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und ein Preussisches Kriegsschiff, wenn irgend thunlich, schon im Frühjahr 1866 möglich machen werden, Das Gesuch der K. K. Geographischen Gesellschaft erfuhr in den Kaiserl. Österreichischen Regierungskreisen eine gute Aufnahme.

Am 15. November reiste Verfasser dieses nach Berlin, um dem Königl. Preussischen Minister-Präsidenten Grafen v. Bismarck und dem Kriegs- und Marine-Minister General-Lieutenant v. Roon die Angelegenheit persönlich zu unterbreiten. Es muss für die wissenschaftlichen Kreise Deutschlands erfreulich sein, dass beide Minister in der allerzuvorkommendsten und theilnehmendsten Weise sich günstig über das Projekt und für eine Unterstützung Seitens der K. Preussischen Regierung aussprachen. In einer Zuschrift des Herrn MarineMinisters vom 7. Dezember heisst es, nachdem die Eventualität der Ausführung einer solchen Expedition von Seiten Österreichs oder Preussens allein berührt worden ist, folgendermaassen:

,,Lieber wäre mir und wohl auch dem Grafen v. Bismarck die gemeinsame Ausführung der Expedition: Kosten, Risiko, eventualiter Glanz und Ruhm, wären dann getheilt" u. s. w.

Leider wurde mir schon in einem Schreiben aus Wien vom 14. Dezember bekannt gegeben:

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,,dass die Österreichische Regierung leider wenigstens im Jahre 1866 nicht in der Lage sei, ein Schiff für die Nordpol-Expedition herzugeben, jedoch aus keinem anderen Grunde, als weil in Folge einer drängenden Aufforderung des Ministeriums des Äusseren rasch so eben der Entschluss gefasst worden sei, im nächsten Jahre eine Expedition mit zwei Schiffen nach China und Japan zur Abschliessung von Handelsverträgen zu entsenden, und weil die Ausrüstung dieser Expedition alle disponibeln Mittel in Anspruch nehmen werde. ,,,,Schenken Sie daher Dr. Petermann reinen Wein ein, und theilen Sie ihm mit, dass wir für die Nordpol-Fahrt höchstens Offiziere und Instrumente hergeben können.' Diese Nachricht war ein harter Schlag auf die Hoffnungen einer baldigen und effektiven Realisirung des Projektes und musste die Freunde desselben mit um so grösserem Bedauern erfüllen, weil gerade in Österreich in allen geographischen, wissenschaftlichen und nautischen Kreisen allgemeines und tiefes Interesse für die Sache gezeigt worden war, und man z. B. in Wien, Triest, Pola und anderen Orten von Anfang an thatkräftig die Hand zur Hülfe geboten hatte, ja sogar zur Aufbringung der nöthigen Geldsummen früher als irgend anders wo zu Sammlungen geschritten war. Es mussten sich daher nun die Hoffnungen auf vornehmlich Einen Punkt koncentriren, und das war Preussen. Preussen ist noch mehr als Österreich Vertreter der maritimen Interessen Deutschlands, und zufolge seiner geographischen Lage bildet es an und für sich schon die natürliche Basis zum Ausgangspunkt für eine Expedi

tion in die nördlichen Meere, deren eventuelle Ausbeutung in materieller und industrieller Beziehung ebenfalls Preussen mehr zu Gute kommen würde als Österreich. Unter allen Umständen muss eine Deutsche Nordpol-Expedition die Deutsche Nordseeküste zu ihrer Basis haben, und während Schiffe aus den Österreichischen Häfen der Adria etwa 6 Wochen brauchen würden, um in die Nordsee zu gelangen, könnten Schiffe von der Nordsee aus in derselben Zeit unter günstigen Umständen den Pol selbst erreichen. Ein ganz spezieller Grund, von Preussen eine hervorragende Betheiligung zu erhoffen, war überdiess noch der, dass sich ein Preussischer Seeoffizier, Korvetten-Kapitän R. Werner, mit warmem Interesse und grosser Energie dem Unternehmen zugewandt hatte und sich die Ausführung des Planes zum Ziel gesteckt hatte. Die Geschichte der geographischen Entdeckungen weist nach, dass sich in den meisten Fällen grosse Entdeckungen auf einzelne begeisterte, enthusiastische und thatkräftige Persönlichkeiten zurückführen lassen, und dass, sobald diese erstanden, Mittel und Wege zur Ausführung verhältnissmässig leicht gefunden und beschafft wurden.

