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Reise vom Irawaddi nach dem Sittang, im J. 1862.

Von Dr. A. Bastian.

Die Birmesische Provinz zwischen Irawaddi und dem Sittang oder Paloun-Fluss ist besonders in ihrem nördlichen Theile nur wenig von Europäern besucht worden und die Karten darüber sind aus Hamilton's Notizen oder anderen Vermuthungen zusammengestellt. Noch in der zweiten Auflage seiner Geographie nennt Ritter Tongo oder Taunu,,eine Stadt, die uns sonst nicht näher bekannt ist", und obwohl sie jetzt, nach dem zweiten Birmesischen Kriege, zur Englischen Provinz gezogen ist, bleibt sie noch immer ein wenig erforschtes Gebiet. Tongu liegt auf einem abgelegenen Vorposten, dem die direkte Kommunikation mit den Centralplätzen der Verwaltung fehlt und der nur auf Umwegen zu besuchen ist. Man hat verschiedentlich versucht, Verbindungswege mit Prome und dadurch mit Rangun zu eröffnen, aber die für ihre geringe Erhebung unverhältnissmässig steile und schroffe Yoma-Kette (zum Unterschied von der Arracanischen die Peguanische Yoma genannt) bietet in der ungesunden Wildniss ihrer Waldhügel ein noch unbesiegtes Hinderniss. Zur Zeit der Blüthe des Peguanischen Reiches war eine Königliche Heerstrasse von Hongsavadi nach Tongu angelegt, die in ihren Resten noch jetzt auf dem rechten Ufer des Sittang zu verfolgen, grösstentheils jedoch unpraktikabel geworden ist. In der Regenzeit können Boote bis Pegu fahren, aber der Wasserarm zweigt sich unterhalb der Stadt Sittang von dem Flusse ab und ist deshalb schon dem Einströmen der verderblichen Bore ausgesetzt. Die Anlage eines oberhalb dieser gefährlichen Stelle einmündenden Kanals ist projektirt, aber nicht ausgeführt worden. und ausserdem ist die Bergfahrt auf dem reissenden SittangFlusse eine höchst langwierige und schwierige für Boote, für Dampfschiffe aber wegen der vielen Untiefen und herabgeschwemmten Baumstämme wohl kaum möglich. Da die Einfahrt in die noch wenig bekannte Mündung des Sittang von Europäischen Schiffen nicht versucht werden darf, werden Truppen und Provisionen gewöhnlich von Rangun nach Mulmein geschickt und erst von dort nach Tongu weiter transportirt.

Die Englische Grenze ist ungefähr 11⁄2 Breitengrad oberhalb Tongu gezogen, bei einem Myolah genannten Dorfe, und ein Paar Stunden weiter liegt der Birmesische Grenzposten Mayho. Von Zinsaejoah, wo die von Ava oder Mandalay kommende Strasse am Sittang ausmündet, mag Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1866, Heft IV.

ein kleines Boot die Thalfahrt in einem Tage nach Mayho zurücklegen.

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Die Quelle des Sittang ist noch nicht mit Sicherheit bestimmt. Er muss in den Bergen um den See Nyoungschwe (den,,Phaphun"- oder „,Haphun"-Bergen nach Berghaus) entspringen und wurde früher aus diesem selbst abfliessend gedacht. Richardson indessen lässt ihn seinen Ursprung nördlicher nehmen, obwohl, wie Yule aus einem von ihm benutzten Manuskript - Journal dieses Reisenden bemerkt, die Eingebornen noch eine unterirdische Passage vermuthet hätten. Bei einigen Erkundigungen, die ich darüber einzog, wurde mir wieder von seinem gemeinsamen Ursprung mit drei anderen Flüssen aus einem mythischen Bassin gesprochen, aber Yule hat. Recht, wenn er auf diesen in Indien zum Dogma gewordenen See der vier Quellen keinen Werth legt, so lange nicht direkte Beobachtungen vorliegen. Indess scheint mir zweifelhaft, ob auf seiner Karte der obere Lauf des Sittang richtig angegeben ist, indem er ihn schon nördlich vom Natteik-Pass das ShanGebirge durchbrechen lässt. Der dort ausströmende Fluss könnte der auf Buchanan's Sklavenkarte Panlaun genannte sein, ein Name, der leicht mit dem Paulaun oder Pouloung verwechselt werden möchte. Auf dem Wege von Ava nach Tongu war am zweiten Tage der hohe Natteik in Sicht und wir hatten später noch mehrfach einen vollen Blick auf die Gebirgsmauer, die sich dort schroff aus der Ebene zu dem Tafellande der Shan emporhebt, eben so wie ein steiles Küstenufer aus dem Meere aufsteigt. Flösse der Pouloung dort schon am äusseren Fusse dieser Berge, so müsste er ein verhältnissmässig fruchtbares und angebautes Tha an seinen Ufern schaffen. Dagegen wurde mir bei meiner Ankunft in Zinsaejoah, dem letzten Dorfe in seinem oberen Laufe, gesagt, dass er nur für eine halbe Tagereise weiter hinauf schiffbar wäre, bis zu einem Kadaun genannten Platze, und darüber hinaus den Charakter eines steinigen Waldbaches trüge, der durch eine Wildniss unbewohnter Berge hindurchschäume.

