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Krieges andere sein, als die des gerechten; und niemals werden bloße Gründe des politischen Nuzens oder moralisch gute Zwecke ohne das Dasein einer bevorstehenden oder schon zugefügten Rechtsverletzung die Ungerechtigkeit eines Krieges beschönigen können. Alle abstracten Fragen, ob Religionskriege, ob Strafkriege, ob Kriege zur Erhaltung des politischen Gleichgewichtes gerecht seien? sind daneben überflüssig und beantworten sich aus den vorangeschickten Erörterungen der völkerrechtlichen Verhältnisse ganz von selbst'.

Kriegführende Theile. Ius belli im subjectiven Sinne.

114. Ein Kriegsstand kann rechtmäßiger Weise nur unter Parteien eintreten, unter welchen der äußerste Grad der Selbsthilfe erlaubt und möglich ist, hauptsächlich also unter völlig freien, von einander unabhängigen, keiner gemeinsamen höheren Gewalt unterworfenen Parteien2; insbesondere ein Staatenkrieg unter souveränen Staaten, sowie gegen staatenlose Personen: z. B. Freibeuter, Flibustier, Seeräuber und dergl. Ein innerer Krieg politischer Parteien desselben Staates kann höchstens nur als ein Nothkrieg Anspruch auf Rechtmäßigkeit haben; er kann auch keinen eigentlichen Kriegsstand, wie unter fremden Staatsgewalten, hervorbringen, so lange nicht die streitenden Theile einen getrennten territorialen Besißstand gegen einander erlangt haben und behaupten. Private Fehden oder Kriege auf eigene Faust unter Personen desselben oder verschiedener Staaten hat die neuere Entwickelung des Europäischen Staatslebens völlig unterdrückt. Selbst Associationen vieler Privaten, wie z. B. kauf

1 Schriften über diese Fragen findet man bei v. Ompteda § 294. 298. 299. v. Kampß § 274. 280. 281.

2 Schriften bei v. Kampß § 273.

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So schon Ulpian, 1. 21. § 1. D. de captiv.,,In civilibus dissensionibus, quamvis saepe per eas respublica laedatur, non tamen in exitium reipublicae contenditur: qui in alterutras partes discedent, vice hostium non sunt eorum, inter quos jura captivitatum aut postliminiorum fuerint."

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Die Sitten des Mittelalters oder der Feudalzeit s. bei Ward, Enquiry I, p. 344. II, 209 f. Ein merkwürdiges Beispiel einer Kriegführung auf eigene Hand gaben noch Mansfeld u. Bernhard v. Weimar im 30jährigen Kriege. S. auch Ward II, 312. Schill's Zug ward reprobirt.

männische Genossenschaften, würden ohne Zulassung ihrer Staatsgewalten keinen Krieg zu führen berechtigt sein, so lange sie sich nicht, wie einst die Hansa', mit steinernen und hölzernen Mauern zu einer nicht bloß gehorchenden Macht erhoben haben sollten2.

Unter den kriegführenden Theilen sind zu unterscheiden die Hauptparteien und Nebenparteien.

Verbündete Mächte3.

115. Zu den Nebenparteien gehören im Allgemeinen diejenigen, welche der einen oder anderen in Krieg gerathenen Macht Hilfe leisten. Eine solche Kriegshilfe ist entweder eine allgemeine, ungemessene, mit allen der Hilfsmacht zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln; oder eine particuläre, gemessene, welche nur in qualitativ und quantitativ bestimmten Leistungen oder Vergünstigungen besteht; namentlich in Stellung eines bestimmten Hilfscorps, in der Zahlung von Subsidien, Einräumung eines Waffenplages, Hafens; überhaupt in der Gewährung bestimmter Vortheile, wodurch das Angriffs- oder Vertheidigungssystem einer kriegführenden Macht gegen die andere verstärkt wird, mit dauernder Verbindlichkeit dazu bis zur Erreichung eines gewissen feindseligen Endzwecks. Dieses ist der entscheidende Punkt. Nur dadurch tritt man aus der strengen Neutralität heraus. (Vgl. § 144 ff.)

