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wo 2 Stunden unter dem Gipfel auf der grünen Terrasse der Bell- oder Lusgen-Alp ein im letzten Jahre bedeutend vergrösserter Gasthof entstanden ist.

Früher stand auf der Bell-Alp nur ein kleines hölzernes Bergwirthshaus mit nothdürftigem Platz für 20 bis 25 Personen. Seitdem aber die Lage dieses herrlichen Punktes mehr und mehr bekannt geworden und die ganze Anlage in die Hände des thätigen und geschickten Wirthes zur Post in Brieg übergegangen, ist ein sehr gangbarer Reitweg zur Alp und bis dicht unter den Gipfel des Bellhorns angelegt worden. Neuerdings ist der Gasthof durch Umbau bedeutend vergrössert und bis auf 60 Betten gebracht worden. Es wird wie beim Äggischhorn-Hôtel auch hier Küche und Keller sehr gerühmt. Die Aussicht vom Gasthof Bell-Alp selbst ist weit origineller und ausgedehnter als die des Hôtel Jungfrau am Äggischhorn. Sie umfasst die Penninische Kette vom Binnenthal bis zu den Gebirgen des Bagnethals. Tief unten herauf leuchten die Thürme von Brieg und die Simplon-Strasse ist in ihren vielfachen Windungen bis auf die Passhöhe sichtbar. Noch weit ausgedehnter ist die Aussicht vom Bellhorn aus, welche in wundervoller Reihe und regelmässiger Frontentwickelung die ganze Walliser Kette vom Mont Blanc bis zum Griespass umfasst. Hier steht man dem Massiv der Monte RosaGebirge schon näher, während der Standpunkt des Äggischhorns für diese Gebirge etwas zu östlich gelegen ist. Ein Hauptobjekt der Bellhorn-Aussicht ist das im Hintergrunde des Ober-Aletsch-Gletschers in die Lüfte ragende gewaltige Aletschhorn. Über die Besteigung des letzteren von der Bell-Alp aus siehe Jahrbuch des Schweizer Alpen-Club 1864, I. Jahrgang, vom Verfasser dieses. Von der Bell-Alp aus wird am leichtesten ausser der Aletsch-Besteigung auch die des Gross-Nesthorns ausgeführt, ferner der Übergang über den Beichgrat nach dem Loetschthal. Für die Touristen, die aus dem Wallis herauf oder über den Simplon kommen, ist die gewöhnliche Tour die, dass sie den ersten Tag von Brieg aus die Bell-Alp besuchen, das Bellhorn besteigen, dort übernachten und den folgenden Tag zu Fuss hinunter steigen nach dem Aletsch-Gletscher, denselben überschreiten und über das Fürkeli die Rieder Alp besuchen, wo auch ein kleines Bergwirthshaus mit guter Küche und herrlicher Aussicht zum Mittagsmahl einladet. Das Châlet de Sepibus auf der Rieder Alp, einem Gliede dieses alt berühmten OberWalliser Geschlechtes gehörig, liegt ziemlich in der Mitte zwischen Äggischhorn und Bell-Alp und gewährt einen sehr willkommenen Ruhepunkt. Auch hier findet der nicht allzu verwöhnte Gaumen einen vortrefflichen Tisch und Weine der besten Qualitäten. Von der Rieder Alp setzen sie ihren Weg über Goppisberg und Betten-Alp nach dem Äggischhorn fort, wo sie Abends ohne Überanstrengung im Hôtel Jungfrau anlangen. Auch umgekehrt wird diese Route oft gemacht, wenn nicht von dem einen oder anderen Wirthe dem Reisenden der Besuch der konkurrirenden Anstalt abgerathen und ausgeschwatzt wird. Es läge hier sehr im Interesse beider Gasthöfe, einander die Reisenden zuzusenden, statt sie, wie es vielfach geschieht, aus schlecht verstandener Spekulation dem anderen abwendig zu machen, zumal jeder der beiden Berge ganz originelle und verschiedene Aussichten bietet. Von der Aussicht des Bellhorns ist so eben ein Panorama von J. B. Dill in Bern herausgegeben worden.

Von den besuchtesten Aussichtspunkten nördlich der Rhône führe ich nur noch das Maing- oder Torrenthorn oberhalb Leuk an (2950 Meter), 5 Stunden vom Bade Leuk. Reitweg bis fast auf den Gipfel. Bietet eins der grossartigsten Panoramen der Penninischen Alpen und der Loetschthal-Gebirge dar.

