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Jahre langer Qual im Stande sind, die Arabischen Texte dem Wortlaut nach zu lesen, ohne das geringste Verständniss vom Gelesenen zu haben. Die Gebete müssen sie so lange lesen, bis sie sie vollständig auswendig können. Dann erst giebt man den Kindern Tatarische Schriften, Erläuterungen von Glaubenssätzen und heilige Legenden. Schreiben lernt nur der kleinste Theil und man muss dafür den Lehrer besonders bezahlen. So kommt es auch, dass, während 30 bis 40 Prozent der Tataren-Bevölkerung zu lesen verstehen, kaum 10 Prozent schreiben können. Priester und Lehrer werden von den geistlichen Abgaben der Muhammedaner erhalten.

In der Stadt Kuldscha sind sehr viele Imame und Mulla, die zum grössten Theil, wie auch die Geistlichen und Lehrer bei den Landbewohnern, Eingeborne der Stadt selbst sind und dort auch ihre Ausbildung genossen haben. Öffentliche Schulen giebt es hier durchaus nicht, sondern die Mulla geben in ihren Häusern Privatunterricht, an dem sich eine grössere oder kleinere Zahl von Kindern betheiligt. An diesem Unterrichte nehmen Knaben und Mädchen von verschiedenem Alter Theil. Auch hier dauert der Unterricht fast den ganzen Tag über. Der Mulla erhält für den Unterricht von jedem Schüler eine monatliche Bezahlung, die nach dem Ansehen des Lehrers eine sehr verschiedene ist. Im Allgemeinen zahlt man für den niederen Unterricht einen Sar Kupfer (80 bis 90 Kopeken) monatlich. Reiche Leute halten für ihre Kinder eigene Lehrer.

Ausser den Imamen in den kleinen Moscheen Kuldscha's giebt es noch ein Kollegium von Oberpriestern (Achun), die das oberste Gericht in geistlichen Angelegenheiten bilden und höhere Lehrer und Priester ausbilden. Diese Achun haben ihre Ausbildung meist in Kaschgar oder Buchara empfangen und sind meistentheils des Persischen und Arabischen vollständig mächtig. Das Kollegium der Achun, der eigentlichen Schriftgelehrten des Landes, ist der Bureaukratie durchaus nicht untergeordnet; sie haben zwar keine Unterstützung von der Regierung, aber das religiöse Bewusstsein des ganzen Stammes giebt ihnen eine solche Macht, dass sowohl die Chinesen wie auch die Tatarischen Beamten auf ihre Stimme hören, da sie leicht im Stande sind, das ganze Volk in Aufruhr zu bringen. Als Beispiel ihres Einflusses möge folgende Begebenheit dienen :

Der Hekim Halisat, der zur Zeit der Anlegung des Tokus Tara-Kanals die Verwaltung der Tataren in Händen hatte, war durch jene für die Chinesen so vortheilhafte Anlage von neuen Äckern bei den Beamten der Provinz in hoher Achtung und hatte den Generalsrang als Belohnung erhalten. Übermüthig geworden durch die Gunst des Dsau dsün bedrückte er auf jede Weise seine Stammesgenossen. Er kleidete sich Chinesisch und sagte sich von allen mu

hammedanischen Vorschriften los. Die Achun, die ihn darüber zur Rede stellen wollten, liess er mehrmals abweisen. Da schickten diese eine Deputation zum Gouverneur und forderten die Bestrafung des Schuldigen. Der Gouverneur nahm trotzdem, dass er das Betragen Halisat's billigte, die Achun freundlich auf und liess ein Gericht von fünf hohen Tatarischen Beamten einsetzen, die diese Angelegenheit untersuchen sollten. Als Halisat von diesen für strafbar befunden war, überliess der Dsau dsün den Priestern die Bestimmung der Strafe. Diese behaupteten zwar, dass er nach dem geistlichen Gesetz die Strafe der Steinigung verdient habe, baten aber selbst um Milderung. Hierauf wurde Halisat aller seiner Würden beraubt und nach Turfan verbannt. Dergleichen Vorgänge zeigen aufs Deutlichste die Macht der Achun.

