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flagung bei den Gerichten des feindlichen Landes selbst nur in so weit, als lettere sich im Bereiche des forderungsberechtigten Occupanten befinden; natürlich kann dieser aber auch im Wege der Gewalt die Realisirung herbeiführen. Inwieweit dergleichen Verpflichtungen noch nach vorübergegangener Occupation fortdauern, wird durch die Grundsätze des Abschn. IV. bestimmt.

c. Loslassungs- oder Ranzionirungs- Verträge bei der Seecaperei, wenn der von einem feindlichen Caper genommene Schiffer seine Loslassung gegen ein bestimmtes Lösegeld mittelst Ausstellung eines billet de rançon und Ucberlieferung einer oder der anderen Geisel erhält; üblich etwa seit dem Ausgange des 17. Jahrhunderts. Soweit dergleichen Ranzionirung nicht durch neuere Staatsgesetze den Capern verboten ist, entsteht daraus einerseits die unbedingte Verpflichtung zur Bezahlung des Lösegeldes, sofern die Prise selbst nur rechtmäßig gemacht war - eine Verpflichtung, welche sogar von den Gerichten des Schuldners gehandhabt werden muß; andererseits ein Recht auf den Schutz des feindlichen Staates, dem das Lösegeld zufließen soll, gegen fernere Angriffe bis zu dem angewiesenen Ziele der Reise, unter der Bedingung jedoch, daß der Losgelassene davon nicht willkürlich abweicht. Das billet de rançon wird übrigens selbst wieder ein Gegenstand der Beute, wenn der Caper seinerseits genommen wird. Gehört der Unternehmer des Caperschiffes zu dem Staate des Ranzionschuldners, so hängt es von den dortigen Gesetzen ab, so wie von den weiterhin darzustellenden Grundsägen der Wiedernahme oder des Postliminiums, inwiefern der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit wird'.

d. Auswechselungs-Verträge wegen der Gefangenen. Diese kamen vorzüglich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in lebendigeren Gebrauch'. Es wurden dabei meist die verschiedenen Kategorien der Militärpersonen berücksichtiget und ge

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Wheaton, Intern. L. IV, 2, § 27 (28. éd. fr.) Vgl. v. Martens, Vers über Caper § 23. Wildman II, 270-275. Phillimore III, 160. Massé n. 381. Halleck XXVII, 20. Gessner, Le Droit des Neutres p. 338.

2 Du Mont, Corps univ. t. VII, I, p. 231, hat den ältesten Cartel dieser Art aus dem Jahre 1673.

wisse Verhältnißzahlen bei der Ausgleichung zum Grunde gelegt. Die Ausgleichung des Plus oder Minus geschahe entweder durch Geld oder in sonstigem Aequivalent'. Alles ist jedoch von den jedesmaligen Conventionen abhängig.

Capitulationen von Truppentheilen oder Waffenplägen. Sie werden bedingt oder unbedingt geschlossen; die Vertragsform besteht meistens in der schriftlichen Proposition der Bedingungen von Seiten des Capitulirenwollenden und in der schriftlichen Erklärung des anderen Theiles auf jene Proposition.

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f. Waffenstillstands-Verträge wegen Unterbrechung der Feindseligkeiten. Sie sind entweder allgemeine, für die feindlichen Parteien in allen Punkten giltig, oder nur besondere für gewisse Truppen, Gegenden und Linien, und werden bald auf bestimmte, bald auf unbestimmte Zeit eingegangen. Sie sind für die Staatsgewalten verbindlich mit dem verabredeten Anfangspunkte, einzelne hingegen dafür nur verantwortlich von dem Tage der erhaltenen Kenntniß. Den hierdurch dem anderen Theile erwachsenen Nachtheil müssen die Staatsgewalten selbst wieder ausgleichen. In der Natur eines Waffenstillstandes liegt übrigens die Erhaltung des Status-quo in Bezug auf die gegenseitige kriegerische Stellung, ohne weitere Ausdehnung derselben zum Schaden des Gegners. Zur Befestigung und Sicherung der bisherigen kann jeder Theil thun, was ihm gut dünkt3. Auch kann ein unschädlicher Privatverkehr mit rechtlicher

1 Moser, Vers. IX, 2, 388 f. Wheaton IV, 2, älteren Praxis im Mittelalter: Ward, Enquiry I, 298 s. Halleck XVIII.

§ 3. Wegen der Vattel II, § 278 s.

