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gewässer einzelner Staaten ein Anspruch der anderen auf einen unschädlichen Gebrauch zu erlaubtem Verkehre (§ 33) vorbehalten. Das herkömmlich nach allgemeinem Einverständniß Feststehende wird im Folgenden vermerkt werden.

Küstengewässer 1.

75. Ein unmittelbares Interesse und Recht haben unbestreitbar alle Küstenstaaten, zur Sicherstellung ihres Landgebietes gegen unerwartete Ueberfälle, so wie zur Aufrechthaltung ihres Handels-, Steuer- und Verkehrsystemes nicht nur jede Annäherung von der Seeseite her zu beobachten, sondern auch Anstalten zu treffen, daß das Staatsgebiet von Niemand betreten werde, dem die Aufnahme darin verweigert werden kann2, so wie daß die hierzu erforderlichen Bedingungen erfüllt werden. Jeder Staat darf daher auch, wenn er nicht durch entgegenstehende Verträge gebunden ist, eine eigene Küstenbewachung und Küstenpolizei einrichten und nach den besonderen Verhältnissen der Küste so wie der Gewässer die erforderliche Ausdehnung bestimmen, wobei Kanonenschußweite3 vom Uferrande aus

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Hautefeuille I, 234. Calvo § 188 s.

2 Nam quod quisque propter defensionem sui fecerit, iure fecisse videtur. L. 3. D. de J. et J. Vgl. Vattel I, 23, § 288.

3 Groot, Bynkershoek, Galiani und Klüber, so wie die Reglements und Gesetze vieler Staaten stimmen darin überein. S. die Nachweisungen bei Tellegen p. 46. Ortolan, Règl. intern. I, 176. Hautefeuille I, 239, auch Wildman I, 70, b. Vertrag zwischen Frankreich und Rußland vom 11. Jan. 1787 Art. 28, zwischen England und Nordamerika von 1794 Art. 25. Ueber die Entstehung dieser Lehre und Praxis vgl. Tellegen p. 11. 35. Von Italienischen Rechtslehrern ward zuerst eine Entfernung von 100 (Ital.) Meilen angenommen. Tellegen p. 13. So auch von Don Abreu, Tratado sopra las prisas maritimas. Cadix 1746. Bei Bodinus, de republ. I, 9 ist von 60 Meilen die Rede, wenn hier kein Druckfehler zum Grunde liegt. Tellegen p. 15. Der Saß der Neueren ist: terrae dominium finitur, ubi finitur armorum vis, oder quousque mari e terra imperari potest. Vgl. Massé § 105.

4 Tellegen p. 49. Nach Jacobsen, Seerecht S. 580 wäre dabei auf Ebbe und Fluth zur Zeit der jedesmaligen Thatsache zu sehen; der Uferrand also ein immer wechselnder. Ein Vertrag zwischen England und Frankreich vom 2. August 1839 wegen der Canalfischerei nimmt die Ebbezeit als Norm.

als allgemein zugestandene Linie gelten darf, deren Ueberschreitung allerdings durch besondere Umstände gerechtfertigt wird'. Jeder Fremde, der in den Bereich dieser Seegrenze kommt, ist demnächst verbunden, sich den vom Uferstaate getroffenen Einrichtungen zu fügen, er mag durch Zufall oder absichtlich dahin gelangt sein. Zu den unzweifelhaften Befugnissen gehört hierbei auf Seiten des Küstenstaates:

das Recht, über den Zweck der Annäherung Auskunft zu verlangen und im Falle ihrer Verweigerung oder bei entstehendem Verdachte einer Unrichtigkeit sich unmittelbar Kenntniß von dem Zwecke zu verschaffen, auch geeignete Maßregeln gegen Gefahren zu ergreifen;

das Recht, Friedensstörungen in diesen Gewässern zu verhindern und dagegen factisch zu interveniren;

das Recht, die Benutzung der Küstengewässer, z. B. in Betreff der verschiedenen Arten der Fischerei zu reguliren, oder dieselbe allein auszuüben2;

das Recht des Embargo (§ 112) und die Aufstellung von Kreuzern gegen den Schleichhandel3;

die Ausübung der Gerichtsbarkeit".