In Erfüllung der äusseren Vorschriften des Koran sind die Tarantschi besonders streng, die Gebete und Fasten werden mit der grössten Pünktlichkeit gehalten und nur reine Speise (halal asch) wird von ihnen genossen. Besonders verachtet ist bei ihnen das Schweinefleisch, die Lieblingsspeise der Chinesen. Wie weit so schroffe Gegensätze führen, beweist die Antwort, die mir ein Tarantschi auf die Frage, was die unreinste Speise sei, gab. „Es giebt", sagte er,,,sieben unreine Speisen (haram asch): Schweinefleisch und andere. durch den Koran verbotene Thierspeise, geraubte Speise, Waisen entwendete Speise, aus anvertrautem Gut entwendete Speise, durch Prostitution der eigenen Frau erworbene Speise, gestohlene Speise, durch Betrügerei erworbene Speise, aber alle sechs zuletzt genannten Speisen kommen der ersten an Strafbarkeit nicht gleich. Wer Schweinefleisch genossen hat, hat die grösste aller Sünden begangen."

Dem Islam allein haben es die Ili-Tataren zu danken, dass sie so wenig dem Einflusse der Chinesen und der übrigen Umwohner erlegen sind, während der Einfluss der herrschenden Race bei den Kalmücken und Dauriern sich viel deutlicher zeigt. Die ganze Masse der Tataren steht nach einem Jahrhundert den Chinesen so fremd gegenüber als beim Anfange der Übersiedelung und nur ganz vereinzelte Individuen, die in Chinesischen Städten oder Dörfern leben, haben sich diesen angeschlossen.

Die Ansiedelungen der Ackerbauer bilden kleine Dörfer von 10 bis 30 Gehöften, die gewöhnlich ohne Ordnung neben einander liegen; von regelmässig angelegten Strassen soll nirgends die Rede sein. Die Häuser der Tarantschi sind alle aus Lehmsteinen gebaut, sie haben flache Dächer, sind meist im Rechteck angelegt und von geringer Höhe. Das ganze Haus besteht meist aus zwei Theilen, dem Vorhaus und dem Wohnhause. Das Vorhaus nimmt die Hälfte des Gebäudes ein und dient im Sommer zum Aufenthaltsort der Familie. Von diesem führt eine Thür zur Küche,

neben welcher die Vorrathskammer liegt, und eine andere zum Wohnzimmer. Im Wohnzimmer steht gewöhnlich ein niederer runder Esstisch und an den Wänden Kasten mit Kleidungsstücken und allerlei beweglicher Habe. Der Fussboden ist mit Teppichen oder Filzdecken bedeckt. In der Küche ist links von der Eingangsthür die Feuerstätte, bei der die Wand mit Lehm ausgeschlagen ist, über derselben befindet sich anstatt des Rauchfanges eine Öffnung in der Decke.

Rings um das Wohnhaus liegen die Wirthschaftsgebäude und die Ställe für das Vieh.

Die Ackerbauer haben fast ohne Ausnahme nur Eine Frau, obgleich der Koran deren mehrere gestattet, eben so ist in der Stadt Kuldscha die Vielweiberei ziemlich selten und nur wenige reiche Leute haben zwei Frauen; nur von einem einzigen Tataren habe ich gehört, der vier Weiber hat. Auf den Frauen liegt die Besorgung des ganzen Hauswesens, eben so die Sorge für Rinder und Schafe; für die Pferde sorgen die Männer. Bei der Bearbeitung der Felder zur Saat- und Erntezeit müssen auch die Frauen mit helfen. Die Nahrung der Landbewohner ist sehr einfach, sie besteht aus Ziegelthee, Hammelfleisch, Gersten- und Roggenmehl, das theils in Brühe gekocht, theils zu Brod gebacken wird, Grütze, Reis und Hirse. Von Früchten ziehen sie Äpfel, Schaptala, Pfirsiche, Aprikosen, Melonen, Wasser

melonen und Gurken.

ren.

