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Die neuesten Arbeiten über das Mammuth.

Das Vorkommen von gut konservirten Leichen elephantenähnlicher Thiere im ewig gefrorenen Boden Nord - Sibiriens hat von je her Naturforscher und Laien in Staunen gesetzt. Hielten sich die Gelehrten auch fern von der urwüchsigen Anschauung der Nomaden, die in jenen räthselhaften Thieren ungeheure unterirdische Wühlratten erkannten, deren Leben erlösche, sobald sie das Tageslicht erblickten, belächelten sie auch die Weisheit der Chinesen, die in dem Treiben dieser Wühlratten die Ursache der Erdbeben suchten, so waren sie doch nicht wenig in Verlegenheit und sind es im Wesentlichen noch, wie sie das Vorhandensein so gewaltiger Pflanzenfresser in den eisigen, pflanzenarmen Küstenländern des Polarmeeres erklären sollen. Früh schon wurde die Vermuthung ausgesprochen, dass Sibirien ehemals ein wärmeres Klima, also zur Zeit der Mammuthe auch in seinen nördlichen Theilen grosse Wälder gehabt habe, und diese Vermuthung, durch manches Anzeichen gestützt, bildete sich zu einer ziemlich allgemein verbreiteten Annahme aus, der viele erste Autoritäten beitraten. Schien doch die grosse Masse des zum Theil verkieselten und sogar zu Kohlenlagern umgewandelten Holzes in denselben Sibirischen Küstenstrichen deutlich auf das Bestehen von Wäldern in der Vorzeit hinzuweisen. Dagegen erhebt sich aber die gewichtige Stimme v. Middendorff's, der aus zahlreichen sorgfältigen Beobachtungen den Schluss zieht, dass jenes Holz, gewöhnlich Noah-Holz genannt, ohne Ausnahme Treib- und Schlemmholz ist, das seit Jahrtausenden aus dem südlichen Sibirien durch die Flüsse hinabgeführt wurde. Bei Gelegenheit seiner Beweisführung für ein langsames Emporsteigen der arktischen Küsten sagt er 1):,,Dafür sprechen unwiderleglich die Muscheln und Treibhölzer (Noah - Holz), welche dort hoch über der Meeresfläche gefunden werden. Noch bevor die jetzigen Nordküsten Sibiriens sich aus dem Meere erhoben, flössten die Sibirischen Ströme dieselben Holzarten und in derselben Weise wie heut zu Tage als Treibholz ins Meer; in diesem lebten aber schon damals und zwar ausschliesslich dieselben Muschelthiere, welche jetzt im Eismeere den Pol umgeben. Zur Zeit, als jenes Land sich hob, hatten sich folglich schon alle die klimatischen Eigenthümlichkeiten festgestellt, welche heut zu Tage Sibiriens Klima so wie dasjenige des Eismeeres charakterisiren, und es ist

1) v. Middendorff's Sibirische Reise, Bd. IV, Theil 1, S. 262. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft IX.

also völlig unzulässig, die Holzreste, welche man dort innerhalb des 71. Breitenkreises findet, als an Ort und Stelle in der Vorzeit emporgewachsen anzunehmen, wie Viele noch immer wollen." Auch an anderen Stellen seines ausgezeichneten Werkes und namentlich in Bezug auf die MammuthFrage wiederholt er, dass er keine Statt gehabte Veränderung des Sibirischen Klima's annehmen könne. Übrigens löst auch die Annahme eines ehemals bedeutend wärmeren Klima's das Räthsel keineswegs, denn wie wäre in diesem Fall die gute Erhaltung der Thierleichen zu erklären, die eben nur in ewig gefrorenem Boden möglich war? So plötzlich kann sich doch das Klima nicht geändert haben, dass die Leichen nicht Zeit zur Verwesung gehabt hätten. Nun hatten zwar die Mammuthe eine reichliche Behaarung und waren keineswegs wie die jetzigen Elephanten auf ein warmes Klima angewiesen, auch hat man zwischen den Zähnen der Rhinoceros-Leichen, die neben den Mammuthen in Sibirien vorkommen, Überreste von Tannennadeln gefunden, so dass wohl auch das Mammuth sich in Nadelwäldern erhalten haben könnte, aber was lieferte ihm in den Steppen weit jenseit der Baumgrenze die tägliche Nahrung? v. Middendorff vertritt die Ansicht, dass auch die Mammuth - Leichen aus südlicheren Gegenden hinabgeschwemmt wurden, aber wenn sie Hunderte von Meilen weit fortgewälzt worden, konnten sie dann so intakt und ausgezeichnet konservirt einfrieren? Und wie geschah dieses Einfrieren? Ist es wohl möglich, dass sie, wie Adams behauptete, mitten in riesigen kompakten Massen reinen Eises ihre Ruhestätte fanden und Tausende von Jahren blieben?

