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Reisekarten des Thüringer Waldes.

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Von C. Vogel.

(Mit zwei Kärtchen, siehe Tafel 4.)

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Generalkarte in 4Sectionen, Maasstab 1:150.000. 5 Spezialkarten, Maasstab 1: 60.000.

1. C. Vogel's Topographische Karte vom Thüringer Wald und seinen Vorlanden, Mst. 1:150.000.

Vorstehendes Übersichtskärtchen soll die Ausdehnung dieser in 4 Sektionen erschienenen Karte veranschaulichen. Dieselbe ist, zusammengesetzt, von Rand zu Rand 1,4 Rheinische Dezimalfuss hoch und 1,7 Fuss breit, hat also, vorzugsweise für den Touristen bestimmt, daher auch auf Leinwand gezogen und elegant gebunden, ein durchaus handliches Format. Als Begleitwort wurde ein unter dem Titel ,,Zur Geschichte der Kartographie des Thüringer Waldgebirges u. s. w." erschienenes Heftchen, 8 Seiten Text in gr. 80, ausgegeben, welches namentlich auch Rechenschaft über die Ausführung der Karte giebt und die Quellen. nachweist, auf welchen sie beruht. Es sei mir gestattet, aus demselben einiges hierher Gehörige zu entnehmen und Anderes damit in Verbindung zu bringen, was während der fast sechsjährigen Bearbeitung der in Rede stehenden Karte neu hinzugekommen ist.

Bekanntlich hat der Königl. Preussische Generalstab in den Jahren 1853 bis 1857 die Thüringischen Staaten im Mst. von 1: 25.000 der natürlichen Länge aufgenommen. Eben so hat im Jahre 1852 der Kur-Hessische Generalstab die Aufnahme der circa 5 Quadrat-Meilen grossen Herrschaft Schmalkalden in eben demselben Maassstabe bewerkstelligt. Während nun die letztgenannte Vermessung im Maassstab der Aufnahme veröffentlicht wurde, ist diess nicht der Fall Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft III.

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gewesen mit der Königl. Preussischen Aufnahme und es musste daher für eine gewissenhafte Bearbeitung einer topographischen Karte des Thüringer Waldes zunächst festgestellt werden, ob mir diese Blätter als die allein richtige Grundlage zur Benutzung überlassen werden möchten, da ich andernfalls die Karte gar nicht in Angriff genommen haben würde. Als Resultat dieser Bemühungen kann konstatirt werden, dass es mir vergönnt gewesen ist, die Kopien der betreffenden Königl. Preussischen AufnahmeSektionen über den schönsten und besuchtesten Theil des Thüringer Waldes benutzen zu dürfen, so dass ich mit Hinzurechnung der Kurfürstlich Hessischen Aufnahme circa 50 Quadrat-Meilen direkt nach der Original - Aufnahme bearbeiten konnte "). Keine andere Karte als die hier besprochene mag diess auch ausdrücklich gesagt sein ist bisher nach diesen Originalen bearbeitet, selbstverständlich die offiziellen Preussischen und Hessischen Karten kleineren Maassstabes ausgenommen. Indessen selbst diese Quellen waren bei weitem nicht ausreichend zur Bearbeitung meiner Karte und ich sah mich genöthigt, neben den umfassendsten eigenen Vorarbeiten die ausgiebigste und, wie ich gleich hier bemerken will, mir überall auf die bereitwilligste Weise gewährte Unterstützung von Behörden und Privaten in Anspruch zu nehmen. Nachstehende Zeilen mögen diess näher begründen.

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Als bereits die Königl. Preussische Aufnahme in Thüringen sich ihrem Abschluss nahte, trat in mehreren Staaten daselbst ein Gesetz in Kraft, wonach das sogenannte Separationsverfahren, d. h. die Zusammenlegung der Grundstücke in den einzelnen Fluren, vorgenommen werden sollte, und unmittelbar nach erfolgter Aufnahme wurde schon zur Ausführung desselben geschritten, so dass heute, im Frühjahr 1866, verhältnissmässig nur noch wenig zu thun übrig bleibt. Welche Veränderungen aber dadurch in der Topographie der betroffenen Bezirke herbeigeführt worden sind, davon kann sich nur derjenige einen rechten Begriff machen, der selbst Gelegenheit hatte, einen solchen vor und nach dem Verfahren zu sehen. Nicht allein, dass vielfach die Kulturen wechseln Wald, Wiese, Heide, Ackerland

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1) In dem Begleitwort ,,Zur Geschichte der Kartographie des Thüringer Waldgebirges u. s. w." sind nur 35 Quadrat-Meilen genannt, ich konnte aber später noch viele Sektionen benutzen, deren ich dringend bedurfte und die mir früher nicht zugänglich waren.

