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gestiegen sein, die jährliche Vermehrung aber 2,7 Prozent ' von der mittleren Bevölkerung betragen haben.

Noch sei hier erwähnt, dass die oben in der ersten Tabelle berücksichtigte Trennung des nördlichsten Norwegischen Amtes Finmarken in die beiden Ämter Tromsö und Finmarken (von denen jenes den westlichen und dieses den östlichen oder den bereits früher ,,das eigentliche Finmarken" benannten Theil des ehemaligen Amtes Finmarken enthält) erst in diesem Jahre geschehen ist. Eine andere, ebenfalls wichtige Veränderung in der kirchlichen Eintheilung des Landes geschah im J. 1864, als das in Vergleich mit den übrigen Stiftern allzu grosse und beinahe die Hälfte der Bevölkerung des ganzen Landes umfassende Stift Christiania

in die beiden Stifter Christiania und Hamar getheilt wurde. Das Stift Christiania umfasst jetzt die Hauptstadt Christiania nebst den vier Ämtern Akershus, Smaalenene, Buskerud und Jarlsberg und Laurvig und das Stift Hamar die beiden im Inneren des Landes belegenen Ämter Hedemarken und Christians; dagegen wurden die beiden zu dem Amte Bratsberg gehörigen Vogteien Bamble und Nedre Telemarken ganz von dem Stifte Christiania abgeschieden und unter das Stift Christiansand gelegt, zu welchem bereits die dritte Vogtei des Amtes Bratsberg (Övre Telemarken) gehörte. Die Gebiete der übrigen Stifter sind im Ganzen dieselben geblieben und Norwegen hat also jetzt sechs Stifter und eben so viele Bischöfe, nämlich in Christiania, Hamar, Christiansand, Bergen, Trondhjem und Tromsö.

Das Ili-Thal in Hoch-Asien und seine Bewohner.
Von Dr. W. Radloff, Professor bei der Berg-Akademie in Barnaul in West-Sibirien.
(Fortsetzung und Schluss 1).)

Die Schiba 'und Solon. Um einen Grenzschutz gegen den Westen zu haben, hatten, wie ich schon zu Anfang erwähnt, die Chinesen Militär-Kolonien im Ili-Thale angelegt. Zu diesem Zwecke hatte man Daurische Soldaten zweier Volksstämme, der Sipu und Solon, mit ihren Familien aus der Mandschurei nach dem fernen Westen übergesiedelt. Den Solon sowohl wie auch den Schibä (so nennt man hier allgemein die Sipu) wurden bei der Ansiedelung reiche Ländereien angewiesen, den ersteren zwischen den Flüssen Üsük und Korgas (am rechten Ili-Ufer), den letzteren am linken Ili-Ufer, gegenüber dem Tatarischen Kuldscha. Die verliehenen Landstriche wurden den Militär-Kolonisten ohne jegliche Abgabe zur Bearbeitung überlassen, dafür gehörten aber alle waffenfähigen Männer zur Armee und mussten zu Kriegszeiten alle in den aktiven Dienst eintreten. Alle diese Kolonisten waren in 14 Banner, Sumul, eingetheilt, von denen sechs Sumul aus Solonen und acht Sumul aus Schibä bestanden. In dem letzten Jahrzehnt hat man noch aus den überzähligen Mannschaften beider Stämme zwei neue Sumul gebildet und sie bei den Solonen angesiedelt, so dass jetzt acht Sumul Solon und acht Sumul Schibä bestehen. Jedem dieser Sumul sind für 500 Familien Äcker zugewiesen, so dass man alle Daurischen Kolonien etwa auf 8000 Familien schätzen kann. Da jeder Familie ein bedeutendes Areal zugewiesen ist, so kann man etwa drei waffenfähige Männer auf jedes Familien-Areal rechnen, so dass für den

1) Siehe,,Geogr. Mitth." 1866, Heft III, SS. 88-97 und Tafel 5.

