Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Auftrage an mich, dass er mir glückliche Reise wünsche. Ich kehrte mit meinen sämmtlichen Leuten, die in der Stadt waren, an Bord zurück. Um übrigens noch alles Mögliche zu probiren, schickte ich Abdio ans Land, um Amio, der wie immer, wenn es etwas Unangenehmes in der Stadt giebt, sich entfernt hatte, an Bord zu bringen.

,,Nach einer Stunde erschien Amio wirklich an Bord, er erklärte, dass er Geschäfte halber die Stadt auf ein Paar Tage habe verlassen müssen und von der ganzen Geschichte Nichts wisse. Er für seine Person sei erbötig, die verlangten Lebensmittel anzuschaffen. Hamadi Ben Kero habe trotzdem, dass er Sultan sei, nicht die Macht, solche Befehle zu erlassen, er sei eben so viel als jener und mehr, da er ein Brava - Mann sei und der Sultan bloss ein einfacher Somali. Er verspreche, morgen genug Proviant zusammenzubringen und Hamadi Ben Kero zur Abbitte zu zwingen. Ich entliess ihn in Folge dessen ungehindert.

,,Den 24. Um 9 Uhr an Land, wo ich drei Ochsen, von denen einer als Geschenk gebracht wurde, antraf und die beiden anderen auch für einen civilen Preis kaufte. Im Dorf bekam ich ausserdem noch 100 Maass Mtama. Nachmittags kam Hamadi Ben Kero, um Verzeihung zu bitten; er gab weiter keinen Grund seines gestrigen Benehmens an, sondern meinte, der Teufel sei in ihn gefahren. Er legte seinen Turban auf die Erde und bot die Hand zur Versöhnung, die ich jedoch zu seiner nicht geringen Verwunderung, da er mir eine Ehre zu erweisen dachte, ausschlug. Durch Abdio dem Sultan und Amio ihr Präsent geschickt, Ersterem 80 Yards Amer und 5 Thaler, Letzterem 160 Yards und 5 Thaler.

,,Den 25. Um 6 Uhr in Gang. Der Ochse so wie das noch an Land seiende Korn kam natürlich nicht. Um 11 Uhr 8 Minuten vor der Stromschnelle Anker geworfen. ,,Den 26. Gegen 2 Uhr in Bewegung; unmittelbar vor der Stromschnelle stiessen wir plötzlich, ganz langsam fahrend, so dass wir uns kaum bemerkbar bewegten, auf einen Stein und gleich darauf rückwärts wiederum auf einen solchen. Der Maschinenmeister Kanter rief sogleich, dass ein Leck gesprungen wäre und man sehe das Wasser unter dem Kessel hervorsprudeln. Nachdem ich das Grossboot von der Insel herübergeholt, wurde mit dem Ausschiffen begonnen, gegen 5 Uhr war der grösste Theil der Sachen ,an Land. Link, Trenn, Kanter und Brinkmann schlafen an Land nebst 6 Mann und den Hunden als Wache bei dem Gepäck und Schafen.

,,Den 27. Ich muss sagen, dass ich Alles für vergebene Mühe halte und den ,,Welf" aufgebe. Er kann uns nur in so fern dienen, ein Floss zu machen, nachdem wir ihn aus einander gebrochen. Neue Zelte an Land aufgeschlagen.

„Ich habe heute nach reiflicher Überlegung und Rücksprache Folgendes beschlossen: Ich gehe morgen früh, von den Führern und Link begleitet, mit meinem Boote nach Berdera. Ist dort die gewisse Kunde angelangt, dass Livingstone in der Nähe 1), so versuche ich mit dessen Hülfe noch ein Mal mein Glück mit dem ,,Welf", wo nicht, SO hat Schickh den Auftrag, ein Boot aus dem abzubrechenden Schiff zu bauen. Ich schicke von Berdera aus Proviant nach der Stromschnelle und gehe zu Fuss nach Gumana, um zu sehen, ob ohne Dampfer sich die erneuerte Reise auf dem Dschuba noch lohnt, und kehre dann nach der Stromschnelle zurück, um mit dem Boote nach Yembo (an der Mündung) zurück und von dort nach Mombas zu gehen oder um die Leute nach Gumana vorauszuschicken und bloss selbst von Yembo den Succurs zu holen."