Danach würde er unterhalb Yemethen oder Ramasain, wo ich einige vorbeiströmende Nebenflüsse kreuzte, die Hauptkette der Shan-Berge verlassen und diese öffnet sich gerade dort in der grossen Handelsstrasse über den Paya Schuemaundade, wodurch Yemethen zum Mittelpunkt der

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von den Shan-Kaufleuten besuchten Märkte geworden ist. Der dort entspringende Fluss, der nach dem Irawaddi abfliesst und auf Hamilton's Karte der Eingebornen Samaun (wahrscheinlich Samaghyaung) heisst, wurde mir Sama-Miet (der Klare Strom) genannt. Er lag nicht an meinem Wege, aber ich passirte einen Nebenfluss desselben. Miet bedeutet einen Hauptstrom, Ghyaung einen Seitenstrom und es mag so dieser Fluss am Irawaddi die letztere Bezeichnung führen, wogegen er im Inneren als Seitenarme aufnehmender Hauptfluss bekannt ist. Die den Sittang bei Zinsaejoah einengenden Berge gehören nur noch zu den Vorbergen des Plateau's, die auf dem linken Ufer zwischen einem ungeordneten Hügelgewirr sich zu der niedrigeren Terrasse der Karenni (Rothen Karen) erweitern und auf dem rechten sich zur Yoma-Kette fortsetzen. Die ganze Fläche, die der den Shan - Pässen gegenüber zurückschweifende Irawaddi einschliesst, ist das Produkt einer Einsenkung durch vulkanische Revolutionen, als deren Zeuge sich neben der Ölquelle Yaynangyoung noch der isolirte Kegel des Papadaun erhebt. Erst weiter südlich beginnt im Anschluss an morastige Sumpfgegenden, aus denen kleine Bäche abfliessen, die Yoma-Kette anzusteigen und die Scheide zwischen den Flussgebieten des Irawaddi und des Sittang zu bilden. Das obere Birma ist noch jetzt vielfachen Erdbeben ausgesetzt und Anspielungen auf solche finden sich in den alten Traditionen der Sagengeschichte, da die Gründung mehrerer der bedeutenderen Städte, wie Prome, Halin, Ava u. s. w., an eine geologische Umwälzung angeknüpft wird.

Der hauptsächlichste Verkehr zwischen dem Irawaddi und Sittang findet auf der von Mykyaung-yai nach Tongu abgehenden Fahrstrasse Statt, die eben so wie die nördlichere Yandabo's das Gebiet zwischen den beiden Flüssen vor der Erhebung der sie später trennenden Yoma-Kette durchschneidet. Der Weg von Ava nach Tongu führt durch eine wüste oder wenigstens verwüstete Provinz grösstentheils im Walde hin, wo man freilich jeden Tag Dörfer trifft, aber meistens nur nominelle, aus ein Paar Dutzend Hütten und oft aus keinem halben bestehend. Ausser Yemethen hat nur noch die alte und früher befestigte Stadt Nyaungyan, die, anmuthig von Betel-Pflanzungen umgeben, in einem fruchtbaren und wohlbewässerten Thale liegt, einige Bedeutung, so wie das ziemlich betriebsame Ban-ihn. Erst wenn man sich dem Sittang nähert, beginnen die Teak-Holzungen, deren zunehmende Ausbeute jetzt mitten im Walde die Stadt Niengien hervorgerufen hat, einen Sammelplatz aller desperaten Charaktere in dieser mehr den Räubern als der Regierung gehörenden Gegend. Seitlich vom Wege und nicht von mir berührt liegt die Stadt Maithila in einer morastigen Sumpfgegend, wo verfallene Wasserbauten von besseren Tagen zeugen. Auch an anderen Orten bemerkt