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dass oft Bäche in ganz andere Richtung geleitet werden u. s. w., ist es vornehmlich das Wegenetz, welches total anders wird. Nur die Chausseen bleiben unangetastet, doch sind mir auch Fälle bekannt, wo selbst diese stellenweis verlegt wurden. Allen diesen Veränderungen war ich genöthigt Rechnung zu tragen und führe zum Beweise dessen an, dass z. B. im Grossherzogthum S.-Weimar-Eisenach die Fluren Alperstedt, Burckhardterode, Eckstedt, Ehringsdorf, Ettersburg, Haimbach, Heichelheim, Hottelstedt, Gross- und KleinMölsen, Gross- und Klein-Obringen, Madelungen, Marksuhl, Ollendorf, Schloss Vippach, Schöndorf, Schwerborn, Stotternheim, Tröbsdorf, Udestedt, Ulla, Wünschensuhl und im Herzogthum Sachsen-Gotha die Fluren Apfelstedt, Bienstedt, Boilstedt, Brüheim, Burgtonna, Dietendorf, Eberstedt, ! Friedrichswerth, Gierstedt, Gräfentonna, Grossen-Behringen, Grossfahner, Grossrettbach, Günthersleben, Haina, Hausen, Ichtershausen, Ingersleben, Kleinfahner, Mittelhausen, Molsdorf, Obermehler, Reichenbach, Sonneborn, Sundhausen, Töpfleben, Tüngeda, Wangenheim, Warza, Wechmar, Wenigenschallenburg und Wolfsbehringen in ihrer veränderten Gestalt Aufnahme in meine Karte gefunden haben, so dass also ein Gesammtkomplex von über 14 Quadrat-Meilen in neuer, vollständig veränderter Weise hier zum ersten Mal zur Darstellung kommt.

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Ich gehe zu einem anderen Punkte über. Die Herzogl. Sachsen-Gothaische Regierung, welche von je her in Wegebauten mehr als Gewöhnliches leistete, hat vor etwa 12 Jahren einen Plan ausgearbeitet, wonach über den ganzen ihr angehörigen Theil des Thüringer Waldes, also etwa von Ilmenau an am Schneekopf, Oberhof und Inselsberg vorbei bis nach Ruhla, ein Chausseenetz gelegt werden sollte, das jetzt fertig das Staunen aller den Wald Besuchenden erregt wegen der ausserordentlichen Annehmlichkeiten, welche es bietet, und es wurde bereits daran gearbeitet, während die topographische Aufnahme des Königl. Preussischen Generalstabes über diesen Theil des Waldes in vollem Gange war. Dieses Chausseenetz so wie das des ganzen Thüringer Waldes ist vollständig und richtig auf meiner Karte enthalten, durchgängig nach Original-Quellen eingetragen oder, wo solche nicht zu haben, von mir croquirt. Das übrige Wegenetz nicht chaussirte Fahrwege, darunter die für Chaisenfuhrwerk noch brauchbaren, besonders hervorgehobenen Fusswege, Schneusen und Rasenwege ist ebenfalls von mir auf meinen Wanderungen so vervollständigt, dass es billigen Ansprüchen genügen wird.

Die Hoheitsgrenzen der einzelnen Staaten Thüringens haben bisher nicht so unglaublich diess auch klingen mag ihre richtige kartographische Darstellung gefunden. Ich bin durch mir gütigst gestattete Benutzung offizieller Aktenstücke und Karten so wie durch Untersuchungen an

Ort und Stelle in den Stand gesetzt, oft recht bedeutende Abweichungen auf meiner Karte nachzuweisen, so z. B. im Amte Volkenroda zwischen Schwarzburg-Sondershausen, Preussen und S.-Gotha, bei Dachwig zwischen Preussen und S.-Gotha, bei den Orten Seebach, Stockhausen und Schönau zwischen S.-Weimar-Eisenach und S.-Gotha, bei Kranichfeld, Barchfeld und Teichel zwischen S.-Weimar-Eisenach, S.-Meiningen und Schwarzburg - Rudolstadt, bei Bösleben zwischen S.-Weimar-Eisenach und Schwarzburg - Sondershausen und jenseit der Werra an der Grossen Zillbach und anderwärts, kleinere Grenzberichtigungen abgerechnet.

