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ist nach der Zeit ihrer Entstehung zu beurtheilen; ihre Wirksamkeit aber vielleicht in einzelnen Fällen durch neuere Staatsumwälzungen unmöglich gemacht.

Zweite Abtheilung.

Die Souveräne, ihre persönlichen und Familien-Verhältnisse.

48. Die zweite Kategorie der völkerrechtlichen Personen bilden die Souveräne der Staaten, ihre Familien und unmittelbaren Vertreter. Souverän ist die physische und moralische Person, welche die gesammte Staatsgewalt in ihren verschiedenen Verzweigungen vereiniget, und insofern ein wesentlicher Theil des wirklichen Staates. Auch sein Recht heißt Souveränetät mit einer zweifachen Wirksamkeit, im Inneren und außerhalb des eigenen Staates. Sie ist entweder eine volle, unbeschränkte Souveränetät, wie in der absoluten Monarchie, oder eine verfassungsmäßig beschränkte (constitutionelle), oder auch äußerlich nur eine Halbsouveränetät. In Hinsicht auf den Inhaber ist sie ferner entweder ein solitarische, im Alleinbesitz eines Einzigen befindlich, oder sie ist ein gemeinsames Recht Mehrerer, die zu seiner Ausübung entweder gleichmäßig in Collegialweise, oder in gewissen Ver

Staatssprache dergleichen Erbverträge durch Erbeinungen (uniones hereditariae), einzelne derselben durch Erbverbrüderungen (confraternitates hereditariae), womit die Annahme des Brudernamens, auch wohl die Vereinigung der beiderseitigen Besitzungen zu einem Gesammteigenthum mit eventueller Huldigungspflicht der Unterthanen verbunden war. Man s. Günther II, 106 und Beseler, Vergabungen I, 215 ff.; II, 3, 90. Ueber die noch möglichen Anwartschaften aus solchen Verträgen s. Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung in Deutschland. Leipz. 1836. S. 149. 150. Vgl. auch Wiener Congr. A. 99,

hältnissen concurriren', oder auch wohl jeder es solidarisch auszuüben haben2.

Erwerb der Souveränetät im Allgemeinen.

49. Die Erlangung der Souveränetät ist eine legitime, wenn sie ohne Verlegung eines, bis dahin giltig gewesenen rechtlichen Zustandes und ohne Widerspruch der daran Betheiligten erfolgt ist; sie ist eine illegitime, ufurpirte, wenn sie mit Verlegung früherer Rechte geschah; sie kann aber durch Zustimmung oder gänzliches Erlöschen der früheren Berechtigten eine legitime werden3. Wo und so lange die Erwerbung, im Besonderen die Legitimität derselben bestritten wird, vertritt die Thatsache des Souveränetäts besites auch das Recht dazu, und zwar nicht allein für den eigenen Staat, so weit er jenem Besitz thatsächlich unterworfen ist, sondern auch für auswärtige Staaten, hinsichtlich ihrer Rechtsverhältnisse zu jenem. Auch

1 Verhältnisse dieser Art sind selten. Als Beispiel können dienen: die alten Deutschen Ganerbschaften und noch jezt hin und wieder bestehenden Condominate (f. § 65); die gemeinsame Regierung mancher Deutschen Fürstenhäuser für gewisse Angelegenheiten, z. B. der Mecklenburgischen, so wie Herzoglich-Sächsischen Linien, die jüngere Linie Reuß, in einzelnen Beziehungen auch das Haus Lippe. Man s. Klüber, öffentl. R. des teutschen B. § 81. Heffter, Beitr. zum Staats- und Fürstenr. S. 311. In Republiken sind noch größere Verschränkungen der Organe der Staatsgewalt bemerkbar.

2 Letzteres kann der Fall sein bei der unbedingten Annahme eines Mitregenten (darüber schon J. J. Moser, Staatsr. XXIV, 236), ohne daß der Hauptregent auf fortgesetzte Mitregierung verzichtet; bei einer Consularregierung ohne Vertheilung der Functionen. Hier gilt der Grundsatz der 1. 25. D. ad municip.: Magistratus (plures) cum unum magistratum administrent, etiam unius hominis vicem sustinent." S. auch Hert, de plurib. hominib. personam unam sustinentib. in Comm. et Op. III, p. 61. Bis zur Perfection eines Regierungsactes hat dann jeder Mitberechtigte ein Recht der Interceffion und des Veto.