man Reste verschütteter Kanäle oder Brunnen, während jetzt stellenweis ein solcher Wassermangel herrscht, dass in einigen der Dörfer, die wir passirten, dieses nothwendige Bedürfniss stundenweit auf Karren geholt wurde. From the bottom of the pass (Nattike) to Ava, though the soil is not rich, it is vell watered by several large streams and being nearly level it is favorable to irrigation" bemerkt Richardson von der Lehdau (Königliche Felder) genannten Ebene; daraus mag sich die eigenthümliche Flussverzweigung erklären, die Buchanan in anatomischer Vergleichung Anastomosis or plexus of rivers nennt.

Trotz des öden Charakters, den diese Gegend jetzt trägt, besitzt sie doch ein eigenthümliches Interesse für den Geschichtsforscher als die Pflanzstätte, in der nach der Zerstörung des tempelreichen Pagan die neuen, in den Schutt gesäeten Keime genährt wurden, bis sie genugsam erstarkten, um zu dem weithin schattenden Baume des goldenen Ava aufzuwachsen. In ihr liegen die Ruinen jener kleinen Königsresidenzen Pinlay, Panja, Mienzain, die mit Sagain in ihrem Interregnum die Geschichte Pagan's mit der Ava's verknüpfen, und von hier aus nahm auch das zweite Königsgeschlecht Tongu's seinen Ursprung, das später auf dem Throne Hongsavadi's unter dem Titel der Brama-Könige die Augen der mittelalterlichen Reisenden durch die Entfaltung barbarischer Pracht blendete. Die Könige Mienzain's hatten schon während der letzten Zeiten des Pagan-Reiches eine Art Selbstständigkeit bewahrt und nach der Chinesischen Eroberung erbaute Tiethaumin 1285 Pinlae und 1313 die Stadt Panja. Er schickte Gesandte nach Ceylon für neue Reliquien und auch einer der Birmesischen Tempel von Buddhagaya in Bahar ist von ihm erbaut. Schon von ihm wurde die günstige Lokalität des späteren Ava erkannt, aber seine Versuche, dort eine Stadt zu bauen, missglückten, weil, wie der Birmesische Historiker sagt, die Zeit noch nicht erfüllt war. Erst Satomenchin konnte 1364 dieses Projekt ausführen.

Die Lage Ava's war eine sehr begünstigte und selbst jetzt noch, seitdem die Stadt schon über ein Vierteljahrhundert verlassen steht, habe ich von alten Birmesen den Wechsel der Residenz beklagen und von den Vortheilen der früheren erzählen hören. Der breite Irawaddi strömt am Fusse der Mauern vorbei und der dort in ihn einmündende Myit-ngay verband sich durch einen Zweig mit dem Myittha, so dass die Stadt ganz vom Wasser umflossen und überall von Kanälen durchschnitten war. Die neueste Hauptstadt Mandalay dagegen liegt auf staubiger, schattenloser Ebene und auch Amarapura ermangelt der Vortheile eines regen Schiffsverkehrs, da es absichtlich an einer schwer zugänglichen Stelle des Flusses gebaut war.

Die ganze Entfernung von Ava bis Niengien beträgt

mit den Windungen des Weges ungefähr 150 Engl. Meilen und obwohl ein guter Fussgänger wie des Königs Eilboten, die bei wichtigen Missionen 22 und 24 Stunden ununterbrochen marschiren, die Strecke in 4 Tagen zurücklegen kann, so brauchen die unbehülflich schweren Ochsenkarren der Birmesen doch 12 bis 15 Tage oder mehr, und wo zwischen Yemethen und Niengien die Ebene sich wellig zu heben beginnt, würden sie ohne Vorspann von Büffeln gar nicht vorwärts kommen. Niengien ist noch eine halbe Tagereise von Zinsaejoah entfernt, von wo bei der Unsicherheit der Grenzgebiete der Wasserweg meistens vorgezogen wird, und Lastschiffe erreichen in etwa 6 Tagen Tongu, wenn der Wasserstand günstig ist. Von Ava bis Tongu rechnen die Birmesen gewöhnlich 100 Toing oder Poststeine, ein unbestimmtes Maass, das aber in diesem Falle auf 2 bis 3 Engl. Meilen per Toing angenommen werden kann. Man unterscheidet wie nach Herodot im alten Babylonien das