Am 17. Dezember fand in Gotha eine Versammlung von Mitgliedern des Nordfahrt - Ausschusses Statt, welche aus verschiedenen Orten Deutschlands, sogar aus dem entfernten Danzig, zusammengekommen waren:

Berlin (Prof. Dr. W. Koner, Herr Franz Maurer),
Danzig (Dr. Liévin, vom dortigen Lokal-Comité),
Dresden (Dr. Stübel, vom dortigen Lokal-Comité),
Erfurt (Prof. Dr. Weissenborn),

Frankfurt a. M. (Dr. Otto Volger),
Hombruch (Herr Friedrich Harkort),

Gotha (Dr. E. Behm, Dr. Henneberg, Herr Finanzrath Hopf,
Herr Andreas Perthes, Herr J. Perthes, vertreten durch Herrn
R. Besser, Dr. A. Petermann),

Leipzig (Prof. Dr. Carus, Dr. H. Lange; beide vom dortigen
Lokal-Comité),

während eine weit grössere Anzahl schriftlich vertreten waren. Ein grosser Theil der brieflich mitgetheilten Rathschläge abwesender Mitglieder wurde bereits im ersten Hefte der,,Geogr. Mitth." für 1866 (SS. 28-39) abgedruckt, die Resolution der Versammlung selbst lautete folgendermaassen :

,,Der Nordfahrt-Ausschuss begrüsst mit grosser Freude die Nachricht, dass die Königl. Preussische Regierung geneigt sei, die Deutsche Nordfahrt aus ihren Mitteln zur Ausführung zu bringen. Derselbe ist überzeugt, dass auf diesem Wege bei den grossen, der Preussischen Regierung zu Gebote stehenden Hülfsmitteln auch Grosses auszuführen und das wesentliche Ziel zu erreichen sei. Der Ausschuss ist aber eben so sehr überzeugt, dass dadurch seiner eigenen Thätigkeit keine Grenzen gesetzt werden, und stellt sich auch ferner die Aufgabe, die Betheiligung auf alle Weise rege zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die Deutsche Nordfahrt jedenfalls zur Ausführung gelange und mit den nöthigen wissenschaftlichen Hülfsmitteln und Kräften ausgestattet werde."

Am 22. Dezember wurde von dem Herrn Kriegs- und Marine-Minister v. Roon zur Feststellung der Aufgaben und der Bedürfnisse der Expedition, in Betreff sowohl der Einrichtung, Ausstattung und Bemannung des oder der Schiffe, der Kosten und der Zuschüsse, die sie überetatsmässig veranlassen würde, u. s. w., eine Kommission dekretirt, die unter dem Vorsitz des Contre-Admirals Jachmann, stellvertretenden Oberbefehlshabers der Königl. Preussischen Flotte, aus folgenden Mitgliedern bestand:

Kapitän zur See Heldt, Chef des Stabes im Marine-Ober-Kommando, Berlin,

Kapitän zur See Köhler (Decernat für Ausrüstung und Hydrographie im Marine-Ministerium),

Korvetten-Kapitän Werner,

Kapitän-Lieutenant v. Schleinitz (im Marine-Ministerium), Wirklicher Admiralitäts-Rath Elbertzhagen (Decernat für Schiffsbau

im Marine-Ministerium),

Dr. A. Petermann (als geographischer Sachverständiger).

Diese Kommission trat am 18. Januar 1866 und folgenden Tagen im Marine-Ministerium in Berlin zusammen und erledigte sich der sorgfältigen Erörterung der Angelegenheit in dem oben erwähnten Sinne im Ganzen und im Detail.