Von grösseren Flussregulirungen nenne ich diejenige der Unstrut von Bollstädt bei Mühlhausen bis Merxleben bei, Langensalza, die der Nesse von Pfullendorf bis Hayna und diejenige der unteren Schwarze von Blankenburg bis zur Mündung.

Bei Darstellung des Terrains ist es mein Hauptbestreben gewesen, vor Allem der Wahrheit möglichst nahe zu kom'men. Ich habe mich gewissenhaft an die mir zugänglich gewesene Preussische Horizontalen-Aufnahme gehalten und da, wo mir zuweilen Etwas unverständlich war, habe ich so lange ausgesetzt, bis ich an Ort und Stelle den Zweifel gehoben und mit dem Croquis in der Tasche wieder zu Hause war. Manche Abweichungen meiner Karte von anderen dürften hierin ihre Erklärung finden. Möchte namentlich nach dieser Richtung hin die Aufgabe, welche ich mir im Voraus gestellt, ,,ein Vertrauen erweckendes Bild der Terrain-Verhältnisse Thüringens zu liefern", ihre Erfüllung gefunden haben!

Die Nomenklatur ist, so weit diess überhaupt möglich gewesen, nach authentischen Quellen, als nach den Staatshandbüchern, offiziellen Flur- und Forstkarten, so wie durch Befragen an Ort und Stelle erledigt worden. Dadurch wird es auch erklärlich, dass meine Karte mehr Namen giebt als irgend eine andere. Für den besonderen Zweck der Karte war es erwünscht, auch solche Namen nicht zu übergehen, welche wenn auch kleineren Objekten angehörig, wie z. B. einem Felsen, einer im Walde frei liegenden Wiese, einem ausgezeichneten Baum u. s. w. durch besondere, mit der betreffenden Örtlichkeit verbundene Eigenschaften für den Touristen wichtig werden.

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Indem ich wegen der übrigen Behandlung der Karte so wie wegen noch mancher Spezialität derselben hiermit nochmals auf das schon genannte Begleitwort „Zur Geschichte der Kartographie des Thüringer Waldgebirges" verweise, kann ich nicht unerwähnt lassen, dass die oben genannten mühevollen und zeitraubenden Arbeiten nur durch eine wahrhaft grossartige Unterstützung von Behörden und Privaten ihren Abschluss gefunden haben. Mit einer Bereitwilligkeit sonder Gleichen ist man mir überall entgegen ge

kommen, dess sind noch jetzt ganze Fächer voller Briefe und eine grosse Menge werthvoller Notizen und Zeichnungen Zeuge. Innigen Dank allen Betheiligten! Ja zuletzt ist mir auf besonderen Befehl Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs von Sachsen noch gestattet worden, auf dem Grossherzogl. Vermessungs-Bureau in Weimar sämmtliche Flur- und Forstkarten des Landes einsehen und benutzen zu dürfen, in Folge dessen ich mehrere Wochen dortselbst gearbeitet habe.

Ich glaube im Vorstehenden den Beweis geliefert zu haben, dass es mir bei Bearbeitung der in Rede stehenden Karte wirklich Ernst gewesen ist, nach jeder Richtung hin nur das Beste zu liefern. Gleichwohl kann ich auch hier nur wiederholen, wie ich weit entfernt bin anzunehmen, als gebe meine Arbeit etwas ganz Fehlerfreies, durchgehends den besonderen Wünschen jedes Einzelnen Entsprechendes. Das aber wird wohl kein Verständiger bestreiten, dass es bei Herstellung dieser Karte weder von Seiten der Herren Verleger, J. Perthes' Geographischer Anstalt, noch von Seiten des Autors beabsichtigt sein konnte, mit derselben um mich eines gewöhnlichen Ausdrucks zu bedienen Geschäft zu machen. Der inmitten Thüringens gelegene Sitz der Geographischen Anstalt wie die besondere Vorliebe des Autors zu diesem schönen Lande, das er seit mehr denn 15 Jahren ununterbrochen nach allen Richtungen durchstreifte, machten es Beiden gewissermaassen zur Ehrensache, gerade hierin Besonderes zu erstreben und dadurch nicht unerhebliche Opfer zu bringen.

ein

Die Karte ist von den bewährtesten Kräften der Geographischen Anstalt, den Herren Eberhardt und Weiler, in Kupfer gestochen und wird von der Verlagshandlung in zwei Ausgaben versandt.