gewöhnliche Maass von dem Königlichen. Nach dem ersteren wird der Toing 1000 Ta ausmachen, nach dem letzteren etwas mehr. Das Ta entspricht ziemlich unserer Elle, aber das Normalmaass der Birmesen ist in Anknüpfung an ihre verwickelten Religionstheorien ein Dranghyi, von welchen zehn ein Hnan oder Sesamkorn (Sesamum indicum) ausmachen; demnach setzen 648.020 Sesamkörner ein Ta zusammen. Diess giebt allen Distanz-Bestimmungen in HinterIndien eine grosse Unsicherheit und Entfernungen, die von den Landesbewohnern nur auf Tagereisen angegeben werden und sich häufig in geographischen Werken wiederholt finden, sind völlig werthlos, wenn nicht dabei bemerkt ist, ob für Elephanten, Pferde, Packochsen, Büffelkarren, Lastträger oder Palankine geltend, denn alle diese verschiedenen Arten sind im Gebrauch und können Unterschiede bedingen, die zwischen 1 und 10 schwanken würden.

Die Küstenbildung des nördlichen Yukatan. Von Arthur Schott, P. D. 1)

Vor der Nordseite der zu Mexiko gehörigen Halbinsel von Yukatan liegt fast der ganzen Länge nach, d. i. von Punta Desconocida nahe bei Celestun bis zu den Bocas de Conil, also auf eine Entfernung von 3 Längengraden (zwischen 287° und 290° Östl. L. von Ferro) ein sehr schmaler Streifen Landes, der ausschliesslich meerischer Bildung durch einen mit seiner Längenachse parallel laufenden Streif Lagunenwassers abwechselnder Breite vom eigentlichen Festlande getrennt ist, so dass, wer auf dieser Seite von Yukatan landet, auf künstlichen Dämmen, wie z. B. bei Sisal oder Progreso, oder mittelst Boote, wie an den meisten übrigen Punkten, übersetzen muss, um in das Innere des Landes zu reisen.

Dieses Landgeschenk der Oceaniden ist vom Festlande gleichsam noch nicht eigentlich in Empfang genommen, da, obgleich die Küste auf dieser Linie theils im Sichheben und theils in rascher Versandung begriffen ist, doch andererseits die Wasser hinter diesem Dünengürtel fortwährend ein Eingriffsrecht behaupten und das, was unter den Namen Pantano, Lagunas, Rio, Tierra fangosa bei den Landesbewohnern bekannt ist, in jahreszeitlich wechselnder Ausdehnung unterhalten. Sonderbarer Weise haben die meisten dieser Lagunenstriche das bedeutsame Prädikat „,rios". Gelegent

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liche Nachfragen über den Grund dieser Benennung gaben bis jetzt zwar noch keine genügende Auskunft, doch führten sie mittelbar zu Betrachtung anderer merkwürdiger physischer Erscheinungen in Verbindung mit der Bildung dieses Küstenstriches, so dass der anscheinend kaum passend klingende Name Rio nicht ganz ungerechtfertigt ist.

Bei oberflächlicher Anschauung scheint zwischen den Yukatekischen und den Texanischen Dünengürteln auf der gegenüberliegenden Golfseite grosse Ähnlichkeit und Verwandtschaft zu herrschen, wie es auch mehr als wahrscheinlich ist, dass bei Bildung beider grossentheils ähnliche Bildungselemente thätig waren und noch immer sind. Die Texanischen Landesvorlagen sind übrigens den Dimensionen ihrer festen und wässerigen Gebilde nach im Allgemeinen viel bedeutender. Wenn wir auf die einzelnen Eigenthümlichkeiten des Yukatekischen Strand- und Lagunengürtels zu sprechen kommen, so soll vergleichsweise auch jener der Texanischen Küste gedacht werden. Für den Augenblick mag es genügen, sie als hydrotopographische Äquivalente anzusehen, denen vielleicht die entsprechenden Küstenstriche, der östlichen Nord-Amerikanischen Küste entlang angereiht werden dürfen.

