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Steinwüste ist. Rechts und links haben wir kleine Hügel, die Gegend ist überhaupt wellenförmig. Um 2 Uhr kommen wir in das Land Gafgaf, das jedoch von Ibtat durch nichts Bemerkenswerthes, als Hügel oder einen l'Ued, abgeschieden ist, sondern die Tuareg sagen mir bloss, von hier an heisse das Land vor uns Gafgaf. Immer in der am Morgen eingeschlagenen Richtung bleibend sehen wir um 3 Uhr in gerader Ostrichtung den Areg von Timellulin vor uns und zur Rechten im Süden, etwa 30 Kilometer entfernt, erscheinen die Gipfel der Berge Inadani. Um 4 Uhr lagern wir in einem kleinen l'Ued des Landes Gafgaf.

Am folgenden Tag konnten wir um 73 Uhr in der Richtung von 75° aufbrechen, die Kälte war jedoch so heftig (wir hatten vor Sonnenaufgang -2° gehabt), dass an Reiten nicht zu denken war. Nach 1 Stunde eröffnet sich nach Süden zu die Aussicht auf das Land der Asgar, die Berge von Tahala, von denen der uns nächste Djebel Hofan genannt wird. In Südosten erblicken wir auf eine Entfernung von 20 Kilometer das Plateau Tinedodo (Tinedaud). Von 10 Uhr an halten wir uns in gerader Nordostrichtung und erreichen um 12 Uhr ein Gewirr von Kalkhügeln, das im Besonderen noch den Namen Gafgaf führt. Um 1 Uhr haben wir 4 Kilometer entfernt den Areg und Hassi Timellulin in gerader Südrichtung von uns. Wir biegen nun in der Richtung von 75° um und behalten dieselbe bei, bis wir um 4 Uhr in einem grossen Thale von kesselartiger Form, Tintedda genannt, kampiren.

Am 25. November halten wir die Richtung von 65° und setzen uns um 8 Uhr in Bewegung. Wir sind fortwährend in einer steinigen, wellenförmigen Ebene, um 12 Uhr erblicken wir einen wallartigen Berg zu unserer Rechten, Djebel Tintedda, er liegt in gerader Südrichtung von uns. Um 1 Uhr erreichen wir den Hassi Tefoschain, in einem kesselartigen Thale liegend. Wir kampiren in der frohen. Aussicht, dass diess der letzte Brunnen ist, den wir zu passiren haben, dass wir also hoffen können, bald ans Ziel zu kommen. Das Wasser des hiesigen Brunnens ist jedoch äusserst schlecht und da meine Schläuche theils noch von Temassanin, theils vom l'Ued n-Eidi aus angefüllt waren, so hatte ich gar nicht nöthig, hier Wasser einzunehmen.

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Am folgenden Morgen treten wir unseren Marsch in der Richtung von 10° an, behalten dieselbe bei, bis wir den Djebel Imsolauan erreichen, der von Tefoschain ausgehend einen grossen Bogen von Süden durch Osten nach Norden beschreibt und an dessen Nordkap wir um 10 Uhr anlangen. Von hier an halten wir den ganzen Tag gerade Nordostrichtung. Um 1 Uhr passiren wir einen Arm des l'Ued Imsolauan, der von Süden kommend sich in dem nördlichen, von Abiod bis Rhadames die Hammada begrenzenden Areg verliert. Im Süden haben wir dann fortwährend auf Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft I.

10 Kilometer Entfernung ein etwa 50 Fuss hohes Ufer, mit uns in derselben Richtung verlaufend und auch hier den Namen Imsolauan führend. Um 5 Uhr erreichen wir den l'Ued Imsolauan und lagern dort.