Fall eines Krieges die Daurischen Kolonien der Krone etwa 20- bis 25.000 Mann Soldaten stellen können. Die Dienstpflichtigkeit der Schibä und Solon beginnt mit dem 19. Jahre; von dieser Zeit an betreiben sie ihre militärischen Übungen unter Führung ihrer eigenen Offiziere in jeder Ansiedelung. In Friedenszeiten sind von ihnen kaum 1000 Mann im aktiven Dienst und diese werden der Reihe nach aus jeder Ansiedelung ausgehoben. Diejenigen Soldaten, die in die südlichen Theile der Provinz geschickt werden, haben dort zwei Jahre Dienstzeit, diejenigen aber, welche den Postendienst auf den Grenzwachen (Piqueten) im Ili-Thal versehen, haben nur einen Monat zu dienen. Da aber jeder Dienstpflichtige nicht selbst zu erscheinen braucht, sondern auch einen Stellvertreter schicken kann, so besteht die Friedensarmee meist aus gemietheten Stellvertretern, die Besatzung der Piquete aber aus Greisen, die nicht mehr zur Arbeit tauglich sind, oder aus liederlichem, abgerissenen Gesindel, dessen Anblick bei dem Durchreisenden Mitleid und Abscheu erregt. Nach dem Gesetze muss jeder Soldat im Monat 3 Rubel Löhnung erhalten, aber die schlechten Finanzverhältnisse machen der Krone die Auszahlung unmöglich; daher kommt es denn auch, dass sich nur das herabgekommenste Gesindel als Stellvertreter für den Dienst vermiethet, das, wenn es die vom Dienstpflichtigen erhaltene Summe vertrunken hat, die übrige Zeit fast elenden Hungertodes stirbt. Ich selbst hatte Gelegenheit, Schibä und Solon auf den Piqueten zu beobachten, es sind jämmerliche Gestalten, die durch schlechte Nahrung und

Opium-Genuss zu Grunde gerichtet, fast wandelnden Leichen und eher einer Horde von Bettlern als Grenzwächtern gleichen.

In der Verwaltung steht jeder der zwei Stämme unter einem Mandschu-Ambal. Die unter diesem stehenden Offiziere und Unterbeamten sind Daurier, die sich durch lange Dienstzeit heraufgedient haben.

Sowohl Schibä wie auch Solon haben einen scharf ausgeprägten Mongolischen Gesichtstypus. Sie sind von mittlerer Grösse und meist stark und breitschultrig gebaut. Den Genuss des Opiums haben sie von den Chinesen angenommen, in Folge dessen die meisten trotz der kräftigen Gestalt ein krankhaftes Aussehen zeigen. Die Kleidung der Männer ist fast Chinesisch: kurze Hemden, enge Beinkleider, kurze Chinesische Jacken und Chinesische Schuhe. Nach Art der Chinesen rasiren sie das Kinn und lassen nur den Schnurrbart wachsen. Frauen habe ich nur bei der Feldarbeit gesehen, wo sie lange blaue Hemden und runde Strohhüte trugen. Über die Religionsverhältnisse dieser Daurier vermag ich nichts Genaueres anzugeben. Äusserlich scheinen sie sich zum Buddhismus zu bekennen.

Die Sprache der Schibä ist ein Tungusischer Dialekt, der dem Mandschu ziemlich nahe steht; deshalb sind die Schreiber in allen Kanzleien der Mandschu-Beamten Schibä, da die ungebildeten Mandschu die Sprache ihrer Väter vollständig vergessen haben und die gebildeten sie wie eine fremde Sprache aus Büchern erlernen. Da diese Stellen in Kanzleien der Mandschu sehr vortheilhaft sind, so lernen viele Schibä die Mandschu-Schrift. Die Sprache der Solon ist ein von dem der Schibä ziemlich abweichender Dialekt, der sehr stark mit dem Mongolischen versetzt sein soll. Ein eigenes Urtheil über das Verhältniss beider Dialekte vermag ich mir nicht anzumaassen.