Die ganze Vorpostenbildung des Festlandes von Yukatan hier in Rede, ist durchgängig das Erzeugniss oscillirender oceanischer Bewegung einerseits und des dieser widerstrebenden hydrostatischen Drucks der süssen Wasser anderer

seits. Wo erstere vorschlägt, wie diess fast durchaus der Yukatekischen Küste entlang der Fall zu sein scheint, sind die Landzungen ganz meerisch, beim Gegentheil überwiegt terrestrisches Alluvium, und wo sich beide antagonistische Kräfte das Gleichgewicht halten, ist das neu geschaffene Land heterogen. So lassen sich also alle diese neuen Bildungen als meerisch oder terrestrisch gleichartig oder als ungleichartig charakterisiren. Keiner dieser Charaktere wird sich wohl ganz rein vertreten in der Welt finden lassen; so wie des Menschen Temperament und so wie Alles in der Natur nur immer wieder aus anders wechselnden Zusammenstellungen besteht, so verhält es sich auch mit geognostischen Bildungen.

Wollen wir systematisiren, so müssen wir uns wie in der Botanik, Zoologie oder Mineralogie mit extremen Formen befassen und dieselben autokratisch von einander trennen, um sie unserem System anzupassen. Nach solchen Merkmalen also dürften z. B. die Deltas grösserer Ströme, wie Nil, Donau, Mississippi u. dgl., vielleicht als terrestrisch gleichartig genommen werden; die Landzungen des nördlichen Yukatan sind wohl ziemlich rein meerisch, während die der Küste von Texas entlang mehr heterogenes Land bilden.

Die durch längs vorliegende Landzungen gebildeten Lagunenstriche oder Haffe, wie sie an der Küste unseres Deutschen Vaterlandes heissen, stehen natürlich in genauer Wechselbeziehung mit jenen und wie zwischen Thal und Berg findet auch zwischen Lagune und Dünenform eine natürliche Entsprechung Statt. Beide bilden in Wirklichkeit in flacher Ausdehnung zunächst dem Meereshorizont Berg und Thal.

Die Ursachen der Entstehung sind bei ihnen ebenfalls zwiefältiger Natur und bilden das Erzeugniss zweier sich kreuzender Gewalten, nämlich einerseits des Widerschlags der Meereswasser und andererseits des unaufhaltsamen Gegendrucks der Landesgewässer. Wäre es nicht um die letzteren, so würde die Meeresbrandung in kürzester Zeit und unwiderstehlich ihre festen Stoffe, wie Sand, Muscheltrümmer, Korallenstücke und anderes Gerölle, fest am schon gebildeten Strande anlagern und unter Beihülfe nimmer rastenden Pflanzenlebens würde sich dieser Küste entlang das Feste "fortbauen. Selbst da, wo zeitweise ausserordentlich hoch gehende See, wie bei Stürmen, Springfluthen u. dgl., rückwärts von der gewöhnlichen Fluthlinie Vertiefungen aushöhlte, würde durch Flugsand, Staub und Pflanzenreste nach dem allgemeinen Gesetz der Schwere bald wieder Alles zur Ebene ausgeglichen werden. Sobald aber stetiger Gegendruck ins Spiel kommt, so wird der ruhige Fortgang dieses Naturgeschäftes unterbrochen und diess besonders, wo solcher durch aus dem Inneren des Landes herabsteigende Gewässer

verübt wird. Diess ist in irgend einer Weise wahrscheinlich an allen Küsten und so auch an diesem flusslosen Theile Yukatan's der Fall. Bald sind es offene Mündungen grösserer und kleinerer Flüsse, Bäche oder Ströme, bald der geheimnissvolle Ausfluss unterirdischer Gewässer, die auf dem Seeboden in der Nähe des Meeresstrandes den Zielpunkt aller Wasser finden, und bald wird diess nur mittelst förmlichen Durchschwitzens (Endosmose) bewirkt. Die Wirkung bleibt bei allen diesen Ausgussformen dieselbe; die herabsteigenden Landwasser, wie unbedeutend und kaum wahrnehmbar sie immer sein mögen, sind doch im Stande, sich ihren Weg und Ausgang offen zu halten und festes Anlagern des Meerschuttes zu verhindern.