Die eine Ausgabe ist schwarz gedruckt mit einfacher Kolorirung des Rennstiegs, die andere Ausgabe eben so mit Hinzufügung des Kolorits für die politischen Grenzen.

Als Probe für das Aussehen der Karte enthält Tafel 4 zwei Ausschnitte, welche sowohl Theile des Gebirges wie des flachen Landes bringen. Zur besseren Beurtheilung für die Ausführung des Terrains sind Horizontalen von 100 zu 100 Fuss eingedruckt, welche auf der eigentlichen Karte nicht enthalten sind, doch muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass besagte Probe durch lithographischen Umdruck entstanden ist, also bei weitem nicht die Schärfe und Schwärze der in Kupfer gestochenen und gedruckten Karte hat.

2. Fünf Spezialkarten über Theile des Thüringer Waldes, Maassstab 1:60.000.

Blatt I: Eisenach, Wilhelmsthal, Ruhla, Wartberg, Hörselberg, Wutha, Wachstein, Drachenstein.

Blatt II: Bad Liebenstein, Immelborn, Ruhla, Brotterode, Windsberg, Gerberstein, Inselsberg, Trusenthal.

Blatt III: Waltershausen, Friedrichroda, Spiessberg, Kleinschmalkalden,
Inselsberg.
Blatt IV: Ohrdruf, Georgenthal, Tambach, Oberhof, Schwarzwälder
und Schmalwasser-Grund, Donnershauk.
Blatt V: Ilmenau, Oberhof, Grosser Beerberg und Schmücke.

Das Übersichtskärtchen für die im Vorstehenden beschriebene Karte des Thüringer Waldes giebt gleichzeitig den Rahmen für die fünf oben genannten Spezialkarten. Überdiess ist schon im Titel jedes dieser fünf Blätter durch Benennung der hervorragendsten Objekte der ungefähre Inhalt derselben angegeben. Die Kärtchen sind alle gleich gross, nämlich 5,1 Rhein. Dezimalzoll hoch und 6,5 Zoll breit, und können, vier Mal gebrochen, bequem in der Brusttasche getragen werden. Während die vorhin erwähnte topographische Karte vom Thüringer Wald im Mst. von 1:150.000 der natürlichen Länge das Gebiet des ganzen Waldes umfasst, sollen diese Kärtchen die schönsten und besuchtesten Theile desselben in grösserer Spezialität darstellen; sie sind daher ganz besonders für Solche bestimmt, die an einem Orte des Waldes einen längeren Aufenthalt nehmen und in kleinerem Umkreise eines um so ausgiebigeren Führers benöthigen. Der 24 Mal grössere Maassstab dieser Blätter ermöglichte eine viel detaillirtere Angabe aller vorkommenden Merkmale und ich bemerke nur beispielsweise, dass in der Waldsignatur Laub- und Nadelholz unterschieden, so wie dass das Wegenetz vollständig angegeben und bis auf die Neuzeit ergänzt und berichtigt ist. Es mag als besondere Empfehlung für die Brauchbarkeit dieser Kärtchen erwähnt werden, dass sogar in der Tagespresse Stimmen laut geworden sind, welche den Wunsch aussprechen, auch von anderen Gebirgen eben so bearbeitete Kärtchen zu besitzen, welchem Verlangen indessen von hier aus nicht Folge gegeben werden kann.

Die Blätter V und III, welche zuerst im Jahre 1859 erschienen, sind damals in Folge besonderen Bedürfnisses hervorgegangen und erst die grosse Nachfrage nach denselben und vielfach geäussertes Verlangen nach Fortsetzung veranlasste die Geographische Anstalt, diese Arbeiten über die ganze westliche Hälfte des Waldes auszudehnen. Dabei ist denn besonderen Wünschen in Bearbeitung dieser Kärtchen Rechnung getragen, woraus sich die Verschiedenheit der zwei zuerst entstandenen Blätter von den nachfolgenden erklärt.