Hier endet das Tagebuch v. der Decken's, aber es schliesst sich unmittelbar daran der Bericht des MarineLieutenant v. Schickh, den wir hier vollständig wiedergeben.

Bericht des Marine-Lieutenant v. Schickh.

,,Den 28. Morgens 6 Uhr verliess uns der Herr Baron, begleitet von Dr. Link, dem Brava-Chef Abdio, den Führern Baracka und Kero, welcher Letztere mit Brief und Proviant bis längstens den 30. 'von Berdera zurückkommen sollte, und vier von unseren Negern. Den 28., 29., 30. fuhren wir fort, Kohlen auszuschiffen und die Lecke zu verstopfen. Den 30. Nachmittags hatten wir die Ausschiffung und Dichtung der Lecke beendet, das Wasser im Flusse war jedoch über 21⁄2 Fuss gesunken, so dass wir, um den Dampfer flott zu machen, jedenfalls auf höheres Wasser warten mussten.

,,Sonntag den 1. Oktober liess ich die Leute ruhen. Von Berdera war der versprochene Führer noch immer nicht zurückgekehrt. Um 14 Uhr Nachmittags nach Abessen der Neger sahen wir zwischen den Bäumen des anderen (linken) Ufers eine grössere Anzahl Neger; in der Meinung, dass das der erwartete Führer begleitet von einigen Leuten mit dem Proviant sei, schickte ich das Boot mit acht Mann und dem Sering hinüber. Da er mir aber zu lange verweilte, rief ich ihn zurück. Die Berdera - Leute weder unsere Führer noch ein Brief des Barons war dabei hatten ihm gesagt, der Sultan von Berdera habe sie geschickt, uns zu sagen, wir möchten unsere Effekten auf das linke Ufer bringen, da wir am rechten einem Angriff ausgesetzt seien. Vom Baron gaben sie keine Auskunft. Der Sering schätzte ihre Anzahl auf 150 bis 200. Das war befrem

[ocr errors]

1) Dr. Livingstone hat bekanntlich von Bombay aus eine neue Expedition nach dem Ost-Afrikanischen See'n-Gebiet angetreten, Herr v. der Decken bezog daher das Gerücht von einem den Dschuba heraufkommenden Dampfer auf diese Expedition. A. P.

[ocr errors]

dend, da, wenn der Baron noch in Berdera war, er wenigstens jedenfalls schriftlich Nachricht gegeben hätte, und hatte er Berdera schon verlassen, doch der Führer mit Brief und Proviant da sein musste; ich schickte daher Nichts auf das andere Ufer, sondern befahl Brenner, nach der Ruhezeit der Mannschaft um 2 Uhr einen Verhau ums Lager anzulegen. Als die Berdera-Leute sahen, dass wir ihrem Ansinnen keine Folge leisteten, wadeten zuerst drei, dann andere drei, dann mehrere oberhalb des „Welf" auf die zwischen diesem und dem rechten Ufer gelegene Sandbank und riefen von dort nochmals nach dem Boot. Ich schickte darauf das Boot zur Sandbank, um einige herüber zu holen und mich näher zu erkundigen. Auf Anfrage unserer Leute dort, wie viel sie mitnehmen sollten, erlaubte ich ihnen, sechs herüber zu bringen. Kaum hatten die Berdera-Leute das vernommen, so hörte man ein Horn-Signal am linken Ufer und 20 bis 30 Neger mit geschwungenen Lanzen stürzten von der südlichen Seite zwischen Busch und Zelten in das Lager. Alle auf dieser Seite des Lagers von den Waffen abgeschnitten liefen gegen das Ufer, ich rief dem Boote zu, herüber zu kommen, jedoch die Leute auf der Bank trieben unsere Leute aus dem Boote in den Fluss; Trenn, waffenlos beim ersten Angriffe eingeholt, wurde niedergestochen; Kanter vom Lager aufgesprungen, er hatte noch von der Morgenjagd her sein Gewehr bei sich, that zwei Schüsse und wurde ebenfalls niedergemacht. Brenner, Theis und Deppe, welcher zuerst die Eindringenden bemerkte, auf der nördlichen Seite des Lagers griffen zu den Gewehren und unterhielten, besonders Brenner, ein lebhaftes Feuer, auf welches die Angreifenden sich in die Büsche zurückzogen. Ich lief jetzt nach meinem Zelte an der Südseite, holte mein Gewehr und Munition; einige Neger suchten aus den Büschen vorzukommen, verschwanden jedoch wieder, als ich auf sie anschlug. Hierauf ging ich mit den vier Europäern und zwei Negern die übrigen waren entweder gefangen genommen oder in die Büsche oder durch den Fluss geflohen an den Strand, um freies Terrain für die Gewehre zu haben.. Von dort thaten wir einige Schüsse auf die Leute auf der Bank, diese wateten auf das linke Ufer und einer sprang ins Boot und liess sich stromabwärts treiben. Jetzt war keine Zeit zu verlieren, mit dem Boote war unser letztes Rettungsmittel verloren. Ich schickte Brenner mit einem Neger durch den Fluss an Bord des,,Welf", die kleine Jolle zu holen. Als er diese gebracht, gingen wir alle fünf Europäer und sieben Neger in dieselbe und ruderten stromab, um unser Grossboot wieder zu erlangen.