Südlich der Rhône finden wir, so weit unser Kärtchen reicht, nur zwei mit Comfort versehene ., Aussichts-Anstalten". Die eine, welche erst im Aufbau begriffen sein soll, ist ein Hôtel an den weltberühmten Tosa-Fällen im Formazza-Thale, wohin in den letzten Jahren von Pommat aus ein sehr verbesserter Saumweg angelegt worden ist; die andere ist in St. Luc im Einfischthal, in mittlerer Höhe der viel besuchten Bella Tola. Die Aussicht von der Bella Tola aus. ist eine der gipfelreichsten der zugänglicheren Punkte des ganzen Wallis. Von dem guten Gasthof in Luc (Hôtel

de la Bella Tola) ist der Gipfel in 4 Stunden bequem zu erreichen. Mit Maulthieren kann man auch bequem bis dicht unter den Gipfel gelangen. Über 200 Gipfel der Berner und Walliser Alpen sind sichtbar. Man vergleiche das grosse Panorama von R. Ritz, Düsseldorf 1859, (Panorama des Alpes Valaisannes et Bernoises, pris sur la pointe septentrionale de la Bella-Tola au-dessus de Luc, Val d'Anniviers etc.).

Schöne Aussichtspunkte, wenn gleich etwas mühsamer als die vorerwähnten und ohne nächst gelegene Gasthöfe sind: oberhalb Mörel das Bettlihorn (2945 Meter) - von Binn im Binnenthal in 5 Stunden zu machen, mühsam, aber sehr lohnend, man sieht weit hinunter ins Rhône-Thal ———, ferner das mehr erwähnte Mattwaldhorn (s. das Studer'sche Panorama im Jahrbuch des Schweizer Alpen-Club), das Zehntenhorn, die Weisse Egg (zwischen Stalden und dem Turtmanthal), endlich das höhere Barrhorn mit prachtvoller Aussicht auf die Gletscherwelt der Mischabelhörner und der analoge Gipfel der Becs de Bosson (3160 Meter) u. s. w.

Nachdem ich mich bemüht habe, eine Zusammenstellung des touristisch Neuen im Bereiche unseres Kärtchens zu geben, würde zu einer einigermaassen eingehenderen Beschreibung dieses interessanten Landestheiles erst jetzt das naturwissenschaftliche, kulturhistorische und meteorologische Element zu behandeln sein, was kaum in einem grösseren Werke übersichtlich darzustellen möglich wäre, da für einzelne Disciplinen über diese Gegenden das Material geradezu fehlt oder das vorhandene noch zu viel Lücken bietet. Es kann daher nicht in meiner Aufgabe liegen, eine geordnete naturwissenschaftliche (geognostische, botanische und meteorologisch-physikalische) Beschreibung des Ober-Wallis zu geben, ich werde nur Einzelnes aus diesen Disciplinen andeuten und im Übrigen auf die vorhandenen Werke verweisen müssen.

Da ich oben eine Aufzählung der höchsten Gipfel nach den Resultaten der Eidgenössischen Aufnahmen geben konnte, würde es vielleicht nicht uninteressant sein, nach ebendenselben Aufnahmen (den Original-1/50-000-Karten) des Topographischen Bureau's eine Aufzählung der Höhe der ZungenEnden der Gletscher zu, geben, so weit eine solche aus den äquidistanten Kurven der Aufnahmen hat abgezählt und

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Diese wenigen Zahlen sind noch nicht hinreichend, um richtige physikalische Schlüsse und allgemein geltende Grundsätze der Höhenniveau - Linie der Gletscher in den Alpen überhaupt aufzustellen. Erst eine Zusammenstellung sämmtlicher Zungen-Enden der Europäischen Alpen-Gletscher würde zu interessanten Vergleichungen unter den einzelnen Alpenmassiven führen können. Je nach der Lage des Gletscherthals zur Gebirgskette, ob Längen- oder Querthal, ob nach Nord oder Süd sich öffnend, und je nach der Neigung des Gletscherbodens und seiner umgebenden Thalwände muss ja die Abschmelzung eine mehr oder weniger (innerhalb gewisser Grenzen von sehr verschiedener Intensität) gleichförmige sein. Zudem müsste noch das Areal des einen jeden Gletscher nährenden Firnreviers in Berechnung gezogen werden, was in Bezug auf quantitative Zufuhr von Eis

bildendem Material auszumitteln beinahe zu den Unmöglichkeiten gehörte. Über die Neigung einzelner Hauptgletscher der Schweizer Alpen finden wir in den Glacial-Werken von Agassiz und in den Matériaux pour l'étude des glaciers von Dollfus - Ausset verschiedenerlei sehr schätzbare Angaben.