Solche Fragen und Zweifel können nur durch fernere Untersuchungen kompetenter Fachmänner zur Entscheidung kommen, ist doch bis jetzt noch keine Mammuth-Leiche von Sachkundigen geöffnet und ihr Mageninhalt untersucht, noch ihre Lagerstätte genau erforscht worden. Daher sprach

v. Middendorff 1860 in seinem Werke die ernste Mahnung aus, keine Gelegenheit zu solchen Untersuchungen wieder vorübergehen zu lassen, er hob namentlich die Verpflichtung Russlands gegenüber den Ansprüchen des geistigen Entwickelungsdranges im Menschengeschlechte hervor, dass Anstalten getroffen würden, um in Zukunft so unersetzliche Verluste für ein tieferes Eindringen in die Vorgänge der jüngsten Vergangenheit unseres Erdballes zu verhüten, zumal da auf diesem Wege Aufschluss gewonnen werden könnte

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über einen Zeitabschnitt, welcher das erste Auftreten des Menschen in sich begriff oder demselben kurz vorherging. Auf seinen Vorschlag erliess die Petersburger Akademie eine Bekanntmachung, dass sie für die rechtzeitige Anzeige vom Auffinden eines Mammuth dem Finder eine Prämie zahlen werde, und zwar für ein vollständiges Skelet (ohne Weichtheile) 100 bis 150 Rubel Silber und für Thiere mit der Haut und den Weichtheilen 300 Rubel Silber. Die Behörden wurden offiziell von dieser Bekanntmachung unterrichtet und aufgefordert, derartige Anzeigen sofort an die Akademie zu berichten, damit diese sogleich einen Naturforscher an Ort und Stelle abschicken könne.

Am Weihnachtsabend vorigen Jahres erhielt der Akademiker K. E. v. Baer von dem Bergbeamten Guläjew in Barnaul die briefliche Nachricht, dass in der Nähe der Tasow'schen Bucht (d. i. der Bucht des Tas), die in den Obischen Meerbusen mündet, von einem Jurack-Samojeden 1864 wieder ein vollständiges Mammuth mit der Haut aufgefunden sei. Der Jurack, der in der Tundra unfern der Tasow'schen Bucht seine verlaufenen Renthiere suchte, bemerkte ein aus dem Boden hervorragendes Horn (Hörner nennt der gemeine Sibiriak die Stosszähne des Mammuth). Da er sich dieses Horn zu verschaffen suchte, scharrte er, so viel er konnte, von der Erdmasse weg und erblickte den Kopf eines grossen Thieres. Der Jurack brach oder sägte den Stosszahn ab und schnitt, als Wahrzeichen, von der Wange des Thieres ein Stück Haut ab, welches er dem Dorfältesten von Dudinsk am Jenissei (1000 Werst unterhalb Turuchansk) übergab.

