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sur papier war eine Frucht des französisch - englischen Krieges und das Hauptmittel des Continentalsystemes zur Reaction gegen die britische Uebermacht und Ueberhebung. Niemals hat indeß diese Maxime die Zustimmung der Nationen erhalten; sie war stets nur etwas Einseitiges und zugestandenermaßen Außerordentliches; sie ist widerrechtlich, weil sie in der That den neutralen Mächten ein Gesetz vorschreiben will, welches durch sich selbst verpflichtend sie in ihrer Freiheit beschränken soll1. Man wird sie demnach ihrer Einseitigkeit überlassen und den Neutralen, die es vermögen, auch das Recht zugestehen müssen, dieselbe mit aller Macht zu bekämpfen. Blocade ohne effective Absperrung ist ein bloßer Deckmantel ungemessener Handelsverbote, ein verschleierter Krieg gegen den Handel des Feindes und der Neutralen überhaupt.

Unerlaubte Zufuhr von Kriegsbedürfnissen, insbesondere s. g. KriegsContrebande.

158. Da sich neutrale Staaten und deren Unterthanen durch unmittelbare Gewährung einer Kriegshülfe für den einen Theil gegen den anderen einer Verletzung der Neutralität schuldig machen, so ist letterer unstreitig berechtiget, auf offenem Kriegsfelde dagegen einzuschreiten und die unbefugten Handlungen als feindselige zu ahn

Es gehört dahin, außer den weiterhin (§ 161 a) noch zu erörternden Fällen, die Wegnahme von Gegenständen, deren Zufuhr von den Neutralen als s. 8. Kriegs - Contrebande unterlassen werden soll2.

1 Reflexionen darüber, ob ein Kriegführender, wenn der andere die Grenzen des Blocaderechtes überschreitet, retaliatorische Maßregeln gebrauchen könne? f. bei Pando 519 f.

2 S. hierüber, außer den schon zu § 153 angeführten Schriften, Bynkershoek, Quaest. iur. publ. I, c. 10. Joh. Gottl. Heineccius, resp. Kessler, de navib. ob mercium illicitar. vecturam commissis. Halae 1721 u. 1740. Auch in s. Opusc. var. Syll. p. 321 s. v. Justi, histor. und jurist. Schriften I, 141 ff. Christian Gottl. Schmidt, auserl. Abhdl., das Deutsche Staatsrecht betreffend. 1768. I, Nr. 1. Schmidlin, de iurib. gent. mediar. § 38 sqq. Robert Ward, Essay of Contraband. Lond. 1801. Ferner v. Sted, Handels- und Schifffahrtsvertr. p. 190 f. und Essais von 1785 p. 68 s. Nau's Völkerseerecht § 153 ff. u. 192 ff. Jouffroy, le droit des

Die darauf bezügliche Kriegspraxis knüpft sich an die gesetzlichen Verbote von Aus- und Zufuhren gewisser Artikel, welche seit uralter Zeit von den Staatsgewalten ihren Unterthanen in Beziehung auf den Verkehr mit dem Feinde untersagt wurden. Schon das römische Recht enthielt dergleichen Verbote'; ähnliche ergingen von den Päpsten und Concilien während der Kreuzzüge in Hinsicht auf den Verkehr mit den Sarazenen3; weiterhin erlaubte sich die Hanse in ihren Kriegen den Neutralen den Handel mit Kriegsartikeln oder wohl überhaupt jeden Handel mit ihren Feinden zu untersagen. Im Allgemeinen scheint sich dann unter dem Einflusse der Civilisten die Ansicht gebildet zu haben, daß sich jeder Neutrale durch die Zufuhr derartiger Handelsartikel sogar gegen den dadurch benachtheiligten kriegführenden Staat straffällig mache und diesem es zustehe, im Falle der Verletzung und Ertappung ein Strafrecht gegen den Ucbertreter auszuüben. Zu einer vollständigen Praxis erhob sich diese Ansicht allerdings erst mit der Entstehung bedeutenderer Kriegsmarinen und mit der Einführung des Capereisystems, weil nun erst hierin das Mittel gegeben war, das vermeintliche Recht gegen die Neutralen in Ausführung zu bringen. Freilich die stets bewaffnete Hanse, so lange sie von Bedeutung war, unterstand sich zuweilen, die völlige Freiheit ihres Handels sogar in diesen Artikeln zu behaupten, sowie es ihr gelungen war, durch Verträge eine völlig freie Fahrt selbst nach den Ländern der Feinde ihrer Vertragsgenossen zu

gens maritime p. 102 sqq. Wheaton, Intern. L. IV, 3, § 21. Desselben Histoire des progrès p. 75 u. f. M. Poehls, Seerecht IV, § 516, S. 1096. Massé, Dr. commerc. § 194 s. Oke Manning p. 281. Pando p. 486. Ortolan II, 154. v. Kaltenborn, Seerecht II, 413. Wildman II, 210. Hautefeuille t. II, p. 297. Das Geschichtliche dazu ebendas. t I, p. 34. Phillimore III, 321. Gessner p. 70. Ueberhaupt Calvo § 1101–1135.