Was nun das Klima und die Vegetations-Grenzen des Wallis anbetrifft, so verweise ich auf eine sehr interessante Abhandlung von Dr. H. Christ in den Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft von Basel, Dezember 1857, betitelt,,Pflanzengeographische Notizen über Wallis". Christ setzt die Vegetations - Grenzen im Wallis folgendermaassen fest:

1. Die Kultur-Region, sich erhebend bis zur Grenze der Cerealien, im Mittel bis 3886 Pariser Fuss. Je nach dem Auftreten und Verschwinden des Weinstocks lässt sie sich in zwei Unter-Abtheilungen trennen:

a. die Region des Weinstocks bis zu 2461 Par. Fuss im Mittel (im Visperthal oberhalb Stalden, bei Kalpotran, wo der sogenannte Heidenwein wächst, geht der Weinstock sogar bis zu 3000 und 3100 Par. Fuss),

b. die Region des Roggens;

2. die Region des Nadelholzes (im Ober-Wallis vorzüglich Lärchen) bis zu 6307 Par. Fuss;

3. Region der Alpenweiden bis zur Schneegrenze bei 8492 Par. F. Christ schliesst seine höchst interessante Abhandlung mit folgender Zusammenstellung der Ergebnisse seiner Forschungen:

,,Als spezielle Wirkungen dieser Ursachen (siehe vorher) ergeben sich für die

untere Region das erste Auftreten der Typen, welche Schouw's Reich der Labiaten und Caryophylleen bezeichnen, und damit eine zahlreiche Liste von Polar-Grenzen, dann die auf dem Schweizerischen Plateau fehlende kampestre Flora, die Entfaltung des Kiefernwaldes, viele untere Grenzen und namhafte Erhebung der oberen Grenzen. Für die

mittlere Region Mangel der Buche, Depression der Tanne, Erscheinen der Birke, Lärche und Arve, Vermischung der Wald- und Strauchregion in den höchsten Lagen. Für die obersten Höhen endlich viele nordische und westliche Arten, species sericeae et tomentosae und das Ansteigen von Pflanzen der Tiefregion.

,,Am Monte Rosa-Gebirgsstock erreichen, als an der bedeutendsten Massenerhebung, alle diese Phänomene das Maximum.

,,Und somit stellt sich Wallis als ein Land dar, welches, statt zur Schweizer Flora, viel natürlicher mit den Thälern und Alpen von Piemont und Dauphiné zu Einem Penninischen Floren-Gebiet gehören würde."

Vergleiche ferner den Aufsatz von Dr. H. Christ im Jahrbuch des Schweizer Alpen - Club, II. Jahrgang 1865, betitelt,,Alpen-Flora", worin manche in dieses Gebiet gehörige Beobachtungen eingeflochten sind.

Über die geologische Struktur unseres Gebiets geben uns verschiedene Werke Aufschluss: 1. Studer und Escher's Geologie der Schweiz, 2. Gebrüder Schlagintweit's Physikalische Geographie der Alpen, 3. Girard's Geologische

Wanderungen in Wallis, Vivarais, Velay, jedoch existirt bis jetzt ausser der Studer - Escher'schen Übersichtskarte der Schweiz keine speziellere geologische Karte des Wallis, mit Ausnahme einer geologischen Aufnahme der Gebirge des Einfisch- und Turtman - Thals im Mst. von 1:100.000 vom' Berg - Ingenieur Gerlach, welche in Kürze von der Eidgenössischen Geologischen Kommission herausgegeben werden

soll.