Am 31. März bat ich den Königl. Preussischen MinisterPräsidenten und den Kriegs- und Marine-Minister um Nachricht, ob die Königl. Preussische Regierung die NordpolExpedition auszuführen gedenke, und im Nichtfalle, ob und in welcher Weise sie das Unternehmen, wenn dasselbe von der Nation in die Hand genommen würde, unterstützen werde". Herr General - Lieutenant v. Roon hatte die Gewogenheit, umgehend, d. d. 1. April, zu schreiben:

,,Die schnelle Beantwortung Ihrer gestrigen Zeilen mag Ihnen als Beweis gelten, dass an der bisherigen Verzögerung einer Entscheidung über die Betheiligung der Königlichen Regierung an der Nordpol-Expedition jedenfalls nicht Lässigkeit oder Gleichgültigkeit die Schuld trägt. Eine Regierung kann sich nicht kopfüber mit Enthusiasmus in ein Unternehmen stürzen, bevor nicht Zweck und Nutzen desselben und Mittel und Wege zu seiner schicklichsten Ausführung reiflich und gründlich erwogen und die entgegenstehenden Hindernisse und Bedenken überwältigt und beseitigt sind. Ausserdem liegt es auf der flachen Hand, dass die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Regierung eines grossen Landes in der vielfältigsten, zum Theil grossartigsten Weise in Anspruch genommen sind; es kann daher nicht jede wichtige oder interessante Angelegenheit so rasch gefördert werden, als gewünscht werden mag; der aus der Verzögerung von Ungeduldigen gezogene Schluss wird daher in vielen Fällen ein irriger und übereilter sein. So ist es auch mit der on Ihnen vertretenen Angelegenheit, welche nach wie vor das Interesse der Regierung in Anspruch nimmt, für die daher auch seiner Zeit geschehen wird, was die Rücksicht auf wichtigere Dinge irgend zulässt, sei es ohne, sei es mit Benutzung der dem nationalen Enthusiasmus etwa abgewonnenen Resultate."

Auch Seine Excellenz Graf v. Bismarck hatte die Güte, mir unterm 4. April mitzutheilen:

,,E. Hochwohlgeb. erwiedere ich auf das gefällige Schreiben vom 31. v. M. ergebenst, dass ich zu meinem Bedauern gegenwärtig noch nicht in der Lage bin, Ihnen eine Mittheilung darüber zu machen, welche Unterstützung die beabsichtigte Nordpol-Expedition von der Regierung Sr. Majestät des Königs zu erwarten hat, indem die zur Vorbereitung einer Entschliessung darüber eingeleiteten Verhandlungen noch nicht beendigt sind."

So scheint denn die Ausführung des Projektes Seitens der Preussischen oder irgend einer anderen Deutschen Regierung auch für dieses Jahr sehr in Frage gestellt.

Erwägt man, dass die staatlichen und politischen Verhältnisse bei uns in Deutschland im Allgemeinen nicht dazu angethan sind, wissenschaftliche Unternehmen zu fördern, dass das ungeheure Militärwesen die Hebung des Seewesens und die Bildung einer anständigen Deutschen Flotte bisher unmöglich machte, dass unsere Deutschen Regierungen bisher wenig Interesse für die Wissenschaften im Allgemeinen zeigten und für die geographischen Wissenschaften so gut wie Nichts thaten oder thun konnten, so darf man sich nicht wundern, wenn eine Nordpol-Expedition, die als eine verhältnissmässig fremdartige Angelegenheit in Deutschland auf die Tagesordnung gesetzt ist, so rasch nicht zur Ausführung gelangt. Im Gegentheil muss es die Wissenschaft der Preussischen Regierung, der viele andere und viel wichtigere Angelegenheiten näher liegen, mit Dank erkennen, dass sie diesem Projekte schon so viel eingehende Beachtung schenkte und so viel Interesse zuwandte.

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Ich für meine Person fühle mich in der That gedrungen, bei dieser Veranlassung den Herren Ministern v. Bismarck und v. Roon öffentlich meinen wärmsten Dank auszusprechen für die Theilnahme, die sie dem in wissenschaftlicher, kulturhistorischer und nationaler Beziehung so wichtigen Projekt haben angedeihen lassen.