Die Kleidung ist im Ganzen dieselbe wie bei allen Tata

Die Männer haben ein vorn offenes Hemd mit einem Shawlkragen, das aus weisser selbstgewebter Leinwand genäht ist, weite Hosen von demselben Zeuge, die in den Stiefeln getragen werden, bis zur Wade reichende weiche Tataren-Stiefel mit Galoschen. Über dem Hemd tragen sie gewöhnlich im Sommer einen Rock aus grobem Chinesischen Stoffe von derselben Form wie das Hemd. Im Winter tragen sie mehrere dergleichen Röcke über einander, von denen der oberste wattirt ist, oder auch einen weiten Schafoder Ziegenpelz. An Feiertagen haben die Vornehmeren Röcke von Durja (Kokandischer Halbseide). Die Frauen unterscheiden sich in der Kleidung nur dadurch von den Männern, dass sie längere Hemden und Röcke tragen und die Hemden vorn nicht offen sind. Die Mädchen tragen Zöpfe, die Frauen Kopftücher, Frauen und Mädchen gehen mit unbedecktem Gesichte. Die Festtagskleidung der Frauen ist aus Kimchat, einem mit Metallfäden durchwirkten Bucharischen Stoffe.

Wie bei allen Muhammedanern nehmen auch hier die Frauen ihren Männern gegenüber eine sehr untergeordnete. Stellung ein, diess bringt ja schon der Ausschluss aus der Moschee zum Theil mit sich. Die Frauen werden meist sehr roh behandelt. Kalym oder Kaufgeld wird für die

Frau dem Schwiegervater nicht entrichtet, sondern es wird nur von den Vertretern beider Theile ein Schätzgeld vereinbart, das der Mann dem Vater der Frau entrichten muss, falls er diese wieder zurückschicken wollte.

Gutmüthigkeit, Treuherzigkeit und Arbeitsamkeit sind die Hauptzüge des Charakters der Tarantschi und diese sind schon auf den Gesichtern der meisten ausgeprägt. Aber die lange Unterdrückung und die furchtbare Noth haben ihrer ganzen Erscheinung Gedrücktheit, Scheu und Misstrauen verliehen. Aber keineswegs ist ihre Kraft gebrochen, im Inneren glüht die Flamme des Hasses gegen ihre Unterdrücker. Was die innere Kraft dieses Völkchens aufrecht erhalten, sind schwere Arbeit, körperliche Anstrengungen und Entbehrungen, durch die sie ihr Leben fristen mussten, und in der That ist ihr Fleiss und ihre Ausdauer bewunderungswürdig. Der Ackerbau, ihr Haupternährungsmittel, kostet hier doppelte Anstrengung als bei uns, denn sie müssen nicht nur den Acker mit ihren höchst unpraktischen Werkzeugen bearbeiten, sie müssen ausserdem alljährlich jedes Ackerfeld mit 2 bis 3 Fuss tiefen Gräben durchfurchen und die Verbindung dieser Gräben mit dem Hauptkanale oder dem Flusse herstellen. Diese Arbeit muss alljährlich geschehen, da das Wasser die in fettem Lehmboden befindlichen Gräben zerstört. Bei der jedesmaligen Unterwassersetzung der Äcker müssen die kleineren Kanäle ausserdem gereinigt und ausgebessert werden.

Da der Preis des Getreides im Ili-Thal so ausserordentlich niedrig ist, lohnt der Ertrag des Bodens kaum die mühevolle Arbeit. So sind denn die Ackerbauer gezwungen, ihre Söhne zum Theil in die verschiedenen Städte zu schicken, um dort durch ihrer Hände Arbeit die Abgaben zu erschwingen. Daher kommt es, dass in allen Städten des Ili-Thales sich Tatarische Handwerker und Arbeiter in grosser Zahl vorfinden. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit denjenigen Handwerken und Arbeiten, die körperliche Kraft erfordern, da diese Arbeiten ihnen gern von den schwächlichen, entnervten Chinesen überlassen werden. So sind sie Schmiede, Tischler, Zimmerleute, Lastträger, Fuhrleute u. s. w. Mit dem Handel beschäftigen sich die Ackerbauer sehr wenig, dieser liegt fast ausschliesslich in den Händen der Eingebornen der Stadt Kuldscha und der aus dem Alty schähär übergesiedelten Tataren.

