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lichen Verträge. Ein solches Compromiß geht dann entweder nur dahin, ein schon durch Vereinbarung feststehendes Princip in Beziehung auf einen gewissen Gegenstand unter den Parteien in Ausführung zu bringen (arbitratio), z. B. eine Grenzberichtigung oder Theilung nach gewissen Maßen oder Proportionen zu vollziehen', oder dahin, eine Streitfrage selbst erst zu erörtern und nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (eigentliches arbitrium). Das Compromiß muß die näheren Modalitäten bestimmen, woran die Ausführung des Schiedsauftrages gebunden sein soll, aber es bedarf keiner Pönalstipulation. Sowohl Privatpersonen2 wie auch Souveräne können zu Schiedsrichtern gewählt werden; Erstere können nur in Person handeln, Letztere können sich bei der Erörterung durch Delegirte vertreten lassen oder sich dabei ihrer Räthe bedienen, wenn sie nur den endlichen Ausspruch selbst thun3. Sind mehrere Schiedsrichter ohne nähere Bestimmung erwählt, so kann keiner ohne den Anderen giltig verfahren oder ein Urtheil sprechen. Bei Meinungsverschiedenheiten ist unstreitig die Stimmenmehrheit als entscheidend zu betrachten"; im Falle einer Stimmengleichheit oder völligen Dissonanz würde nur mit dem Willen der Betheiligten ein fernerer Austrag zu gewinnen sein. Ist wegen des Verfahrens nichts bestimmt, so steht dem Schiedsgericht zu, eine Zeit festzustellen, bis wohin die gegenseitigen Ausführungen und Beweise vorgelegt werden sollen, worauf es dann ohne weiteren Aufenthalt zur Vollendung seines Auftrages schreiten

1 Die Unterscheidung dieses Falles von dem eigentlichen Arbitrium ist vorlängst von den Processualisten als eine natürliche erkannt und jeder Anfechtung entzogen. Vgl. im Allgemeinen v. Neumann, J. princ. priv. t. VIII, § 1 sqq. 2 In älterer Zeit selbst in Staats- und Fürsten-Angelegenheiten sehr gewöhnlich. Vgl. Hellfeld zu Struv., Jurispr. heroic. Cap. I, § 21 u. s. w. 77. v. Neumann 1. c. 12. 13.

3 v. Neumann, J. princ. priv. t. VIII, § 18.

4 Versteht sich als stillschweigende Absicht der Interessenten von selbst. S. auch 1. 17 a. E. und l. 18. D. de recept. Die davon abweichende Vorschrift in cap. 2 de arbitr. in VI. ist schwerlich als Regel des Völkerrechtes anzusehen.

5 Ift auch allgemeine civilrechtliche Praxis gemäß 1. 27. § 3. D. 1. c. 6 Daß die Schiedsrichter sich selbst einen Obmann wählen, wie das Römische Civilrecht gestattet, beruhet auf einer positiven Vorschrift, welche jedoch nicht einmal in allen Civilrechten beibehalten ist.

kann. Zwangsrechte stehen ihm gegen keinen Theil zu1. Sein Amt erlischt durch neue Conventionen der Hauptparteien, durch Ablauf der ihm gefeßten Zeit, durch den Tod oder eingetretene Unfähigkeit eines Schiedsmannes, endlich mit dem Entscheide selbst. Dieser hat für die Interessenten die Bedeutung eines giltigen Vergleiches'. Er kann jedoch angefochten werden wegen Ungiltigkeit des Compromisses; wegen absoluter Unfähigkeit des Schiedsmannes; wegen Unredlichkeit desselben oder der Gegenpartei; wegen mangelhaften oder gänzlich verweigerten Gehöres; wegen Ueberschreitung der Grenzen des Compromisses; wegen absoluter Rechtswidrigkeit der in dem Entscheide getroffenen Verordnungen, welche daher auch keine zulässige Causa eines Vertrages (§ 83) abgeben könnten, wogegen bloße Verstöße in der Beurtheilung des besonderen Falles, sofern ihnen nicht etwa Parteilichkeit zum Grunde liegt, keinen Grund zur Anfechtung darbieten3. Nur bei der eigentlichen Arbitratio ist der Nachweis einer thatsächlichen Unrichtigkeit und darauf beruhenden Unbilligkeit stets vorbehalten*.

