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hören allein freie Meere, unübersteigbare Berge, Steppen, Sandbänke, sofern sie nicht rings von demselben Gebiet umschlossen find1; die intellectuellen Grenzen bestehen in bloß gedachten Linien, welche aber meist durch äußere Zeichen, wenigstens punktweise, kenntlich gemacht werden, z. B. durch Pfähle, Erdhaufen, G.äben, befestigte Tonnen, Dämme u. dergl. Sie beruhen theils auf ausdrücklichen Verträgen mit den Grenznachbarn, theils auf unvordenklichem unangefochtenen Besitz. Zweifelhafte Grenzen geben Veranlassung zu Grenz-Commissionen und Grenzverträgen2; ist die wahre Grenze nicht mehr zu ermitteln, so muß das zweifelhafte Gebiet entweder getheilt oder in gemeinschaftlichem Besitz behalten werden, oder man erklärt es für neutral bis zur ferneren Entscheidung. Bei Grenzflüssen ist die Mittellinie derselben die eigentliche Grenze, wofern nicht andere Bestimmungen dieserhalb getroffen sind. Verändert der Fluß von selbst seinen Lauf, so bleibt es dennoch bei der bisherigen Grenzlinie in dem alten Flusse. Wegen der Rechte, welche der nun von dem neuen Flußbett ausgeschlossene Nachbarstaat auf die Benutzung des Flusses, namentlich in Betreff der Schifffahrt hatte, werden wegen Veränderung der Umstände nach Beschaffenheit

1 Flüsse sind keine natürlichen Grenzen. Sie sind vielmehr recht eigentlich die inneren Adern eines jeden Landes. Ist ein Flußufer zur Grenze gemacht, so kann schwerlich der Fluß selbst noch zur Hälfte dazu gerechnet werden. Und eben so wenig, wenn ein Fluß ganz einem Lande zugestanden ist, auch noch das jenseitige Ufer. Dennoch ist das Gegentheil behauptet worden. Günther II, 20. 21.

2 Günther II, 176. 184 f. Bielefeld, Institutions politiques. II, 6, § 22. 23.

3 Moser, Vers. V, 25. 354. Günther II, 17. 181. So ist es der Fall mit dem an der Grenze Rheinpreußens und Belgiens gelegenen Grubendistrict Moresnet. S. Archiv für Preuß. Landeskunde Bd. V. Desgl. mit Wolde, ein schon vormals Gräft. Malzansches Gut an der Pommer-Mecklenburgischen Grenze. L. Pernice, commentat. de singulari dynastiae Schaueniae iure. Hal. 1853. p. XXXVII; endlich mit dem Thal Andorra in den Pyrenäen. S. die Zeitschr. das Ausland v. 1868 Nr. 28 S. 471 f.

4 Groot II, 3. 18. Vattel I, 22. 266. v. Martens § 121. Günther II, 20. Schmelzing § 220. Klüber § 133. Zuweilen ist der Thalweg zur Grenze genommen, wie auf dem Rhein und 1809 zwischen Rußland u. Schweden.

derselben neue Regulirungen nöthig'. Von Landseen an den Staatsgrenzen gilt Achnliches, ganz wie nach Civilrecht2. Grenzt ein Staat an das offene Meer, so finden die weiterhin (§ 73) folgenden Grundsätze Anwendung.

Bedeutung des Staatsgebietes.

67. Von Allem, was sich in, unter und auf dem Staatsgebiete befindet oder ereignet, gilt die Vermuthung, daß es auch der dortigen Staatsgewalt unterworfen sei. Quicquid est in territorio, est etiam de territorio. Die Staatsgrenze ist aber auch die Hoheitsgrenze, welche die einzelne Staatsgewalt durch ihre Regierungsacte nicht überschreiten kann und in welche von auswärtigen Gewalten nicht herübergegriffen werden darf (§ 29), sollte sich darin auch Einiges befinden, was zur Zeit noch nie speciell in Besitz ge, nommen war. Was auf der Grenzlinie selbst sich befindet oder begiebt, gehört den zusammengrenzenden Staaten gemeinschaftlich an®. Ausnahmen von der Ausschließlichkeit des Territorialprincips entstehen nur durch die Rechte der Exterritorialität (§ 42) und in Folge von Staatsservituten (§ 43). Dagegen sind selbst herrenlose, aber des Privateigenthums empfängliche Sachen, z. B. frei herumschweifende Thiere, so lange sie sich in einem Territorium befinden, in einem

1 Groot II, 3. 17. Pufendorf IV, 7. 11. Vattel a. a. D. § 270. Günther II, 25. 198.

2 Günther II, 55. 203. Besondere Regulationen finden sich über den Bodensee. S. schon Buder, de dominio maris Suevici. Jen. 1742. Moser, nachb. Staatsr. 440.