Von Einer Seite bin ich getadelt worden, dass ich überhaupt erst an Regierungen mich gewandt und nicht gleich an die Deutsche Nation appellirt habe. Es ist wahr, das Deutsche Volk ist ein wissenschaftliches Volk, welches stets bereit war und noch ist, der Wissenschaft Opfer, grosse Opfer zu bringen. Als im Jahre 1860 eine Deutsche Expedition nach Afrika geschickt werden sollte, zur Aufklärung des Schicksals Eduard Vogel's und zur Fortsetzung seines Forschungswerkes, bedurfte es nur Eines Rufes, und es flossen in bereitwilligster und ehrenvollster Weise in kurzer Zeit 22.000 Thaler zusammen: Könige und Handwerker, Minister und Abgeordnete, wissenschaftliche und politische Vereine der verschiedensten Färbungen, Deutsche in China und bei den Antipoden, Deutsche Israeliten in Paris, sie alle

hatten sich vereinigt und beigesteuert, um jene Ehrensache zum Ruhme Deutschlands auszuführen und durchzuführen; noch ist dieses Unternehmen nicht abgeschlossen; denn nachdem nicht weniger als drei edle Deutsche Männer, v. Beurmann, Steudner, Schubert, der schweren Aufgabe ihr Leben zum Opfer gebracht, andere mit wichtigen und verdienstlichen wissenschaftlichen Resultaten heimgekehrt sind, befindet sich eben in diesem Augenblick einer der besten Afrikanischen Reisenden, die es je gegeben, Gerhard Rohlfs aus Bremen, auf dem Wege nach Wadai, dem Schauplatze von Vogel's Verschwinden; der letzte Rest jener vor 6 Jahren gesammelten Summe ermöglicht ihm den abermaligen Versuch des ausserordentlich schwierigen Unternehmens.

Allein zwischen der Deutschen Expedition nach Afrika und der zum Nordpol besteht doch so mancher Unterschied. Für effektive Forschungs-Expeditionen nach Norden dürften grössere Mittel gehören als für Afrikanische Reisen, wiewohl diese ungeheure Summen kosten können: Baron von der Decken verausgabte etwa 200.000 Thaler und erreichte verhältnissmässig wenig, Dr. Barth freilich gebrauchte für seine 6jährige Reise Alles in Allem nur 10.000 Thlr., G. Rohlfs für seine grosse Reise durch ganz Marokko und nach Tuat sogar nur 600 Thaler. Dann möchte es für Nordfahrten noch in geringerer Auswahl geeignete Führer geben als für Afrikanische oder andere Landreisen, und zwar sind gleich Mannschaften erforderlich, nicht bloss einzelne Individuen. Zu den Geldsummen und Leuten gehören als Drittes in jeder Beziehung geeignete und tüchtige Schiffe.

Alles Dreies aber haben mächtige Regierungen seefahrender Nationen bereits in Händen und zu ihrer Verfügung. Als nun gar ausgezeichnete Männer im Dienste Deutscher Regierungen, wie Admiral v. Wüllerstorf und Kapitän Werner, sich zur Führerschaft der Expedition erboten, lag es nahe, zuerst die betreffenden Regierungen um ihre Unterstützung anzusprechen, und zwar wo möglich mit Hülfe der Stimme des Volkes, der öffentlichen Meinung und der Gelehrtenwelt. Denn man kann nicht erwarten, dass Regierungen in solchen Dingen die Initiative ergreifen; Columbus würde nie die Neue Welt entdeckt, Cook nie seine Entdeckungsreisen gemacht, Barth nicht nach Inner-Afrika gekommen sein, hätten die betreffenden Regierungen zuerst die Anregung dazu geben sollen.

Im vorliegenden Falle kam noch dazu, dass Österreich sowohl wie besonders auch Preussen seit einiger Zeit sehr darauf bedacht gewesen sind, die Hebung des Seewesens anzustrengen, und dass ein derartiges Unternehmen damit als zeitgemäss und zweckentsprechend zusammenfallen dürfte. Sehr treffend sprach sich Prof. Dr. Neumayer in der Geographen - Versammlung zu Frankfurt a. M. am 23. Juli