Der Brief machte verschiedene Personen namhaft, welche zum Wiederauffinden des Juracken und somit des Mammuth behülflich sein könnten, die Petersburger Akademie zögerte daher nicht, die nöthigen Einleitungen zur wissenschaftlichen Ausbeute dieses Fundes zu treffen, und fand in dem Magister Friedrich Schmidt, durch seine geologischen Forschungen im Amur - Land und auf der Insel Sachalin erprobt, eine in jeder Beziehung ungemein geeignete Persönlichkeit zur Lösung der Aufgabe. Seinen Instruktionen gemäss soll er das Mammuth aufsuchen, falls es noch gut erhalten ist, sorgfältig vor der Luft, den Raubtieren und Menschen schützen und die Mittel und Wege erkunden, wie es nach Petersburg transportirt werden könnte; der Transport würde dann die Aufgabe einer zweiten Expedition sein. Findet er es aber in einem bereits schon mitgenommenen Zustand, ganz entblösst, die inneren Theile stark in Verwesung übergegangen oder von Raubthieren zerfleischt, so soll er die Reste an Ort und Stelle anatomisch untersuchen, besonders auf den Inhalt der Verdauungsorgane achten und Skelet, Haut und was sonst noch möglich zurückbringen. Zugleich ist die Untersuchung der Lagerstätte eine Hauptaufgabe.

Schon am 12. Februar d. J. trat Schmidt seine Reise an, war am 24. März in Jenisseisk, von wo er einen Theil des oben erwähnten Hautstückes nach Petersburg schickte, wollte auf Winterwegen bis Ochotskoje (70° N. Br.) gelangen und dann nach Weggang des Schnee's das Mammuth aufsuchen.

Dieser energische Versuch, eine günstige Gelegenheit ohne Verzug wissenschaftlich auszubeuten, erscheint in unserer Zeit ganz natürlich und selbstverständlich, eben so wie sich um vulkanische Erscheinungen der Jetztzeit sofort ganze Reihen von Geologen sammeln, aber er verdient die grösste Anerkennung und glänzt in der That in hellem Lichte, wenn man bedenkt, dass er der erste seiner Art ist, wie sogleich näher begründet werden soll.

Veranlasst durch den neuen Fund und die Schmidt'sche Expedition haben K. E. v. Baer und der berühmte Zoolog und Akademiker J. F. Brandt im „,Bulletin de l'Académie des sciences de Saint-Pétersbourg" längere Abhandlungen über das Mammuth und die damit in Beziehung stehenden wissenschaftlichen Fragen veröffentlicht ). Indem wir aus beiden und zugleich aus dem betreffenden Abschnitt in v. Middendorff's Reisewerk einige Auszüge zusammenstellen, beginnen wir mit den früheren Funden grosser Pachydermen in Sibirien.

1. Konstatirte Fälle vom Auffinden ganzer MammuthLeichen u. s. w.

1. Der Bürgermeister Witsen zu Amsterdam, der schon im 17. Jahrhundert mit Eifer Nachrichten aus Sibirien sammelte, führt viele Fundorte von Mammuth-Zähnen an, erfuhr aber auch schon, dass zuweilen ganze Mammuthe sichtbar werden, die dunkelbraun sind und grossen Gestank verbreiten (Noord en Oost Tartarye, Ed. 1694, p. 413, Ed. 1707 et 1785, pp. 742-747).

2. Ysbrandt Ides, der 1692 bis 1695 als Gesandter Peter's des Grossen von St. Petersburg zu Land nach Peking und zurück reiste, liess sich von einem Menschen, der jährlich fossiles Elfenbein gesammelt hatte, erzählen, dass er ein Mal den Kopf eines Mammuth aus dem gefrorenen Boden vorragen gesehen und mit Hülfe einiger Leute abgeschnitten habe. Auch einen Fuss brachten sie hervor und nahmen ihn mit nach Turuchansk (Ysbrandt Ides' dreijährige Reise, Ausgabe von 1707, S. 56).

1) Neue Auffindung eines vollständigen Mammuths, mit der Haut und den Weichtheilen, im Eisboden Sibiriens, in der Nähe der Bucht des Tas. Von K. E. v. Baer (Bulletin etc. T. X, Nr. 2, pp. 230-296). Mit Abbildung des von Magister Schmidt überschickten Hautstückes.