3 Die Wahrheit des Satzes ist unleugbar; Streit kann nur in concreto darüber obwalten, ob ein gewisses Territorium bereits ein abgeschlossenes sei. Insofern konnte Thomasius de inutilitate brocardici: Qu. i. t. e. e. e. d. t. schreiben.

4 Auch Erzadern, die in einem Staatsgebiet entdeckt und bebaut werden, dürfen nicht in ein fremdes Staatsgebiet ohne dortige Concession verfolgt werden. 3. B. Steppen, Gletscher u. dergl. Vattel II, 7, 86 f.

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6 Bei Grenzbäumen bestimmt sich nach Chrn. Aug. Menius, diss. de finib. territorii. Lips. 1740. § 20 das Eigenthum des Baumes zu Gunsten desjenigen Landes, auf dessen Seite sich allein eine Grenzmarke vorfindet.

wenngleich nur vorübergehenden Staatseigenthume (dominium transiens), welches wieder aufhört, sobald sie das Staatsgebiet verlassen, und eine Vindication derselben von einem Staate zum andern findet natürlich nicht Statt. Nach Groot gehören sie zum dominium generale der Menschen, oder der einzelnen sich abschließenden Staaten1.

Staatspertinenzien und Colonien.

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68. Auswärtige Zubehörungen eines Staates sind zunächst: auswärtige Berechtigungen der Staatsgewalt, z. B. active Staatsservituten, Grundeigenthum, lehnsherrliche und nutzbare Rechte unter den schon früher angezeigten Rechtsverhältnissen (§ 43 u. 64). Die Pertinenzeigenschaft entsteht von selbst dadurch, daß die Staatsgewalt eines Landes als solche dergleichen Rechte erworben hat. Sodann: die Zubehörungen des Landes selbst, d. h. alle diejenigen Districte, welche, wenn auch außerhalb des hauptsächlichen Gebietszusammenhanges gelegen, ohne eigene Selbständigkeit unter derselben Verfassung und Regierung mit jenem stehen, und daher auch unter derselben Benennung mit begriffen werden; nicht minder die ausdrücklich incorporirten Lande (§ 20 I.). Sonst aber kann ein Land als solches, ohne ausdrückliche Constituirung, keine auswärtigen Zubehörungen haben; es folgt insbesondere nicht, daß, wenn einmal mit der Regierung eines gewissen Landes auswärtige Rechte und Besitzungen in Verbindung gestanden haben, sie auch Pertinenzien des Landes seien und auf jeden Nachfolger in Besitz des letzteren übergehen müssen, wie die französische Reunionspraxis im siebzehnten Jahrhundert durchzusetzen suchte3. Nur was der Staatsgewalt

1 Vgl. z. B. de J. B. ac P. II, 3, a. E. II, 4, 14. Weitläuftig über die Eigenthumsverhältnisse an solchen Gegenständen ist Pufendorf IV, 6, 4 ff. Die Gegenwart wird schwerlich noch solcher Untersuchungen bedürfen. Ob eine zuvor herrenlose Sache bereits in das Privateigenthum übergegangen sei, und welche Rechte dieserhalb Statt finden sollen, bleibt allein der Gesetzgebung der Einzelstaaten oder der vertragsmäßigen Vereinbarung überlassen.

2 Sam. Stryk, de probatione pertinentiar. Fref. Viadr. 1668. Henr. Engelbrecht, de reunione pertinentiarum. Helmst. 1715. Günther II, 178.

3 Auf Grund des Münsterischen Friedens von 1648. XI, 70,

oder dem Staatsoberhaupt als solchem, nicht für sich als Privatperson oder für seine Familie zugestanden hat, wird auf jeden Successor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen Staat übergehen; bei einer nur theilweisen Succession wird es von der Natur und dem Inhalte des Successionstitels abhangen, welche Pertinenzien der noch theilweis fortdauernden bisherigen Staatsgewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden sollen. Im Zweifel würden sie in Gemeinschaft verbleiben müssen1.