--

,,Wir kamen in dem Momente zum Boote, wo der in demselben befindliche Somali selbiges am linken Ufer anbinden wollte. Durch einige Schüsse vertrieben wir ihn

und die anderen in den Büschen und hatten gerade noch Zeit, in dasselbe zu steigen, da die Jolle, zu klein für uns, unter uns wegsank. Mit dem Boote ruderten wir nun vor das Lager, ich schickte Brenner mit drei Negern an Land, um Munition zu holen, wir anderen deckten ihn vom Boote aus mit den Gewehren, da sich noch immer Neger in den Büschen sehen liessen. Hierauf fuhren wir an Bord des ;,Welf", ich liess durch Deppe die Papiere, das Tagebuch und Werthsachen des Barons sammeln, Brenner Gewehre und Munition bereiten, Theis nach den Lebensmitteln sehen. Die Berdera-Leute vom linken Ufer hatten die gesunkene Jolle stromab aufgefangen, sie aufs Trockene gezogen und setzten nun über den Strom.

,,Jetzt war zu bedenken, was weiter zu geschehen hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte der Sultan von Berdera, nachdem er nach der Ankunft des Barons in Berdera (durch den Führer Baracka) von unserer Lage in Kenntniss gesetzt war, eingedenk seines letzten Zusammentreffens mit dem Baron am 24. September, diesen einige Zeit mit Versprechungen hingehalten, dann aber nach abgehaltenem Schauri ihn entweder ermordet oder doch gefangen genommen, denn sonst war es unerklärlich, dass uns der Baron keine Nachricht zukommen liess. Von den Führern des Barons gezwungen oder freiwillig über die Details unserer Lage in Kenntniss gesetzt, hatten sie nun ihren Plan entworfen. So lange die Führer bei uns waren, befanden sich bei Tage nur Trenn, Brenner und zwei bis drei Neger am Lande, wir anderen arbeiteten an Bord des ,Welf" zu Hebung desselben. Geschütze, Munition, der grösste Theil der Gewehre, sämmtliche Effekten waren am Lande, der,,Welf" lag 10 Schritt vom linken Ufer, welches dort um 6 bis 8 Fuss höher als der „,Welf" steil vom Flusse aufsteigt. Sie sandten daher von Berdera aus den grössten Theil ihrer Leute, gegen 200, am linken Ufer stromauf, am rechten Ufer jedoch weniger, 40 bis 50 Mann. Die Ersteren konnten uns an Bord des Welf" vom hohen Ufer aus vollständig dominiren, während es den Letzteren leicht sein musste, mit zwei Europäern und drei Negern am Ufer fertig zu werden. Bei ihrer Ankunft sahen sie sich jedoch getäuscht, wir hatten Sonntags halber die Arbeit. ruhen lassen, Alles befand sich am Lande. Den Fluss konnten sie nicht überschreiten (Fähre ist nur Eine, bei der Stadt), so suchten sie uns durch die Warnung vor einem Angriff mit dem Ansinnen, unsere Effekten auf das linke Ufer zu bringen, zu theilen, um ihr Vorhaben leichter ausführen zu können. Als sie jedoch sahen, dass wir keine Anstalten trafen, diesem Ansinnen zu folgen, wateten sie auf die Sandbank und riefen nochmals nach dem Boote, um sich überfahren zu lassen und ihre Partei auf unserem Ufer zu verstärken. Als ich jedoch nur sechs Leuten er

