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V. Jedes fremde Schiff, welches in Häfen oder andere eigenthümliche Gewässer eines Staates kommt, wird der dortigen Schifffahrtspolizei, den Schiffsabgaben und der Gerichtsbarkeit des Landes unterworfen. Eine Ausnahme machen allein in beiderlei letzter Hinsicht

die Schiffe, worauf sich fremde Souveräne oder deren Vertreter befinden, wenn sie zu deren Beförderung ausschließlich bestimmt sind;

die Kriegsschiffe fremder Nationen2, sofern man ihnen überhaupt eine Annäherung gestatten will, was aber auch in Friedenszeiten nur mit Vorsicht zu geschehen pflegt3;

die Schiffe, welche nur vorüberfahren oder deren Führer wider Willen genöthigt werden, in einem Territorium anzulanden, so viel nämlich die Schiffe selbst betrifft3.

II, 2, 15. Pufendorf III, 3, 8. Besonders gehört eine unschädliche vorübergehende Benutzung der Ufer zu den Naturalien der Schifffahrt. Phillimore I, 169.

1 Bestritten ward dies in der Gazette des tribunaux vom 28. Janv. 1843 und zwar ausdrücklich in Betreff der Handelsschiffe. Die bisherige publicistische Ueberzeugung und Praxis ist jedoch meist eine entgegengesetzte gewesen. S. insbesondere Wheaton, Histoire I, 2 § 10. Jouffroy p. 28. Vgl. Ortolan, Règles internat. I, 274. Riquelme I, 245. Der Französische Staatsrath selbst hat am 22. November 1806 entschieden: que la protection accordée aux vaisseaux neutres ne saurait dessaisir la juridiction territoriale pour tout ce qui touche aux intérêts de l'État. Weiter ausgeführt ward dies in einem trefflichen Requisitoire von Dupin in der Sache des Carlo Alberto. S. dieses und die Erkenntnisse der Französischen Gerichtshöfe in Sirey, Rec. gén. des Lois et des Arr. 32, 1. 557 ff. 33, 2. 238. Vgl. auch Phillimore I, 373. Halleck VI, 26. 27.

2 Ortolan, R. internat. I, 213. Ein älteres Zeugniß gewährt Casaregi, Discursus legales de commercio. Florent. 1719. (disc. 136.) Vgl. Wheaton, Histoire, II. période, § 16. p. 293. éd. 2.

3 Klüber, Völkerr. § 136 nennt Note e. verschiedene Verträge wegen beschränkter Zulassung von Kriegsschiffen. Ausführlich handelt davon Ortolan, R. internat. I, 156. S. auch Riquelme I, 205. Phillimore I, 366. Halleck VII, 25.

4 S. schon l. 19. § 2. D. de iudic.

5 Was die Mannschaft betrifft, so kann die Nationalehre gebieten, auch diese unangefochten wieder fortzulassen. So entschieden die Französischen Gerichte in der Sache der Schiffbrüchigen von Calais. Dieselbe Frage ward zwar in der

Endlich gestattet man auch fremden Schiffen die Ausübung der Schiffsdisciplin, sofern sie nicht gegen alle Sitte und Recht des Landes streitet1.

Analoge Anwendung leiden diese Grundsätze (ad V.) auch auf Luftschiffe.

80. Gegen fremde Schiffe auf offenem freien Wasser hat kein Staat irgend ein Recht in friedlichen Zeiten, außer dem Recht zur Vertheidigung wider einen unrechtmäßigen Angriff und zur Abwendung rechtswidriger Beschädigungen; denn es besteht dort kein gemeinsames Gesetz und keine derartige Autorität zur Handhabung desselben. Indessen wird der hiermit verbundene Uebelstand dadurch gemildert,

daß die einzelnen Nationen ihren Angehörigen das Verhalten zur See selbst gegen Auswärtige gesetzlich vorzeichnen und die daraus entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten anerkennen;

daß man ebenermaßen auch Fremde wenigstens den eigenen Staatsgenossen gegenüber nach gleichen Grundsägen beurtheilt;

daß die meisten Staaten sogar unter Fremden, wenn sie darum angerufen werden, Recht ertheilen ;

daß endlich unter den Seerechten der verschiedenen Länder stets

eine große Uebereinstimmung von Altersher bestanden hat3,

Sache des Carlo Alberto berührt, jedoch aus anderen Nücksichten beseitigt. Näher trat dem Obigen der Fall des Sardinischen Schiffes Cagliari, dessen Capitän von den darauf befindlichen 27 aufständigen Neapolitanern im Juni 1857 gezwungen sein sollte, in Ponza zu landen.