Von Charakter sind die Schibä und Solon rauh, herrisch und prahlerisch. Als Soldaten des Kaisers und als Stammverwandte der herrschenden Race dünken sie sich hoch erhaben über Tataren und Chinesen. Die ersteren müssen besonders viel von ihnen leiden, die letzteren aber fürchten diese Soldaten nicht so sehr, weshalb auch täglich Raufereien zwischen ihnen vorkommen.

Die Hauptbeschäftigung der Schibä und Solon ist der Ackerbau, den sie ganz nach Art der Tarantschi treiben. Da mir nur auf der oberen Piquet-Strasse der Weg nach Kuldscha gestattet war, so konnte ich leider die südlicher liegenden Solon - Dörfer nicht besuchen. Diese Dörfer sollen bedeutend grösser sein als die der Tarantschi. Auf meinem Wege traf ich nur an Einer Stelle zwischen dem zweiten und dritten Piquet auf Solonische Felder. In der Mitte eines bedeutenden Felder-Areals befanden sich dort einige Schuppen und zwei Jurten, in denen die Arbeiter

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während der Erntezeit wohnten; ausser den Solonen fand ich daselbst drei Tatarische Arbeiter. Nicht weit von den Jurten waren drei riesige Garbenhaufen unter freiem Himmel aufgeschichtet, und zwar unbedeckt, da man in dieser Zeit (August) hier keinen Regen zu fürchten hat. Neben jedem Garbenhaufen war durch Feststampfen des Bodens eine runde Tenne zum Ausdreschen des Kornes hergestellt. Das Dreschen des Getreides geschah mit grossen Steinwalzen. Diese Steinwalzen sind etwa 2 Arschinen lang und 6 bis 8 Werschock im Durchmesser, achtseitig behauen und der Länge nach durchbohrt. Durch das in der Mitte befindliche Loch wird eine etwa 3 Fuss lange Stange gesteckt, an deren hervorstehenden Enden die Stricke befestigt werden, an denen ein Pferd die Walze fortzieht. Beim Fortbewegen rollt die achteckige Walze um ihre eigene Achse und stösst durch ihr Gewicht die Körner aus den Ähren.

Von anderen Ackergeräthschaften sah ich hier 1. kurze Sensen mit einem etwa 1 Arschine langen Stiel, das Eisen derselben ist etwa 1 Werschock breit, spitz und nur sehr wenig gekrümmt und steht fast rechtwinklig gegen den Stiel; 2. einige Pflüge. Diese sind besonders roh und unbeholfen. An einer langen Stange ist an dem einen Ende ein Querholz befestigt, an dem zwei Zugthiere sie fortziehen, an dem anderen Ende der Stange ist die Pflugschar befestigt und einige Werschock oberhalb derselben ist in die Stange ein nach oben gebogenes Holz gefügt, an dem der Pflug geleitet wird.

Das eingeerntete Getreide war nur Weizen und Gerste, die Hirsefelder, die sich hier befanden, waren noch nicht abgemäht. Wie ich hier erfuhr, geniessen die Solonen nur Weizen, die Gerste wird als Pferdefutter benutzt, Hafer nicht gebaut. Hier hatte ich auch Gelegenheit, die künstlichen Wiesen zu sehen, die auch nur durch künstliche Bewässerung erhalten werden. Man säet hier auf diesen Wiesen eine von den Chinesen Moi-schi, von den Tataren Bädä genannte Pflanze, den sogenannten Chinesischen Klee. Diese Pflanze hat feine lanzettförmige Blätter und lila-farbige Blüthen. Der Wuchs der Bädä ist so üppig, dass sie in jedem Sommer drei bis vier Mal abgemäht wird und doch jedes Mal eine Höhe von 1 Arschine hat. Es ist eine Dauer-Pflanze, die ein Mal ausgesäet 8 bis 10 Jahre fortlebt. Die Pferde sollen sie über Alles lieben und dabei soll sie so nahrhaft sein, dass mit ihr gefütterte Pferde ohne Getreidefutter zur schwersten Arbeit tüchtig sind.