Blatt I: Eisenach u. s. w. wird gegenwärtig in Kupfer gestochen, nähert sich seiner Vollendung und erscheint noch im Laufe dieses Jahres. Da sich dasselbe unmittelbar an Blatt II anschliesst, so werden auch beide Blätter, als sich gegenseitig ergänzend, zusammen gebunden und in einem Doppelblatt ausgegeben werden können.

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Das Ili-Thal in Hoch-Asien und seine Bewohner.

Von Dr. W. Radloff, Professor bei der Berg-Akademie in Barnaul in West-Sibirien.
(Mit Karte, s. Tafel 5.)

Im Jahre 1862 besuchte ich die Dsungarische KirgisenSteppe und die Stadt Kuldscha, die Hauptstadt der Chinesischen Ili-Provinz. Eine Rundreise auf Chinesischem Gebiete war mir nicht gestattet und ich musste mich demnach damit begnügen, bei den Eingebornen Erkundigungen über die Verhältnisse des Ili-Thales einzuziehen. Wenn ich in den folgenden Zeilen mich bemühe, ein möglichst klares Bild jenes Landstriches zu entwerfen, so muss ich doch in jeder Hinsicht die Nachsicht des Lesers erbitten, da meine Materialien zum grössten Theil nach mündlichen Mittheilungen der Eingebornen zusammengestellt sind.

Besiedelung des Ili-Thales. Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts das Dsungaren - Reich vernichtet war und der Kaiser Kien-Lung sich das östliche Turkestan unterworfen hatte, musste es sich die Chinesische Regierung besonders angelegen sein lassen, in diesen neuen Besitzungen an einem Punkte festen Fuss zu fassen. Zu diesem Zwecke wählte man das Ili-Thal aus, das von je her eine hervorragende Stellung in der Geschichte Hoch-Asiens eingenommen und das seiner geographischen Lage nach den Mittelpunkt der eroberten Länder bildete. Die früheren Bewohner dieses Landstriches waren nicht nur besiegt, sondern mit Ausnahme der Bewohner der Tataren-Stadt Kuldscha vollständig aus ihren Wohnsitzen verdrängt, so dass man bei neu anzulegenden Kolonien in keiner Weise auf Schwierigkeiten stiess. Westlich von der Tataren-Stadt Kuldscha legte man sieben Festungen an, von denen zwei, die jetzt unter dem Namen Kuldscha bekannte, von den Tataren Kürä genannte Festung und das Fort Bajandai, Mandschu-Besatzungen erhielten, die übrigen fünf Forts, Korgas, Tsching-di-cho-zi, Sü-ding, Da-lo-si-gung und Tschim-pän-si '), von Chinesischen Soldaten besetzt wurden. Dann siedelte man zum Schutze der Grenze Militär-Kolonien aus Daurien an und zur Betreibung des Ackerbaues führte man aus dem Sechsstädte-Gebiete (Alty schähär) der Kleinen Bucharei 6000 Tataren - Familien zum Ili über. Ausserdem errichtete man hier eine Verbrecher-Kolonie von Verbannten aus dem eigentlichen China. Auf solche Weise erhielt das ganz verödete Ili-Thal in wenigen Jahren eine ziemlich starke Bevölkerung, die, eben weil sie aus so verschiedenartigen Elementen bestand, zur Befestigung der Mandschu-Herrschaft im Westen so unendlich viel beitrug.

1) In der Schreibart der Namen finden sich im Text wie auf der
Karte oft Differenzen. Wir haben überall genau die Schreibart des
Manuskriptes beibehalten.
A. P.

Seitdem die Kirgisen der Grossen Horde und die Schwarzen Kirgisen (Burut) nördlich vom Yssyk-köl sich Russland unterworfen haben und die Russischen Pikete bis zum Oberen Ili vorgeschoben sind, erstreckt sich die Chinesische Herrschaft am Ili nur bis zur Mündung des Üsük. Die Grenze gegen Russland ist nicht genau bestimmt, ist aber auch nicht von Wichtigkeit, da vom Üsük westlich bis zum Flusse Schilik zu beiden Seiten des Ili grosse Sandsteppen liegen und die Ufer dieses Flusses kaum wenigen KirgisenAulen ein Winterasyl gewähren können. Gegenwärtig ist eine Kommission damit beschäftigt, die Grenze zwischen Russland und China in jenen Gegenden zu reguliren.