Am 27. November brechen wir um 7 Uhr in derselben Richtung auf wie am vorigen Tage. Wir ersteigen das Ufer des Imsolauan und befinden uns auf einer Hammada. Um 8 Uhr erreichen wir den l'Ued Timisit, der von Süden kommend hier eine bedeutende Breite hat und sich in den unfernen Areg Tinraless ergiesst. Um 10 Uhr erreichen wir den l'Ued Imoleï, der ebenfalls von Süden kommend sich in denselben Areg ergiesst. Dicht hinter dem l'Ued kreuzen wir oder vielmehr vereinigen wir uns mit dem Hauptweg, der von Rhat kommt und nach Rhadames geht. Die Gegend hat hier einen zerrissenen Charakter, als ob man überall Wälle und Verschanzungen durch einander geschoben hätte. Um 11 Uhr passiren wir eine Art Sebcha, von hinlänglich hohen Ufern eingeschlossen; wir ersteigen das nordöstliche um 121 Uhr und haben eine mit grossen Steinen bedeckte Hammada vor uns. Im Norden erblicken wir die Sanddünen, nach allen anderen Seiten jedoch eine Aussicht ohne Ende. Um 4 Uhr erreichen wir den l'Ued Djennebri, der, von Süden kommend, sich mit dem Imoleï vereinigt in die Dünen ergiesst. Um 7 Uhr Abends kampiren wir im l'Ued Markssenn, der wie alle von Süden kommend sich in den Areg Ssuff ergiesst.

Am 28. November endlich, also 30 Tage, nachdem wir von Ain-Salah abgereist waren, durften wir hoffen, Rhadames zu erreichen und von dem einmonatlichen Kameelritt ausruhen zu können. Ohne jegliche Bekanntschaft in Rhadames, ohne einen Empfehlungsbrief (denn mein Plan war, von Ain-Salah aus nach Timbuktu und nicht nach Tripoli zu gehen) musste ich darauf bedacht sein, mir Quartier zu verschaffen. Ich hatte in Erfahrung gebracht, dass fast alle Bewohner dieser Stadt Fkra (Plural von Fakir) Muley Thaib's von Uesan seien und dass sich zwei Intendanten Sidi el-Hadj-Absalom's in der Stadt befänden. Ehe wir aufbrachen, schickte ich also meinen Diener voraus und liess mich bei dem Intendanten Omar als Arzt Sidi el-HadjAbsalom's anmelden und befahl ihm, mir in der Moschee der Sauia Muley Thaib selbst Quartier zu machen. Ich that diess aus dem Grunde, um den Rhadameser Kaufleuten, die man in Sudan, Timbuktu u. s. w. überall antrifft, dadurch zu zeigen, dass ich wirklich Gläubiger sei, denn von allen in der Wüste wohnenden Völkern sind die Rhadameser gegen Christen am misstrauischsten, obgleich sie sich natürlich in der Stadt unter Türkischem Kommando nicht rühren können. Sei diess Misstrauen nun Folge des religiösen Fanatismus oder der Besorgniss um ihr HandelsMonopol denn sie sagen sich: Falls ein Mal die Christen

ungehindert nach dem Sudan gehen können, so sind es nicht wir, welche die Waaren von dort herbringen, sondern sie selbst werden sie holen, genug, ich dachte, für meine Rückkehr sei es gut, diesen Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Wir selbst brachen um 9 Uhr auf und erblickten in gerader Ostrichtung nach einer halben Stunde das kleine. weisse Fort, das die Türken in den letzten Jahren auf einer Westanhöhe vor der Stadt errichtet haben. Wir passiren mehrere Sebcha, um 12 Uhr Sebcha Boka, und nachdem wir das Ufer erstiegen, sehen wir nördlich von dem hohen Berge, der uns die Aussicht auf Rhadames selbst abschneidet, den Rand des Palmengartens, der die Stadt umgiebt. Schon kommen uns die Leute entgegen, die ihre Verwandten begrüssen wollten; die Leute unserer Karawane hatten alle ihre besten Kleider angezogen, Freudenschüsse wurden wechselseitig abgefeuert und um 2 Uhr hielten wir vor den Thoren der Stadt, dicht bei den Ruinen eines alten Römischen Gebäudes, inmitten von Tuareg-Zelten und Tuareg - Hütten. Ich fand daselbst schon die Leute des Intendanten mit meinem Diener und dieselben führten mich in die Sauia Muley Thaib.