Während sich die Solon hauptsächlich mit Getreidebau beschäftigen, sollen die Schibä meist Tabak und Baumwolle bauen. Dieser Tabak ist im Ili-Thal und bei den südlichen Kirgisen hoch berühmt, er soll sehr stark und angenehm riechen und dabei nicht leicht verlöschen. Nach dem Einsammeln sollen die Schibä den Tabak in einer Sauce tränken.

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3. die Tschämpän (Süd-Chinesen?) und
4. die Mandschu.

Die erstgenannten beiden Stämme, die Dungenen (Dungan) und die eigentlichen Chinesen, unterscheiden sich weder in Sprache noch in Kleidung, auch wohnen sie bunt durch einander. Das Einzige, was den Dungenen von ihren Voreltern zurückgeblieben ist und was sie trotz aller Vermischung scharf von den Chinesen scheidet, ist der Islam, zu dem sich alle Dungenen ohne Ausnahme bekennen. Zwar ist bei vielen Türkischen Stämmen, wie z. B. bei den Kirgisen, der Islam zur reinen Äusserlichkeit herabgesunken, aber bei keinem dieser Stämme ist das in so hohem Maasse der Fall als bei den Dungenen. Was sie von den Lehren des Islam wissen, ist so wenig, dass man sie fast nicht Muha-. medaner nennen kann, denn ihre ganze Kenntniss von ihrer Religion beschränkt sich darauf: Die Buddha-Götzen darf man nicht anbeten, man darf kein Schweinefleisch essen, man muss das Vieh nach der Vorschrift des Koran schlachten` und nur Fleisch von so geschlachtetem Vieh darf man essen, man darf keinen Branntwein trinken, man muss die Fasten halten und von Zeit zu Zeit die Moschee besuchen. Von allen diesen Vorschriften werden nur die in Beziehung auf die Fleischspeise von ihnen beobachtet, die Fasten halten sie zum grössten Theil nicht und besuchen höchst selten die Moschee. Das eigentliche Wesen des Islam ist ihnen ganz fremd und selbst ihre Priester, wenn sie nicht Tataren sind, können nur die nothwendigen Gebete ohne jegliches Verständniss hersagen. Ein Dungenen-Priester, der bei den Tataren des alten Kuldscha seinen Unterricht genossen, sagte mir einige Arabische Gebete her und ich muss in der That gestehen, dass ich nicht unterscheiden konnte, ob er Chinesisch oder Arabisch sprach. Selbst in ihrem Äusseren halten sie die Vorschriften des Koran nicht, denn sie scheeren nur den halben Kopf und tragen gleich den Chinesen einen Zopf. Auch ihre Kleidung ist Chinesisch, nur auf dem Kopfe tragen sie wie alle Muhamedaner ein Käpsel. Das Verbot des Branntweintrinkens und der beschränkte Genuss von Fleischspeisen trennt sie am schärfsten von den Chi

nesen; die Befolgung dieser Vorschrift hält sie fern von den öffentlichen Lustbarkeiten und Gasthäusern der letzteren. Schon vorher habe ich erwähnt, dass die Dungenen von den Chinesen Chui Chui genannt werden. Die Tataren nennen sie Dungan. Über den Ursprung dieses Namens vermag ich Nichts zu sagen, denn die Ableitung der Tataren, Dungan komme von Turgan her und bedeute „Gebliebene", d. h. Solche, die ihre Wohnsitze trotz des Eindringens der Mongolen-Horden nicht verlassen 1), ist wohl schon aus sprachlichem Grunde zu verwerfen.