[ocr errors]

1

lauben wollte, ins Boot zu steigen, gaben sie Signal zum Angriff, da längeres Zögern uns misstrauisch machen musste. Dass die Angreifer an beiden Seiten im Einverständniss waren, ist ersichtlich, da die des linken Ufers unsere Leute aus dem Boote jagten und sich desselben bemächtigten. Unsere sämmtlichen Neger erklärten die Angreifer für Somali, die sie sowohl durch Sprache als durch Aussehen von den Galla zu unterscheiden wüssten, einige wollten selbst Leute aus Berdera erkannt haben. Nach dem Angriff ging ein grosser Theil mit der Jolle von dem linken auf das rechte Ufér.

,,Festgestellt nun, dass es Leute aus Berdera waren, welche uns angriffen, blieb es nur zu entscheiden, ob wir noch einige Tage warten sollten, um vielleicht Etwas über das Schicksal des Barons zu erfahren, oder ob wir alsogleich aufbrechen sollten, denn an ein Flottmachen des Dampfers war bei der wenigen Mannschaft unter diesen Verhältnissen nicht zu denken, eben so wenig an Zimmerung und Abwärtsbringen eines Flosses. Andererseits war es sicher, dass bei einem, wenn auch nur kurzen Aufenthalte die Nachricht unseres Missgeschickes uns vorauseilen musste und wir daher auf dem Flusse überall Hindernisse zu erwarten hatten. Dieses würde auf dem Flusse selbst von weniger Bedeutung gewesen sein, aber an der Mündung angekommen, waren wir der Brandung wegen gezwungen, über Land zu gehen, und daher der mehr als zweifelhaften Grossmuth der Dschuba-Leute in die Hände gegeben. Ausserdem war, abgesehen von unserer eigenen Erhaltung, das Schicksal des Barons, wenn er noch am Leben, von unserer Freiheit abhängig. Wussten die Leute, dass wir geborgen, so mussten sie durch Erhaltung des Barons sich Straflosigkeit zu erhalten trachten; waren wir vernichtet, so war es ihnen ein Leichtes, zu erklären, dass nicht sie, sondern Galla die Expedition vernichtet hätten. Ein Versuch, mit Gewalt das Schicksal des Barons zu erfahren und ihm möglicher Weise zu helfen, war der Überzahl gegenüber unmöglich; auf andere Weise konnten wir uns nicht in Einvernehmen setzen, da weder wir noch einer der Neger der Somali-Sprache mächtig war. Ich beschloss daher, so bald als möglich aufzubrechen, um in Zanzibar Hülfe für den Baron oder wenigstens Gewissheit über sein Schicksal zu erlangen. Um jedoch einen derartigen Schritt nicht einseitig zu unternehmen, frug ich alle Übrigen um ihre Meinung, Alle waren einstimmig, dass es das Einzige sei, was wir in unserer Lage thun könnten.