Der dicht bevölkerte Theil des Chinesischen Ili-Thales erstreckt sich vom Üsük östlich bis zum Flusse Kasch, einem rechten Nebenflusse des Ili, auf eine Strecke von etwa 20 bis 25 Meilen. Weiter aufwärts am Ili sind Ansiedelungen durch die noch bis zum Flusse tretenden Gebirge unmöglich, zwischen Kasch und Üsük ist dagegen das IliThal etwa 4 bis 7 Meilen breit.

Die Be

Bodenbeschaffenheit, künstliche Bewässerung. schaffenheit des Bodens jener Strecke im Ili-Thale ist für den Ackerbau sehr günstig. Mit Ausnahme einiger Sandstrecken dicht am Flusse sind das Hauptthal des Ili und die Thalrinnen der zahlreichen Nebenflüsse meist mit einem fetten trockenen Lehmboden bedeckt, der bei gehöriger Bewässerung einen reichen Ernteertrag liefert, aber eben nur bei gehöriger Bewässerung, denn ohne dieselbe kann bei der Trockenheit des Klima's Nichts gedeihen. In den Sommermonaten gehört ein Regen hier zu den grössten Seltenheiten und ein noch so starker Regen verschwindet bei der Trockenheit des Bodens und der grossen Hitze nach wenigen Stunden, ohne auch -nur die geringste Spur nachzulassen. Hier kann also nur eine künstliche Bewässerung die gewünschten Erfolge erzielen, denn Gegenden, wo die Bodenbeschaffenheit eine solche unmöglich macht, liegen, wie ich selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, trotz der Fruchtbarkeit des Bodens vollkommen wie eine Sandwüste, ohne auch nur den geringsten Graswuchs zu erzeugen. In den Thalrinnen der Nebenflüsse ist das Land theilweise steinig, aber trotzdem, wie man mir vielfach versichert, nicht weniger fruchtbar, nur ist die Bearbeitung um vieles schwieriger.

Das Klima des Ili-Thales ist wie das der südlichen Dsungarischen Kirgisen-Steppe eine Übergangsstufe zwischen dem rauhen Klima Sibiriens und dem tropischen Klima

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jenseit des Thian-Schan. Im Winter, der hier eigentlich nur 3 Monate dauert, fällt das Thermometer bis 25° und die sehr hohe Kälte hält meist bis 3 Wochen an. Zu Anfang und Ende des Winters ist das Wetter veränderlich. Der Schneefall ist bisweilen ziemlich bedeutend, gute Schlittenbahn aber im Thale selten. Der Sommer dagegen ist furchtbar heiss und ich selbst hatte Gelegenheit, im August eine Hitze von 36 bis 38° Réaum. im Schatten anzutreffen. Der Monat April soll häufig regnerisch sein. Für die Bewohner ist das Klima sehr gesund und es gehören Epidemien zu den Seltenheiten; wenn sie vorkommen, sind sie durch die ungesunde Luft in den Chinesischen Städten verursacht. Eine Ausnahme machen die Pocken, die hier schon mehrmals in diesem Jahrhundert die grössten Verheerungen angerichtet haben.

Seinem Klima verdankt es das Ili-Thal, dass hier schon viele Früchte reifen, die das Klima der nördlichen Gegenden nicht vertragen. Von Baumfrüchten reifen Äpfel, Pfirsiche, Schaptala, Granatäpfel; auf den Feldern gewinnt man Wein, Melonen, Arbusen, alle Getreide-Arten, Reis, Baumwolle, Tabak u. dgl. mehr.

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Die Flüsse. Besonders günstig für den Anbau des Landes sind die vielen kleineren und grösseren Flüsse und Bäche, die hier aus den Grenzgebirgen in das Ili-Thal hinabströmen. Der grösste Theil dieser Flüsschen wird auf die Äcker geleitet und ihr Wasser hier vollständig verbraucht. Nur die bedeutenderen von ihnen gelangen bis zum Ili.

Wenn ich im Folgenden eine kurze Übersicht der Nebenflüsse des Ili zwischen dem Kasch und Üsük gebe, so muss ich mich, da mir eine Rundreise nicht gestattet war, darauf beschränken, die mir genannten Flüsse der Reihe nach aufzuzählen, wobei mancherlei Irrthümer unvermeidlich sind.