Die Dungenen sind theils Verbannte, . theils freiwillige Übersiedler aus den Nordprovinzen des eigentlichen China. Kan Su und Schän-Si, den früheren Wohnsitzen der Uiguren; keineswegs sind sie erst im Ili-Thale chinesirt worden, sondern sie sind schon als solche hierher eingewandert. Die ersten Dungan kamen schon im vorigen Jahrhundert zum Ili und noch jetzt vermehrt sich die Dungenische Bevölkerung durch neue Ansiedler. Von den eigentlichen Chinesen, die das Ili-Thal bewohnen, sind wohl nur einige Kaufleute freiwillig hierher übergesiedelt, die übrigen Chinesen sind wohl alle Verbannte aus den verschiedenen Provinzen des Reiches. Die meisten derselben sollen den Nord-Chinesischen Dialekt sprechen. Sowohl die Dungenen wie auch die Chinesen leben zum Theil in den Städten, zum Theil auf dem Lande. Die Landbewohner bauen Getreide, Reis, Opium, Baumwolle und Tabak, die Städtebewohner leben vom Handel, Handwerken, Fabriken und Gartenbau.

von

Eine genaue statistische Übersicht der Chinesen und Dungenen würde wohl selbst einem Mandschu-Beamten ziemlich schwer fallen, ich muss mich daher darauf beschränken, das Wenige, was ich über die Chinesische und Dungenische Landbevölkerung erfahren konnte, hier mitzutheilen.

Im östlichen Theile des Dan (dem Chinesischen Gebiete des Ili) leben Chinesische und Dungenische Ackerbauer, an den Flüssen Pilitschi, Mogai und Almutu leben ungefähr 1800 Ackerbauer-Familien, am Pilitschi 1000, am Mogai 300, am Almutu 500. Diese sind in Abtheilungen zu je 100, Jang genannt, getheilt, und es zahlt jeder Jang gemeinschaftlich seine Abgaben. Im nördlichen Theil des Gebiets, zwischen den Städten Korgas und Dalosigung, leben etwa 8000 Familien und im Süden, zwischen Korgas und Kuldscha, treiben 5000 Familien Reisbau, 3000 Familien gewöhnlichen Feldbau.

Die Abgaben aller dieser Ackerbauer sind sehr gering und bestehen in Folgendem:

Die '5000 Reisbauer liefern für jedes Land-Areal von 10 Cho Aussaat 8 Cho Weizen

die 8000 nördlichen Ackerbauer für dieselbe Landmenge ebenfalls 8 Cho Weizen

eben so die 1800 Familien im Osten

.=40.000 Cho,

.= 64.000

. = 14.400 zusammen 118.400 Cho.

1) Man vergleiche die Ableitung von Kalmak, die einen ähnlichen Grund haben soll.

Die 3000 südlichen Ackerbauer haben erst vor einigen Jahrzehnten ihre Felder eingerichtet. Dieselben zahlen ihre Abgaben in Geld (3 Unzen Silber, etwa 8 bis 9 Rubel, also im Ganzen eine Abgabe von 25- bis 30.000 Rubel).

Aber nur der kleinste Theil der Chinesischen und Dungenischen Bevölkerung beschäftigt sich mit dem Ackerbau, bei weitem die grössere Zahl 'bewohnt die acht Städte des Dan: Kürä (das Chinesische Kuldscha), Korgas, Tardschi, Tschingdi-cho-si, Da-lo-si-gung, Süding, Bajandai und Tschimpänsi. Über die Einwohnerzahl dieser Städte vermag ich nichts Genaueres anzugeben; Kuldscha ist bei weitem die grösste, sie hat bis 80.000 Einwohner, von denen wenigstens 23 Dungenen und Chinesen sind. Die Zahl der Dungenischen und Chinesischen Städtebewohner soll sich bis über 100.000 Seelen belaufen. Von diesen Städten habe ich nur Korgas, Tardschi und Kürä (Kuldscha) gesehen und ich werde später noch auf dieselben zurückkommen. Was die Abgaben dieser Städtebewohner betrifft, so sind diese nach dem Gewerbe sehr verschiedenartig, sie bestehen aus Zollgeldern, Grund- und Gewerbesteuern.