1 Battel I, 23, § 289. läßt hier geradezu Alles von den Umständen abhängig sein und nach Rayneval, Inst. du dr. d. g. II, 9, § 10 wäre der von der Küste aus fixirbare Horizont die weiteste Grenze für die Aufsichtsanstalten. Als Regel muß indeß die Kanonenschußweite gelten, wiewohl auch diese keine in sich selbst und allgemein bestimmte ist, daher von jedem Uferstaat wenigstens provisorisch firirt werden darf. Das Gewöhnliche war sonst 2 Lieues. Jacobsen, Seer. 586. 590. S. auch Valin. Jetzt rechnet man sie gewöhnlich auf 3 geographische Meilen (60 auf den Breitegrad) 3 kleinen Seemeilen, so viel wie 1 große Seemeile. So Englisch-Nordamerikanischer Vertrag vom 20. October 1818 Art. 1 und Englisch-Französischer Vertrag vom 2. Aug. 1839 Art. 9. 10, mit den näheren Bestimmungen durch Vertrag vom 11. Novbr. 1867. So auch ein Belgisches Gesetz vom 7. Juni 1832 wegen der Zollaufsicht. Vgl. Tellegen p. 50. Spanien nimmt 6 Millas an. Riquelme I, 253. England u. Nordamerika im Zollinteresse 4 Leagues. Phillimore I, 211 e.

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2 Lezteres versteht sich nicht von selbst. England hatte z. B. die Hä

ringsfischerei an seinen Küsten freigelassen. Vattel I, § 287.

3 Moser, Vers. VII, 801 f.

4 In den beiden ersten Ausgaben dieses Werkes ward Lezteres bestritten. Allein die Consequenz der anderen Befugnisse führt dahin. Auch ist dieses die

Dagegen kann ein bloßes Hereinkommen in diese Polizeigrenze noch kein Besteuerungsrecht von Seiten des Küstenstaates begründen, sondern höchstens eine Abgabenpflicht für die Benutzung von Anstalten zum Vortheil der Schifffahrt oder der daselbst gestatteten Fischerei.

Fernere geschloffene Meeresgewässer 1.

76. Aus der Souveränetät über das Küstenwasser folgt ohne Weiteres auch die Souveränetät über die dadurch gedeckten oder ausgefüllten Meereseinbrüche, Meerbusen, Buchten, Rheden und Häfen, sie seien künstliche oder natürliche. Auf alle Fälle können dergleichen Meerestheile von dem Küstenstaate als Zugänge des Landes mit gleichem, ja selbst noch besserem Recht als das Küstenwasser überhaupt in ausschließliche Obhut genommen, durch Vertheidigungsanstalten gesichert und gegen nachtheiligen Gebrauch abgeschlossen werden2. Dafür streitet auch eine unangefochtene Praxis3. Selbstverständlich ist die Souveränetät des Küstenstaates über die vom Meere aus landeinwärts geleiteten Canäle*.

Von der Ausdehnung des Küstenwassers hängt ferner die Ausübung der Souveränetätsrechte über die Meerengen ab, durch welche ein Meerestheil mit einem anderen in Verbindung gesezt ist. Liegt

Ansicht der Publicisten von Fach, so wie der wirkliche Gebrauch. Vgl. Ortolan, Règl. intern. I, 175. Tellegen p. 54. Massé § 105.

1 Hautefeuille, Droit des nations neutres. I, 241.

2 Vattel I, 290.

3 Die Häfen rechnete schon das Römische Recht zum Lande. L. 15. D. de publican. In Großbritannien betrachtet man die Meereseinschnitte zwischen zwei Vorgebirgen als Eigenthumsgewässer unter dem Namen der Kings (Queens) Chambers. Wheaton, Élém. I, 1, 4, 7. Phillimore I, 213. Ebenso scheint man in Frankreich die Buchten, mit Ausschluß größerer Golfe, zu behandeln. Hautefeuille I, 240. In dem Britisch-Französischen Tractat von 1839 über die Canalfischerei n. s. w. stehen die Baien mit Oeffnung von höchstens 10 Meilen Breite noch hinter dem Küstenwasser. Art. 9.

4 Groot II, 3. 10. n. 1. 2.

5 Vgl. Vattel I, 292. Desgl. Nau, Völkerseerecht § 92 ff. Phillimore I, 200.

eine solche völlig unter den Kanonen eines Landes, so gehört sie auch zu dem Wassergebiet desselben. Liegt sie unter den Kanonen verschiedener Territorien, ohne freibleibende Fahrstraße, so würde die Mittellinie die Hoheitsgrenze bilden. Die Rechte des oder der Uferstaaten über die geschlossene Meerenge sind an und für sich dieselben wie über die Küstenwässer im Allgemeinen, wenn ihnen keine größeren durch die Zugeständnisse anderer Nationen gewährt und versichert sind, wie bis unlängst mit dent Sundzoll der Krone Dänemark der Fall war'.