Rhadames, den 5. Dezember. So habe ich denn etwas ausruhen können, obgleich an Bequemlichkeit in dieser Wüstenstadt, die wie eine Insel mitten im Meere hier in der Hammada liegt, nicht zu denken ist. Das alte Cydamus der Römer muss schon zu ihrer Zeit eine bedeutende Stadt gewesen sein, jedoch suche ich mir vergebens die Ursache zu erklären, warum dieselben so weit in die Wüste drangen, da die Stadt, vollkommen isolirt von allen bewohnten Gegenden, keine Bedeutung als strategischer Punkt haben kann. Oder sollte der Handel die Römer hierher gelockt haben? Das ist auch wohl kaum anzunehmen, da zu jener Zeit eine kommerzielle Verbindung mit dem Sudan durch die Wüste wohl selten oder noch gar nicht Statt fand.

Die Moscheen ruhen, wie ich mich selbst überzeugen konnte, inwendig sämmtlich auf Römischen Säulen, die jedoch ohne Ordnung durch einander aufgestellt sind, hier eine Dorische neben einer Korinthischen, dort eine Ionische neben einer Dorischen u. s. w.

Da Rhadames hinlänglich beschrieben worden ist, will ich nur so viel bemerken, dass jetzt eine kleine Türkische Garnison sich in Rhadames befindet. Als die Franzosen unlängst mit grossem Gepränge nach Rhadames kamen, um den Vertrag mit den Tuareg abzuschliessen, glaubten die Einwohner, sie hätten die Absicht, sich der Stadt zu bemächtigen, und baten deshalb selbst das Türkische Gouvernement, ihnen eine Garnison zu schicken. Die Türkische Oberherrschaft ist selbst erst seit ungefähr 20 Jahren in Rhadames etablirt. Früher war der Ort unabhängig und da gab es denn häufig Krieg unter den verschiedenen Parteien in der Stadt. Sie ist sehr bevölkert und die Bewohnerzahl wächst noch immer; da nun die Leute nicht in die Gärten hinein bauen wollen, da sie eben nicht zu viel brauchbares Land besitzen, so sind die Häuser sehr hoch und die engen Strassen überbaut, so dass man am hellen Tage Mühe hat, darin herumzugehen. Die Stadt bezahlt als Abgabe dem Türkischen Gouvernement 35.000 Duro oder 175.000 Francs jährlich. In der Regel befehligt ein Bascha die Stadt, zu meiner Zeit jedoch war derselbe in Tripoli und sein Stellvertreter, der Hakem Hamed-Effendi, besorgte die Verwaltung. Ich war mehrere Male bei ihm und muss sagen, dass er mich stets sehr artig empfing.

Es ist dieser Tage die Nachricht hier eingetroffen, dass die Schaamba und Bewohner von Ssuff vereint nach Tidi! kelt aufgebrochen sind, um sich für den neulichen Einfall der Uled Bu-Humo zu rächen; gut, dass unsere Karawane ihnen nicht in die Hände gefallen ist, denn die hätten uns wohl schwerlich passiren lassen.

Arktische Korrespondenz:

Auszüge aus Briefen gewichtiger Gewährsmänner an A. Petermann über die Geographie und Erforschung der arktischen Central-Region.