Wer je die scheinbar ungemessene Gewalt einer heftigen Meeresbrandung betrachtete und dabei mit Bewunderung erfüllt war, darf ebenfalls solche nicht versagen beim Anblick einer kleinen, unweit vom Meer entspringenden Quelle, die sich vom tobenden Anprall der Salzwasserfluth nicht abschrecken lässt, sondern getreu dem ihr vorgeschriebenen Gesetze folgend sich wie der grösste Strom der Welt frei ins Meer ergiesst. Zeigt uns die Astronomie die Unermesslichkeit des Raumes, führt uns die Geologie durch Zeiträume ohne Anfang und Ende, so erfasst uns unwillkürlich Ehrfurcht vor der Allmacht, die Solches geschaffen, aber in Nichts zeigt sich die Grösse derselben göttlicher als in der Bestimmtheit, womit anscheinend winzige Kräfte ihrem vorgeschriebenen Gesetze folgend unüberwindlich und unüberwunden ihre Bestimmung erfüllen, so dass jede derselben wieder als sichere Grundlage für neue und endlose Gestaltungen dienen kann. Nichts ist zu klein in der Schöpfung, dass sich nicht das Grösste und Unermesslichste darauf bauen könnte.

Ein merkenswerthes Beispiel unscheinbarer und doch unwiderstehlicher Kraft des Ausstosses der Landwasser bietet der oben bezeichnete Küstenstrich von Yukatan, wo ein ununterbrochener Damm einen eben so ununterbrochenen Lagunengürtel von den Meereswassern scheidet. Auf der ganzen oben bezeichneten Länge von ungefähr 170 Engl. Meilen sind bis jetzt nur zwei oder drei sichtbare Durchlässe bekannt, durch welche dieser Lagunenstrich in unmittelbarer Verbindung mit dem Meere steht. Diese drei Ausmündungen befinden sich gerade in der Nähe da, wo innerhalb die Ausgüsse wirklich auf der Oberfläche fliessender Wasser ihr offenes Ziel erreichen. Dieser Lagunenstrich, unter dem Namen Rio Lagarto bekannt, hat ausser diesen Flüssen wahrscheinlich auch noch oberhalb, d. i. landeinwärts, seine Untergrund-Zuflüsse, weshalb er im Volksmunde mit dem Namen „,Fluss" beehrt ist, obgleich auf seiner Oberfläche keine Flussbewegung wahrzunehmen ist. Dasselbe scheint auch theilweise bei den übrigen Lagunenstrichen der

Fall zu sein, die ebenfalls wenigstens theilweise den Ehrentitel,,rio" geniessen. So viel ich bis jetzt davon gesehen,' scheint diess nicht ganz leerer Titel zu sein und ist wohl auf einige Wirklichkeit begründet.

Gerade der Theil der Yukatekischen Küste, welchem jene eigenthümliche Haff- und Lagunenbildung zukommt, ist, wenn auch nicht ganz anhydrosisch, doch so weit es seine Oberfläche betrifft, ganz ohne alle Flüsse, gross oder klein, und bildet zudem eine platte ununterbrochene Felsbank, die in keiner Richtung von irgend Etwas durchschnitten ist, dem man den Namen eines Bach- oder Flussbettes geben könnte. Der Ablauf der meteorischen Wasser, die zu Zeiten und besonders während der jährlichen Regenperiode von Juni bis Oktober in mehr oder minder schweren Gewittergüssen niedergehen, ist in diesen Landstrichen nur ein Absäugungsprozess, indem die auf den Felsflächen zusammenströmenden Wasser sich in zahlreichen, hin und her zerstreuten kleinen Mulden und Trichtern sammeln, auf deren Grund sie durch schief und senkrecht gewundene Klüfte und Spalten ihren Verlauf nach unten suchen. Eine genauere Gesteinsbeschreibung der hierher zu beziehenden Bodenschichten würde für diese Zeilen zu weit führen, doch soll diess ein ander Mal geschehen und das bis jetzt darüber Gesagte möge hier genügen. Ob das Land förmliche unterirdische Flüsse habe, fragt sich, wenigstens in dem Sinne, wie gewöhnlich ein Fluss gedacht wird. Nach der Natur des Gesteins zu schliessen, lässt sich kaum an unterirdische Flüsse, wohl aber an unterirdische Wasser denken, die ohne regelmässige Betten vielleicht durch unzählige Adern mit den Salzwassern aussen in Verbindung stehen und deren Niveauwechsel theilen. Die vielen Cenotes (Sonot, Maya, so viel als Brunnen, der nicht zu Tage fliesst) und sonstigen Behälter lebendigen Wassers, die über das ganze Land hin verbreitet sind und je nach ihrer Entfernung von der Küste oder nach der Höhe des Landes über dem Meere eine entsprechende Tiefe zeigen, führen zu dem Schlusse, dass durch ganz Yukatan in einer gewissen Tiefe überall Wasser zu finden sei. Jedenfalls steht der hier besprochene Küstenstrich wie auf einem natürlichen Felsenrost über einem unerschöpflichen Reichthum von lebendigem krystallklaren Wasser, nach dessen Niveau die Erhebung dieser Landstriche mit ziemlicher Genauigkeit abgenommen werden kann. Nach unseren Beobachtungen z. B. ist die Tiefe der Cenotes und Brunnen in und um Mérida von 26 bis 28 Fuss, auf der Südseite ausserhalb der Stadt hat der Cenote Sambula 30 Fuss Tiefe von der Bodenoberfläche bis zum Wasserspiegel. Gegen das Ende der Regenzeit wechselt dieses Niveau um 2 bis 3 Zoll. In dieser Tiefe besitzt jedes Haus in Mérida seinen eigenen Ziehbrunnen und es kann in derselben Tiefe überall Wasser gefunden werden. In