3 Auf diese einfachen Sätze läßt sich die Frage von der Legitimität oder Illegitimität der Souveräne vor dem Tribunal des Rechtes zurückführen. Vgl. übrigens unten, Buch II. im Kriegsrecht, Tit. 4 über die Usurpationen. Desgl. Zöpfl, Deutsches Staatsrecht § 201 ff. Eine ausführliche Erörterung enthält die Schrift von P. Friedr. Brockhaus, das Legitimitätsprincip. Lpz. 1868,

die illegitime factische Souveränetät sett den bisherigen Staat fort, vertritt ihn und erzeugt ihm Rechte und Verbindlichkeiten für die Zukunft', unbeschadet des Postliminium des legitimen Souveräns. Freilich hat der nicht legitime Souverän gegen fremde Staaten keinen rechtlichen Anspruch auf Anerkennung als legitime Macht und auf die damit verbundenen Befugnisse, oder auf Herstellung und Unterhaltung einer förmlichen völkerrechtlichen Verbindung; andererseits aber kann auch der legitime Souverän bei einer derartigen Wendung der Verhältnisse den übrigen Staaten alle Vortheile eines gegenseitigen Verkehres mit dem Usurpator nicht untersagen.

Unter allen Umständen gebietet Völkerrecht und Politik, so lange der Streit über die Souveränetät in einem Staate dauert, Beobachtung der strengsten Neutralität von Seiten anderer Staaten; in wie fern aber dabei ein Interventions- oder Cooperationsrecht be= gründet sein könne, beurtheilt sich nach den schon zuvor (§ 44 f.) dargelegten Grundsätzen. Ein Entscheidungsrecht steht an sich anderen Staaten nicht zu. Sie selbst können jedoch ihrerseits während des Souveränetätsstreites nach eigenem rechtlichen Ermessen hinsichtlich der mehreren Prätendenten handeln, ohne daß die Begünstigung des Einen vor dem Anderen als Rechtsverletzung zugerechnet werden. mag. Erst mit Eintritt eines bestimmten Besißstandes sind sie that= sächlich bei Verhandlung von Staatsinteressen an den Besitzer ge= wiesen, ohne daß der Gegenprätendent hierin eine Beleidigung finden, oder auch seinem Rechte dadurch präjudicirt werden kann2.

Erwerbungsarten.

50. Die Souveränetät oder Hoheitsgewalt über einen Staat ist keine substanzielle Macht, welche an und für sich einem Gliede

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Denn es ist noch immer derselbe Staat. § 24. Für Großbritannien ist das Princip ausgesprochen in einem Parlamentsact (2 Henry VII), nämlich im Wesentlichen dahin, that he, who is actually King, whether by election or by descent, yet being once King, all acts done by him as King, are lawful and justifiable, as by any King; daher auch Cromwell's Gedanken auf den Königstitel.

2 S. schon oben § 23 und Günther II, 421. Vattel II, 12, 198. Moser, Vers. I, 185 f. Die conforme Praxis des Römischen Stuhles erhellet

der Staatsgemeinde oder dieser selbst in ihrem Ganzen beiwohnt'; sie ist eine Gewalt, deren organische Erscheinung und Bedeutung das Product an Thatsachen und Willensacten ist, wodurch sie der Verfügung Einer oder mehrerer Personen in Gemeinschaft unterworfen wird. Ihre Erwerbung oder Constituirung gehört demnach theils dem inneren organischen Entwickelungsproceß des Staates an, der eben sowohl zu einer Souveränetät des Volkes wie zu einer dynastischen Herrschergewalt führen kann; theils unterliegt sie äußeren 3. B. internationalen Einflüssen und kann sie besonders durch das Recht des Eroberers oder Siegers ganz unabhängig von dem Willen eines besiegten Volkes werden. Eben so ist die Vererblichkeit oder Nicht-Vererblichkeit der Staatsgewalt keine sich von selbst verstehende Sache, sondern abhängig von einem Constitutivgesetz, oder in dessen Ermangelung von dem gemeinsamen Willen, oder, wo auch dieser sich nicht geltend macht, von dem Willen des jeweiligen Machthabers und seinen wie der Seinigen Mitteln, sich dabei zu behaupten. Das Recht der Erbfolge kann demnach, wie in den Europäischen Staaten meist der Fall ist, entweder auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkt sein (successio gentilitia), oder es können auch Dritte dazu berufen sein. Letzteres versteht sich aber gleichfalls so wenig von selbst3, als in dem Begriff der Erblichkeit der Staatsgewalt an sich