Über die Berner Alpen (Finsteraarhorn-Massiv), deren eingehendere Bearbeitung Verfasser dieses übernommen hat, vergleiche einen Aufsatz von Prof. B. Studer im Jahrbuch des Schweizer Alpen - Club, II. Jahrgang 1865, betitelt ,,Geologie der Berner Alpen". Die grösste Ausdehnung in den Gebirgen des Ober-Wallis nehmen krystallinische Schiefer ein, Gneis, Hornblendeschiefer, sogenannte Grüne Schiefer und graue Thonschiefer, welche alle metamorphischen Ursprunges sind. Am Eingang der Thäler von Anniviers (Einfisch) und Turtman, so wie als Einlagerung zwischen krystallinischen Schiefern am Eingang des Loetschthals treten versteinerungsleere Kalksteine und dolomitische Kalksteine auf, welche Einige zur Trias-, Andere zur Kohlen-Formation haben rechnen wollen. Es alterniren in mehreren Südthälern des Wallis solche Kalksteinmassen mit Quarzit (so am Eingang des Turtman - Thals), mit Serpentin (so im Nicolai

Thal vor Stalden) und endlich mit Rauchwacken, Gypsführenden Thonschiefern und krystallinischen Schiefern, als Glimmer- und Quarzitschiefer. Im Ober- Wallis herrscht nördlich der Rhône der Gneis vor, welcher im Fächersystem der Berner Alpen den nördlichen und südlichen Rand des Erhebungsmassivs bildet, während die Mitte des Fächers, d. h. die höchsten Kämme der Berner Alpen, als Finsteraarhorn, Aletschhorn, Gross-Grünhorn u. s. w., aus einer breiten Zone steil südöstlich fallender Hornblendeschiefer, Chloritschiefer und der ganzen Varietäten - Reihe der sogenannten Grünen Schiefer (Studer) gebildet wird. Während der Nordrand der krystallinischen Feldspathgesteine der Berner Alpen steil mit Süd bis Südost einfällt, ist das Einfallen der Gneis- und Glimmerschiefer - Region südlich der Rhône ein nördliches, so dass die Fächerstruktur des Finsteraarhorn-Massivs unzweideutig ist. Südlich der Rhône, von Brieg aufwärts bis oberhalb Lax, tritt eine schmale Zone südlich fallender, Gyps-führender graulich-schwarzer Thonschiefer auf, welche mit Unterbrechungen das ganze RhôneThal hinunter anhalten und in der Umgebung von Sitten Anthracit - führend sind. Sie gehören laut Petrefakten zur Kohlen-Formation, identisch mit der der Tarentaise. Bekannt ist endlich der zuckerartige Dolomit des Binnenthals, der an seltenen Mineralien so reich ist.

Meteorologische und klimatographische Beiträge zur Kenntniss der Canarischen Inseln.

Von K. v. Fritsch.

L. v. Buch's Bemerkungen über das Klima der Canarischen Inseln in der berühmten Physikalischen Beschreibung der Canarischen Inseln, SS. 61-90, sind bis jetzt fast die einzige Quelle gewesen, aus der man die meteorologischen Verhältnisse dieses Archipels kannte. Die wichtigste Bereicherung unserer Kenntnisse in dieser Beziehung verdanken wir Piazzi Smyth (The Tenerife astronomical experiment, Phil. Transact. 1858, vol. 148). Andere Reisende haben nur einzelne, meist untergeordnete, wiewohl zuweilen auch wichtige Bemerkungen über diesen Gegenstand hinzugefügt.

Es kann eine erschöpfende und den Anforderungen der Wissenschaft entsprechende Klimatographie der Canaren nicht durch Reisende geliefert werden, deren Aufenthalt oft nur auf Tage und Monate, selten auf Jahre ausgedehnt ist. Eine solche Darstellung muss uns die Zukunft von ständigen Bewohnern oder von Eingebornen des Archipels bringen. Wenn es gleichwohl ein Reisender versucht, was bisher über die klimatischen Verhältnisse der Canaren bekannt ist, zusammenzustellen und eine Anzahl Beobachtungen hinzuzu

fügen, welche nur auf eine annähernde Richtigkeit Anspruch machen können, so mag ein solcher Versuch entschuldigt werden durch das Interesse, welches sich seit der Umgestaltung der Meteorologie durch Dove an die Kenntniss solcher Gegenden knüpfen muss, wo man im Stande ist, den Passat und Antipassat unmittelbar über einander zu beobachten.