Mittheilungen über die Gestalt und Unterscheidungs-Merkmale des Mammuth oder Mamont (Elephas primigenius). Von J. F. Brandt. (Bulletin etc. T. X, Nr. 1, pp. 94-118.) Mit einer kolorirten Abbildung des Mammuth, wie es wahrscheinlich ausgesehen hat.

3. Messerschmidt fand am Flusse Tom, südlich von Tomsk, ein nach seinem Urtheile vollständiges Skelet (Strahlenberg, S. 395).

4. Chariton Laptew, der unter der Kaiserin Anna (1739 bis 1743) die Nordküste Sibiriens bereiste, berichtet: Aus den Ufern einiger Flüsse der Tundra werden ganze MammuthThiere mit beiden Stosszähnen ausgegraben, mit dickem Fell, das Haar und der Leib aber sind verwest und die Knochen, mit Ausnahme der Stosszähne, sind morsch.

5. Im Dezember 1771 wurde ein Nashorn (Rhinoceros tichorinus) am Wiljui, etwa 40 Werst oberhalb der unteren Wiljuischen Simowie, in eingetretener Verwesung gefunden. Den Kopf und einen Fuss erhielt Pallas im März 1772 in Irkutsk und sie gehören noch jetzt zu den Zierden des Petersburger Zoologischen Kabinets. Leider hat Pallas den Fundort nicht besucht (Pallas' Reisen, III, S. 99; Brandt in Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg, 6e série, Sciences naturelles, T. V, 1849).

6. Als Lieutenant Sarytschew, Mitglied der Billings'schen Expedition nach Nordost-Sibirien, 1787 von Sredne-Kolymsk nach Jakutsk reiste, erzählte man ihm in Alaseisk, einer Niederlassung am Flusse Alaseja, dass etwa 100 Werst am genannten Fluss abwärts aus dem sandigen Ufer der Leichnam eines Thieres von der Grösse eines Elephanten zur Hälfte ausgewaschen sei; er sei in aufrechter Stellung, noch ganz unversehrt und mit seiner ganzen Haut bedeckt, an der sich stellenweis noch lange Haare befänden. Sarytschew glaubte den Abstecher zu dem Thiere nicht rechtfertigen zu können und gestattete auch seinem Begleiter Dr. Merk nicht, sich an Ort und Stelle zu begeben.

7. Um dieselbe Zeit oder wohl schon früher muss in der Gegend der Lena - Mündung ein Mammuth mit voller Behaarung gefunden sein, denn als das berühmte Adams'sche von dem Tungusen-Häuptlinge, der es zuerst nur sehr wenig entblösst gesehen hatte, ohne zu wissen, wofür es zu halten sei, im dritten Jahre für ein sehr grosses Thier mit Stosszähnen erkannt wurde, erklärten die alten Leute seines Stammes diesen Fund für eine schlimme Vorbedeutung, denn sie hätten von ihren Vätern gehört, dass zu ihrer Zeit ein Tunguse auch ein solches Thier gefunden habe, der aber bald darauf mit seiner ganzen Familie gestorben sei. Diese Ansicht von der schlimmen Vorbedeutung beunruhigte den neuen Finder so sehr, dass er gefährlich erkrankte. Gar mancher Fund dieser Art mag auch in neuerer Zeit vorgekommen sein, ohne dass eine Nachricht davon nach Europa gedrungen wäre.

8. Tilesius berichtet (Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg, 5 série, T. V), dass im J. 1805, als er mit der Krusenstern'schen Expedition zum dritten Mal nach Kamtschatka kam, Patapow, Kapitän eines Russischen Schiffes,

ihm erzählte, er habe selbst vor Kurzem an der Küste des Eismeeres ein Mammuth mit behaartem Fell gesehen. Tilesius erhielt von ihm einen Büschel dunkelbrauner Haare, die Patapow dem Thiere ausgerissen hatte, und schickte diesen Büschel an Blumenbach.