Die Sprache der Tarantschi ist, wie unter obwaltenden Verhältnissen natürlich, vielfach mit fremden Elementen versetzt. Die Religion und die Nähe Buchara's brachte ihnen Persische und Arabische Wörter in grosser Anzahl und die umwohnenden Kalmücken, Chinesen und Daurier übten auf ihren Sprachschatz einen ziemlich bedeutenden Einfluss. Diese Eindringlinge haben zwar diesem Dialekt eine ganz eigenthümliche Färbung gegeben, aber dennoch

ist er viel spezifisch Türkischer als jedes in Konstantinopel gedruckte Türkische Buch. In meinen Sprachsammlungen habe ich den Ili-Dialekt den Uigurischen genannt, da er ziemlich mit dem Dialekt des Alty schähär übereinstimmt und ich alle diese Tataren für Nachkommen der alten Uiguren halte. Die Chinesen nennen die eben erwähnten Tataren Chui-sa zum Unterschiede von den übrigen Tataren HochAsiens, die sie Schan-tu (Turbane) nennen. Die muhammedanischen Chinesen West-China's, die hier in Kuldscha Dungan genannt werden, nennen die Chinesen Chui-Chui, bezeichnen sie also dadurch als Chinesisch gewordene Uiguren und als Stammgenossen der Chui-sa. Dass aber die Uiguren beide Chinesische Benennungen schon seit vielen Jahrhunderten führen, beweist die von Klaproth angeführte Stelle aus Sü-chung-kian-lu 1): „Der ursprüngliche Name der Chuichu war Chui-sche bis in die Mitte der Jahre Juan cho unter der Dynastie Thang (also zwischen 806 bis 820), da man anfing, sie Chui-chu zu nennen. Gewöhnlich spricht man diesen Namen Chui-chui aus. Zur Zeit der Mongolen in China hiessen sie Ui-gu-öl" (Uiguren).

Der eigentliche Ili-Dialekt des Uigurischen wird in der Stadt Kuldscha gesprochen, wo eine Verschmelzung der verschiedenen Elemente Statt fand; in den Ansiedelungen der Ackerbauer haben sich, da sie gewöhnlich aus einem Orte des Alty schähär übergesiedelt wurden, die ursprünglichen. Dialekte erhalten, so dass einige Orte Kaschgarisch, andere Turfanisch u. s. w. sprechen.

Die Uigurischen Dialekte zähle ich zur Dsungarischen Gruppe der Turk-Dialekte 2), zu der ich noch die Dialekte der Kirgisen und der Kara-Kirgisen rechne.

Dass die Noth und die Zwangherrschaft die Tarantschi nicht ganz herabgedrückt und jeglicher geistigen Kraft beraubt haben, dafür spricht eine frische, kräftige Volkspoesie, die in Liedern und Erzählungen im Volke fortlebt. Als eine Probe derselben möge hier ein kleines Lied folgen, mit

1) Klaproth, Beleuchtung der Widerlegung der Forschungen von J. J. Schmidt, Paris 1824, S. 42.

2) Siehe,,Mélange Russe de l'Académie impériale de St.-Pétersbourg", Tome IV, 6. September 1864.

dem ich meine Nachrichten über die Tarantschi hiermit schliesse. Dieses Lied wurde mir von einem TarantschiSänger diktirt. Die fast wörtliche Übersetzung lautet:

Schwarze Biber Deine Brauen!

Soll am Abend, soll am Tag ich kommen? Komm' ich Nachts, so schweigen Alle, Komm' am Tag ich, giebt's Verleumdung.

Mädchen, Du liegst mir am Herzen, Hast mein Herz entzündet, Mädchen, Deine Brauen lieb' ich, Mädchen, Auch Dein Haar, Suleiman-Mädchen.

Weizen säete ich im Garten,

Bis zum Gürtel reicht der Weizen. Als wir uns kaum kennen lernten, Trennte Gott der Herr uns wieder.

Schilf mit Schilf zusammendrehend Macht man Bänder für den Weizen. Wer sich kürzlich erst verliebt, Gleicht dem wahnsinnkranken Manne.

Kommt der schwarze Sturm geflogen,
Bringt Verderben er den Blumen,
Zweige wirft er gegen Zweige
Und vernichtet alle Blumen.

Ach, ein Leben ohne Liebchen,
Wär's auch tausend Jahr', kein Tag ist's!
Stärker als der Hölle Flammen
Brennt die Liebesgluth im Herzen.