Der Versuch wird jedoch um so mehr gewagt werden dürfen, als auch aus einem anderen Gesichtspunkte jede geringe Erweiterung der Kenntniss des Klima's dieser Inseln erwünscht ist. Zahlreiche Kranke und Leidende suchen Linderung durch einen Aufenthalt in einem südlichen Klima. Das reizende Madeira ist durch die Theuerung der Lebensbedürfnisse, die man nach Englischen Preisen bezahlen muss und die noch durch einen hohen Zoll vertheuert werden, weniger Bemittelten unzugänglich. Diese finden auf den Canaren ein billigeres Leben, die Wohlthat des Freihafens. Andere werden es vorziehen, auf den Canaren durch häufigere und regelmässigere Dampfschiffverbindung, als man auf Ma

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deira trifft, mit den Angehörigen im Europäischen Heimathlande zu verkehren, oder wegen der grösseren Leichtigkeit des Badens in der See, vielleicht auch wegen der besonders auf Canaria zahlreichen Sauerquellen und Mineralwasser den Fortunaten vor Madeira den Vorzug geben.

Die Inselgruppe der Canaren, zwischen 15° 40′ und 20° 30′ W. L. v. Paris und zwischen 27° 37' und 29° 24′ N. Br. gelegen, besteht bekanntlich aus sieben Inseln, Hierro (Ferro), Palma, Gomera, Tenerife, Canaria, Fuerteventura und Lanzarote, nebst einigen kleinen Eilanden, die sich besonders an die beiden letztgenannten Inseln (die östlichen) anschliessen und deren bedeutendere Lobos, Graciosa, Montaña-Clara und Alegranza sind.

Dieser Archipel liegt im Gebiete des Nordostpassatwindes. Im Sommer selten, häufiger in den Wintermonaten wird der Passat durch andere Winde, besonders westliche und südliche, von der Meeresfläche verdrängt. Es sind diese Winde theils der herabsteigende Antipassat, theils nordwestliche Winde, welche wohl beim Kampf des Passates mit dem Antipassat entstehen, theils endlich heisse, trockene und häufig sehr staubreiche Winde, die aus Osten und Südosten vom Afrikanischen Kontinent her wehen. Der Passat (la brisa) bleibt das ganze Jahr durch der herrschende Wind, er herrscht fast ununterbrochen, mit einer in der Regel nicht sehr bedeutenden Intensität (welche noch nicht bestimmt ist) von April bis September. Von Oktober 1862 bis Ende Februar 1863 hatte ich auf Palma, Gomera, Hierro und Canaria an 112 Tagen Passat, an circa 30 Tagen südliche Winde, meist südwestliche, an 6 Tagen war Kalme. Öfters aber war für einzelne Stunden Windstille, für kurze Zeit wehte bisweilen Nordwest oder schnell vorübergehende südliche Winde. Das ist auf den Canaren wohl das normale Verhältniss, so weit ich aus den Berichten der einheimischen Schiffer schliessen konnte; sonach bleiben die südwestlichen Winde (tiempo ó viento de abajo) nicht, wie bisher angegeben wurde, Monate lang im Winter herrschend, sondern nur der Gürtel veränderlicher Winde reicht während des Winters bis in diese Breiten.

Die Intensität der Winde ist jedoch im Winter weit bedeutender als im Sommer und gar oft steigern sich dann sowohl die Brisa als der Viento de abajo zu verheerenden Stürmen von nicht selten mehrtägiger Dauer. Die Gebirge der Inseln äussern auf die Winde eine aufhaltende Wirkung, welche man schon daran bemerkt, dass die Heftigkeit des Luftzuges am Lande und in dessen nächster Nähe gemildert ist gegenüber der offenen See. In einiger Höhe über dem Meeresspiegel ist diese geringere Intensität besonders deutlich fühlbar.

Weit auffallender noch ist die aufhaltende Wirkung der Gebirge durch die Windstillen, welche nicht nur auf den

von der Windrichtung abgekehrten Hängen der Inseln, sondern noch weit seewärts bemerklich sind. Die Ausdehnung dieses Windschattens bestimmte Glas beim Passatwind für Canaria auf 20 bis 25 Seemeilen (?), für Tenerife auf 15, für Gomera auf 10, für Palma auf 30 Seemeilen. L. v. Buch, a. a. O. S. 71, sucht die Erklärung für die grosse Ausdehnung dieser windstillen Meerestheile in einem allmählichen sanften Aufsteigen des Passatwindes oder in einer grösseren Ausbreitung desselben in den niedrigeren Breiten. Die Richtung des Passatwindes ist nicht auf allen Inseln des Archipels gleich. In der viel nördlicheren Richtung, welche der Passat auf Lanzarote und Fuerteventura besitzt gegenüber Palma, Gomera und besonders Hierro, zeigt sich eine Ablenkung der Windrichtung nach dem so stark erwärmten Afrikanischen Kontinent hin.