9. Wir kommen nun zu dem bei weitem berühmtesten Fund, der zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Mammuthe lenkte. Der Botaniker Adams erfuhr 1806 in Jakutsk, dass ein Tungusen-Häuptling bereits 1799 unfern der Lena-Mündung ein Mammuth mit Haut, Haaren und inneren Weichtheilen gefunden, in den folgenden Jahren wiederholt besucht und der Stosszähne beraubt habe. Er reiste nach dem Orte hin, fand aber das Thier nicht mehr in seiner ursprünglichen Lage, sondern aus dem hohen Uferrand auf eine Sandbank herabgeglitten und der Art von Raubthieren und den Hunden der Jakuten zerfleischt, dass wenig mehr als das nicht einmal vollständige Skelet und ein beträchtlicher Theil der Haut übrig waren. Obgleich also Adams zu spät kam und obgleich sein Bericht (Deutsch in Bertuch's Geogr. Ephemeriden, Bd. 25, SS. 257 ff.) vielfach unklar und wissenschaftlich durchaus ungenügend ist, so sind doch die von ihm nach Petersburg gebrachten und dort aufgestellten Reste die Hauptgrundlage unserer Kenntniss vom Mammuth.

10. und 11. Über zwei vorweltliche Thiergerippe auf der grossen Halbinsel, welche zwischen dem Karischen Meere und dem Obischen Busen sich weit nach Norden erstreckt, die ehemals unter dem Namen Jalmal bekannt war, jetzt aber nach Al. Schrenck Karachaiskaja Semlja heissen soll, erhielt der eben genannte Naturforscher auf seinen Reisen durch das Land der Samojeden im J. 1837 Nachricht (Bulletin scientifique de l'Académie, IV, 1838, pp. 1-4). v. Baer bemühte sich vergebens, diese Skelete aufsuchen und nach Petersburg bringen zu lassen, auch fand sich damals kein Naturforscher, der die besagte Halbinsel zu bereisen bereit gewesen wäre.

12. Das in Moskau aufgestellte Mammuth-Skelet, dem die hinteren Extremitäten fehlen, stammt von einem Thier, das 1839 unfern des Jenissei, nur 70 Werst vom Meere, zum Vorschein kam und dessen Überreste auf Veranlassung des Entomologen Motschulsky, der 1840 in Tobolsk davon hörte, 1842 nach Obdorsk und später nach Moskau transportirt wurden. Über seine Fundstätte bestehen übrigens noch Zweifel.

13. Im Sommer 1843 fand v. Middendorff die Reste eines Mammuth unter 75° N. Br. in der Nähe des Flusses Taimyr, nur 50 Werst vom Eismeer. Die Weichtheile waren schon ganz verwest und die Knochen durchweicht. Das Thier soll kaum mehr als halbwüchsig gewesen sein. Nur in diesem Falle wurde die Lagerstätte genauer unter

sucht. Zwar hat man auch im Jahre 1846 bei Moskau ein Mammuth-Skelet ausgegraben und die geologische Beschaffenheit der Lokalität beschrieben, es waren das aber nur Knochen ohne jeden Zusammenhang und ohne Spur von Weichtheilen, also nicht eigentlich hierher zu rechnen.

14. Ein Mammuth soll in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts im Jakutsker Kreise sichtbar geworden sein und von ihm soll der nach Irkutsk geschickte Fuss hergerührt haben, den Leop. v. Schrenck daselbst sah (Brandt, Mittheilungen über die Naturgeschichte des Mammuth, S. 40; Bulletin de l'Académie, T. X, p. 118).

15. Nach Erkundigungen des Arztes Golubew, der längere Zeit in Jakutsk prakticirte, zeigte sich 1862 oder frühestens 1860 am Ufer des Wiljui, nicht weit von seiner Einmündung in die Lena, aus dem ausgewaschenen Ufer ein grosses, mit Haut bedecktes Thier.