1 Vgl. Phillimore u. Halleck a. a. O.

2 Jeder Richter bringt das Gesetz seines Landes in Anwendung. Entsch. des Oberappellationsgerichtes zu Lübeck vom 30. Januar 1849. S. die Auswahl handelsr. Streitfälle. Bremen 1851. S. 37 f. Seuffert, Archiv der Entsch. der obersten Gerichtshöfe. IV, S. 60 f.

3 In neuester Zeit sind besonders die Regeln über die von den sich begegnenden Schiffen innezuhaltende Richtung im Anschluß an die von Frankreich und Großbritannien 1862 angenommenen Grundsäße von den Seestaaten gleichmäßig festgesetzt worden. S. H. Romberg, das Straßenrecht auf See. Bremen 1870. An sich aber ist das sog. internationale See- und Handelsrecht der civilisirten Völker nur ein particulares der einzelnen selbständigen Länder. Als ge

so daß ein Recht der Selbsthülfe, ohne die Eingangs gedachten Voraussetzungen auf offener See nicht mehr anerkannt wird. Nur diejenigen, welche sich jedem Gesetze und Rechte entziehen, wie z. B. die Piraten, dürfen von allen Nationen als rechtlose (outlaws) behandelt werden (§ 104). Abgesehen hier von diesem Fall hat da= her auch kein Staat außerhalb seiner Eigenthumsgewässer und Polizeigrenze gegen fremde Nationalschiffe ein Recht, sie anzuhalten, zu durchsuchen und in Beschlag zu nehmen, wenn dieses auch zu einem an sich erlaubten Zwecke geschehen sollte, wofern nicht ausdrücklich und bestimmt ein derartiges Zugeständniß von einer Nation der anderen gemacht ist. Aufgetaucht ist diese Frage in Beziehung auf die Unterdrückung des Sklavenhandels, und erwartet hier ihre fernere Lösung'. Erlaubt ist aber jedenfalls die Verfolgung eines fremden

meinsame Grundlage dafür haben aus dem Mittelalter her verschiedene Localrechte gedient, namentlich: die Assisen des bourgeois für das Königreich Jerusalem, das Seerecht von Oleron, die Jugemens von Damme und Gesetze von Weftkapelle, die Coutümes von Amsterdam, das Seerecht von Wisby (mit dem Stadtrecht herausgegeben von C. J. Schlyter, Corp. J. Wisbyensis, nautici et marit. Lond. 1853), der Consolato del Mare, der Guidon de la Mer, das hanseatische Seerecht (vgl. oben zu § 15), endlich das Seerecht von Amalfi (für Neapel 2c. S. Carlo Troya, Capitula et ordinationes maritimae civitatis Amalphitae. Wien 1844. Vgl. Holtius, Abh. civilist. Inhaltes, von Sutro. 1852) nebst anderen, weniger bedeutenden, welche sämmtlich mit den vorigen und unter einander in einer gewissen Verwandtschaft standen. Zur näheren Kenntniß dieser und der neueren Seerechte dient vorzüglich das treffliche Werk von Pardessus, Collection des lois maritimes antérieures au XVIII siècle. Par. 1828 ff. 5 Bde. 4. Ferner zum Handgebrauch für die neuesten See- und Handelsgeseße im internationalen Verkehr: Alex. de Miltitz, Manuel des Consuls. t. I. II. Weiss, Code du droit marit, internat. 2 Vols. Par. 1852. In eben diesen Werken, ferner in v. Kampt, Lit. § 160-171. 252-255 finden sich auch die hauptsächlichsten Schriften über das See- und Handelsrecht der einzelnen Nationen angezeigt; eine zweckmäßige Auswahl und Ergänzung der Literatur s. in Mittermaier, Grunds. des Deutschen Privatrechtes. § 26 und § 44 a. E. Dazu ferner v. Kaltenborn, Seerecht. Berl. 1851. 2 Bde. Nizze, d. allgem. Seerecht der civil. Nationen. Rost. 1857. 1858. 2 Bde. u. s. w.

1 Die Vertheidigung des an sich unbestreitbaren obigen Satzes s. in Wheaton, Enquiry into the validity of the British claim to a right of visitation and search of American vessels. Lond. 1842. Kein Unterschied zwischen droit de visite und droit de perquisition (right of search) fann hier zur Lösung führen. Einen Finger hier geben, heißt die Hand in eine Kette

Schiffes in die offene See, wenn sich die Mannschaft eines Verbrechens in den Eigenthumsgrenzen eines Staates schuldig gemacht hat'; auch kann ein Staat, wenn der Urheber eines Verbrechens auf offener See nachher in sein Territorium gelangt, die Strafgesetze gegen ihn in Anwendung bringen, sofern er überhaupt Verbrechen, welche außerhalb seines Territoriums begangen sind, strafen mag (§ 36).