aus dem bereits S. 33 Not. 1 angeführten, in den Anlagen abgedruckten Actenftüd.

1 Auch die Souveränetät des Volkes ist, als Thatsache und nicht als bloße Idee aufgefaßt, nur eine Möglichkeit, eben so wie die dynastische Souveränetät.

23. B. nach den Baierischen, Hessischen und Sächsischen VerfassungsUrkunden durch eine Erbverbrüderung (§ 47) und so auch nach einigen anderen Grundgesetzen.

3 Das Gegentheil hat von den deutschen Staaten Maurenbrecher, die Deutschen Fürsten und die Souveränetät. Frtf. 1839. S. 109 und 119 als Regel behauptet, ohne Zweifel gegen das historische Recht. So wurde hinsichts der Krone Frankreichs schon unter dem alten Regime eine von Maurenbrechers Lehre abweichende Ansicht aufgestellt und durchgesetzt, als Ludwig XIV. versucht hatte, seinen legitimirten außerehelichen Descendenten eine eventuelle Succession in die Krone zu verschaffen. Struvii Iurisprud. heroica t. IV. p. 544 sq. Die Erblichkeit einer Krone besteht zunächst nur darin, daß ein gewisses Geschlecht, und nur dieses herrsche.

noch kein Eigenthum, d. h. ein freies Dispositionsrecht über Land und Leute, enthalten ist, wo nicht auch dieses erworben und festge= halten sein sollte'.

Initiirung der Souveränetät.

51. Mit der thatsächlichen Erwerbung der inneren (staatsrechtlichen) Souveränetät tritt auch die Ausübung der internationalen Souveränetätsrechte in Kraft; es bedarf dazu keiner Anerkennung anderer Mächte; es genügt, daß die Erwerbung dem inneren (allgemeinen oder besonderen) Staatsrecht entspricht. Jedoch ist es üblich, wiewohl nur nach politischer Convenienz, anderen Staaten und deren Vertretern Kenntniß von eingetretenen Regierungswechseln zu geben und die Fortdauer eines guten Vernehmens in Erwartung der Gegenseitigkeit zuzusichern?. Bei bestrittenem oder zweifelhaftem Recht, so wie bei neu erworbener, nicht schon angeerbter und versicherter Souveränetät, bewirbt man sich auch wohl um die ausdrückliche Anerkennung anderer Mächte. Diese kann zwar nicht als eine rechtliche Verpflichtung, wohl aber als Bedingung eines internationalen Verkehres in Anspruch genommen werden.

Zweifache Persönlichkeit des Souveräns.

52. Im Allgemeinen läßt sich in der Person eines Souveräns ein zweifacher rechtlicher Charakter unterscheiden, nämlich einerseits die staats- und damit verbundene völkerrechtliche Persönlichkeit, andererseits die privatrechtliche. Jedoch wird lettere allezeit bedingt

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Die älteren Publicisten deuteten die verschiedenen Möglichkeiten hierbei durch die Unterscheidung in regna usufructuaria und patrimonialia an. Groot, de J. B. I, 3, 11 f. Vgl. darüber Klüber, Völkerr. § 31.

2 Günther II, 430. Der Römische Stuhl betrachtete sonst die Abfertigung eigener Obedienzgesandtschaften von Seiten katholischer Regenten nach übernommener Regierung als Schuldigkeit. S. ebendas. Note e. Buder, de legationibus obedientiae. Jen. 1737. Ob noch jetzt? steht dahin.

3 Günther II, 432.

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