Zu allen Zeiten ist der schiedsrichterliche Weg in verschiedenen Formen benußt worden. Bei den Griechen durch Berufung auf eine dritte befreundete Stadts; bei den Römern in älterer Zeit durch die Reciperatio. Einen festeren, fast staatsrichterlichen Charakter haben die Bundesgerichte in Bundesstaaten und Staatenvereinen; so schon

1 Vgl. 1. 27 pr. 1. § 1. D. cit. und so überall!

2 Die beschränktere Kraft des Schiedsspruches im Römischen Recht ist für das neuere Europa durch andere Ueberzeugungen von der Kraft der Verträge jeder Giltigkeit entbunden. Vgl. Groot III, 20. 46. Unrichtig ist gewiß auch die Vorstellung, daß wenn in dem Compromisse eine Conventionalstrafe bedungen worden, der Schuldigerklärte sich durch Erlegung der Strafe von der Erfüllung des Schiedsspruches von Rechtswegen befreien könne!

3 Vgl. Groot a. a. D. Vattel II, 18, 329. Wildman I, 186.

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Die f. g. reductio ad arbitrium viri boni, worauf sich auch 1. 76.

78. 79. D. pro soc. u. 1. 9. D. qui satisd. cog. bezieht.

Die róleg kunλytos. M. f. des Verf. Athen. Gerichtsverf. S. 340. 6 Gallus Aelius bei Festus: „Reciperatio est, cum inter populum et reges nationesque ac civitates peregrinas lex convenit, quomodo per reciperatorem reddantur res reciperenturque, resque privatas inter se persequantur." S. Karl Sell, die Recuperatio der Römer. Braunschw. 1837.

in den Griechischen Staatenvereinen und später die AufträgalInstitution des deutschen Bundes für die souveränen Glieder desselben, oder statt deren das Bundesschiedsgericht. Hier trat die vollziehende Macht des Bundes selbst hinzu.

Retorsion unbilliger Rechtsgrundsäße und Maßregeln ^.

110. Erlaubt sich eine unabhängige Macht gegen andere oder deren Angehörige zwar keine Ungerechtigkeit, wohl aber eine Unbilligkeit, d. h. eine ungleiche Behandlung fremder Staaten oder ihrer Angehörigen innerhalb des eigenen Rechtskreises, indem sie dieselben von gewissen Vortheilen entweder ganz ausschließt, welche fie ihren eigenen Unterthanen bewilligt, oder sie doch zu Gunsten der lezteren, oder auch gegen andere bevorzugtere Nationen zurückstellt, oder indem sie auswärtige Nationen bei der Einräumung gewisser Vortheile auf ungewöhnliche Weise belastet, oder endlich selbst dann, wenn sie im Allgemeinen, sogar in Betreff der eigenen Unterthanen, Grundsätze aufstellt oder befolgt, welche den von anderen Nationen befolgten Regeln zuwiderlaufen und mit materiellen Nachtheilen für dieselben verbunden sind, so tritt das Recht der Retorsion in Kraft, d. h. die Rückanwendbarkeit desselben Princips gegen die solchergestalt handelnde Macht, um sich in Gleichheit mit derselben zu stellen oder zu erhalten, bis die Unbilligkeit gehoben ist, eine retorsio iuris, geheiligt in dem Rechtssatz: quod quisque in alterum statuerit

13. B. im Achäischen Bundesverhältniß. Polyb. II, 37, 10. Fr. W. Littmann, Griech. Staatsverf. S. 687. Die Versammlung der Amphictyonen hatte schwerlich eine derartige Bedeutung, obschon man sie ihr oft zugeschrieben hat. S. v. Leonhardi, das Aufträgalverfahren des D. Bundes. Frkf. 1838. Jordan in Weiske, Rechts-Lexicon I, 474. Zachariä, Deutsches Staatsr. § 267. Zöpfl, Deutsches Staatsr. § 158.

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3 Nach dem Bundesbeschluß vom 30. Oct. 1834. Art. XII.

4 Schriften bei v. Ompteda § 287. v. Kamptz § 269. S. anch Moser, Bers. VIII, 485. Vattel II, § 341. v. Martens, Völkerr. § 250 und Mittermaier, Deutsches Privatrecht § 110. Wurm, im Staats-Lexicon XII, S. 111. 116.

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Auf diese letztere Anwendung der Retorsion hat Wurm a. a. D. mit Recht aufmerksam gemacht.

ut ipse eodem iure utatur, um den Egoismus oder die Einseitigkeit des Anderen ihm selbst fühlbar zu machen1.

Einer Anwendung dieser Maxime ist nicht allein dann erst Raum gegeben, wenn eine Macht von dem für eine andere Nation beschwerlichen Grundsatz bereits im einen oder anderen Falle Gebrauch ge= macht hat, sondern es genügt dazu schon die Aufstellung des Grundsages als eines fortan giltig sein sollenden. Ungenügend ist hingegen eine bloße Verschiedenheit der Gesetze verschiedener Länder, wonach zufällig bei einzelnen Ereignissen der Ausländer nicht dasselbe Recht erlangen kann, welches er in seinem eigenen Vaterlande unter gleichen factischen Voraussetzungen haben würde, ohne daß aber das von dem einheimischen abweichende ausländische Gesetz gegen die Fremden berechnet ist; z. B. wenn ein Staat bei der Intestaterbfolge andere Erbqualificationen oder Classificationen aufstellt, als ein anderer Staat.