Unsere Betheiligung an der Nordpol-Frage ist nicht sowohl die einer Agitation für eine neue Expedition, sondern überhaupt die möglichst gründliche und nachhaltige Erörterung derselben als eines Gegenstandes von grosser geographischer Wichtigkeit an und für sich. Die jetzige thatkräftige, mit Riesenschritten fortschreitende Zeit bringt es entschieden mit sich, dass bei Vielen der lebhafte Wunsch

rege wird, die Erörterung und Förderung solcher Fragen und Probleme nicht bloss auf die Studirstube zu beschränken, sondern sie durch wirklich neue Forschungen und Untersuchungen, durch express zu dem Endzweck ausgerüstete Expeditionen, einen Schritt weiter zu bringen.

Es kann der Wissenschaft ganz gleichgültig sein, wer den Ruhm neuer Entdeckungen erringt, welche Nation Er

forschungs-Expeditionen ausrüstet und Entdeckungs-Reisende aussendet. Ob daher eine Englische oder Deutsche, eine Schwedische oder Amerikanische Expedition zuerst den Nordpol erreicht, kann für den Geographen einerlei sein, wenn eine solche Erforschungs-Expedition nur überhaupt den heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen und Anforderungen gebührend Rechnung trägt.

Wir haben mehr als ein Mal unsere Überzeugung dahin ausgesprochen, dass die Engländer für polare Expeditionen. unter allen Nationen am besten eingerichtet sind und die meiste Erfahrung erlangt haben. Das steht aber dem nicht entgegen, dass nicht auch andere Nationen an solchen glorreichen und in seemännischer und kulturhistorischer Beziehung wichtigen Unternehmungen Theil haben können. Es war vielleicht ein allzu kühner Gedanke, dass sogar wir Deutsche uns an diesen Expeditionen betheiligen könnten, aber die Erfahrung besonders der letzten 15 Jahre hat gezeigt, dass der gute Wille und ein wenig Energie viel vermag, selbst unter ungünstigen äusseren Verhältnissen. Was hat nicht Heinrich Barth für eine Bagatelle von 10.000 Thlr. auf dem Felde der Erdkunde geleistet! denn so viel kostete Alles zusammen seine ganze grosse sechsjährige Afrikanische Reise. Was hat nicht, sogar mit einer Summe von 600 Thlr., Gerhard Rohlfs geleistet, indem er ganz Marokko durchschnitt, den Hohen Atlas passirte und Tuat erreichte, das die Franzosen mit allen ihren Armeen nicht erreichen konnten!

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Mit der langen glänzenden Reihe Afrikanischer Reisender von Heinrich Barth bis Gerhard Rohlfs sind wir Deutsche erst recht eigentlich eingetreten in die Reihe derjenigen Nationen, die sich den Ruhm der Entdeckung und Erforschung unseres Erdballes zu erringen gewohnt sind. Bei allen diesen Entdeckungs-Reisen, an deren Zustandekommen wir einen gewissen Antheil haben, war uns die Förderung der geographischen Wissenschaft auf alle nur mögliche Weise das stete und alleinige Ziel, durch vorbereitende und orientirende Arbeiten wie durch die Ausarbeitung oder Drucklegung der Endresultate der Expeditionen selbst. Bei Gelegenheit der Deutschen Expedition nach Afrika beispielsweise nahmen wir die gründliche und erschöpfende kartographische Verarbeitung Inner-Afrika's. in Angriff, was ohne eine solche Veranlassung bis jetzt unterblieben wäre. Ein grosser Theil des Kontinentes vom Litoral des Mittelmeeres im Norden bis weit über den Äquator nach Congo und Cazembe im Süden, von Chartum und dem ganzen Nilstrom im Osten bis zum Tsad-See im Westen wurde auf diese Weise zum ersten Mal speziell und nach den Quellen dargestellt 1). Solche Arbeiten bilden gerade

1) S. die 10-Blatt-Karte von Inner-Afrika und die dazu gehörigen Abhandlungen im 2. Ergänzungs-Bande der ,,Geogr. Mitth."

zum Weiterbau der Geographie eine fast unentbehrliche Basis und ein bequemes, nützliches Hülfsmittel nicht bloss für die Freunde dieser Wissenschaft zu Hause, sondern ganz besonders für die neuen Forschungs-Reisen selbst.