Die Leistung der Kriegshilfe ist selten eine ganz aus einseitigem Antriebe im Wege der Intervention übernommene; gewöhnlich eine ausdrücklich verabredete und stipulirte; der casus foederis bald ein Angriffs-, bald ein Vertheidigungskrieg*; entweder mit Gegenseitigkeit

1 Deren merkwürdige völkerrechtliche Stellung: Ward II, 276 f. Pütter, Beitr. z. Völkerr.-Gesch. 141.

2 Erörterung des Kriegsrechtes von Handels-Compagnien f. bei Car. Fr. Pauli, de iure belli societatum mercatoriar. Hal. 1751.

3 Schriften bei v. Ompteda § 318. v. Kampß § 287. Von den Systemen sind zu beachten J. J. Moser, Versuche X, 1. Battel III, § 78 f. Martens, Völkerr. § 292 f. Klüber § 268 f. Schmalz S. 269. Wheaton III, 2, 11. Halleck XVII, 7 f. Calvo II, 3. § 803 f. Erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen nicht.

4 Stillschweigend versteht sich eine allgemeine Kriegshilfe bei übernommenen Garantien. Battel III, 91.

oder auch ohne solche. Es gelten dabei die allgemeinen Grundsäße und Auslegungsregeln der Verträge, deren Anwendung jedoch hier oft Schwierigkeiten und Conflicte erzeugt. Gebieterische Rücksichten auf das eigene Wohl, ältere Verpflichtungen gegen den zu bekämpfenden Feind seßen der versprochenen Hilfeleistung oft unabweisbare Hindernisse entgegen1; in jedem Falle bleibt auch dem Verbündeten die Prüfung vorbehalten, ob der Krieg, an welchem er Theil nehmen soll, ein gerechter sei2. Nichts trügerischer und unsicherer also, als das Vertrauen auf geschlossene Alliancen, wo nicht ein vollkommen gleichartiges und bleibendes Interesse vorwaltet, wie in Staatenvereinen!

116. Das Verhältniß unter den Verbündeten selbst, sofern es nicht genau in anderer Weise durch den Bundesvertrag bestimmt ist, wird sich der Natur der Sache und der Praxis gemäß im Wesentlichen dahin feststellen:

I. Bei allgemeiner Kriegshilfe treten die Grundsätze des Gesellschaftsvertrages (§ 92) in Anwendung, welchen zufolge jeder Theilhaber gleiche Rechte und Verbindlichkeiten mit dem anderen übernimmt, mithin auch zur Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes in gleichem Verhältniß beitragen muß, so weit ihm dazu die nöthigen Mittel zu Gebote stehen, also im Verhältniß derselben. Findet keine Vereinigung Statt, so kann correcter Weise kein Verbündeter für sich wider den Willen des Anderen eine Kriegsunternehmung ausführen, Keiner thun, was dem Anderen schädlich ist, mithin auch keinen einseitigen Frieden oder Waffenstillstand mit dem Feinde schließen, es wäre denn dem Zwecke des Bündnisses gemäß, oder dieser nicht mehr zu erreichen, oder die Fortsetzung des Bündnisses eine Unmöglichkeit geworden, oder dasselbe von dem anderen Verbündeten selbst verlegt worden. Keiner der Verbündeten kann sich endlich auf Kosten des anderen bereichern, sondern es muß vielmehr

1 Ueber den Fall, wenn man den beiden kriegführenden Hauptparteien Hilfe versprochen hat, s. Groot II, 15, 13 und dazu Cocceji. Juridische Bestim mungen werden indeß hierbei schwerlich mit Erfolg zu geben sein.

2 Hierüber sind Alle einverstanden. Eine Menge Discussionen über die Existenz des casus foederis s. bei Moser a. a. D. S. 43 f. Dazu auch die Beispiele bei Wheaton III, 2, § 13.

3 Die Geschichte kennt solche Separatfrieden!

jeder dem anderen herausgeben, was demselben von Rechtswegen gehört, z. B. auch das dem Feinde wieder abgenommene Eigenthum des Bundesgenossen, wobei ein Postliminium zulässig ist, ihn auch an dem gemeinschaftlichen Gewinn verhältnißmäßigen Theil nehmen lassen. Zufällige Schäden, welche das Spiel des Krieges immer mit sich bringt, bleiben zur Last dessen, den sie betroffen haben; nur was der Eine dem Anderen durch sein ihm sonst nicht gewöhnliches Verhalten Nachtheiliges zugefügt hat, muß er erstatten.

