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und ausrief: cela va bien vite, pourvu que cela dure das geht flott, vorausgefeßt, daß es so andauert! *) Den innersten Nerv aller seiner Reden machte doch der Patriotismus aus, der Stolz am und die Fürsorge für das Reich, vor das er seinen speergespickten Schild hielt. So hat er in leidenschaftlicher Vaterlandsliebe im Abgeordnetenhaus am 28. Januar 1886 ausgerufen: „Auf die Fraktion, welche unter allen Umständen negiert, möchte ich ein Sprichwort anwenden, das mir aus meiner Zeit als Deichhauptmann in Erinnerung ist: Wat nich will dieken, dat mut wieken, was nicht will deichen, das muß weichen; wer nicht mitarbeiten will am Staat zu seinem Schuß, der gehört nicht zum Staat, der hat keine Rechte an den Staat; er soll weichen aus dem Staat!" Das Wort zielte zunächst auf die Polen; aber Bismarck hat auch anderen Parteien, dem Zentrum und der Fortschrittspartei, öfters den Vorwurf der Reichsfeindschaft gemacht, und sie haben sich bitter darüber beschwert und erklärt, daß er jeden Reichsfeind nenne, der seine Mittel und Wege nicht billige; sie haben wohl den Anspruch erhoben, dem wahren Interesse des Reichs besser zu dienen als Bismarck selbst. Die Geschichte wird über beide Teile richten, wenn sie nicht schon gerichtet hat. Mit dem Reich unlösbar verbunden war ihm Macht und Kraft seines preußischen Königtums, durch das das Reich wieder erstanden war: „als Grabschrift, hat er in seinem hohen Alter gesagt, wünsche er sich den Zusaß: ,ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I. **)

Fassen wir zum Schluß Bismarcks Stellung und Bedeutung in unserer Nationalgeschichte ins Auge,***) so wird man jetzt schon sagen dürfen, daß er zu den Riesen gehört, zu deren Füßen die übrige Menschheit wimmelt und zu denen sie als zu ihren Führern aufblickt; wie in dem machtvollen Denkmal zu Hamburg, so steht er in unserer Geschichte da, reckenhaft, fast übermenschlich, unerschütterlich, der Bahnbrecher und Behüter einer neuen Zeit. Er gehört zu den sechs Größten, welche unsere Geschicke vornehmlich bestimmt haben. Arminius hat unser Volkstum vor der Gefahr bewahrt, gleich den Kelten vom römischen Wesen aufgefogen zu werden; ohne ihn gäbe es heute keine deutsche Nation; der große römische *) Der Ausdruď findet sich auch im Brief an den Legationsrat v. Wenzel vom 16. Januar 1860, s. Kohl, Bismarckbriefe S. 288. **) Bismarck-Jahrbuch 6, 339.

***) Vgl. dazu O. Hinze, Friedrich der Große, Stein, Bismarck im Hohenzollernjahrbuch 15 (1912). Alfred Biese, Bismard in Leben und Dichtung, Berlin 1916. Hermann Grimm, Deutsche Rundschau 100 (1899).

Historiker, der ihn uns geschildert hat, hat es selbst ihm bezeugt, daß „er unzweifelhaft der Befreier- und damit der Retter - Deutschlands war." Als dann unser Volk durch die Verschiedenheit der Religion in zwei Teile gespalten zu werden Gefahr lief, hat Karl der Große durch die Unterwerfung der Sachsen und ihre Einfügung in Kirche und Reich die Einheit unseres Volkstums erhalten und dem Herrscher dieses, wesentlich germanischen, Reiches durch die römische Kaiserkrone die Führerschaft des Abendlandes verschafft, welche die Ottonen später wieder aufnahmen. Als das Reich seine politische Macht über Rom und Italien verloren hatte, religiös aber unser Volk, noch von Rom beherrscht wurde, zerriß Luther diese Ketten und gab uns die Möglichkeit einer rein religiösen, rein nationalen und rein weltlichen Entwicklung ohne fremden, besonders ohne hierarchischen Einschlag. In den Zeiten, da das Kaisertum der Habsburger dem nationalen Leben entfremdet war, hat Friedrich der Große die preußische Großmacht geschaffen und mit ihr die Voraussetzung der Herstellung unserer 1648 verlorenen Einheit. Goethe hat unserem Volte auf der Grundlage religiöser Freiheit die Bahn zu reiner Menschlichkeit und zur vollen Ausgestaltung der Persönlichkeit erschlossen. Bismarck endlich hat diesem reichen geistigen Leben, das an sich roher Gewalt nicht standzuhalten vermöchte und das auch zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts mitsamt der Nation selbst in seinem Dasein bedroht war, die granitne Grundlage der staatlichen nationalen Einheit gegeben. Auch für die furchtbare Probe auf die deutsche Kraft, welche der Weltkrieg von 1914 brachte, hat er uns vorbereitet und die Voraussetzungen ge= schaffen, unter denen allein das vierjährige Aushalten gegen die Welt in Waffen möglich war. Er hat erstens verhindert, daß das kraftvolle Königtum der Hohenzollern zu einem machtlosen Scheinkönigtum herabgedrückt wurde; er hat es zum deutschen Kaisertum erhöht, zu dem, als die furchtbare Gefahr heraufzog, alle Deutschen emporblickten, um das sie sich scharten als um die Verkörperung der Nation selbst, ihrer Kraft, ihres Rechts, ihrer Opferwilligkeit bis in den Tod. Das war der Sinn des Schreis, in den am 31. Juli und 1. August 1914 die Massen in Berlin ausbrachen: Wir wollen den Kaiser sehen! Zweitens hat Bismarck das neue Reich auf dem festgefügten, unzerstörbaren Unterbau eben des Preußen errichtet, dessen Auflösung die Politiker von 1848 für nötig gehalten hatten; der Stein, den die Bauleute jenes Jahres verworfen hatten, ward von ihm zum Eckstein gemacht und damit dem Reich das feste Rückgrat gegeben, deffen es zu seinem Bestand bedurfte. Drittens hat er gleich

