die vom Requirenten gewünschte Form beobachtet werden, sofern dieselbe nicht mit der einheimischen Rechtsordnung unverträglich ist3.

III. Die materielle Entscheidung des Richters der Sache ist aus den vorhin erörterten Entscheidungsquellen zu schöpfen. Auch die Beweisquellen bestimmen sich darnach1, desgleichen alle das Klagerecht selbst, nicht bloß die Procedur betreffenden Einreden3.

IV. Rechtskräftige Entscheidungen haben nur in dem eigenen Staatsgebiet, und wo durch Vertrag oder gegenseitige Observanz deshalb Zugeständnisse gemacht sind, Anspruch auf unbedingte Voll

1 Nemo invitus ad agendum compellitur, ist ein Grundgesetz für jede bürgerliche Justizpflege.

2 Einen für den Staat, dessen Richter angegangen werden, völlig fremden Rechtsstreit (dessen Entscheidung nur in einem anderen Staat erheblich und wirksam sein kaun), brauchen die Richter nicht anzunehmen, selbst wenn die Parteien einverstanden wären.

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5 Einer der streitigsten Punkte ist die Einrede der Verjährung. Vor Allem kommt es darauf an, welches etwa exclusive Princip die Gesetzgebung des Landes, wo geklagt wird, bei dem Institute der Klageverjährung befolgt. Sofern jedoch der Richter die Einrede nicht von Amtswegen zu beachten hat, sie also zum ius partis gehört und mit der Qualität der Obligation in Verbindung steht, wird auch die Ansicht, daß es auf das Gefeß des ursprünglichen Rechtsverhältnisses ankommt, immer die meiste Anziehungskraft ausüben. S. überhaupt Wächter, Arch. S. 408. Foelix § 100. v. Savigny 273. Wegen der Praxis des Preußischen Obertrib., wonach im persönlichen Gerichtsstande die lex fori entscheidet, s. Entsch. LII, 388. Eine besondere Schwierigkeit macht oft noch die Veränderung der Präscriptionsgesetze.

Heffter, Völkerrecht. 6 Ausg.

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