II. Particuläre Kriegshilfe wird ganz zur Disposition der friegführenden Hauptpartei gestellt, wenn keine besondere Verabredung dieserhalb getroffen ist. Besteht sie in Mannschaften, so hat der Hilfeleistende ihre Ausrüstung zu besorgen, sie auch vollzählig zu erhalten, wie er sie bei eigenen Unternehmungen vollzählig erhalten würde und zu erhalten im Stande ist'; der Kriegsherr hat dagegen für Unterhalt und Verpflegung zu sorgen; er darf nicht unredlicher Weise die Hilfsmannschaft mit Schonung seiner eigenen Truppenmacht bloßstellen. Ueberhaupt muß derselbe so viel als möglich jeden Schaden von dem Hilfsverbündeten abzuwenden suchen, worin der Letztere durch die Erfüllung seiner Bundespflicht gerathen kann, ihm Beistand leisten, wenn der Feind sich auf ihn wirft, vorzüglich auch bei Beendigung des Krieges ihn gegen alle Ansprüche des Feindes sicher stellen und ihn daher in den Friedenszustand einschließen. Zuwiderhandlungen berechtigen den Hilfeleistenden zur Aufhebung des Bündnisses; dagegen aber hat er kein Recht auf die errungenen Vortheile, mit Ausnahme der Beute, so wie eines beschränkten Postliminiums (§ 188).

117. Sieht man auf das Verhältniß des Feindes zu den Kriegsverbündeten seines Gegners, so kann jenem unmöglich zugemuthet werden, sich eine derartige Verstärkung der Kriegsmacht des Letzteren ohne Weiteres gefallen zu lassen und der Verbündeten zu schonen, sofern sie ihm nicht unmittelbar entgegentreten. Es ist unleugbar, daß auch sie an den Feindseligkeiten gegen ihn Theil nehmen, und daher auch unbedenklich, daß er sich ihrer zur ungehinderten Durchsetzung seiner Kriegszwecke zu entledigen befugt sein muß.

1 Zuweilen ist dem Verbündeten die Wahl bedungen, anstatt Mannschaft, Geld u. dergl. zu liefern. Hierüber s. 3. J. Moser, vermischte Abb. I, 84. Heffter, Völkerrecht. 6. Ausg.

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Während diese Befugniß nun von Allen zugegeben wird, insofern die Kriegshilfe erst nach Eintritt eines Kriegszustandes oder mit Hinsicht auf einen bestimmt bevorstehenden Kriegszustand übernommen wird, so meint man andererseits sie bestreiten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen schon im Voraus für die von ihr zu führenden Kriege, es sei überhaupt oder wegen eines gewissen Gegenstandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz allgemein ohne Designation eines bestimmten Feindes zugesagt hat, ja selbst eine allgemeine KriegsHilfe für einen zu führenden Vertheidigungskrieg'. Demungeachtet kann der Gegner hierdurch nicht verpflichtet sein, solchen Hilfsmächten Neutralität zuzugestehen und sie nur da feindselig zu behandeln, wo sie ihm unmittelbar gegenübertreten, wenn ihm nicht die Politik ein solches Verfahren anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu sprengen suchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl stellen, entweder von der ihm feindseligen Kriegshilfe abzustehen, oder den Krieg selbst ganz und gar anzunehmen2. Gerechtfertigt ist die Stellung einer solchen Alternative freilich erst dann, wenn der Verbündete des Gegners sich anschickt, die versprochene Kriegshilfe zu Leisten; so lange dieses zweifelhaft ist, steht nur das schon früher (§ 30 u. 45) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter bedenklichen Umständen verweigert oder verzögert, so ist der Bedrohte unfehlbar befugt, sogar das Prävenire zu spielen3.

Das Kriegsfeld.

118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den Staatsgebieten der feindlichen Parteien; der Seekrieg in den feindlichen Territorialgewässern wie auf der offenen See. Neutrales Gebiet darf nur im Falle der Noth und ohne Feindseligkeit betreten werden;

1 S. hierüber de Beulwitz, de auxiliis hosti praestitis more gentium hodierno hostem non efficientib., Hal. Sax. 1747, und Schmidlin, de iurib. gent. mediar. § 10.

2 Beispiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfange des Jahres 1813 in Beziehung auf die Französische Alliance.

3 So verfuhr Friedrich II. von Preußen gegen Kursachsen, bei Ausbruch des fiebenjährigen Krieges.

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