Colonien aus einem Lande in einem fremden Lande gestiftet, sind nicht sofort Zubehörungen des Ersteren oder der dortigen Staatsgewalt. Werden sie durch auswandernde Unterthanen nach Aufgebung des Mutterlandes auf einem völlig freien, Niemandes Gewalt untergebenen Gebiete mit eigenen Kräften und Mitteln gegründet, so kann dadurch ein eigener Staat entstehen. Bleiben sie unter der Autorität und dauernden Botmäßigkeit des Heimathstaates, so stellen sie ein Zubehör desselben dar, welches von der heimathlichen Staatsgewalt seine eigene Verfassung erhält und regiert wird. Es kann aber auch eine Colonie unter der Botmäßigkeit eines auswärtigen Staates, wo die Niederlassung erfolgt, entstehen und verbleiben, während zugleich die Colonisten ihr heimathliches Bürgerrecht beibe

1 Die Bestimmungen der Cessionsverträge haben schon oft Zweifel in dieser Beziehung erregt. Vorsichtiger Weise wird man hier jeden zu generellen Ausdruck lieber vermeiden.

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2 Zur Geschichte der Colonisation bei den Alten vgl. Hegewisch, Nachrichten die Colonien der Griechen betr. Altena 1808. Raoul-Rochette, Histoire critique des colonies etc. Par. 1815. auch Heeren, Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der alten Welt. Die Geschichte der neueren Colonisation liegt noch zerstreut in Specialwerken. Notizen und Bemerkungen darüber finden sich in Moser, Beitr. z. neuesten E. Völkerr. V, 398 f. und bei Roscher, über Colonialwesen, in Rau, Zeitschr. d. polit. Deconomie. N. F. VI, 1. Ferner in dessen: Colonien und Colonialpolitik der Auswanderung. Ausg. 2. Leipzig 1856.

3 Dies war meist die Politik der Griechen. Man überließ den Colonien, sich selbständig zu entwickeln. Viele wurden blühend. Paraguay ist ein Beispiel neuerer Art. Vgl. Günther II, 132. Meistens aber hat die neuere Politik die Colonisation als Schazkammer für den Staat ausgebeutet oder monopolistisch ausbeuten lassen und die Hand zu sehr darüber gehalten.

halten und den Schutz des Mutterlandes genießen1. Die nähere Bestimmung des rechtlichen Verhältnisses der Colonien macht besonders in Gegenden, wo noch keine ausgebildete Staatsgewalt organisirt ist, und dritten Staaten gegenüber, manche Schwierigkeit. Der Besitzstand wird hier oft die alleinige Entscheidungsnorm sein.

Erwerbsarten des Staatseigenthumes 3.

69. Völkerrechtliche Erwerbsarten eines neuen Staatseigenthumes können allein solche Handlungen und Begebenheiten sein, wodurch die ausschließliche unmittelbare Verfügung über eine bestimmte Sache, insbesondere über ein gewisses Gebiet, dem Willen einer Staatsgewalt (oder auch verschiedenen Mächten in Gemeinschaft) bleibend unterworfen wird, ohne Verletzung eines schon vorhandenen ausschließlichen Verfügungsrechtes; nämlich

I. vertragsmäßiger Eintritt in das Recht des bisherigen Eigenthümers, er sei auf friedlichem Wege oder durch Krieg herbeigeführt worden. Das Eigenthum tritt hier jedoch erst in volle Geltung auch gegen dritte, sobald die Möglichkeit und der Wille des Erwerbenden vorhanden ist, über die Substanz der Sache unmittelbar und körperlich zu verfügen. Vorher besteht nur ein Eigenthumsanspruch, dessen Realisirung, wenn es sonst an den rechtlichen Bedingungen des Titels nicht fehlt, von Niemand gehindert werden kann, der aber selbst noch nicht dem Eigenthume gleichsteht, da er die Wirkungen eines Zwischenbesißes Dritter nicht auszuschließen vermag*. Nur

1 S. überhaupt Groot II, 9. 10 und dazu Cocceji; Vattel I, 18, § 210. 2 So z. B. bei den Europäischen Colonien an der Westküste von Afrika. 3 E. Ortolan, in Revue de législation. Par. 1849. III, p. 5 suiv. Phillimore I, 140. Calvo § 172 f.

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Es bedarf also allerdings einer Uebergabe oder Ergreifung des leeren Besitzes, wenn sich der neue Eigenthümer nicht schon auf andere Weise im Besitz der Sache befindet. Möglichkeit, über die Substanz einer Sache frei zu verfügen, ist das Wesen des Eigenthumes und sicheres Kennzeichen desselben gegen Jedermann. Außer dem physischen Besize kann sie nur durch gesetzliche Fiction und Staatshilfe erlangt werden. Das internationale Recht gewährt dergleichen nicht. Unter den älteren Publicisten, zum Theil noch jetzt, ist hier Vieles streitig. S. darüber und wegen der Staatenpraxis Günther II, 86, auch Ortolan a. a. D. No. 120 u. 55 (III, 38).

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