der Richtung von Mérida nach der Küste zu, sowohl gegen Norden wie gegen Westen, nimmt diese Tiefe so regelmässig ab, dass man dieselbe nach der Entfernung vom Meere, wo sie im Manglegürtel auf Null reducirt ist, berechnen kann. Halbwegs zwischen der Küste und Mérida ist der Wasserspiegel der Cenotes nur 12 bis 15 F. unter dem Grund und er nimmt regelmässig ab, bis man bei Progreso oder bei Sisal denselben mit der Bodenfläche gleich findet. Mit Abnahme der Tiefe werden aber auch die Cenotes häufiger und nebenbei noch allenthalben begleitet von grösseren und kleineren, aus der Tiefe herauf durchschlagenden Wasserflecken oder, wie sich andere Völker poetischer ausdrücken, Wasseraugen".

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So wie ihr Lauf ist auch die Ausmündung dieser Wasser unterirdisch und unterseeisch, am Meeresboden ausquellend oder ausschwitzend. Am östlichen Ende dieser eigenthümlichen Küstenbildung, im Rio Lagarto, findet sich, wie schon bemerkt, hiervon eine Ausnahme, dort münden offene Flüsse und dort ist auch die Landzunge durchbrochen. Die wenigen und unverlässlichen Karten nennen dort die Boca de Cilam, den Rio Holchan und die Boca del rio Lagarto. Ausser diesen einzigen Verbindungen zwischen Land- und Seewasser findet sich dem ganzen Lagunenstrich entlang keine, die nicht während des grösseren Theiles des Jahres vollständig trocken wäre, nur während besonders hoch gehender und schwerer See in Folge anhaltender Nordwinde sind sie Überfluthungen meerischerseits ausgesetzt. Der Lagunenstrich hinter der Landzunge besteht während der trockenen Jahreszeit nur aus einer sehr schmalen und oft unterbrochenen Kette von Sümpfen, Teichen, Wassergallen, Quellengründen u. dgl., die theils ganz offen und ohne eigentliche Pflanzendecke sind, theils aber auch undurchdringliches Rohrdickicht oder Manglegehölz bilden, doch finden sich hier fast überall trockene Durchgänge zwischen den Dünen, Lagunen und dem. Inneren des Landes. Sobald aber die Regenzeit eintritt, so füllt sich nach und nach die Brackwasser-Region, die dann ihrer ganzen Länge nach an Tiefe und Breite zunimmt, so dass letztere von wenigen Klaftern Weite bis zu einer Legua anwächst und auf der ganzen Länge alle Verbindung mit dem Festland völlig abschneidet, die nur an wenigen Orten, wie bei Sisal und Progreso, durch Dämme hergestellt ist. Die hydrographische Scheidewand zwischen Meer- und Landbildung ist um diese Zeit sehr entschieden und bildet, wie wir in der Folge sehen werden, in der eintönigen Gliederung Yukatekischer Landestopographie ein sehr namhaftes Element, an welches nicht nur ein entschiedener Wechsel in Fauna und Flora gebunden ist, sondern das auch für die Kulturgeschichte des Landes von bedeutender Wichtigkeit ist.

Hätte der Theil von Yukatan, dessen Küste von einer so charakteristischen Dünen- und Lagunen-Cordillere um

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