Kommt auch heute noch der Böse, Morgen schon vergisst er's Liebchen. Nie jedoch vergisst der Gute Liebehen, das er früher küsste.

Freundlich spielen dunkle Brauen,
Bis zum Gürtel reicht das Haar Dir;
Geh' nicht aus des Hauses Thüre,
Die Dich lieben, reiz'st zum Kampf Du.

Liebchens Seele gleicht dem Falken, Mich macht sie zur Gans, zur Beute, Macht zur Lockspeis' meine Wimper, Meine Brust zur Locketrommel.

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Ost-Jordan-Land unternommenen Expedition gemacht habe, publicirt. Die während dieser Reise gemachten Höhenbestimmungen sollten in ähnlicher Weise jenen bald nachfolgen, allein der vielen Zahlen wegen, welche die Aufnahme des Beobachtungs-Materials verursacht hätte, gelang es mir bisher nicht, ihre Publikation in einer Zeitschrift zu bewirken, und ich habe mich deshalb entschliessen müssen, das Beobachtungs-Material, welches ich in der Absicht, ein genaues Urtheil über den Werth dieser Bestimmungen zu ermöglichen, mit publiciren wollte, ganz fortzulassen und mich nur auf die Angabe der Resultate zu beschränken.

Das Barometer, mit welchem ich die Beobachtungen machte, war ein Heberbarometer mit Hebelverschluss (von J. G. Greiner in Berlin), im Übrigen ganz eben so konstruirt wie die zum Beobachten auf den Preussischen Meteorologischen Stationen benutzten Barometer. Dieses Barometer, das einzige, welches mir zur Verfügung stand, habe ich trotz der unendlichen Schwierigkeiten, die mit dem Transport eines solchen sensiblen Instruments in jenen Gegenden verbunden sind, trotz der vielfachen Gefahren, die ihm beim Gebrauch von Seiten der Beduinen drohten, ganz unversehrt wieder nach Berlin zurückgebracht. Die Vergleichung desselben mit dem Normalbarometer des Herrn Geh.-Raths Dove nach meiner Ankunft in Berlin ergab, dass seine Korrektion Null war, dass dasselbe sich also während des Gebrauchs durchaus nicht verändert hatte 1). Somit war also der ersten Hauptanforderung, die man an Beobachtungen überhaupt stellen muss, nämlich die eines guten Instruments, vollständig entsprochen. Aber der zweiten Hauptbedingung, die barometrische Höhenmessungen erfüllen müssen, um genaue Resultate zu liefern, nämlich das Vorhandensein zweckmässiger, möglichst nahe gelegener korrespondirender Stationen, konnte nicht vollständig Genüge geleistet werden. Allerdings fand sich in Damaskus der Österreichische Konsul, Herr Pfäffinger, welcher so glücklich war, ein Barometer zu besitzen, durch meine Bitte dazu bewogen, bereit, während unserer Abwesenheit von Damaskus zwei Mal des Tages, Morgens um 8 Uhr und Nachmittags um 4 Uhr, den Barometerstand zu notiren, aber die Zahl der täglichen Beobachtungen war zu gering und eine willkürliche Interpolation für dazwischen liegende Zeiten hielt ich um SO weniger für rathsam, als sich bei nachheriger Berechnung mitunter auffallende Differenzen mit den nach anderen Stationen berechneten Höhen zeigten. Die stündlichen Beobachtungen auf der Athener Sternwarte während der fünf Monate März bis Juli 1860, welche ich von dem Direktor derselben, Herrn Dr. Schmidt, erhielt, würden die einzigen

1) Es wird seitdem zum Beobachten auf der Meteorologischen Station in Tilsit benutzt.