16. Das letzte Beispiel ist das oben erwähnte, im J. 1864 unfern der Tasow'schen Bucht aufgefundene.

Wir sehen also (sagt v. Middendorff), dass trotz der grossen Armuth an älteren Nachrichten über Sibirien sich dennoch 5 bis 6 verschiedene Exemplare von vorweltlichen Riesenthieren nachweisen lassen, welche im Laufe von kaum anderthalb Jahrhunderten mit wohl erhaltenen Weichtheilen, geschweige denn mit Spuren derselben, aus dem Eisboden hervorgetaucht und darauf in Verwesung übergegangen sind. Wir dürfen annehmen, dass, wenn auch wahrscheinlich viel öfter, doch zum wenigsten durchschnittlich eine dieser wunderbaren Leichen in je 30 Jahren zum Vorschein kommt. Wollen wir die Fälle, in denen das Vorhandensein zersetzter Weichtheile als Umgebung der gefundenen Knochengerüste sich hätte nachweisen lassen, hinzuzählen, so ist es wahrscheinlich, dass schon Hunderte dieser Zeugen vorzeitlicher Zustände unseres Erdballes, in mehr oder weniger vollständigem Zustande, an das Tageslicht gekommen und entweder wiederum verschüttet oder in die Knochensammlungen unserer Museen gewandert sind, ohne dass die Verhältnisse ihrer Lagerungsweise genauer untersucht worden.

2. Vormalige Verbreitung und Häufigkeit der Mammuthe.

Nach K. E. v. Baer.

Die mit den Weichtheilen erhaltenen Thiere und die vollständigen Skelete, die hie und da gefunden werden, sind nur vereinzelte Erscheinungen im Vergleich zu der Masse der Knochen und Zähne von Mammuthen, die in den arktischen Gegenden Sibiriens vorkommen. Nur in der Tiefe des immer gefrorenen Bodens können die Leiber sich erhalten haben und wie viele da noch stecken, kann Niemand sagen. Ohne Zweifel sind der isolirten Knochen und der ganzen Leiber zusammen mehr, als eine einzelne Generation

gegeben haben kann. Schon deshalb ist nicht daran zu denken, dass eine einzelne grosse Fluth diese Kolosse der Vorwelt vernichtet habe.

Bekanntlich sind die Mammuthreste auch in Europa weit verbreitet, meistens in vereinzelten Knochen, seltener in Skeleten vorkommend. Im Europäischen Russland hat man sie vom Petschora-Lande bis zum Kaspischen Meere gefunden. In Asien ist der südlichste Punkt, den Pallas aufführt, die Gegend des Syr Darja (Jaxartes), von wo die Kaufleute zuweilen Mammuthzähne nach Sibirien bringen. Ob aber diese von derselben Species kommen wie die Sibirischen, ist zweifelhaft geworden, seitdem Falconer mehrere Arten von fossilen Elephanten in Indien aufgefunden hat. Im westlichen Europa sind die Mammuthreste auch weit verbreitet, vom südlichen Schweden und Island bis nach Italien. Doch auch hier ist die Identität der Species zweifelhaft geworden, da man in neuester Zeit drei Arten unterscheiden will, Elephas primigenius, antiquus und meridionalis. Die Italischen scheinen besonders dieser letzteren anzugehören, auch wohl ein Theil der Süd-Französischen.