wohl nicht ein Großpreußen geschaffen, sondern ein wirkliches deutsches Reich, mit wohl abgewogenen unitarischen und föderativen Einrichtungen, in dem die Stämme wie unter einem sicheren Dach zusammen wohnen und ihre Eigenart, zum Wohl und höheren Ge deihen des Ganzen, hegen und pflegen konnten, für das fie auch Gut und Blut einsetzten. Viertens haben wir Bismarcks Tätigkeit sowohl das starke, der größten Übermacht gewachsene Heer, als — infolge seiner großen Zollreform von 1879 — die ungeheure wirtschaftliche Kraft zu danken, die aus der von ihm verkündeten gleichmäßigen Förderung der Landwirtschaft und der Industrie quoll und die alle Hoffnungen der Feinde auf unseren Zusammenbruch zuschanden machte, bis das Eingreifen der Vereinigten Staaten und der Verrat im Innern den europäischen Feinden den Sieg brachte, den sie auf sich gestellt niemals erfochten hätten. Und wenn endlich angesichts der Todesgefahr alle Gegenfäße verstummten und sich das ganze Volt 1914 wie ein eherner Wall brüderlich zusammenschloß, so ist auch das nur möglich gewesen, weil Bismarck seit 1878 den Kulturkampf mit Papst Leo XIII. zusammen beigelegt und weil er 1881 die Sozialreform in die Wege geleitet hat, die zu einem Riesenbaum erwuchs, so daß einer der sozialistischen Wortführer (Meerfeld) schon 1913 verkündete: „Wir haben im heutigen Deutsch land etwas mehr zu verlieren als unsere Ketten!" So war die Stärke, die wir entfaltet haben, auf allen Gebieten vornehmlich ein Ergebnis von Bismarcks zielbewußter, aufs Ganze und Große gehender Lebensarbeit; er schritt an unserer Spitze, und an ihm richten wir uns auch im tiefsten Elend wieder auf. Man hat uns Geld und Gut, man hat uns die Waffen, hat uns Land und Leute in schnödem Wortbruch genommen und durch schamlose Lügen unsern Namen verhaßt und verachtet gemacht auf dem Erdenrund. Aber die Einheit, die Bismarck uns schuf, ist uns geblieben, und durch sie werden wir auch die Größe wieder gewinnen.

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1. Immediatbericht in Sachen des Tagebuchs des Kronprinzen. Friedrichsruh, 23. September 1888. Auf Ew. Kaiserlichen Majestät Befehl beehre ich mich bezüglich des in der Deutschen Rundschau" veröffentlichten angeblichen Tagebuchs des hochseligen Kaisers folgendes zu berichten: Ich halte dieses „Tagebuch“ in der Form, wie es vorliegt, nicht für echt. Seine Majestät, der damalige Kronprinz, stand 1870 allerdings außerhalb der politischen Verhandlungen und konnte deshalb über manche Vorgänge unvollständig oder unrichtig berichtet sein. Ich besaß nicht die Erlaubnis des Königs, über die intimeren Fragen unserer Politik mit Seiner Königlichen Hoheit zu sprechen, weil Seine Majestät einerseits Indiskretionen an den von französischen Sympathien erfüllten englischen Hof fürchtete, anderseits Schädigungen unserer Beziehungen zu den deutschen Bundesgenossen, wegen der zu weit gesteckten Ziele und der Gewaltsamkeit der Mittel, die Seiner Königlichen Hoheit von politischen Ratgebern zweifelhafter Befähigung empfohlen waren. Der Kronprinz stand also außerhalb aller geschäftlichen Verhandlungen. Nichtsdestoweniger ist es kaum möglich, daß bei täglicher Niederschrift der empfangenen Eindrücke so viele Jrrtümer tatsächlicher, namentlich aber chronologischer Natur in den Aufzeichnungen enthalten sein könnten. Es scheint vielmehr, daß entweder die täglichen Aufzeichnungen selbst oder doch spätere Vervollständigungen von jemand aus der Umgebung des Kronprinzen herrühren.