gewesen sein, auf die ich hätte alle meine Berechnungen basiren müssen, wenn ich nicht glücklicher Weise Kenntniss von einem meteorologischen Journal erhalten hätte, welches auf dem vom 25. Mai bis 20. Juli 1860 an der Syrischen Küste stationirten Englischen Kriegsschiffe,,Firefly" geführt wurde. Die Berechnungen meiner Beobachtungen nach diesen so wie nach den zu Kairo gemachten Beobachtungen, welche ich zuletzt erhielt, lieferten übereinstimmende Resultate. Ich will noch bemerken, dass auf dem Schiffe,,Firefly" der Barometerstand so wie die Temperatur von Morgens 4 Uhr bis Abends 8 Uhr alle vier Stunden notirt wurden, während in Kairo die Beobachtungszeiten 7 Uhr Morgens, 2 Uhr Nachmittags und 9 Uhr Abends waren. Bei der Berechnung wurde nun den Beobachtungen zu Athen und Damaskus eine untergeordnete Bedeutung beigelegt und nur wenn keine passende Beobachtung der anderen Stationen vorhanden war, wurden erstere als korrespondirende genommen; zeigte sich aber bei der Vergleichung der barometrischen Kurve von Athen zu einer bestimmten Zeit mit den Kurven der anderen Stationen ein auffallender anomaler Gang der ersteren, so wurde die Beobachtung zu Athen gänzlich verworfen und durch Interpolation aus den zu Kairo oder auf dem Schiffe,,Firefly" gemachten Beobachtungen die korrespondirende erhalten. Sehr oft auch, wenn nämlich die Beobachtungszeiten nicht sehr weit aus einander lagen, verwendete ich meine eigenen Beobachtungen als korrespondirende, indem ich hierbei das Verfahren der Interpolation anwandte. Durch Vergleichung der so gewonnenen Resultate mit den nach Kairo und nach der Schiffsstation berechneten überzeugte ich mich von der Brauchbarkeit der an diesen Orten gemachten Beobachtungen zu korrespondirenden. Hiernach wird es einigermaassen möglich sein, sich ein Urtheil über den Werth der in Folgendem mitgetheilten Höhen zu bilden. Allerdings sind die Resultate barometrischer Höhenbestimmungen, selbst solcher, welche alle Bedingungen erfüllen, welche man an gute Messungen stellen muss, was Genauigkeit anbelangt, nicht mit denen trigonometrischer oder aerostatischer Nivellements zu vergleichen, aber so lange dieselben nicht durch diese ersetzt sind und diess ist bei den von mir mitgetheilten Bestimmungen nicht der Fall -, behalten sie ihren Werth, den nämlich, ein ziemlich zuverlässiges Bild der Höhenunterschiede zu liefern. Jedenfalls haben von den barometrischen Höhenbestimmungen die mit einem QuecksilberInstrument gemachten vor den mit einem Aneroid-Barometer erhaltenen den entschiedenen Vorzug; letzteres ist zwar als Reise-Instrument sehr bequem, seine Angaben können aber, wenn es nicht von einem Quecksilber-Barometer kontrolirt wird, leicht zu grossen Irrthümern führen. Ich will noch bemerken, dass ich bei Veranschlagung des Werthes meiner

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Höhenangaben den Umstand, dass die Beobachtungen selbst mit so vielen Schwierigkeiten und mannigfachen Gefahren verknüpft gewesen sind, ganz unberücksichtigt gelassen habe. - Von den 500 Barometer-Beobachtungen, welche ich während meiner Anwesenheit in Syrien vom 10. März bis 20. Juli überhaupt gemacht habe, kommen 235 auf Damaskus, die anderen vertheilen sich auf 140 verschiedene, auf unserer Reise (vom 19. April bis 26. Juni 1860) ins OstJordan - Land berührte Punkte, deren Höhen fast sämmtlich hier zum ersten Mal mitgetheilt werden. Ausser Barometer beobachtete ich gleichzeitig stets die Temperatur so wie den Feuchtigkeitsgehalt der Luft, zu welchem Zweck ich zwei in halbe Réaumur'sche und in Fahrenheit'sche Grade getheilte Thermometer (J. G. Greiner) besass. Aus der Differenz des trockenen und feuchten Thermometers wurde der jedesmalige Dunstdruck so wie die relative Feuchtigkeit der Luft nach den August'schen Psychrometer - Tafeln berechnet. In Damaskus war die Terrasse des Preussischen Konsulats der Beobachtungsort, auf der Reise wurde stets dafür gesorgt, dass die Instrumente im Schatten beobachtet wurden, was allerdings in einigen Fällen nicht geringe Mühe kostete. Was nun speziell die Berechnung der Beobachtungen anbetrifft, so geschah dieselbe nach der in den Astronomischen Nachrichten von Dippe de 1856 angegebenen modificirten Gauss'schen Formel:

h = 9407,78 (1+) (1+ a cos 24) (1 + 1)

b

400

X [1g21g (1) Toisen, in welcher

b'

t und t' der Temperatur der Luft in R. an der oberen und unteren

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lg ulgh+a+c+c' und lg hlg ua ±c— c'. Für a, e und c' existiren nun 3 Tafeln. Die erste mit dem Argument t+t' liefert a, die zweite die Werthe von e mit dem Argument, die dritte die Werthe für c' mit dem Argument h (in Toisen ausgedrückt); ist A das arithmetische Kompliment zu a und fügt man jedem der Werthe, welche die Tabelle für A enthält, den Logarithmus von b hinzu (1 Toise 6 Par. Fuss), setzt man für e und e' die Absolutwerthe, so erhält man h in Par. Fuss ausgedrückt: lg hlg u+A+c+c'.

c

Hiernach sind nun die relativen Höhen der verschiedenen Stationen tabellarisch berechnet. Der Einfluss der Feuchtigkeit auf die Höhen wurde nur bei Differenzen über 2000 Fuss als Korrektion an die erhaltene relative Höhe angebracht. Im Allgemeinen sind die Korrektionen sehr gering, da der Prozentgehalt der Luft an Wasserdampf in jenen Gegenden ein sehr geringer ist. Eine andere sehr wichtige Korrektion, die der relativen Höhe hinzugefügt werden musste, ist die, welche sich aus dem Einfluss der Tageszeit auf die barometrischen Höhenbestimmungen ergiebt. Es zeigte sich nämlich bei der Berechnung der Höhe von Damaskus nach den Beobachtungen von Kairo sowohl als auch bei der nach Athen berechneten, dass die Mittags gemachten Beobachtungen bedeutend grössere Resultate ergaben als die Morgens und Abends gemachten. Dieser Einfluss der Tageszeit ist jedenfalls mit ein Grund der so verschiedenen Angaben, die über die Höhe eines Ortes oft gemacht werden. Dass derselbe nicht unbedeutend ist, ist von verschiedenen Beobachtern festgestellt worden. Nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Moritz 1) über die Seehöhe der am Kaukasus gelegenen Poststation Kasbeck (14 Meilen nördlich von Tiflis) beträgt der Unterschied der nach Beobachtungen von Morgens 7 Uhr und Nachmittags 2 Uhr nach Tiflis berechneten relativen Höhe von Kasbeck 150 Russische Fuss (= 141 Par. Fuss) und der Unterschied der Beobachtungen zwischen 2 Uhr Nachmittags und 9 Uhr Abends 130 Russ. F. (= 122 Par. F.). Für Damaskus nach Kairo berechnet, sind diese Unterschiede im Mittel resp. 70 und 30 Par. F., für die nach Athen berechnete Höhe sind die Unterschiede grösser. Diese Schwankungen der Höhen, welche nach Formeln berechnet werden, die auf den Gauss'schen beruhen, sind vorzugsweise von den Schwankungen der Lufttemperatur abhängig. Denkt man sich nämlich zwei über einander liegende Punkte, deren barometrische Kurven gleich sind, für welche also die barometrische Differenz oder der Werth u der Formel u = lg b-lg b' dieselben Werthe behält, so wird, da das Argument t+t' in der täglichen Periode verschiedene Werthe annimmt, auch das Endresultat, die relative Höhe beider Punkte, variiren müssen, und da die aus der Tabelle für t+t' entnommenen Werthe sich nahezu mit diesen proportional ändern (und als Faktor in der Formel auftreten), so wird die Kurve der täglichen Veränderung der Höhe übereinstimmen mit der mittleren Temperaturkurve beider Orte. Die Grösse der täglichen Veränderung wächst hiernach mit der barometrischen Differenz oder relativen Höhe. Behält nun u nicht immer denselben Werth, wie diess bei grossen Höhen der Fall ist, wo die Kurve des oberen Punktes bedeutend flacher ist als

1) Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde, Bd. 19, SS. 129 ff.

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