Daher das Wort, nämlich von contra bandum i. q. bannum. Contrabannum hieß im Mittelalter eine verbotene und deshalb verfallene Waare. Carpentier, Gloss. nov. Tom. I, col. 1123.

2 Hauptstelle 1. 2. Cod. quae res export. non debeant. von den Kaisern Valens und Gratian ausgegangen.

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Conc. Lat. III. von 1179 unter Alexander III. can. 24 und Lat. IV von 1215 (Innocent. III.); cap. 6 u. 17 X. de judaeis et sarac., au đ c. 1. X. vag. comm. V, 2.

4 Sartorius, Hanseat. Bund II, 663.

erlangen. Während der letzten drei Jahrhunderte haben sich da= gegen alle Europäischen Seemächte meistens ausdrücklich das Zugeständniß gemacht, daß jede im Kriege begriffene Macht die Neutralen an der Zufuhr der sogenannten Kriegs-Contrebande hindern und dafür strafen dürfe, worüber eine unzählige Menge von Handelsund Schifffahrts-Verträgen Zeugniß giebt2; ja sie betrachten dieses als eine an sich feststehende Befugniß. Sie haben daher auch ohne Vertrag eine solche Befugniß geübt und Gesetze darüber erlassen3; man hat ihnen dieselbe an und für sich niemals contestirt; nur gegen eine zu weite Ausdehnung ist gekämpft worden; was man aber selbst als Befugniß ausübt, kann man dem anderen Gleichstehenden ebenfalls nicht verweigern. Wenn demnach einzelne Publicisten ein internationales gemeinsames Recht der Kriegs-Contrebande geleugnet oder es nur von ausdrücklichen Vertragsbewilligungen abhängig erklärt haben*, so muß dieses als der historischen Wahrheit widersprechend verworfen werden. Unbedingt anerkannt hat es die Pariser Conferenz von 1856. Immer kann jedoch nur bei einem wirklichen Kriegsstande von Contrebande die Rede sein, nicht auch vor Anfang desselben oder während einer sogenannten friedlichen Blocade (§ 112).

Juristische Idee der Kriegs-Contrebande.

159. Wenn es nun darauf ankommt, einen allgemein gültigen Begriff der Kriegs-Contrebande wenigstens für die Europäischen und

1 Vgl. Pütter, Beitr. S. 154.

2 v. Steď a. a. D. S. 194–204. Nau's Völkerseerecht § 156 f., woran sich dann die neueren Handels- und Schifffahrtsverträge des jeßigen Jahrhunderts anschließen, deren wir noch weiterhin gedenken werden.

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So in französischen Geseßen, namentlich in der Ordonnanz von 1681 III, 9, 11 und in der Ordonnanz von 1778 (vgl. de Pistoye et Duverdy I, 392) im Allg. Preuß. Landr. II, 8, § 2034 f. vgl. mit I, 9, § 216 ff. und in vielen anderen Staatsgesetzgebungen. S. im Allgemeinen darüber Hautefeuille II, 337. Phillimore III, 315. Halleck ch. XXIV. Die Britische Praxis zeigt Wildman II, 210.

4 Den Anfang hat hierin vorzüglich Samuel Cocceji gemacht im Nov. syst. prud. nat. § 789, woran sich dann die Uebrigen angeschlossen haben. Vgl. Jouffroy S. 111. Dasselbe System hat auch noch Klüber § 288 f. festgehalten.

damit in Verbindung stehenden Europäisirten Nationen festzustellen, so kann dieses nicht a priore durch bloße Räsonnements aus der Natur der Sache geschehen', welche gerade hier sehr verschiedene, von Umständen abhängige Seiten darbietet, sondern lediglich auf historischem Wege. Es handelt sich um ein positives bestimmtes Gesetz, woran unabhängige Mächte und deren Unterthanen in Beziehung auf einen ihnen fremden Kriegsstand und in Ansehung einer ihnen sonst zustehenden Befugniß, nämlich eines beliebigen Verkehres und Handels mit jeder Nation, die ihn selbst nicht zurückweiset, ge= bunden sein sollen. Ein solches Gesetz kann nur das Produkt des Willens der Betheiligten sein.