Die Chinesen sowohl wie die Dungenen scheiden sich sehr scharf von den übrigen Bewohnern des Ili-Thales ab, man sieht ihnen ein gewisses Selbstgefühl an, mit dem sie sich über die übrigen Bewohner erheben; selbst die herrschende Kaste, die Mandschu, betrachten sie als tief unter sich stehend und nur das Bewusstsein ihrer politischen Schwäche hält sie unter der Herrschaft derselben. Zu diesem Selbstgefühle berechtigt sie in der That die Kulturstufe, die sie erreicht haben. In Gewerben, Handel und Ackerbau sind sie allen übrigen Ili-Bewohnern weit überlegen, diess gestehen ihnen selbst die Tataren zu, die sie nicht weniger hassen als ihre gemeinsamen Unterdrücker, die Mandschu. Dieser gegenseitige Hass aber macht allein die Herrschaft der Mandschu möglich, denn sobald sich Tataren und Chinesen gemeinsam erheben, ist die Macht der Mandschu gebrochen.

Von Charakter sind die Dungenen und Chinesen zwar listig, zänkisch und stolz, woher es auch kommt, dass sie von allen Umwohnern gehasst werden, aber ihrer Arbeitsamkeit, Ausdauer und ihrem praktischen Sinn muss man Gerechtigkeit widerfahren lassen. Da die Chinesen zum grössten Theil verbannte Verbrécher sind, so ist es natürlich, dass unter ihnen an Dieben, Gaunern, Trinkern und Spielern kein Mangel ist. Wegen des Mangels an Frauen ist es mit der Sittlichkeit bei ihnen übel bestellt.

Gleich nach der Eroberung des Ili-Thales wurden von den Dungenen und Chinesen 3000 Mann ausgehoben und in die Armee eingereiht. Diese bilden unter dem Namen „Chambing" noch heute einen Theil der aktiven Armee. 1500 Mann wurden als stehende Besatzung zu je 300 Mann in fünf Forts kantonirt. Diese Forts sind: Korgas, TschingPetermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft VII.

di-cho-si, Süding, Da-lo-si-gung und Tschimpänsi. Neben jedem dieser Forts hat sich eine Stadt gleichen Namens gebildet. Die Forts sind durch eine mit Schiessscharten versehene Mauer von den Städten getrennt. Die andere Hälfte der Chambing, ebenfalls 1500 Mann, wurde unter denselben Bedingungen wie die Tarantschi als Militär-Kolonisten angesiedelt. Tardschi ist ein von den ChambingKolonisten bewohnter Flecken. Der oberste Befehlshaber der Chambing ist ein Mandschu-Offizier, der Dschintäi genannt wird und im Fort Süding seinen Sitz hat. Die übrigen Beamten sind selbst Chambing.

Die Chambing haben sowohl als Soldaten wie auch als. Kolonisten einen sehr schweren Dienst; die ersteren haben nicht nur den Garnisonsdienst in den oben bezeichneten Forts, sondern sie müssen noch bei den hohen MandschuBeamten und bei den Krons-Magazinen den Wachtdienst versehen; die letzteren müssen die Abgaben an Getreide wie die Mandschu bezahlen und ausserdem für einen Kriegsfall Soldaten stellen. Die Nachkommen der Chambing sind verpflichtet, dieselben Dienste zu leisten wie ihre Väter, neue Aushebungen zu Soldaten sind weder bei den Dungan noch bei den Chinesen vorgenommen.

Die im Ili wohnenden Dungan, Chinesen und die Chambing unterscheiden sich weder in der Kleidung noch in der Lebensweise von den Bewohnern des eigentlichen China. Daher halte ich es für überflüssig, die wenigen sehr unvollkommenen Nachrichten, die ich über dieselben eingezogen, hier mitzutheilen.