Die absolute Mächtigkeit der Luftschicht, welche sich als Passatwind von NO. nach SW. bewegt, ist keine gleich bleibende. Selten aber erreicht der Passat die Höhe des Pico de Teyde auf Tenerife, 3713 Meter (so bei meinem zweiten Besuch des Gipfels den 30. Mai 1863, vielleicht auch bei Deville's Besteigung den 21. September 1842). Bei meinen Wanderungen fand ich im September 1862 die obere Grenze des Passates meist bei 2000 bis 2400 Meter, bisweilen schien dieselbe aber bedeutend auf- und abwärts zu schwanken. Über dem Passatwind folgt in der Regel eine 300 bis 600 Meter mächtige windstille Zwischenregion, über welcher erst der Antipassat aus Südwesten weht, ein Wind, der fast stets auf dem Teyde herrscht, oft auch, während in der Nähe der Küste noch der Passat fühlbar ist, herabsteigt bis zu den Höhen von Canaria (1800 bis 1900 Meter) und Palma (2000 bis 2200 Meter). Die windstille Zwischenzone ist offenbar die Folge der Reibung beider entgegengesetzter Luftströmungen, wenn dieselben sich gleichmässig bewegen. Ist jedoch die Bewegung eine unregelmässige, dann wird gerade diese Zwischenzone der Kampfplatz beider Winde, es machen sich dann in raschem Wechsel entgegengesetzte Windstösse bemerkbar oder wohl auch Wirbelwinde. Letztere konnte ich nicht selbst beobachten, auf Palma sind es aber gewiss solche, die, wie man erzählt, Felsblöcke, Baumstämme und bisweilen Wanderer von den Andenes in die Tiefe der Caldera stürzen sollen und die man im Winter sehr fürchtet.

Der Passatwind nimmt von dem Meere Dünste auf, die mit ihm an den Gehängen der Inseln aufsteigen und in der kühleren Luftschicht bei etwa 800 bis 1200 M. Höhe sich fast täglich zu einer Wolkenschicht kondensiren, welche sich an die Berge anlehnt, zusammenhäuft und oft etwas aufwärts steigt. Nachts verschwinden diese Wolken gewöhnlich, wahrscheinlich, weil vom schneller abgekühlten Lande die Luft nach der See zu und nach der Tiefe hin

sich bewegt. Sie sind es, welche der Region des Lorbeerund Haidewaldes an den nördlichen und östlichen Hängen der Inseln (dem Monte) angenehme Frische und Feuchtigkeit geben, sie halten von tiefer gelegenen Orten die glühenden Sonnenstrahlen ab oder mildern sie doch zum wenigsten. Diese Wolkenschicht durchschritt ich oft bei Bergwanderungen. Sie ist in der Regel 300 Meter und mehr mächtig. Keineswegs bezeichnet sie die obere Grenze des Passates, der erst 600 bis 1000 Meter höher durch die fast windstille Zone vom Antipassat getrennt ist.

Bisweilen ist an dieser Wolkenlage ein durch mehrere Tage fortgesetztes Aufsteigen erkennbar, seltener ein eben so ruhiges Herabsinken.

Oft wird die Masse der an den Bergen angelagerten, dort entstandenen Wolken noch vermehrt durch andere, welche der Passat aus höheren Breiten über das Meer heranbringt. Das geschieht besonders im Winter und die so herangetriebenen Wolken scheinen es hauptsächlich zu sein, welche durch ihre Anhäufung und stärkere Abkühlung in der Nähe des Landes sich in den winterlichen Regengüssen entladen.

Für die Nord- und Ostseite der Canaren ist nämlich nicht, wie bisher angegeben wurde, der herabkommende Antipassat der Bringer der Winterregen, sondern der Passat; nur auf den dem Passat abgewendeten Süd- und Westhängen (las bandas) kommt Regen mit dem Antipassat; doch wie diese Bandas der Feuchtigkeit der Passatwolken entbehren, so dass dort nur an wenigen Punkten Lorbeeren und Haidebäume gedeihen, statt deren nur der dürre Kiefernwald (Pinar) erscheint, wie in der trockenen Luft über der Wolkenlage des Passates, so sind daselbst auch die Regengüsse ungleich seltener als an den Nord- und Osthängen.