Dritter Abschnitt.

Das Recht der Verbindlichkeiten.

Erste Abtheilung.

Die internationalen Verträge 2.

Völkerrechtliche Verbindlichkeit der Verträge überhaupt.

81. Zu allen Zeiten sind Verträge sowohl unter rohen wie unter gebildeten Völkern auch ohne gemeinsames Gesetz als rechtliche Bindemittel benußt worden, und dennoch hat man ihnen nicht immer allein vertraut; vielmehr hat man in älterer Zeit die Macht der Religion und die Furcht vor dem Uebersinnlichen zu Hilfe genommen, schmieden. Aber freilich sollte die Humanität endlich zu allseitigen Concessionen gegen verdächtige Schiffe unter strenger Verantwortlichkeit für Mißbrauch derselben in Ansehung des Sclavenhandels führen. Der Britisch-Französische Vertrag von 1845 Art. 8 ertheilte darüber zweckmäßige Instructionen gegen die prima facie wegen ihrer Nationalität verdächtigen Schiffe. S. übrigens auch Hautefeuille, Dr. des Nat. neutr. III, 471. 477 u. Phillimore III, 419.

1 Nordamerikanische Praxis. Wheaton, Enquiry p. 148.

2 Die besondere Literatur dieses Gegenstandes s. in v. Ompteda § 269 f. v. Kamptz § 239 ff. Unter den Systemen sind besonders beachtenswerth: Moser, Verf. VIII. de Neumann in Wolffsf., de pact. et contractib. Princip, 1752. Vattel II, c. 12. Phillimore II, 79 s. Calvo § 548 f.

um ihnen größere Haltbarkeit zu verleihen; seitdem aber auch jenes Mittel sich oft als unzureichend für diesen Zweck ergeben hat, ist wohl der nackte Glaube an eine Selbstgiltigkeit der Verträge übrig geblieben und durch das Christenthum, wie durch das positive Recht, endlich auch durch die Philosophie gekräftigt worden; aber nicht selten hat ihm die Praxis Hohn gesprochen, und noch immer hat man sich nicht darüber verständigt, ob, warum und wie weit ein Vertrag „Etwas sei", d. i. durch sich selbst verpflichte1.

Schwerlich wird man darüber eine andere Ansicht vertheidigen können, als die, daß ein Vertrag (duorum vel plurium in idem consensus) an sich nur durch die Einheit des Willens ein Recht setzt, folglich auch nur so lange diese Einheit dauert; und daß im Falle der Willensänderung eines Theiles der Andere nur berechtigt ist, die Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu fordern mit Einschluß des Schadens, den er durch redliches Eingehen in den Willen des Mitcontrahenten in seinen bisherigen Rechten erduldet hat. Nur der allgemeine Wille, gestüßt auf gleiches Interesse und gleiche sittliche Gesinnung, kann außerdem noch dem Vertrage Einzelner eine Verpflichtung zur directen dauernden Erfüllung desjenigen hinzufügen, was versprochen worden ist. Dazu besigt indessen bloß der Staat in sich selbst für die Individuen die Mittel; für das internationale Recht fehlt es an einer solchen Zwingmacht; der Vertrag hat demnach hier nur die angegebene natürliche Kraft und Bedeutung; eine besondere Stüße findet er bloß im gegenseitigen Interesse, durch seine Vermittelung fortdauernd im Verkehre mit anderen Staaten zu bleiben und neue Rechte zu erwerben; eine noch größere Garantie erhält er in einem Staatensysteme, wie das Europäische ist, welches an sich auf Gegenseitigkeit und Willensübereinstimmung beruhet, dem man folglich nur angehören kann, wenn man diejenigen Grundsäge von der verpflichtenden Kraft der Verträge anerkennt, welche den Interessen Aller entsprechen, ohne welche überhaupt kein Vertrauen und Verkehr denkbar ist. Allerdings sind daher die Völkerverträge Etwas, wenn ihnen auch die Sanctionen des Privatrechtes abgehen. Pacta sunt servanda! bleibt dennoch ein oberster Grundsatz des

1 Man sehe die verschiedenen Erklärungen in Warnkönig, Rechtsphilosophie § 176.

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