Betrachten wir zuerst die Flüsse, die sich vom Norden aus in den Ili ergiessen. Der östlichste dieser rechten Nebenflüsse ist der schon genannte Kasch. Er entspringt auf den südöstlichen Ausläufern des Tarbagatai - Gebirges und strömt in seiner Hauptrichtung nach Südwesten. Über seinen oberen Lauf habe ich keine Kunde einziehen können, in seinem unteren Laufe ist er von bedeutender Breite und sehr reissend. Seine Ufer sollen sehr bergig sein und am linken Ufer die Felsen oft bis dicht an den Fluss treten. Bis zu seiner Mündung in den Ili wird er von Bergzügen begleitet, die mit Ausnahme eines kleinen Plateau's am linken Ufer (etwa 10 bis 15 Werst von der Mündung) nicht zum Ackerbau geeignet sind. Von Nebenflüssen, die der Kasch in seinem niederen Laufe aufnimmt, wurden mir nur zwei genannt, der Nilka und der Olatai, beide strömen ihm von rechts zu.

Der nächste grössere Fluss, der westlich vom Kasch zum

Ili fliesst, ist der Pilitschi. Er mündet in den Ili nicht weit von der Tataren-Stadt Kuldscha. Zu erwähnen ist, dass der Pilitschi einige Werst nördlich von der Stadt Tschimpänzi von einem grossen Kanal, der vom Kasch nach dem Chinesischen Kuldscha geleitet ist, durchschnitten wird. Bei seiner Mündung ist der Pilitschi nicht viel mehr als ein Bach, weil durch die Ackerbewässerung der grösste Theil seines Wassers verbraucht wird. Zwischen Pilitschi und Kasch wurden mir vier Flüsschen genannt: Burbogosan, Biläkäi, Tschulburkai und Jirgalang. Ob diese vier Flüsse ursprünglich Nebenflüsse des Pilitschi sind oder ob einer von ihnen sich selbstständig zum Ili ergoss, vermag ich nicht zu sagen, gegenwärtig wird ihr ganzer Wasservorrath auf den Äckern verbraucht. Der Jirgalang, der dem Pilitschi am nächsten liegt, ist der grösste von ihnen.

Das nächste grössere Flüsschen, das den Ili westlich vom Pilitschi erreicht, ist der Yklyk. Er fliesst dicht bei dem Chinesischen Kuldscha in den Ili. Hier, wo ich ihn selbst durchritten, ist er ein ganz unbedeutender Bach, obgleich sein Bett eine bedeutende Breite hat. Bei der Stadt Dalosigung, die wohl 25 Werst nach Norden liegt, soll er viel bedeutender sein; auch sein Wasser wird zum grössten Theil auf den Äckern verbraucht. Zwischen dem Yklyk und Pilitschi wurden mir die Flüsschen Mogai und Almutu genannt.

Bedeutender als alle seit dem Kasch genannten Flüsse ist der etwa 20 bis 30 Werst westlicher sich in den Ili ergiessende Fluss Korgas. Nordwestlich von der Stadt Korgas, wo ich ihn durchritt, theilt er sich in mehrere Arme, die nur wenig Wasser enthielten. Die Spuren des Flussbettes waren an dem Geröll wohl 2 Werst sichtbar, im Spätherbst soll der Fluss die ganze Breite des Bettes ausfüllen. Bei der Stadt Korgas sind die Ufer flach, jedoch war deutlich zu sehen, wie nur wenige Werst nördlicher sich das linke Ufer zu einer steilen Wand erhob. Zwischen Yklyk und Korgas habe ich mehrere Bäche durchritten, kann aber nur den Namen des bedeutendsten derselben, den Tülki, aufführen.

Der westlichste rechte Nebenfluss des Ili, der gleichsam als die Grenze des Chinesischen Gebiets betrachtet werden kann, ist der Üsük. Der Üsük ist wohl das bedeutendste Wasser, das mir ausser dem Ili im ganzen Gebiet aufgestossen ist. Ich passirte ihn noch ziemlich hoch im Gebirge, bei dem zweiten Chinesischen Piket. Hier ist sein Flussthal wohl 2 bis 3 Werst breit. Die Uferberge sind sehr steil und steinig und erheben sich zu beiden Seiten wie das Flussthal begrenzende Mauern. Während die Gebirge nur kahle Felsmassen sind, ist das Thal dicht bewaldet; hier im Gebirge dient es nur wenigen KirgisenFamilien der Grossen Horde zum Aufenthalt. Der Fluss

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