dahin aus: „Seit 15 Jahren lebte ich ununterbrochen dem Studium der Frage: Was thut in unserer maritimen Entwickelung vor Allem Noth? indem ich mich bemühte, theils als praktischer Seemann, theils als Vorstand nautischer Institute, in verschiedenen Theilen der Erde meine Ansicht über diesen höchst wichtigen Gegenstand auszubilden. Es wollte mir nie einleuchten, dass es vor allem Anderen geboten sei, durch enorme Anstrengungen zur Beschaffung einer grossen Kriegsflotte unsere maritime Stellung zu erringen und zu wahren; die Erfahrungen der letzten zehn Jahre haben meine Ansicht völlig bestätigt. Wir leben in der Zeit der grossen technischen Erfindungen, was heute gut, ist morgen schon durch Besseres übertroffen, und nur was im steten, nützlichen Gebrauche sich so weiter bilden kann, ist vom nationalökonomischen Standpunkte aus gerechtfertigt. England und Frankreich haben uns in ihrer Naval - Architektur ein schlagendes Beispiel geliefert, wie man um der eitlen Prunksucht, der Eifersüchtelei willen Millionen verschwenden kann, ohne den geringsten praktischen Vortheil zu erhaschen, und die Vereinigten Staaten haben gezeigt, was die heutige Technik in kürzester Zeit in Beziehung auf Masse und Erfindung gerade auf diesem Felde zu leisten vermag. Wenn durch solche Betrachtungen die Räthlichkeit der Beschaffung von Kriegsflotten in grösserem Maasse, als durch Zeitverhältnisse und Übungszwecke bedingt, sehr in Frage gestellt wird, so erkennen wir auf der anderen Seite durch das Studium der Geschichte der seefahrenden Nationen einen Pfad, auf dem sie alle ihre Bedeutung errungen haben. Wir sehen Portugiesen und Spanier, Holländer und Engländer, Franzosen und Russen, und in neuerer Zeit Amerikaner sich ihre maritime Bedeutung anbahnen und erringen durch Leistungen auf dem Gebiete der Hydrographie und Geographie. Durch Erweiterung nautischer Kenntnisse, durch Entdeckungsreisen wurden zunächst grössere Erfolge möglich gemacht und zum Andern der maritime Geist in der Nation geweckt und gebildet." 1)

2. Aufruf des Freien Deutschen Hochstiftes an die

Deutsche Nation.

Das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt a. M., welches sich unter allen Deutschen wissenschaftlichen Korporationen zuerst des Projektes mit grosser Wärme und Energie angenommen hat, hat nach vergeblichem 5 Monate langen Warten auf die Betheiligung der Preussischen Regierung folgenden Aufruf an die Deutsche Nation beschlossen:

1) Amtlicher Bericht über die Erste Versammlung Deutscher Meister und Freunde der Erdkunde in Frankfurt a. M. Juli 1865. Frankfurt a. M., Verlag des Freien Deutschen Hochstiftes (Leipzig, F. A. Brockhaus), 1865. Preis 1 Thlr. zu Gunsten der Deutschen Nordfahrt. SS. 52 und 53.

,,Deutsche Männer und Frauen!

,,Der auf Veranlassung des Freien Deutschen Hochstiftes für Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung von der Ersten Versammlung Deutscher Meister und Freunde der Erdkunde zu Frankfurt a. M. im Sommer vorigen Jahres beschlossene Plan,

durch eine Deutsche Nordfahrt die noch unbekannten Gebiete des Eismeeres zu erforschen und dadurch den Schlüssel zu den wichtigsten, die Gegenwart beschäftigenden Räthseln der Erdkunde und der Wetterlehre zum Nutzen der Wissenschaft, der Seefahrt, des Handels und des Landbaues zu suchen,

hat bei allen Deutschen grossen Anklang gefunden. Jeder hat gefühlt, dass der Unternehmungsgeist bei unserem Volke, besonders unseren Seefahrern, wieder rege werden muss, wenn Deutschland auch auf den Meeren wieder diejenige Bedeutung erlangen soll, welche ihm gebührt. Lasst uns unseren braven Seemännern (den besten der ganzen Erde!), lasst uns unseren gediegenen Forschern (den opferwilligsten aller Völker!) eine Gelegenheit geben, sich zu erproben, damit wir Alle in dem Stolze auf sie unser Vaterland erhöhen!

,,Wohl hat man auch zur Verwirklichung dieses Planes wieder nach Deutscher Art zuerst das Vorangehen einzelner Regierungen erwarten wollen. Darüber ist kostbare Zeit vergeblich verloren gegangen. Aber ein thatkräftiges Volk handelt selber! Wohlan, lasst uns

handeln!