Aus der vorausgeschickten geschichtlichen Skizze, aus den Gesehen der einzelnen Völker und der Staatenpraxis tritt nun zuerst auf das Bestimmteste die Idee entgegen: daß die Zufuhr von Kriegs-Contrebande an einen Kriegführenden eine strafbare Handlung hinsichtlich des Anderen sei2 und deshalb wenigstens zur Confiskation der Waare, ja selbst zu weiterer Strafe gegen den wiffentlich Zuführenden, der in der That begriffen wird, berechtige. Strafen könnte indeß ein Staat bloß diejenigen Fremden, die er innerhalb der legitimen Grenzen seiner Botmäßigkeit erreichen kann, also entweder in seinem eigenen Gebiete oder in dem einstweilig occupirten feindlichen Gebiete. Soll er noch anderwärts, namentlich auf völkerrechtlich freiem Gebiete, wie z. B. auf der See, dazu befugt sein, so gehört dazu die Erlaubniß derjenigen Mächte, unter deren Schuß und Botmäßigkeit die Betheiligten stehen. Ohne diese Erlaubniß darf zwar ein kriegführender Staat gegen neutrale Staatsangehörige, welche ihm in seinen durch das Kriegsrecht erlaubten Unternehmungen gegen den Feind störend entgegentreten,

In dem Systeme der bewaffneten Neutralität von 1782 und 1800 ist keine Bestätigung dieser Ansicht zu finden. Es ist darin das Princip der Kriegs-Contrebande nicht negirt, sondern nur gegen willkürliche Ausdehnung gekämpft und eine Verständigung dieserhalb gefordert und vorbereitet worden.

་ Ueber Versuche dieser Art vgl. man Jouffroy, Dr. mar. p. 102 ff., wo er die Ansichten früherer Publicisten einer Kritik unterwirft.

2 So wird noch in dem Allianzvertrage Englands und Schwedens von 1661 Art. 12 von der Contrebande als von einem Verbrechen gesprochen, welches eine Strafe verdiene qualis summis criminibus debetur!

Heffter, Völkerrecht. 6. Ausg.

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Repressivmaßregeln gebrauchen; allein diese werden nicht den Charakter der Strafe an sich tragen dürfen, eines Aftes der inneren Staatsgewalt; sie werden der Anfechtung der anderen Staaten unterworfen bleiben, wenn die richtigen Grenzen überschritten sind oder es an einer rechtmäßigen Begründung mangelt. Wo dagegen die Gestattung eines Strafrechtes anzunehmen ist, da bleibt dessen Ausübung dem Kriegführenden nach seinem Ermessen anheimgegeben, und höchstens eine Interceffion gegen offenbares Unrecht oder gegen Unmenschlichkeit zulässig. -Wenn sich nun nach dem vorausgeschickten historischen Verhalt nicht mehr in Zweifel ziehen läßt, daß das Recht der Kriegführenden, gegen die Zufuhr der Kriegs-Contrebande von Seiten der Neutralen Strafreaktionen zu gebrauchen, ein ge= meingültiger Grundsaß des Europäischen Völkerrechtes bisher ge= wesen und dasselbe nicht erst von jeder Macht speciell nachzuweisen sei, so bleiben nur noch die Fragen zu lösen:

1. welche Gegenstände zur Kriegs-Contrebande zu rechnen.

und

2. was für Repressivmittel gegen die Zuführung derselben zuständig seien.

Gegenstände der Kriegs-Contrebande.

160. Schon öfter hat man versucht, die Gegenstände der Kriegs-Contrebande in einer bestimmten Formel zusammenzufassen, allein eine allseitige Anerkennung ist bisher keiner zu Theil gewor den'. Nur im Allgemeinen läßt sich in der bisher bestandenen Rechtssitte die Absicht der Nationen erkennen: es soll keinem kriegführenden Theile gegen den anderen im Wege des neutralen Handelsverkehres eine dem Princip der Neutralität zuwiderlaufende Kriegshülfe geleistet werden. Nun giebt es aber Sachen, welche unmittel= bar und unbedingt dazu geeignet sind, wie z. B. Militäreffekten und Munition für schweres Geschütz; andere können sowohl zum unmittelbaren Kriegsgebrauche, wie auch zu unverfänglichen, nicht seindlichen Zwecken sofort verwendet werden, wie z. B. Pferde; oder es sind auch nur Stoffe oder Theile der vorerwähnten Sachen, die erst

1 Auch die Formel, welche Jouffroy p. 130. 134 aufgestellt hat, leidet an Allgemeinheit und bedarf für jeden Kriegsfall einer besonderen Auslegung.

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