,,Nachdem wir daher Waffen, Munition, Geld und Werthsachen ins Boot genommen hatten, fuhren wir nochmals zum Lager, nahmen Lebensmittel und andere Nöthigkeiten und verliessen Nachmittags 5 Uhr den Platz. Die Instrumente konnten wir des geringen Raumes wegen nicht mehr

mitnehmen. Tag und Nacht abwechselnd immer mit zwei Riemen rudernd brachten wir es zu Stande, den 6. Oktober um 2 Uhr in der Nacht die Mündung zu erreichen; dort verliessen wir, da es die Brandung unmöglich machte, in See zu gehen, das Boot und traten unsere Fussreise an, in der Absicht, Kiama zu erreichen und dort ein Fahrzeug zur Weiterreise zu miethen. Glücklicher Weise fanden wir schon nach vierstündigem Marsch beim Kap Bissell ein mit vier Negern bemanntes Dau, welches ich miethete. So erreichten wir den 16. Lamu und von dort mit einem anderen Dau den 24. Zanzibar. Hier hoffte ich ein Englisches oder Französisches Kriegsschiff zu finden, um damit nach Brava zu gehen und von dort über die Karawanenstrasse Erkundigungen aus Berdera zu erhalten. In dieser Erwartung getäuscht sehe ich mich gezwungen, mit einem Dau nach Brava aufzubrechen."

Wie die seitdem eingelaufenen Nachrichten aus Zanzibar besagen, brach Lieutenant v. Schickh nach schneller bestmöglicher Ausrüstung nach Brava auf und schon am 11. November dampfte ein Englisches Kriegsschiff dem Dschuba zu, mit nicht genug zu rühmender Bereitwilligkeit dem Hülferuf des Hanseatischen Konsuls, Herrn Th. Schulz, der in dieser Zeit zugleich das Englische Konsulat mit verwaltete, Folge leistend.

Résumé der v. der Decken'schen Reisen und ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse.

Nach dem Urtheil der mit den Verhältnissen jener Gegenden Vertrauten darf die Hoffnung auf Rettung des Barons und des Dr. Link nicht aufgegeben werden, in jedem Fall aber wird die Expedition durch diese Ereignisse eine Unterbrechung erleiden, wenn nicht gar ihr Ende finden. Der Zeitpunkt erscheint daher geeignet, einen Rückblick auf den ganzen Verlauf der von der Decken'schen Reisen in Ost-Afrika zu werfen und ihre wissenschaftlichen Resultate hervorzuheben.

Selten ist in neuerer Zeit die Begeisterung für rein geographische Forschungen so mächtig entflammt als durch Rebmann's Entdeckung des riesigen Kilimandscharo und seiner Schneekuppen am 11. Mai 1848 und durch die wenige Jahre darauf bekannt gewordenen Erkundigungen Cooley's, Krapf's, Erhardt's und Rebmann's über die grossen See'n im äquatorialen Ost-Afrika. Dort erschloss sich dem geistigen Auge ein Gebiet, das wie kaum ein anderes der Erde einem kühnen Reisenden höchsten wissenschaftlichen Ruhm versprach. Ausgedehnte Binnenmeere und hohe Gebirge, deren Schnee selbst die Äquatorial-Sonne Afrika's nicht zu schmelzen vermag, mussten eine Mannigfaltigkeit der Bodengestaltung, der landschaftlichen Physiognomie, der Naturerzeugnisse und Völkerverhältnisse bedingen, wie sie vorher

in dem einförmigen Kontinent mit seinen weiten Plateaux und Tiefebenen nur an sehr beschränkten Stellen vermuthet werden konnte, und zudem erwachte sofort die Erinnerung an die Andeutungen des alten Ptolemäus über die Quellen des Nil mit ihren See'n und Schneebergen. Von da an war das äquatoriale Ost-Afrika eins der lockendsten Ziele für jene wissenschaftlichen Helden, die der Drang nach Erweiterung der Erdkunde mit Verleugnung aller persönlichen Leiden und Gefahren hinaus in die unbekannten Regionen des Erdballs treibt. Bald folgten den unerschrockenen Missionären, die hier in anspruchslosester Weise zuerst Bahn gebrochen hatten, gut vorbereitete wissenschaftliche Forscher und der kurze seitdem verflossene Zeitraum hat gelehrt, dass die grossen Erwartungen berechtigt waren, dass jene Region eine der merkwürdigsten der Erde ist und dass dort das Geheimniss der Nil-Quellen zu enthüllen war.