Ganz eben so sehen wir die Nordpol-Frage an. Wir werden suchen, das bisher auf diesem Felde Geleistete allmählich zusammenzustellen und zu verarbeiten, so weit unsere Kräfte, Gelegenheit und Zeit es gestatten, hierbei unbekümmert darum, ob und wie bald eine neue Expedition ausgehen wird oder nicht, und woher und von wem dieselbe kommen wird ). Eine eingehende Erörterung der geographischen Ergebnisse der bisherigen arktischen Forschungen thut auch wirklich noth, da mit Ausnahme des Middendorff'schen Werkes über das Taimyr-Land noch wenig in dieser Richtung geschehen ist.

Zu den Anfängen dieser beabsichtigten Arbeiten, welche wir im vergangenen Jahre brachten 2), gehören, gewissermaassen als Nachschrift, die nachfolgenden Auszüge aus einigen Briefen einer umfangreichen Korrespondenz, deren Abdruck uns als eine Pflicht erscheint gegen die Sache selbst, wie gegen die betreffenden Korrespondenten, welche die Güte hatten, uns mit diesen Mittheilungen ihrer Erfahrungen und Beobachtungen, ihrer Ansichten und Rathschläge zu erfreuen. Sie sind zum Theil auch Belege für bereits ausgesprochene Angaben und Annahmen und enthalten manche werthvolle Daten, deren weiteres Bekanntwerden in dem Wortlaut der Briefsteller selbst erwünscht scheint.

1) Wir freuen uns, dass auch Herr Prof. W. Koner in der ,,Zeitschrift für Erdkunde" (Dezbr. 1865, S. 428 ff.) angefangen hat, werthvolle, der Vergessenheit anheim gefallene Nachrichten über die arktischen Regionen zu publiciren.

2),,Geogr. Mitth." 1865, Heft III. (Die projektirte Englische Expedition nach dem Nordpol: Osborn's Plan, Petermann's Plan.) Desgl. Heft IV. (Die Eisverhältnisse in den Polar - Meeren und die Möglichkeit des Vordringens in Schiffen bis zu den höchsten Breiten.) Mit 5 Kärtchen.

(Der Nordpol und Südpol, die Wichtigkeit ihrer Erforschung in geographischer und kulturhistorischer Beziehung. Mit Bemerkungen über die Strömungen der Polar-Meere, den Golfstrom, den Walfischfang und die Elfenbeinlager im arktischen Meere.) Mit Karte.

Desgl. Heft V. (Blomstrand, Die reichen Steinkohlenlager in Spitzbergen, entdeckt von der Schwedischen Expedition.) Mit Plan. Desgl. Heft X. (Die Nordpol-Frage und die Wiener Geographische Gesellschaft.)

Desgl. Heft XI. (Die Deutsche Nordfahrt, Stimmen für und wider.) Desgl. Heft XII. (Aphorismen über die projektirte Deutsche Nordfahrt.) Desgl. Erg.-Heft XVI. (Die Erforschung der arktischen Central

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I. Zur Geographie der arktischen Regionen.

1. Die Französische Expedition bei Spitzbergen im J. 1839. Beobachtungen über das Polareis daselbst 1).,,Mit grossem Interesse lese ich Ihre Aufsätze über den Nordpol und die besten Mittel, ihn zu erreichen. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Spitzbergen's Meer ist der rechte Weg. Im J. 1839 war ich mit der Recherche unter dem 80° N. Br. und wir sahen kaum einige verirrte Eisschollen. Mit einem Schraubendampfer wäre es vielleicht gelungen, aber die Recherche war ein Segelschiff, nur vorn gepanzert, und der Kapitän wagte es nicht."