2 J. Fr. Ludovici, de capitulationib. Hal. 1707. Moser IX, 2, 155. Sonstige Schriften bei v. Ompteda § 315. v. Kampß § 300.

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Eine sonst häufige Bedingung war: wenn nicht innerhalb einer gewissen Frist Entsatz kommen sollte und dann es auf den Ausgang des Kampfes ankommen zu lassen. Ward II, 226 f.

4 Ueber diese: Groot III, 21. Pufendorf VIII, 7, 3. Jo. Strauch, Diss. acad. n. 5. Moser, Vers. X, 2, 1. Vattel III, § 233 f. Riquelme cap. XIII. Halleck XXVII, 5.

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Dies scheint die richtigste Formel, welcher die von Pinheiro-Ferreira zu Battel III, 245 vorgeschlagene schwerlich vorzuziehen ist, de ne rien faire de ce que l'ennemi aurait été intéressé d'empêcher et que, sans la trève, il aurait probablement empêché." Besonders streitig ist, ob einem belagerten Heffter, Böllerrecht. 6. Ausg.

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Verpflichtung unter den im Waffenstillstande eingeschlossenen Unterthanen der feindlichen Staaten Statt finden1. Die Wiedereröffnung von Feindseligkeiten pflegt, wenn die Frist keine ganz momentane ist, geziemender Weise wenigstens, durch eine vorherige Aufkündigung angezeigt zu werden2; bei dem unbestimmt eingegangenen Waffenstillstande ist sie sogar wesentlich, wenn nicht durch einen anderen bestimmten Grund der Vertrag seine Existenz bereits verloren hat.

143. Von sämmtlichen vorstehend bemerkten Verträgen gelten im Allgemeinen die nämlichen Grundsäße, wie auch im Frieden, ja, die kriegerische Ehre gebietet eine um so strengere Beobachtung jener Grundsätze. Befugt zur Abschließung solcher Conventionen ist von Amtswegen jeder Truppenbefehlshaber, so weit das Bedürfniß derselben in seinen besonderen Wirkungskreis eingreift, ohne daß es dazu der Ratification des Souveräns bedarf. Insofern aber die Verpflichtungen oder Zusagen über jenen Wirkungskreis hinausgehen, sind sie als persönliche Sponsionen zu betrachten, daher ohne Ratification des Souveräns nicht giltig, sondern einer Rescission unterworfen (§ 84). Sendboten, z. B. s. g. Parlamentärs, desgleichen die f. g. Cartelschiffe, welche dazu bestimmt werden, Verhandlungen mit dem Feinde einzugehen oder authentische Mittheilungen über den Abschluß einer Verhandlung zu machen, stehen unter dem Schuße des Kriegsrechts als unverletzbar.

Als Verstärkungsmittel und zur größeren Sicherheit der auferlegten Verpflichtung dienen die schon oben (§ 96) angegebenen, mit Ausnahme der rein privatrechtlichen, für einen Feind nicht

Orte erlaubt sei, seine Mauern wieder herzustellen und neue Vertheidigungsbarrièren aufzuführen. Bejahet wird es mit Recht von Groot § 7, noch be stimmter in Bezug auf jede Vertheidigungsmaßregel von Pufendorf § 10. Geleugnet von H. Cocceji zu Groot § 10, von Vattel und Wheaton IV, 2, 20. Daß der Belagerer seine Belagerungsarbeiten nicht fortseßen dürfe, ist außer Zweifel. Vgl. Riquelme p. 163. Halleck XXVII, 6.

1 Darauf ist wohl zu beschränken, was Sam. Fr. Pufendorf, Iur. univ. IV, obs. 207 ausführt.

2 Pufendorf, I. N. et G. VIII, 7, 6.

3 Riquelme p. 165. Halleck XXVII, 4.

4 Phillimore III, 161.

realisirbaren; namentlich also die Gestellung von Geiseln, deren Rechtsverhältniß auch im Kriege kein anderes sein kann, als im Frieden, ferner die Einräumung von Waffenplägen, endlich auch die Ueberlieferung von Faustpfändern, woran sich der Feind im Falle der Nichterfüllung factisch gleichsam im Wege der Repressalien halten fann.

Jede Contravention des anderen Theiles berechtiget zur sofortigen Aufhebung des Vertrages ohne weitere Auffündigung1. Es machen daher Verträge dieser Art eine vorzüglich sorgfältige Abfassung nothwendig und eine sofortige Erfüllung ohne einigen Verzug räthlich2.