Kein Wunder also, wenn ein junger Mann im Besitz eines sehr bedeutenden Vermögens, der schon früh lebhafte Neigung zum Reisen und Vorliebe für Afrika gezeigt, indem er 1854 im Alter von 21 Jahren eine längere Reise durch Algerien und Tunis unternahm '), Ost-Afrika auf seine Fahne schrieb. Sein mit Dr. Barth verabredeter Plan war vortrefflich und viel versprechend. Burton und Speke waren seit Kurzem vom Tanganyika- und Ukerewe-See zurückgekehrt, die Existenz der Binnenmeere war bestätigt, aber statt eines oder zweier gab es mindestens vier, von denen erst zwei an einzelnen Punkten besucht waren; die Mondberge des Ptolemäus vermuthete Speke am nördlichen Ende des Tanganyika und im Ukerewe-See erblickte er die Quelle des Weissen Nil. Später hat er selbst und nach ihm Baker auch wirklich den Ausfluss des Ukerewe als einen Quellarm des Flusses von Gondokoro nachgewiesen, damals aber beruhten diese Nachrichten nur auf Hörensagen, es entwickelten sich lebhafte Diskussionen und die Begierde nach vollständigerer Kenntniss jener Gegenden war aufs Höchste gespannt. Augenblicklich war nur ein vereinzelter Deutscher Forscher an Ort und Stelle, Dr. Albrecht Roscher, der in reinstem Enthusiasmus für die Wissenschaft sich Jahre lang in mannigfaltigen Kenntnissen und körperlichen Fertigkeiten auf eine Bereisung Inner-Afrika's von Osten her vorbereitet hatte, auf den man die schönsten Hoffnungen bauen durfte, wenn es gelang, ihm die fehlenden Geldmittel zu verschaffen. In dem Hamburger Kaufhause O'Swald in Zanzibar, dem grossmüthigen und freundlichen Beschützer aller

[ocr errors]

1) Nach einem Artikel der Leipziger Illustrirten Zeitung, 11. Juni 1864, wo auch angegeben ist, dass Karl Klaus Baron v. der Decken 1833 zu Kotzen in der Mark Brandenburg als Sohn des verstorbenen Königl. Hannoverischen Stallmeisters und Kammerherrn Ernst v. der Decken und der jetzigen verwittweten Fürstin von Pless geboren wurde, ferner dass er vom 15. Jahre an bis 1859 im Hannoverischen Königin-HusarenRegimente diente.

wissenschaftlichen Reisenden Ost-Afrika's, fand er liebevollste Aufnahme und Unterstützung, so dass er in den ersten Monaten des Jahres 1859 eine vorbereitende Tour an der gegenüberliegenden Küste, namentlich die Bereisung des Lufidji-Delta ausführen und nach dem Scheitern seines Planes, nordwestlich über Kitui und den Scheeberg Kenia nach dem Quellgebiet des Nil vorzudringen, im August 1859 von Kiloa aus nach dem südlichsten der grossen Binnensee'n aufbrechen konnte "). Mitte Oktober an diesem See angelangt, stand ihm, wie er sich in seinen Briefen ausdrückt, Inner-Afrika offen, aber seine Mittel waren viel zu gering, um eine grosse Reise zu unternehmen.

Auf Dr. Barth's Anrathen nun beschloss Baron v. der Decken, sich mit Dr. Roscher zu einer gemeinschaftlichen Expedition zu verbinden. Dadurch wären Roscher die grossen Mittel des Barons, diesem die reichen Spezialkenntnisse Roscher's zu Gute gekommen und niemals hätten wissenschaftliche Reisende mit Grund höhere Erwartungen erregen können als diese beiden jungen, begeisterten, aufs Beste vorbereiteten und ausgerüsteten Männer in einem gemeinsamen Unternehmen. Aber wie so oft schon bei Afrikanischen Expeditionen die schönsten und gegründetsten Hoffnungen grausam getäuscht wurden, so hatte es auch diess Mal das Schicksal anders beschlossen. Als v. der Decken im April 1860- auf einem O'Swald'schen Schiffe von Hamburg nach Zanzibar abreiste, war Albrecht Roscher bereits dem Pfeil eines gemeinen Mörders erlegen (am 19. März 1860 zu Hisonguny unfern des See's),