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2. Russische Beobachtungen und Ansichten über das Eismeer. Eine Portugiesische Expedition unter David Melguer soll im J. 1660 auf einer Reise von Japan nach Portugal über den Nordpol und das ganze Polarmeer von der BeringStrasse nach Spitzbergen gesegelt sein 2). Es hat mich ungemein gefreut zu sehen, dass Sie, Herr Doktor, Ihre Aufmerksamkeit auf die Meeresströmungen gerichtet haben, die, so viel es mir scheint, im Eismeere eine bei weitem grössere Rolle spielen, als man gewöhnlich annimmt, indem die Zugänglichkeit der verschiedenen Meerestheile hauptsächlich durch sie bedingt ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine starke nach Süden gewandte Strömung das Eis an die Sibirische Küste drängt, während das Meer im Norden offen ist. Es frägt sich nun, ob diese yon Norden her an die Küste prallende Strömung nach Osten oder Westen abgelenkt wird. Zum Theil hängt das gewiss von der Gestaltung der Küsten ab, und sowohl Saritschef als auch Wrangel geben zuweilen westliche und zuweilen östliche Strömungen an; doch darf man den Um

1) Aus einem Schreiben des Prof. Ch. Martins, Direktors des Botanischen Gartens in Montpellier, d. d. 20. Juni 1865. Prof. Martins

ist einer der gründlichsten Kenner des Hohen Nordens und einer der verdientesten Gelehrten der Gegenwart; seinem Hauptfach nach Botaniker, hat er das Pflanzenleben auch in Verbindung mit der Meteorologie und geologischen Beschaffenheit des Bodens studirt und eine grosse Reihe wichtiger, in selbstständigen Werken wie in wissenschaftlichen Transaktionen zerstreuter Arbeiten und Abhandlungen botanischen, meteorologischen, geologischen und überhaupt geographisch - physikalischen Inhaltes publicirt. Als die Erforschung der polaren Regionen im vorigen Jahre angeregt wurde, war er einer der Ersten, die dieses Werk auf alle Weise zu fördern suchten, indem er z. B. öffentlich seine warme Fürsprache dafür einlegte und mehrere treffliche Aufsätze schrieb (s.,,Geogr. Mitth." 1865, S. 400), auch so eben wieder, in der ,,Revue des deux Mondes" vom 15. Januar, die ganze Angelegenheit eingehend beleuchtet und befürwortet hat. Wenn in einer Notiz über jene eben citirte Aufsätze (ebendas. S. 400) erwähnt wurde, dass die von ihm für Spitzbergen für alle Monate des Jahres berechneten Temperaturen keine Glaubwürdigkeit verdienten, so soll das nicht ihm zur Last gelegt sein, sondern nur den kläglichen Standpunkt unserer wirklichen erfahrungsmässigen Kenntniss dieser Verhältnisse bezeichnen, die bloss aus vier Monaten unzureichende meteorologische Beobachtungen an Ort und Stelle aufzuweisen hat.

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2) Aus einem Schreiben des Kais. Russ. Kapitäns Baron N. Schilling (d. d. Staraja Russa, 2. [14.] Juli 1865), eines der tüchtigsten der jüngeren Russischen Seeoffiziere, der das Eismeer aus eigener Erfahrung kennt und eingehende wissenschaftliche Untersuchungen und Studien gemacht hat.

stand nicht unberücksichtigt lassen, dass Wrangel bis zum Kap Schelagsky an der Küste des Tschuktschen - Landes Treibholz fand, welches, der Species nach zu urtheilen, aus Amerikanischen Flüssen herstammen kann. Admiral Anjou habe ich wegen der Strömungen im Eismeere der Neu-Sibirischen Inseln selbst gefragt und erfuhr von ihm, dass er nördlich von diesen Inseln die Eisschollen entschieden nach Westen habe treiben sehen. Auch scheint mir der Umstand, dass die von Wrangel gesehene Polynja sich im Osten der Küste Sibiriens nähert, ein Beweis dafür, dass die Hauptströmung nicht nach Osten geht, weil sie, wenn es der Fall wäre, das Eis dahin führen müsste. Aus diesen Gründen glaube ich auf das Bestimmteste schliessen zu können, dass nördlich von Sibirien die Hauptströmung von Nordost nach Südwest geht').