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Die Tschämpän. Der verachtetste Volksstamm des Ili-Thales, der von allen Einwohnern gleich gehasst wird, sind die Tschämpän. Die Tschämpän scheinen verbannte Verbrecher aus dem südlichen China (den Provinzen Guändung, Dschang-nän, Schi-nän) zu sein, die hierher in das entfernte Ili-Thal geschickt werden und dort 3 Jahre Dienste zu leisten haben. Alljährlich langen 100 Tschämpän hierselbst an und werden zu den schwersten Arbeiten verwendet. Sie müssen hauptsächlich in den Eisen-, Kupferund Silberbergwerken arbeiten und ausserdem bei den hohen Beamten die niedrigsten Dienstleistungen verrichten. Sie scheinen also ungefähr den Sibirischen Zwangsbergarbeitern zu entsprechen. Nach Ablauf der dreijährigen Dienstzeit können sie frei im Ili-Thale wohnen, aber dennoch stehen sie unter einer eigenen Verwaltung und müssen zu Kriegszeiten als Fusstruppen in der Armee dienen, und zwar alle ohne Ausnahme, so lange sie noch Waffen zu tragen im Stande sind.

Die frei im Ili-Thal wohnenden Tschämpän, über deren Zahl ich keine Angabe machen kann, leben theils auf dem Lande als Landbauer, als Fischer und Fährleute, theils in den Städten als Arbeiter, Lastträger, Händler, theils als

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Diebe, Gauner, Kuppler und Spieler von Profession. Ich führe diese letzteren Beschäftigungen als Gewerbe auf, da dieselben den Beamten für die Erlaubniss zur Ausführung dieser ehrenwerthen Beschäftigungen Abgaben zahlen und ihnen, wie man mir fest versicherte, Kreise angewiesen sind, in denen sie ungestraft ihr Wesen treiben können. Von den Ackerbautreibenden sollen sich etwa 5000 Mann dicht an den Ufern des Ili mit der Opium-Gewinnung beschäftigen. Diese zahlen für den Chinesischen Morgen (Mo) etwa 40 Kopeken. Manche von diesen sollen bis 100 Morgen mit Mohn bebauen und bei dem grossen Opium - Verbrauch der Provinz soll diese Opium - Gewinnung eine der vortheilhaftesten Unternehmungen sein. Viele Opium - Bauer haben éinen bedeutenden Wohlstand erworben. Einige hundert Mann beschäftigen sich mit dem Fischfang und halten Fähren an den verschiedenen Punkten des Ili; diese zahlen ein Zehntel ihres Einkommens als Abgabe. Als Fischer und Taucher sind die Tschämpän sehr berühmt. Von den in den Städten wohnenden Tschämpän haben sich besonders die, welche Trinkläden halten, oft bedeutendes Vermögen erworben.

Im Äusseren unterscheiden sich die Tschämpän fast gar nicht von den Chinesen, ihre Sprache soll aber so abweichend sein, dass sie sich nicht mit ihnen verständigen können.

Nicht nur die im Dienst stehenden Tschämpän werden von den Mandschu auf das Fürchterlichste bedrückt, sondern auch die frei im Ili-Thale wohnenden. Diese Bedrückungen hätten vor 15 Jahren beinahe zu einem Aufstande geführt, der leicht die Vernichtung der Mandschu zur Folge haben konnte.

Es hatten sich nämlich fast alle Tschämpän verschworen, alle hohen Mandschu-Beamten umzubringen und die Mandschu-Besatzungen von Bajandai und Kürä zu überrumpeln. Das war um so leichter auszuführen, als fast bei allen Mandschu-Beamten Tschämpän im Dienste stehen. Durch die Frau eines Tschämpän wurde aber die Verschwörung ihrer Herrin, der Frau eines Galdai, verrathen und so wurden die Listen der Verschwornen aufgefangen und die heimlich in die Städte geführten Waffen konfiscirt. Die Mandschu hielten schreckliches Gericht, über 100 Menschen wurden hingerichtet und auf den Wegen ihre Köpfe als Warnungszeichen aufgesteckt. Diese schrecklichen Strafen haben aber nur äusserlich den Frieden wieder hergestellt und im Geheimen sinnen sie mehr als früher auf Rache. Auch sie werden sich an jedem Aufstande gegen die Mandschu betheiligen.