Seit diesem ersten schweren Schlage ist die Ungunst des Schicksals den Unternehmungen des Barons fast beständig treu geblieben. Sein Versuch, sich auf den Schauplatz von Roscher's Ermordung zu begeben, misslang. Er fuhr mit seinem Italienischen Diener Corolly am 30. September 1860 auf einem Arabischen Schiffe von Zanzibar nach Kiloa ab, konnte hier aber keine Leute zur Begleitung finden und musste nach Zanzibar zurückkehren, wo er am 24. Oktober ankam. Auch dort stellten sich ihm grosse Schwierigkeiten entgegen,,,alle mir gegebenen Versprechungen und Kontrakte wurden gebrochen, fremder Einfluss suchte mir Alles in den Weg zu legen, ich war ja ein Deutscher und damit ist Alles gesagt", heisst es in einem seiner Briefe, und als er endlich im November zu Kiloa eine Karawane zusammengebracht und am 23. November die Reise nach dem Inneren angetreten hatte, gelang es ihm nur, etwa 25 Meilen bis Messule vorzudringen, denn die Flucht seiner 50 Träger, das Ausreissen seines Führers und die Widersetzlichkeit seiner 20 Soldaten zwangen ihn 18. Dezember zur Umkehr. Nach vielen Gefahren

am

1) Siehe,,Geogr. Mitth." 1859, SS. 478-480; 1862, SS. 1-4.

erreichte er am 1. Januar 1861 die Küste, wurde in Kiloa von einem heftigen Fieber befallen, gelangte aber in den ersten Tagen des Februar glücklich nach Zanzibar zurück.

So geringfügig diese Reise erscheint, so hat sie doch ganz werthvolle Früchte gehabt. Da Roscher's Aufzeichnungen über seine Route von Kiloa nach dem Nyassa verloren sind und man über die Strassen zwischen beiden nur kümmerliche Erkundigungen besitzt, so muss man Bericht und Karte v. der Decken's '), obwohl sie nur einen Theil der Strasse betreffen, um so höher schätzen, als es sich hierbei um eine der frequentesten Routen Afrika's handelt, um den Ausfuhrweg für die Produkte und Sklaven aus einem grossen Theil Süd-Afrika's. Seit lange haben die Geographen Nachrichten über diese Handelsstrasse gesammelt, die von nicht geringerer Bedeutung ist als etwa die von Mursuk über Bilma nach Bornu oder die von Ain-Salah nach Timbuktu, und ängstlich reihte man die erkundeten Stationen in gerader Linie an einander, wofür nun v. der Decken's Karte zum Theil wenigstens an die Stelle getreten ist.

Die Reise nach dem Nyassa gab er nun ganz auf, dagegen beschloss er, den Kilimandscharo zu besuchen, dessen Lage, Höhe und Schneekuppe den Gegenstand der lebhaftesten Debatten zwischen den Geographen bildete. Zum Begleiter gewann er ausser Corolly den Englischen Geologen" Thornton, der früher an der zweiten Livingstone'schen Expedition Theil genommen hatte und auch später wieder zu dieser Expedition sich begab, dabei aber seinen Tod fand. Mit ihm holte er sich Ende Mai 1861 zunächst Rath und Belehrung bei Rebmann, der immer noch auf seiner MissionsStation Rabbai Mpia bei Mombas aushält, und mit einer Karawane von 58 Mann brach er am 28. Juni, nachdem Thornton die unbedeutenden Antimon- und Blei-Minen im Duruma-Land besucht hatte, nach dem Kilimandscharo auf.