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Nördlich von Grönland muss meiner Ansicht nach ein starker Eisgang vorherrschen, der die projektirte SchlittenExpedition des Kapitän Osborn bald zu einer Sache der Unmöglichkeit machen würde, denn Parry's Erfahrungen beweisen uns, dass eine Schlitten-Expedition auf dem Treibeise eine sehr unsichere und wenig lohnende Unternehmung ist. Das von der Kane'schen Expedition gesehene Polarmeer ist wahrscheinlich nur eine Bucht, die von einem aus Grönland vorragenden Kap oder von einer Insel gegen den Andrang des Eises geschützt ist.

- Nördlich von Spitzbergen scheint das Eis, da kein Land vorhanden ist, nicht zusammengedrängt zu werden, und daher kann man hoffen, dass ein Schraubendampfer sich durcharbeiten wird, wenn es ihm auch manchmal einige Mühe kosten mag. Bekanntlich befreit sich die Nordküste Spitzbergens sehr spät im Sommer vom Wintereise, doch ein Mal befreit, bleibt sie bis zum Herbste offen und wird von keinem Treibeise berührt.

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behauptet, beschworen hat, dass er, am 14. März 1660 Japan verlassend, seine Reise nach Portugal durch den arktischen Ocean gemacht habe. Das im J. 1753 in Paris erschienene Buch von Buache, welches von dieser Reise handelt, habe ich nicht auftreiben können, doch fand ich in den Mémoires de l'Académie Royale von 1754 eine Karte von Buache, auf der der Weg des von Melguer geführten Schiffes,,le Père éternel" verzeichnet ist. Bekanntlich waren die Portugiesen schon im J. 1585 aus Japan vertrieben; doch könnte es dennoch sein, dass Melguer sich dorthin begeben hätte, in der Hoffnung, die abgebrochenen Handels-Verbindungen wieder anzuknüpfen. Ich bin weit davon entfernt, diese Reise als Thatsache anzusehen, glaube aber doch, dass man sie nicht ohne Weiteres verwerfen darf, und nehme mir die Freiheit, Ihnen eine Kopie der betreffenden Karte zu übersenden" 1).

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3. Das Treibeis nördlich von Spitzbergen. Parry's Schlittenreise gegen den Nordpol und die Quarterly Review 2). ,,Sie erwähnen des Aufsatzes in der Quarterly Review vom Juli d. J.; ich habe ihn gelesen, wie auch den Aufsatz darüber im Ausland". Eine in ersterem enthaltene sehr wichtige Unrichtigkeit verdient ganz besonders eine Berichtigung zu erfahren, nämlich die Angabe, Parry habe auf seiner berühmten Schlittenreise, oder richtiger Fussreise auf den Eisschollen, nach Norden hin das Eis an Dicke und Menge zunehmend gefunden; gerade das Gegentheil ist das Wahre. Diess ist ein sehr wichtiger Umstand und ist sogar entscheidend für oder gegen; der ganze Aufsatz der Review wird dadurch eine Fälschung oder aber eine berechtigte Warnung. Wer Parry's Reisebeschreibung selber kennt, kanı darüber nicht in Zweifel sein."

4. Das offene Meer nördlich von Sibirien und dahinter (nördlich davon) ein grosses, bewohntes, wärmeres Land3). ,,Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen Einiges aus meinen sibirischen Reise - Erinnerungen über die Polar - Regionen mitzutheilen, da ich glaube, dass ein jedes Factum über diese Gebiete, und namentlich jetzt, Ihnen willkommen sein wird.