Dritter Abschnitt.

Die Neutralen und ihre Rechte3.

I. Heberhaupt.

144. Nichts ist so wichtig für den rechtlichen Bestand einer sittlichen Staatengesellschaft, als ein klares und festes Verhältniß der Neutralität.

1 Groot III, 21, 11. Pufendorf VIII, 7, 12.

2 Treffend bemerkt Wheaton IV, 2, 23.,,In these compacts, time is material: indeed it may be said to be of the very essence of the contract. If any thing occurs to render its immediate execution impracticable, it becomes of no effect, or at least is subject to be varied by fresh negotiation." Warnende Beispiele: die wieder aufgehobene Convention von Kloster Zeven, 1757. Die Convention von El Arisch, 1800. Die Capitulation des Marschalls St. Cyr, 1813.

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Die Schriften über diese Materie s. im Allgemeinen bei v. Ompteda § 319 und v. Kampß § 315. Zu den bedeutenderen Monographien gehört: H. Cocceji, Disp. de iure belli in amicos. 1697. (Exerc. curios. t. II.) Jo. Phil. Vogt, Sammlung auserlesener Abhdl. Leipz. 1768 No. III. Io. Fr. Schmidlin, de iurib. et obligation. gentium mediar. in bello. Sttg. et

Neutral (medius in bello) ist in der weiteren Bedeutung jeder Staat, welcher an einem Kriege nicht als Hauptpartei Theil nimmt; der allgemeine Charakter dieses Verhältnisses ist: Fortbestand aller Rechte des Friedens mit Parteilosigkeit und ohne Feindseligkeit gegen die Kriegführenden. Hier finden allerdings Abstufungen Statt.

Es giebt eine vollkommene oder strenge Neutralität, welche sich jeder Art von Theilnahme zu Gunsten einer Kriegspartei enthält. Es giebt aber auch eine unvollständige Neutralität, wo von der Strenge der Regel etwas nachgelassen wird. Ein solcher Fall tritt ein:

Einmal bei derjenigen Macht, welche vor dem jezigen Kriege und ohne Hinsicht auf denselben eine particuläre Kriegshilfe oder auch selbst eine ungemessene Defensivhilfe zugesagt hat, so lange diese nicht in einen Angriff übergeht und der Gegner sich dabei be= ruhigt (§ 117), im Uebrigen auch die Bedingungen der Neutralität beobachtet werden1.

Ulm. 1780. Ferd. Galiani (Neapolitanischer Diplomat 1787), Dei doveri dei principi guerregianti verso i neutrali. Napoli 1782, übersetzt und mit Commentar von C. Ad. Cäsar. Leipzig 1790. Samhaber (oder Stalpf), Abh. über einige Rechte und Verbindlichkeiten neutraler Nationen in Zeiten des Krieges. Würzburg 1791. Aug. Henning's Abhandl. über die Neutralität, in s Samml. v. Staatsschr. I. Hamb. 1784. Dann sind zu vergleichen: de Real, Science du gouv. V, 2. 3. 3. Moser, Versuche X, 1, 147 f. Bynkershoek, Quaest. 1, c. 8-15. v. Martens, Völkerr. VIII, 7. Klüber, Dr. d. g. § 279 f. Wheaton, Intern. L. IV, ch. 3. Oke Manning p. 166. Pando p. 455. Ortolan II, 65. Leschkof, des principes de la neutralité et du commerce neutre. Moscou 1841. Hautefeuille, Droit des nations neutres en tems de guerre maritime. Par. 1848. 4 tomes. Riquelme p. 141. 270. Phillimore III, 201. Massé § 172 ff. Halleck XXII f. Calvo § 1011 f.

1 Beispiele solcher Neutralität s. im Pyren. Frieden vom 7. November 1659 Art. III. Du Mont t. VI, P. II, p. 265; in dem Dänisch-Schwedischen Kriege von 1658, 1659 hinsichtlich der Niederlande; im Spanischen Successionskriege hinsichtlich Dänemarks. Vgl. Nau, Völkerseer. § 233. 234. Schmidlin § 10. Halleck XXII, 2. Die Zulässigkeit der Annahme einer solchen Neutralität bestreitet Hautefeuille I, 382-393. In der That handelt es sich aber auch nur um eine gemeinsame Bezeichnung einiger möglicher, obschon ganz precärer oder conventioneller Ausnahmefälle.

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