,,Sollen wir es glauben, dass Deutsche Regierungen sich dermalen, wie uns die Zeitungen berichten, mit Kriegsplänen und Rüstungen beschäftigen, um Deutsche gegen Deutsche zu Felde zu führen? Deutsche Männer und Frauen! Das Deutsche Volk will von solchem Kriege Nichts wissen. Wo man das Recht nicht bricht, da ist kein Grund zum Kriege; wir werden Frieden behalten. Auf denn, lasst uns unsere Volkseinigkeit und unseren festen Willen gerade jetzt zu erkennen geben, indem wir, Deutsche aller Lande, zusammenwirken zu einem gemeinsamen, unserem ganzen Volke zu Frommen und Freude gereichenden Werke des Friedens, des Unternehmungsgeistes, der Wissenschaft! Spende Jeder seine Gabe, damit die Deutsche Nordfahrt noch in diesem Jahre zur sicheren Ausführung wenigstens bestens vorbereitet werden kann und nicht zum Spott- und Stichworte anderer Nationen gegen unsere seefahrenden Brüder werde! Kühne, erfahrene Seeleute von der Adria, von der Nordsee und von der Ostsee, entschlossene, des Deutschen Namens würdige Männer der Wissenschaft harren mit Ungeduld, dass wir sie in den Dienst des Vaterlandes berufen. Wir brauchen 200.000 Thaler, um die nöthigen Schiffe bauen und mit gutem Gewissen diesen Ruf ergehen lassen zu können, denn mit unzulänglichen Mitteln werden

wir unsere Brüder nicht in die eisigen Wintermeere senden wollen. Auf denn, lasst uns diese Mittel schleunigst beschaffen! Einen Thaler widme Jeder dem schönen Werke; einen Thaler opfert Jeder gern, auch wenn der Erwerb sauer wird. Die Unterzeichneten, Mitglieder des Deutschen Nordfahrt-Ausschusses und weiter hinzugetretene Deutsch gesinnte Männer, sind bereit, diese Beiträge zu sammeln und unter dem Beirathe der gründlichsten und tüchtigsten Fachmänner aus allen Deutschen Ländern das Unternehmen in gewissenhafter würdiger Weise ins Werk zu setzen.

,Wir bitten andere zustimmende Männer, Orts - Ausschüsse zu bilden überall, wo Deutsche wohnen, sich diesem Aufrufe anzuschliessen, denselben kräftigst zu verbreiten und mit uns in Verbindung zu treten.

,,Für vollständige öffentliche Abrechnung und Berichterstattung über den Verlauf des Unternehmens verbürgt sich die Verwaltung des Freien Deutschen Hochstiftes in Frankfurt a. M."

Eigenhändig unterzeichnet:

Altona in Schleswig-Holstein: Dr. med. H. P. D. Reichenbach, Arzt.
Aurich in Ost-Friesland: Dr. phil. G. Tepe, Oberlehrer.
Bamberg in Franken: Dr. med. Wildberger, Hofrath.
Bayreuth in Franken: Georg Kolb, Fabrikbesitzer.
Berlin: Dr. phil. Otto Kersten (von Altenburg).
Bremen: J. G. Kohl, Stadtbibliothekar.

Brieg in Schlesien: Dr. med. Basset, Arzt, Stadtverordneten-Vorsteher. Darmstadt: Dr. med. Ludw. Büchner, Arzt; Dr. phil. C. v. Gerstenberg, Schriftsteller und Geograph.

Deidesheim in der Rheinpfalz: Dr. med. C. H. Schultz-Bipontinus, Adjunkt der Kais. L.-C. Deutschen Akademie der Naturforscher. Diessenhofen in der Schweiz: Georg Fein.

Diez in Nassau: Dr. med. Santlus, Medizinalrath.
Dresden: Dr. phil. Alex. Ziegler, Hofrath.

Eckernförde in Schleswig-Holstein: Dr. med. Lüders, Arzt.
Elsfleth in Oldenburg: W. J. A. v. Freeden, Rektor der Grossherzogl.
Navigations-Schule.

Emden in Ost-Friesland: Dr. phil. M. A. F. Prestel, Direktor der Naturforschenden Gesellschaft.

Frankenthal in der Rheinpfalz: Dr. phil. Georg Neumayer (vormals Direktor des Observatoriums zu Melbourne in Australien). Frankfurt a. M.: Verwaltung des Freien Deutschen Hochstiftes im Goethe-Hause.