Fortseßung. Geschlossene und Eigenthumsmeere.

76a. Als Eigenthumsmeere eines oder mehrerer Staaten sind nur diejenigen anzusehen, welche, wie das Caspische Meer2, von Einem Territorium oder von mehreren ganz umschlossen sind, so daß ein Zusammenhang mit dem Weltmeere durch eine natürliche Wasserstraße nicht Statt findet. Solche Meerestheile hingegen, welche durch eine fahrbare, wenn auch unter den Kanonen eines Landes liegende Meerenge von dem großen Ocean getrennt sind, können ohne Weiteres nicht als Eigenthumsmeere der sie umgebenden Staaten angesehen werden, sondern auch hier macht sich der Grundsaß der Freiheit des Meeres geltend, wiewohl mit Vorbehalt der Souveränetätsrechte der Uferstaaten. Diesem Grundsatz ist in neuester Zeit vorherrschend Rechnung getragen. Im Besonderen ist damit das Schwarze Meer, welches in älterer Zeit als ein Türkisches angesehen ward, dann ein gemeinsames für Rußland war, der friedlichen Schifffahrt der Europäischen Nationen geöffnet worden.

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Derselbe ist gegenwärtig durch die im J. 1857 von den Seemächten mit Dänemark geschlossenen Verträge beseitigt. Vgl. die Anlagen. Die frühere Literatur über diesen Zoll (vgl. Lemonius, Verhältnisse des Sundzolles. Stettin 1841. H. Scherer, der Sundzoll. Berlin 1845) ist daher jezt von keinem Interesse.

Nach einem Vertrage mit Persien hat Rußland das alleinige Recht, dasselbe mit Kriegsschiffen zu befahren.

3 S. jezt Art. 11 des Pariser Vertrages vom 13. März 1856 nebst Annexen (s. Anlagen). Ueber die früheren Verhältnisse vgl. Hoorn, diss. de navigatione et mercatura in mari nigro, Amstelod. 1834. Desgl. die

Als eine auf Observanz und vereinzelten Zugeständnissen oder Vereinbarungen beruhende Ausdehnung der Rechte über die Küstengewässer ist es schließlich anzusehen, wenn hier und da eine Nation sich im ausschließlichen Besitz gewisser größerer Meerestheile für ihre eigenthümlichen Bedürfnisse zu behaupten vermocht hat, wie z. B. der Bothnische Meerbusen früher als Schwedisches Eigenthumsmeer gegolten hat und noch jetzt als ein gemeinsames zwischen Schweden und Rußland erscheint2; wie dann ferner Dänemark 15 Meilen weit um Island herum und an der Grönländischen Küste die Fischerei ausschließlich für sich und seine Unterthanen festhält3.

Nationale Flußgebiete 4.

77. Flüsse, welche sich in das Meer ergießen, gehören bis zu ihrer Ausmündung, d. h. wo sie die äußerste Linie zwischen den letzten Uferpunkten verlassen3, zum Gebiete des oder derjenigen Staaten, welche sie durchströmen, und zwar wenn sie die Grenze zweier Länder bilden, in dem bereits oben § 66 angegebenen Verhältnisse; außerdem zu dem Gebiete jedes Einzelstaates, welchen und so weit sie ihn durchströmen. Sie sind Zubehör des Landes, da sie der elementarischen Selbständigkeit des Weltmeeres ermangeln, sollte auch gegen den Ausfluß hin Meereswasser sich beimischen und die Mündung eine größere Ausdehnung gleich einem Binnenmeere haben®.

Convention der Großmächte mit der Pforte vom 30. Juli 1841 und den ferneren Vertrag vom 13. März 1871.

1 Günther II, 53. Nau § 92.

2 Seit Abtretung Finnlands an Rußland, durch den Friedrichshammer Frieden vom 5/17. Febr. 1809 und den Grenzvertrag vom 8. November 1810. Martens, N. R. I, 19. IV, 33.

3 Allerdings nicht ohne Streit. Phillimore I, 204 s. Ueber die Streitigkeiten der Nordamerikanischen Union und Großbritanniens mit Rußland wegen der nordwestlichen Meeres- und Küstengewäffer vgl. Wheaton, Intern. L. I, 2, 4, § 5.

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M. Karatheodory: du droit international concernant les grands cours d'eaux. Leipz. 1861. Calvo § 216.

5 Jacobsen, Seerecht 583.

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Dies gilt z. B. von dem alten, frischen und curischen Haff unter Preußischer Hoheit; auch wohl von der Jahde und dem Jahdebusen. Ob und

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