Die in Ihrem 16ten Ergänzungsheft näher erörterte Annahme: dass Grönland sich als eine grosse Insel bis in die Nähe der Bering-Strasse erstrecke -, theile ich vollkommen. Als ich im Februar 1859 von meiner Reise am Amur nach Irkutsk kam, war dem Statthalter Graf Muravieff-Amursky daselbst die amtliche Nachricht aus Nischny

1) Diese Karte ist in mehrfacher Beziehung von Interesse; sie lässt unter Anderem Grönland bis zur Bering-Strasse reichen und das ganze arktische Centralgebiet aus einem ausgedehnten Meere bestehen. A. P.

2) Aus einem Schreiben von Dr. A. Mühry in Göttingen, d. d. 18. Sept. 1865.

3) Aus einem Schreiben des Herrn Barons A. v. Wrangel, d. d. Kopenhagen, 27. Nov. 1865.

Kolymsk zugegangen, dass östlich von der Mündung gleichen Namens in der Tschaun-Bai im Lande der Tschuktschen ein grosses Schiff, von der Mannschaft verlassen, mit dem Treibeise ans Ufer geworfen sei. Die Tschuktschen hatten einige Sachen von diesem Schiff in ihren Besitz bekommen. Der Graf bot mir sowie auch dem bekannten Reisenden Gustav Radde an, in dieser Angelegenheit ans Eismeer zu reisen, ich konnte aber das Anerbieten nicht annehmen.

,,Bei dieser Gelegenheit lernte ich einen alten Russischen Geistlichen kennen, der viele Jahre unter den Tschuktschen zugebracht hat und mir viele interessante Mittheilungen machte. So theilte er mir u. a. mit, dass bei den am Meere lebenden Tschuktschen die Annahme vorherrschend sei, dass im Norden ein offenes Meer und nördlich davon ein grosses wärmeres Land liege. In früheren Zeiten sollen von dort Böte mit Menschen, die eine unbekannte Sprache redeten und einem anderen Stamme zugehörten, an die TschuktschenKüste gekommen sein. Grosse Massen Treibholz unbekannter Bäume werden von der Strömung oder mit NordwestWinden an die Küste gebracht. Walfische in grosser Menge kommen auch aus dieser Richtung. Zahllose Schaaren von Sumpf- und Seevögeln nehmen im Frühjahr ihren Flug nach Norden und kommen im Herbst zurück, um nach Süden zu ziehen. Tschuktschen, die sich weit nach Norden gewagt haben, sollen sogar Land und eine hohe Bergkette gesehen haben, die sich so weit erstreckte, als das Auge reichte.

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,Wie weit man diesen Angaben Glauben schenken darf, ist schwer zu sagen, ich selbst bin aber überzeugt, dass ihnen jedenfalls etwas Wahres zu Grunde liegt. Mein Gewährsmann, der Geistliche, hat selbst die Züge der Vögel und die Ankunft der Walfische und des Treibholzes beobachtet und war fest überzeugt, dass die Temperatur im höchsten Norden milder sei, und dass im Nordwesten (von der Tschuktschen - Küste) ein offenes Meer und ein grosses bewohntes Land liege."

5. Ein offenes Polarmeer gefolgert aus den meteorologischen Erscheinungen des nördlichen Europa 1). ,,Die von Ihnen entwickelten Gründe dafür, dass das Meer von Spitzbergen gegen den Nordpol hin' nie, selbst im Winter nicht, ganz zufrieren wird, theile ich in vollem Umfang. Vor Kurzem hatte ich Veranlassung, mich mit den höchst lehrreichen klimatischen Verhältnissen und den Winden über der Südküste des Weissen Meeres ausführlich zu beschäftigen. Die Arbeit des verewigten Kupffer,, Observations météorologiques faites à Arkhangel" enthält in den Ergebnissen der von 1814 bis 1832 gemachten Beobachtungen für die

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