Freiburg im Breisgau: Dr. phil. J. Müller, Professor; Dr. phil. L. Oettinger, Hofrath und Professor.

Freudenberg in Westphalen: Dr. phil. H. S. G. Kubale, Apotheker. Göttingen: Dr. jur. H. A. Zachariä, Staatsrath und Professor. Grabow bei Stettin: A. Seydell, Schiffsbaumeister.

Halle a. d. S.: Dr. phil. Otto Ule.

Hamburg:,,Hansa", Zeitschrift für Deutsches Seewesen; J. P. A. Reichenbach, Sprachgelehrter; Gerad Schuirmann, Vorsteher der Deutschen Seemannsschule; Georg Thaulow, Vorsteher der Deutschen

Seemannsschule.

Hanau: Wilh. Diez, Direktor der Handelsschule; Carl v. Sodenstern, Obergerichts-Sekretär.

Helmstedt im Braunschweigischen: Th. Cunze, Gymnasial-Direktor. Jever in Oldenburg: Ant. Klusmann, Reallehrer; C. Hullmann, Lehrer der Mathematik und Physik.

Karlsruhe in Baden: Dr. med. Jos. Frick, Oberschulrath.

Kiel in Schleswig-Holstein: K. Ph. Francke, Geh. Staatsrath.
Krakau in Galizien: Dr. med. Ant. Bryk, Professor; Dr. phil. Ant.
Wachholz, Professor.

Kron-Weissenburg (Wissembourg) im Elsass: Dr. phil. F. Schultz,
Akademiker und Naturforscher.

Leipzig: Dr. med. J. Victor Carus, Professor; Dr. phil. Henry Lange, Geograph.

Marburg in der Steyermark: B. Ritter v. Carneri, Gutsbesitzer auf Wildhaus. Meiningen: Jahn, Medizinal-Assessor.

Mülhausen im Elsass: Dr. phil. Aug. Stoeber, Professor und Ober-
Bibliothekar.

München: Dr. phil. Söltl, Professor und K. Geh. Hausarchivar.
Neutitschein in Mähren: Joh. Nep. Enders, Professor.

Pest in Ungarn: Rud. Temple, Versicherungsbeamter.
Pforzheim in Baden: Moritz Müller, Fabrikant.
Prenzlau in der Uckermark: Grabow, Ober-Bürgermeister.
Ravensburg in Württemberg: Otto Deffner, Fabrikant.
Saarbrücken (St. Johann): Albrecht Bonnet, Gasdirektor.
Satow bei Kröplin in Mecklenburg: L. Vortisch, Pastor.
Schweinfurt in Franken: Carl Wetzstein, Buchhändler.
Stolpen in Sachsen: Dr. K. J. Kretzschmar, Arzt.
Stuttgart: Dr. phil. W. Neubert.

Ulm: C. Gruner, Ober-Justiz-Revisor.

Wangen im Allgäu: Dr. med. Braun, Arzt.

Wien: Dr. phil. V. F. Klun, Professor; Dr. phil. K. v. Scherzer, Direktor des Novara-Museums.

Wiesbaden: Wilh. Albrecht, Geh. Regierungsrath.

Skandinavien: Dr. phil. C. F. Frisch, L. th., Konrektor am Deutschen National-Lyceum in Stockholm; E. F. M. Frisch, Notar, ebendaselbst. England: Dr. phil. L. Schmitz, Direktor des International College zu Spring Grove bei London.

Amerika: Aug. Gläser, Sekretär des General-Konsulates der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika zu Frankfurt a. M.

(Weitere Unterzeichnungen vorbehalten.)

So ist es denn wieder einmal eingetroffen, dass die Deutsche Nation sich einer Sache annimmt, deren Ausführung oder Unterstützung weit eher von den Regierungen ausgehen konnte und noch kann, denn was dem Volke ungleich mehr Opfer an Geld und Zeit kosten wird, um die für eine solche Expedition nöthigen Summen, Schiffe und Seeleute aufzubringen, das steht wenigstens den Regierungen unserer seefahrenden Deutschen Staaten bereits zur Verfügung und beliebigen Verwendung. Man mag noch so billig und nachsichtig urtheilen, stets wird man schliesslich nur beklagen können, dass bei unseren politischen Verhältnissen die stehenden Heere vorzugsweise alljährlich so viele Millionen verschlingen, für die Wissenschaft aber so gut wie Nichts übrig bleibt. noch so geringschätzend von derartigen Unternehmungen urtheilen, aber selbst in dem armen Schweden unterstützt die Staatskasse solche Bestrebungen.