,,Die Tschämpän", sagte einer meiner Tatarischen Berichterstatter,,,sind wohl der verrufenste und verachtetste Stamm des Ili-Thales. Wie viele von ihnen auch getödtet

und gemartert wurden, ihre Schlechtigkeit hat nicht nachgelassen, deshalb hat man sie auch Tschämpän (?) genannt. Wenn die Kinder den Eltern nicht gehorchen, so ruft man ihnen, um sie zu erschrecken, zu: „Ein Tschämpän kommt". Der Tschämpän isst Alles, was sein Auge erblickt, Schweinefleisch, Hunde, Katzen, Mäuse, Ratten, Frösche und Schlangen. Nirgends giebt es mehr Diebe, Spieler, Kuppler, Säufer und Opiumraucher als bei den Tschämpän; daher giebt es auch bei keinem Volke des Ili mehr herumtreiberisches Gesindel, das im Winter weder Kleidung noch Speise noch Wohnung hat und das vor Noth, Hunger und Kälte auf den Strassen umkommt. Aber alle Noth hat ihre Schlechtigkeit nicht gebessert."

Aber trotz alle dem lässt sich nicht leugnen, das dem Tschämpän eine Kraft innewohnt, die wir vergebens bei den Chinesen suchen. Was ein Tschämpän unternimmt, führt er durch. Kein Hinderniss, keine Gefahr ist im Stande, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten; daher ist er auch zu den schwersten Arbeiten tauglich und ein Tschämpän arbeitet so viel als drei Chinesen oder zwei Tataren.

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Die Mandschu. Der letzte Volksstamm Chinesischer Zunge, den wir im Ili-Thale vorfinden, ist die herrschende Race, die Mandschu. Trotz der strengen Scheidewand, durch die das Landesgesetz die Chinesen von den Mandschu trennt, um den letzteren die ursprüngliche Thatkraft zu erhalten, sind sie dennoch dem Chinesischen Einflusse vollständig erlegen. In Tracht, Sprache und Sitten ist ihnen wohl kaum etwas Eigenthümliches geblieben, sie, die Herren, haben durch die Unterjochten ihre Selbstständigkeit verloren. Trotz dieses vollständigen Aufgehens in die Chinesische Kultur scheiden sie sich in socialer Beziehung scharf von den Chinesen, eben so wie von den übrigen unterjochten Völkern. Sie, die Stammverwandten des Herrschers, sehen mit Verachtung auf alle fremden Stämme herab, die ihnen nur zu gehorchen haben, und jeder Soldat von den Mandschu dünkt sich bei weitem höher als der höchste Beamte der Mongolen oder Tataren, der sich seinerseits auch wohl in Acht nimmt, einen Mandschu zu beleidigen.

Die Mandschu-Dynastie verstand es sehr wohl, dass ihre Herrschaft sich hauptsächlich auf ihre Stammgenossen stützen musste; deshalb verboten sie jedem Mandschu, sich mit irgend einem bürgerlichen Gewerbe zu beschäftigen. Jeder Mandschu wurde zum Kriegsdienste bestimmt und diese Mandschu-Truppen bildeten den Kern ihrer Armeen. Sie wurden deshalb über das ganze Reich vertheilt.

Auch im Ili-Thale wurden 6000 Mandschu-Soldaten stationirt und für diese zwei Festungen erbaut. Die erste derselben ist die von den Tataren Kürä genannte Stadt, die auch zur Hauptstadt der ganzen Provinz und der Sitz der Regierung wurde; die zweite liegt nicht weit vom Ili, zwi

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