Niemals versteht sich sodann die Ausübung der Retorsion gegen frembe Staaten ganz von selbst als ein Recht der einzelnen Staatsgenossen, sondern es bedarf dazu eines legislativen Beschlusses der Staatsgewalt und einer Autorisation für die Behörden oder die Einzelnen2. Jene allein hat auch zu bestimmen, in welcher Form und in welchen Grenzen die Retorsion bestehen, wem endlich der Vortheil davon zuwachsen soll. Dies ist Sache des inneren Staatsrechtes.

Kann nach der Natur des Falles nicht genau an denselben Gegenständen oder in derselben Form eine Retaliation desjenigen geschehen, was der andere Staat gegen das Ausland statuirt, so ist eine analoge Anwendung des Princips nach den diesseits gegebenen Verhältnissen durchaus unverfänglich und gerecht3.

Anwendung von Gewaltmitteln, im Besondern von Repressalien. 111. Sind gütliche Versuche vergeblich angewendet, oder gestattet die Dringlichkeit der Umstände überhaupt keinen derartigen

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Die Retorsion ist eine Reaction gegen eine Iniquität (ius iniquum), die Repressalien reagiren gegen eine Ungerechtigkeit (iniustitia). S. besonders Jo. Gothofr. Bauer, in Opusc. t. I, p. 157 s.

2 Vgl. Dav. Gr. Struben, Rechtl. Bedenken V, n. 47. (Ausg. von Spangenberg Bd. II, S. 321.)

33. B. wenn ein Staat gewisse Artikel des Nachbarstaates mit außer

Versuch, so beginnt das Recht der Selbsthilfe und zwar bei Forderungsrechten auf bestimmte Sachen durch Wegnahme derselben, wo man sie findet, oder durch Aneignung eines Aequivalentes aus den Gütern des Schuldners, welche man in seiner Gewalt hat, außerdem aber durch Anwendung von Repressivmitteln gegen das Unrecht des anderen Theiles, es sei nun mit Eröffnung eines eigentlichen Kriegszustandes (Abschnitt 2) oder vorerst mit Anwendung von einzelnen Repressalien' (von reprendere, altsächsisch withernam), d. h. von Gewaltmaßregeln gegen eine andere Partei, um sie dadurch zu Gewährung des Rechtes, im Besonderen zur Leistung schuldiger Genugthuung zu veranlassen, äußersten Falles sich eine solche selbst zu verschaffen. In älterer Zeit2 bestanden sie hauptsächlich in der Gestattung der Fehde (des kleinen Krieges) und bei Seestaaten in der Conceffionirung eines Unterthanen oder Fremden zum Seeraub mittelst f. g. Markebriefe, oder in ähnlichen Vergewaltigungen gegen eine gewisse Nation3, was allmählich aus der Staatenpraxis verschwunden* und nur noch in Gestalt der Caperei bei förmlichem Kriegszustande benutzt worden ist (§ 124a). Dagegen üben die Staatsgewalten selbst noch für ihre und ihrer Unterthanen Interessen f. g. specielle Repressalien

gewöhnlichen Steuern belegt und den Verkehr damit hemmt, so kann der Nachbarstaat seinerseits andere Artikel des Ersteren auf ähnliche Weise behandeln. 1 Schriften ohne Zahl über diesen Gegenstand s. bei v. Ompteda § 288. v. Kampt § 270.

2 S. namentlich den Guidon de la mer cap. X, art. 1 und darnach die Französische Ordonn. de la marine von 1681.

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Ueber die ältere Form der Anwendung vgl. Hüllmann, Städtewesen Pütter, Beitr. 3. Völkerr.-Gesch. I, 49, dann cap. 46 sq. Valin III, 10. p. 414.

I, 197. Martens, Caperei I, § 4. auch P. Friderus, de Process. I, Wernher, Obs. univ. III, 115.

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4 Durch Verträge ward der Gebrauch schon sehr beschränkt. Oke Manning p. 108. Ueber sein allmähliches Verschwinden: Ortolan I, p. 396. Wildman I, 192.

5 Ueber den neueren völkerrechtlichen Gebrauch: Groot III, 2. Vattel II, § 342 f. de Neumann, Ius Princ. priv. t. VIII, § 35. de Steck, Essais p. 42. Massé, Droit commerc. § 128 s. Wheaton IV, 1, § 2, 3, Wurm, im St.-Lex. XII, 124. Sogenannte allgemeine Repressalien, als Verhängung oder Erlaubniß aller und jeder Gewaltmaßregeln wider Personen und Sachen eines fremden Staates, wären, wie schon der Großpensionar Witt bemerkt

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