Man mag

Wenn auch die Preussische und ebenfalls die Österreichische Regierung, wie aus dem ersten Paragraph hervorgeht, noch nicht alle und jede Theilnahme an der Sache abgelehnt haben, so ist kaum anzunehmen, dass sie noch rechtzeitig für dieses Jahr eine Expedition auszuschicken vermöchten. Eine mächtige Regierung muss eine ihr würdige Expedition ausschicken, und kann sich nicht begnügen mit dem, was für Privat-Unternehmungen hinreichend wäre.

Die Preussische Regierung hat Thatkraft gezeigt und das Bestreben, Preussen's Seewesen zu heben. Ich hätte ihr daher so gern den Triumph der Initiative, der Ausführung und des Erfolges und Ruhmes dieses Projektes gewünscht und gegönnt; traf es sich doch auch gerade so, dass ein tüchtiger und erfahrener Seeoffizier, Kapitän Werner, wie Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft IV.

er vielleicht nicht immer in der Preussischen Flotte zu finden sein dürfte, die Führung der Expedition mit der grössten Begeisterung erfasst hatte. Wenn die Regierung aber Gründe haben mag, dass sie nicht zur Ausführung des Projektes geschritten ist, so kann man es auch auf der anderen Seite den zahlreichen Freunden desselben in allen Theilen Deutschlands und im Auslande nicht verdenken, wenn sie, der zuwartenden Stellung überdrüssig, mit eigenen Mitteln das Unternehmen selbst versuchen und wagen.

In allen Ländern sind zwar die Gelehrten und Gebildeten immer die nachhaltigen Träger und Förderer der Wissenschaft gewesen, aber die Regierungen schenkten ihnen auch Gehör und boten die Hand zur Hülfe. So z. B. in England. Zwar konnten selbst dort die Regierungen nicht alle die arktischen Expeditionen ausführen, welche von Seiten der betreffenden Kreise gewünscht wurden, es mussten deshalb auch dort Privat-Anstrengungen gemacht werden, wie bei den Expeditionen von Inglefield und McClintock, immer aber that schliesslich die Regierung doch das Meiste bei der Sache. Ob bei uns eine Regierung die Nation in ähnlicher Weise unterstützen wird? Ob, wie dort in England so häufig es geschieht, Regierung und Nation wenigstens. in einem wissenschaftlichen Unternehmen friedlich neben einander her gehen, werden?

Es ist anzunehmen, dass das Freie Deutsche Hochstift und die vielen trefflichen Männer aus allen Gauen Deutschlands und aus Deutsch redenden Nachbarländern, die sich um dasselbe geschaart, auf dem betretenen Wege ihres hochherzigen und thatkräftigen Vorgehens das Unternehmen auch ohne die Betheiligung und Unterstützung von Regierungen zur Ausführung bringen werden. Manche höchst wichtig gewordene Entdeckungs - Expeditionen fingen viel kleiner und bescheidener an, so klein und bescheiden, dass sie bei ihrem Anfang das Gespött der grössten Weisen damaliger Zeit" erregten, wie die Afrikanische Expedition von Richardson, Barth und Overweg; auch war das allgemeine Interesse für die Wüste Sahara vor jener Expedition eben so unbedeutend als das für den Nordpol bei uns vor einem Jahre; die Rohlfs'schen Reisen wurden ebenfalls von einer gewissen Seite hochmüthig belächelt und angefeindet, und jetzt sind sie geradezu die wichtigsten, die in ganz Afrika im Gange sind. Es legt ein erfreuliches Zeugniss für den Patriotismus, den wissenschaftlichen Sinn und das Streben nach geistigem Fortschritt bei uns ab, dass eine Sache, an die vor einem Jahre Niemand dachte, die uns fast immer, wenigstens schon seit Jahrhunderten fremd gewesen ist und fern gelegen hat, und deren Ausführung nicht geringe Opfer erheischt, heute bereits so viele zur That und Opferwilligkeit bereite Freunde gewonnen hat, als der obige Aufruf nachweist.

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