Aber in den nördlichsten Gegenden Sibiriens finden sich, wie es scheint, die meisten Reste von dem vorweltlichen Elephanten. Jetzt wenigstens, muss man hinzusetzen, denn da das südliche Sibirien schon seit sehr langer Zeit bewohnt gewesen sein mag, wäre es auch möglich, dass hier die Stosszähne schon seit eben so langer Zeit gesammelt sind, indem das gegrabene Elfenbein (Ebur fossile) ein alter Handelsartikel war. Schon Theophrast, ein Zeitgenosse Alexander's des Grossen, erwähnt des gegrabenen Elfenbeins in seinem Buche von den Steinen. Die eigentlichen Knochen könnten zu allerlei Zwecken benutzt oder durch die Zeit aufgelöst sein. Selten sind aber auch jetzt die ElephantenReste, Knochen, Stoss- und Backenzähne, im südlichen Sibirien nicht. Nach Pallas sind sie besonders häufig am Irtysch. Aber ein besonderes Gewerbe bildet das Suchen des fossilen Elfenbeins im südlichen Sibirien nicht und alle Personen, welche sich anhaltend mit der Naturgeschichte Sibiriens beschäftigt haben, wie Strahlenberg, Pallas, Hedenström, Wrangell, Middendorff, sprechen mit Verwunderung von der Menge von Mammuthresten in den nördlichsten Gegenden Sibiriens, besonders auf den Inseln des Eismeeres. Der südliche Abhang der vierten Bären-Insel (nördlich von der Kolyma) besteht nach dem Ausdruck Wrangell's aus Hügeln, die mit Mammuthknochen angefüllt sind. Am berühmtesten sind in dieser Hinsicht wohl die Ljächow'schen Inseln, nördlich von Swätoi Noss, zwischen den Mündungen der Jana und Indigirka, unter circa 74° N. Br. gelegen, die ihren Namen von einem Sibirischen Kaufmann Ljächow haben, welcher um das Jahr 1770 hier das fossile Elfenbein zu sammeln begann und sich dadurch bereicherte, dass er

sich ein Privilegium auf das ausschliessliche Recht zum Sammeln von Mammuthzähnen auf denselben erwirkte. Nach dem Ausdruck von Sannikow, der mehrmals hier war, scheint der Boden der ersten Ljächow'schen Insel fast aus fossilen Knochen zu bestehen und von ihr geht eine Sandbank aus, die nach jedem Sturme neue Reste zeigt, woraus er schliesst, dass auch der Meeresboden in dieser Gegend voll Mammuthzähne sein muss. Auf einer dieser Inseln ist ein Landsee mit hohen Ufern, die stellenweise während des Sommers einstürzen, wenn ihr Boden - Eis von der Sonne aufgethaut ist. Dadurch sollen ganze Haufen gut erhaltenen Elfenbeins mit Knochen von Mammuthen, Nashörnern und mächtigen Büffeln (vielleicht Moschus-Ochsen) sichtbar werden. Das Elfenbein, sagt Pallas, ist zum Theil so frisch und weiss, als ob es aus Afrika gebracht wäre. Aber auch auf den übrigen Theilen der Insel sah man Knochen und Stosszähne hervorragen. Ljächow setzte seine Expeditionen nach diesen Inseln viele Jahre fort und baute Hütten und ein Magazin für die Leute, die er während des Sommers da liess. Pallas, der zuerst die Nachrichten über diese Inseln der Öffentlichkeit übergab, schliesst mit Erstaunen und Verwunderung über den Vorrath von Resten grosser Thiere in so hohem Norden (Neueste nordische Beiträge, Bd. III, 1796).

Pallas kannte noch nicht die Gruppe grosser Inseln, welche nördlich von der Ljächow'schen im Eismeer liegen und die jetzt unter dem Namen von Neu-Sibirien bekannt sind 1). Sie wurden zum Theil schon von Ljächow's Leuten entdeckt, dieser hielt aber die Entdeckung geheim. Ein anderer Spekulant hatte sich später auf diese viel grösseren Inseln ein Privilegium geben lassen. Auch von ihm würden wir Nichts weiter erfahren haben, wenn nicht der Graf Rumänzow Herrn Hedenström mit mehreren Begleitern, bei denen auch Sannikow war, dahin gesendet hätte und wenn nicht die Regierung später diese Inselgruppe durch den Lieutenant Anjou hätte geodätisch aufnehmen lassen. Durch Hedenström und besonders seinen Begleiter Sannikow erfuhr man, dass diese Inseln sehr reich an Resten vorweltlicher Thiere, auch bituminösen und anderen zum Theil sehr alten Baumstämmen sind, die in Massen aufgehäuft liegen. Ausser Mammuth-Resten will man hier, besonders auf Kotelnoi, Köpfe von Schafen, Rindern und Pferden in ganzen Haufen gesehen haben, so als ob hier, wie der Berichterstatter