Der Unterschied der Banda vom Osthang tritt besonders scharf hervor auf Palma, wo die beiden Inseltheile durch einen scharfen Gebirgsrücken geschieden sind. Nie fand ich beide Hänge des Gebirges gleichmässig bewölkt. Trieb etwa ein heftiger Wind die Wolken über den Gebirgsrücken (Cumbre), so sank der herüber getriebene Wolkentheil auf dem Westhang etwas nieder und löste sich rasch, wohl kaum 100 Meter vom Rücken, in der wärmeren und gewiss auch trockneren Luft der Banda. Nur ein einziges Mal sah ich ein solches abgerissenes Wolkenstück mehr stationär. Es schien dieses bei den Gipfelpunkten der Insel über die Cumbre getrieben worden zu sein und stand über dem grossen, quellenreichen Thalkessel der Caldera. Die Wolke rotirte in eigenthümlicher Weise um eine horizontale Axe, wahrscheinlich weil der Passat noch den oberen Theil dieses Häufchens westwärts zu treiben suchte, was durch einen thalaufwärts gehenden Gegenluftstrom oder durch eine ru

hende Luftschicht darunter verhindert wurde. Während meines Aufenthaltes auf Palma vergingen vom 15. Oktober bis 26. November 1862 in Santa Cruz und den anderen Orten der Ostseite nur drei kurze Perioden ohne Regen, während welcher Südwestwind herrschte: 4. bis 8., 16. bis 18. und 23. bis 25. November, sonst sandte der stark bewölkte Himmel täglich Regenschauer herab. In der Banda aber war der heftige Guss, welcher mich bei Südwestwind in der Nacht vom 23. auf den 24. November durchnässte, der zweite Regen seit Oktober.

Eben so lernte ich auf Tenerife, Canaria, Gomera, Hierro den Passat als den Regenbringer für die Ost- und Nordseite kennen, den Antipassat dagegen als den ungleich seltener thätigen Erzeuger von Regengüssen der Bandas.

Ich hatte auf meiner Reise an circa 78 Tagen Regenoder Graupelwetter, doch wird wohl nur an wenigen Orten der Inseln so oft ein Niederschlag erfolgen, als ich bei meinen Reisen durch den Archipel an vielen Punkten und unter verschiedenen Verhältnissen traf. Beliastel giebt für Puerto de la Cruz bei Orotava 50 Regentage an. Für andere Orte vermissen wir auch diese dürftige Angabe, die Regenmenge aber ist durchaus nirgends bestimmt. Eben so unwissend sind wir auch über die Verhältnisse der festen Niederschläge. Ich konnte auf Palma, Hierro und Canaria nur Graupeln beobachten, der körnige Firn verschwand meist rasch, wenigstens an den unter 1000 Meter Höhe gelegenen Orten, die Gebirgshöhen von Palma und Tenerife blieben jedoch Wochen und Monate lang weiss. Dr. W. Reiss scheint in den Cañadas des Teyde nicht bloss körnigen Firn, sondern auch losen Schnee beobachtet zu haben. An den Flanken des Teyde sah ich noch am 31. Mai 1863 in Klüften und Spalten der Lavaströme zusammengeschmolzenen Firn, 14 Tage vorher auch noch in Felsspalten an der Garganta de Guimar in nur 1800 bis 2000 Meter Höhe.

Unter 700 Meter Höhe scheint nie fester Niederschlag zu fallen, obwohl nach L. v. Buch's Zeugniss in Laguna bei 530 Meter Höhe sich bisweilen eine messerrückenstarke Eisdecke bilden kann (in Folge der Wärmeausstrahlung bei Nacht).

Die ältere Angabe, dass auf den Canaren der Regen mit dem herabsteigenden Antipassat allgemein komme, stützt sich wohl auf Beobachtungen in Santa Cruz de Tenerife wo das wirklich Statt finden wird, weil die Stadt an der südöstlichen Seite der Insel gelegen und vor den Wolken des Passates durch das etwa 1000 Meter hohe AnagaGebirge geschützt die klimatischen Verhältnisse der Bandas theilen mag.

Die beiden östlichen Inseln Lanzarote und Fuerteventura haben äusserst wenig Regen, der wohl meist mit dem Antipassat kommt. Sie erreichen nur eine unbedeutende Höhe,

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