Von Mombas gingen die Reisenden über die Berge von Schimba nach dem 5000 Fuss hohen Berg Kadiaro, den sie bis auf 4000 Fuss Höhe erstiegen. Die feindliche Haltung der Eingebornen, namentlich der Wabura nöthigte sie sodann, einen grossen Bogen gegen Süden zu beschreiben, so dass sie den Rand des Berglandes Pare streiften, ehe sie sich wieder nördlich dem See Jipe und von da nordwestlich dem Fuss des Kilimandscharo zuwenden konnten. Hier verweilten sie in Kilema 19 Tage und stiegen von diesem 4744 Engl. Fuss über dem Meere gelegenen Dorfe bis zur Höhe von 7595 Engl. Fuss am südöstlichen Abhang des Berges hinan. Ein weiteres Vordringen machten damals der Regen und das Entlaufen der Führer unmöglich. Von

1) Zeitschrift für Allgem. Erdkunde, N. F. X, SS. 133, 229, 467 mit einer Karte.

den Eingebornen bedroht umkreisten sie den Fuss des Berges bis Madjame, das sie am 21. August erreichten. Dieser äusserste Punkt der Rebmann'schen Reisen sollte auch für sie der Wendepunkt werden. Bei der ersten Berührung mit den Mächtigen des Landes forderten diese den Reisenden sämmtliche Waaren ab und bedrohten sie im Weigerungsfall mit dem Tode. Fast alle Träger ergriffen die Flucht und die Reisenden mussten am 5. September heimlich des Nachts Madjame verlassen. Mit einem Abstecher nach den südlich gelegenen Aruscha-Bergen kehrten sie zum Jipe-See zurück und gelangten über Pare und Nord-Usambara bei Wanga an die Küste, der sie bis Mombas folgten. Von Mombas aus besuchte v. der Decken noch die nördlicheren Küstenorte Takaungu und Malindi nebst dem SabakiFluss, um zu sehen, ob nicht ein Eindringen von hier aus nach Ukambani möglich sei, und begab sich dann im November nach Zanzibar zurück. Um aber seine RoutenAufnahme in einigen Theilen zu revidiren und die noch nie von Europäern betretenen Masai-Landschaften westlich vom Kilimandscharo zu bereisen und von dort wo möglich über Kikuyu und Ukambani zurückzukehren, beschloss er eine zweite Expedition nach dem Kilimandscharo und gewann dazu durch Vermittelung Dr. Barth's einen tüchtigen wissenschaftlichen Begleiter in der Person des Dr. O. Kersten aus Altenburg, der am 7. April 1862 aus der Elbe absegelte und am 5. Juli in Zanzibar ankam 1). Am 20. August landeten beide in Mombas, betrieben hier ihre Vorbereitungen und brachen am 3. Oktober südlich nach Wanga auf, wo die Karawane die Küste verlassend am 9. Oktober nach dem Inneren einbog.

Die Karawane bestand aus 4 Europäern, von denen jedoch der Jäger Androik wegen Krankheit schon in Wanga zurückbleiben musste, 8 schwarzen Dienern und 100 Trägern nebst 3 Eseln und 3 Hunden. Da bei den Wamasai Eisen und Messingdraht die Hauptartikel bilden, wurden 1500 Pfd. davon mitgenommen, mehr war in Mombas nicht aufzutreiben. Der Rest der Waaren bestand aus nahe an 4000 Yards (Engl. Ellen) weisser und bunter baumwollener Tücher, 500 Pfd. Glasperlen und anderen Kleinigkeiten, als Messern, Spiegeln, Nadeln, Armbändern, 200 Mundharmonikas u. s. w.

Seinem früheren Rückweg folgend erreichte v. der Decken in 14 Tagen den See Jipe, besuchte die Eisenminen in den westlich vom See sich erhebenden Ugono-Bergen, welche die meisten umwohnenden Völker mit Eisen versehen, und wandte sich dann westlich nach den Aruscha-Bergen. Damit war die Grenze des Masai - Gebiets erreicht, die Wamasai

1) Siehe .,Geogr. Mitth." 1863, S. 99, und Zeitschrift für Allgem. Erdkunde, N. F. XIV, S. 43.

« ZurückWeiter »