1) Jetzt pflegt man die drei grossen Inseln Kotelnoi, Fadejewskoi und die östlichste, die ursprünglich allein Neu-Sibirien hiess, zusammen die Gruppe von Neu-Sibirien zu nennen. Allein die westlichste derselben, Kotelnoi oder die Kessel-Insel, wurde von Ljächow schon anhaltend ausgebeutet und zu der nach ihm benannten Gruppe gerechnet. Dadurch sind die Berichte etwas verwirrt geworden und jener Elfenbein liefernde See liegt in dieser Insel. Nur die östlichste dieser Inseln heisst Neu-Sibirien im engeren Sinn. Hedenström versichert, dass er auf der letzteren im Bereich einer Werst wohl 10 Mammuthzähne aus dem Boden habe vorragen gesehen. v. Baer.

Sannikow meint, grosse Heerden von diesen Hausthieren gelebt hätten. Leider ist diese Inselgruppe nie von einem Naturforscher besucht worden und man kann daher nicht wissen, was diese Herren dort gesehen haben, ob die Rinderköpfe dem Moschus-Ochsen oder vielleicht einer untergegangenen Art, die Schafsschädel dem Sibirischen Bergschaf (Ovis nivicola) angehört haben und die Pferdeköpfe etwa die von Nashörnern oder von einer Pferdeart sind. Nur so viel scheint sicher, dass hier grosse Massen von Resten untergegangener Thiere zusammenliegen. Im Jahre 1821 soll ein Elfenbein-Sucher aus Irkutsk 20.000 Pfund Elfenbein in der Neu-Sibirischen Inselgruppe gesammelt haben, obgleich schon Sannikow im J. 1809 daselbst 250 Pud oder 10.000 Pfund zusammengebracht hatte und in der Zwischenzeit das Einsammeln fortgegangen war. Wie wünschenswerth, dass ein junger Naturforscher sich entschlösse, die kühne Reise nach dieser Inselgruppe zu unternehmen! Nur durch einen Naturforscher würde man erfahren, von welchen Thieren fossile Reste hier vorkommen 1).

Aber auch abgesehen von diesen Inseln ist der Nordrand von Sibirien dafür berühmt, dass die Flüsse häufig MammuthReste aus ihren Ufern auswaschen, wie auch das Meer aus den seinigen. Die Mündung der Chatanga, die nördlichste von allen, ist der Sage nach am freigebigsten, aber auch der nordöstlichste Winkel von Sibirien, von dem man es am wenigsten erwarten sollte, wenn man die Mammuthe von Süden hergeschwemmt glaubt, bringt jährlich eine Quantität Mammuthzähne in den Handel, die beiden Anjui, Zuflüsse der Kolyma, sollen nach Matjuschkin reich an fossilen Knochen in ihren Ufern sein. Es ist nicht nur die Meinung der oben genannten Kenner Sibiriens, dass je weiter nach Norden um so mehr die Zahl der gefundenen Stosszähne vom Mammuth zunimmt, sondern es ist bekannt, dass hier allein das Suchen derselben ein Gewerbe ist. Die übrigen Knochen achtet man wenig, doch werden sie nicht selten zur Feuerung benutzt, wenn sie noch Fett in sich enthalten, oder zu allerlei Hausbedarf. Jene Ansicht von der Zunahme nach Norden, welche schon Pallas aufgestellt hat, erhält besonders dadurch Gewicht, dass die Quantität des in den Handel gebrachten fossilen Elfenbeins nicht abnimmt, wenn es nicht in der neuesten Zeit geschehen sein sollte. Jährlich kommen nach v. Middendorff's Schätzung über 40.000 Pf. fossiles Elfenbein aus Nord-Sibirien in den Handel und diese Schätzung scheint absichtlich auf das möglichst geringste Maass beschränkt, da v. Middendorff selbst anführt, dass in den speziellen Angaben über die jährliche Zufuhr nach Jakutsk von 1825 bis 1831 kein Jahr

1) Hedenström hatte keine naturhistorischen Kenntnisse. Die Schädel und Hörner des Rhinoceros hielt er für Schädel und Klauen riesiger Vögel.

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