Gleich in den ersten Zeilen wird gesagt, daß ich am 13. Juli 1870 den Frieden für gesichert gehalten hätte und deshalb nach Varzin zurückkehren wollte, während attenmäßig feststeht, daß Seine Königliche Hoheit schon damals wußte, daß ich den Krieg für notwendig hielt und nur unter Rücktritt aus dem Amt nach Varzin zurückkehren wollte, wenn er vermieden würde, und daß Seine Königliche Hoheit hierin mit mir einverstanden war, wie dies auch in den angeblichen Aufzeichnungen vom 15. desselben Monats noch auf der ersten Seite des Abdruckes mit den Worten ausgesprochen ist,~ daß der Kronprinz mit mir darüber vollkommen einverstanden war, daß Frieden und Nachgeben bereits unmöglich seien". Es ist auch (S. 6) nicht richtig, daß Seine Majestät der König damals nichts Wesentliches gegen die Mobilmachung eingewendet hätte. Seine Majestät glaubte und der Kronprinz wußte dies —, den Frieden noch erhalten und dem Lande den Krieg ersparen zu können. Seine Majestät war in Brandenburg, und während der ganzen Fahrt von da nach Berlin meiner Befürwortung der Mobilmachung unzugänglich. Aber sofort nach Vorlesung der Ollivier'schen Rede auf dem Berliner Bahnhofe und nachdem Seine Majestät mir die wiederholte Vorlesung der Rede befohlen hatte und dieselbe als gleich

bedeutend mit französischer Kriegserklärung ansah, entschloß der König fich proprio motu und ohne weiteres Zureden zur Mobilmachung. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz, über die Notwendigkeit der vollen Mobilmachung bereits am Tage vorher mit mir einverstanden, hat dann weitere Schwankungen durch Verkündigung der königlichen Entschließung mit den Worten Krieg! Mobil!" an das Publikum, d. h. an die anwesenden Offiziere, abgeschnitten. Es ist ferner, nach meinen damaligen Besprechungen mit dem Kronprinzen nicht möglich, daß Seine Königliche Hoheit (S. 7) mit diesem Kriege einen „Ruhepunkt im Kriegführen vorausgesehen“ haben soll, da Se. Königliche Hoheit die allgemeine Überzeugung teilte und zum Ausdruck brachte, daß dieser Krieg, wie er auch ausfallen möge, „die Eröffnung einer Reihe von Kriegen", eines „kriegerischen Jahrhunderts“ sein werde, dennoch aber unvermeidlich sei.

S. 16 scheint unmöglich, daß der Kronprinz gesagt habe, „er setze die Verleihung des Eisernen Kreuzes an Nichtpreußen mit Mühe durch", da ich noch in Versailles, also Monate später, im Auftrage des Königs den Kronprinzen wiederholt zu bitten gehabt habe, mit der Verleihung des Eisernen Kreuzes auch an Nichtpreußen vorgehen zu wollen und Seine Königliche Hoheit dazu nicht sofort geneigt fand, es vielmehr wiederholt der Anregung Seiner Majestät bedurfte, um die befohlene Maßregel in Fluß zu bringen. Besonders auffällig bei Prüfung der Echtheit ist der chronologische Jrrtum, daß eine lebhaftere Diskussion mit mir über die Zukunft Deutschlands und die Stellung des Kaisers zu den Fürsten erst in Versailles stattgefunden habe. Dieses Gespräch fand schon am 3. September in Donchéry statt und teilweise bei einer noch früheren Verhandlung von mehrstündiger Dauer, von welcher ich mich nur entsinne, daß sie zu Pferde, also wahrscheinlich bei Beaumont oder Sedan, stattfand. In Versailles haben Erörterungen von Meinungsverschiedenheiten zwischen Seiner Königlichen Hoheit und mir über die künftige Verfassung Deutschlands nicht mehr stattgefunden. Ich darf vielmehr annehmen, daß Seine Königliche Hoheit sich von der Richtigkeit der von mir für das Erreichbare gezogenen Grenze überzeugt hatte, denn ich habe mich bei den wenigen Gelegenheiten, wo die Zukunft Deutschlands und die Kaiserfrage in Gegenwart beider höchsten Herrschaften zur Sprache kamen, des Einverständnisses Seiner Königlichen Hoheit den Bedenken Seiner Majestät gegenüber zu erfreuen gehabt.

Die Behauptung des „Tagebuchs", daß Seine Königliche Hoheit beabsich tigt haben könnte, Gewalt gegen unsere Bundesgenossen anzuwenden und denselben eventuell die von ihnen treu gehaltenen und mit ihrem Blute besiegelten Verträge zu brechen, ist eine Verleumdung des hochseligen Herrn. Derartige vom Standpunkt des Ehrgefühls, wie von dem der Politik gleich verwerfliche Gedanken mögen in der Umgebung Seiner Königlichen Hoheit Vertreter gefunden haben, aber sie waren zu unehrlich, um in seinem Herzen, und zu ungeschickt, um bei seinem politischen Verstande Anklang zu finden.

Ebensowenig stimmt mit den Tatsachen, was in dem Tagebuche bezüglich meiner Stellung zu der Kaiserfrage 1866" oder zur Infallibilitätsfrage"

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