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Auch sonst hatte Bismard in diesen Jahren mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen. Seit Jahren beklagte er sich über den Gesandten am italienischen Hof, Grafen Usedom, der, statt auf seinem Posten zu sein, sich meist auf dem Lande aufhalte und mit deffen Pflichtwidrigkeiten Aktenbände angefüllt seien. Der König wollte sich aber von diesem Diener nicht in schroffer Weise trennen und übersah darüber, „daß Bismarcks dienstliche Last durch Unbrauchbarkeit dieses Mitarbeiters erhöht wurde." Um dieselbe Zeit handelte es sich darum, der Stadt Frankfurt, wenn es zu einer Abkunft über ihre Forderungen an den Staat komme, 750 000 Taler (2 250 000 Mark) auszuwerfen. Nachdem das Staatsministerium hierüber eine Vorlage an den Landtag ausgearbeitet hatte, versprach der König ihr aus freien Stücken zwei Millionen Gulden (3 400 000 Mark), und das Ministerium mußte nun über eine als dienstlich erledigt angesehene Sache nochmals eine Anzahl von Sizungen halten und eine neue Vorlage ausarbeiten, obwohl die ursprünglich in Aussicht genommene Summe auf Grund eines Gutachtens der Kronsyndici festgestellt worden war. Am 26. Februar 1869 wurde die neue Vorlage eingebracht. Bismarc war aber durch beide Dinge so überreizt und abgearbeitet, daß er an den König ein Entlassungsgesuch richtete, in welchem er sich außerstande erklärte, unter so besonderen Erschwerungen fein Amt fortzuführen, das ihm ohnehin die Pflicht auferlege, über schwierige Fragen die Übereinstimmung zwischen dem König, acht Ministern und drei parlamentarischen Körperschaften herbeizuführen und bei allem die nötige Rücksicht auf die verbündeten und fremden Regierungen zu nehmen. Der König lehnte am 22. Februar das Abschiedsgesuch ab, das er „ein Verderben drohendes Vorhaben" nannte; ebensowenig wie er selbst sein Amt niederlegen dürfe, sei dies Bismard gestattet; er solle sich von den Geschäften soweit immer möglich entlasten, was ihm bei einem so getreuen Helfer wie Rudolf Delbrück (dem Präsidenten des Bundeskanzleramtes) ja wohl möglich sei. Ihr Name steht in Preußens ·Geschichte höher als der irgend eines preußischen Staatsmannes. Den soll ich laffen? Niemals!" Usedom, dessen Geschäftsbetrieb auch dem König jezt unleidlich erschien, ward darauf entlaffen.*) Im Herbst des Jahres 1868 machte das Defizit in den preußischen

*) S. die Akten im Bismarcjahrbuch 1 (1894) 76-83 und mit den Antworten des Königs vom 22. und 26. Februar 1869 im Anhang zu den Bedanken und Erinnerungen 1 (Stuttgart 1903) 190-199.

Finanzen der Regierung große Schwierigkeit. Bismarck war der entschiedenen Ansicht, daß das strengste Festhalten an dem alt= preußischen Grundsaß, die laufenden Ausgaben durch die laufenden Einnahmen zu decken, geboten, also die Ausgaben demnach um fünf Millionen Taler zu beschränken seien; gehe das nicht an, so müßten vom Landtag Steuerzuschläge gefordert werden.*) Der Finanzminister v. der Heydt**), ein fleißiger und zu den Geschäften fähiger, aber schöpferischer Ideen entbehrender Mann, schlug dagegen vor, das Defizit einfach durch Übertragung von Budgetposten zu decken, indem zu seiner Beseitigung vorhandene Goldbestände verwendet würden, und der König gab zwar Bismarc grundsäß= lich recht, sagte sich aber, daß die Kammer der Abgeordneten so lange Steuerzuschläge verweigern werde, als bare Mittel vorhanden feien; sie werde deren Heranziehung verlangen und die Regierung. das Odium einer Steuererhöhung zu tragen haben.***) Das ge= samte Ministerium trat in Bismarcks Abwesenheit dem Vorschlag. v. der Heydts bei, und Bismarck erinnerte sich des Vorsazes, den er bei Übernahme seines Amtes gefaßt hatte, zwar stets pflichtgemäß seine Ansichten zu äußern, sich aber stets auch den Beschlüssen des Königs zu fügen. †) Er zog also seinen Widerspruch zurück, obwohl er für richtiger ansah, dem Landtag die Notlage rückhaltslos zu offenbaren, welcher durch v. der Heydts Maßregel nur vorübergehend abgeholfen werde, und Tabak, Petroleum, Gas, Zucker, Branntwein mit Hilfe des Zollparlaments schärfer zu besteuern. ††) Der König war über Bismarcks Nachgiebigkeit ganz gerührt; er schlug sie ihm unendlich hoch“ an und bat ihn, „dafür seinen wahren Freundesdank zu empfangen.“ „Für jezt ist meinem Königsherzen ein furchtbar schwerer Entschluß erspart, der meinem Volke in diesem Augenblicke neue Lasten auferlegt hätte." Die Unterschrift des Briefes lautete: „Ihr treuer Freund Wilhelm." †††) v. der Heydt

*) S. Brief an v. d. Heydt aus Varzin vom 24. Oktober 1868. Bismarcbriefe S. 327.

**) S. Bergengrün, Staatsminister Frhr. August v. d. Heydt, Leipzig 1908, und die kritische Auffassung von Oswald Schneider, Bismarcks Finanz- und Wirtschaftspolitik, München 1912, S. 6—11.

***) S. das Schreiben des Königs an Bismard vom 28. Oktober 1868, Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen, 1, 180–183.

†) Anhang 1, 189.

+) Brief an Roon aus Varzin vom 27. Oktober 1868 Bismarɗ-briefe S. 329-330.

†††) Anhang 1, 183-184.

war aber seitdem nicht mehr Bismarcks Mann; er mußte am 26. Ottober 1869 Otto von Camp hausen *) Plaß machen, der die preußische Staatsschuld im Dezember 1869 in eine unkündbare Rentenschuld zu 41⁄2 Prozent umwandelte und durch die beträchtliche Zinsenersparnis das Gleichgewicht der preußischen Finanzen herstellte. Er schlug auch vor, die Kontrolle der Bundesschuld, über welche ein Geseß nicht zustande gekommen war (S. 236), der preußischen Oberrechnungskammer zu überweisen, und dadurch wurde jedenfalls zunächst dem praktischen Bedürfnis genügt.

Für das innige Verhältnis des Königs zu seinem ersten Ratgeber, das sich aus den Briefen überall ergibt, mag noch ein bezeich= nender Zwischenfall angeführt werden. Im Dezember 1868 wollte des Königs Bruder, Prinz Karl, der Vater des Prinzen Friedrich Karl, wegen eines Hüftleidens nach Nizza reisen und gedachte den Weg über Paris zu nehmen und sich mit seiner Gemahlin bei Hof zu zeigen. Der König fand die Sache an sich seltsam, weil ein Kranter nicht in Schuh und Strümpfen seine Cour machen“ sollte, und hielt es überdem politisch für bedenklich, daß ein preußischer Prinz bei der schwebenden spanischen und orientalischen Frage (aus Spanien war Königin Isabella vertrieben worden, und die Türken und Griechen standen wegen Kretas auf gespanntem Fuß) sich einer politischen Konversation mit dem Kaiser ausseßte; auch affichiere die Prinzessin seit ihrer zweimaligen Reise nach Spanien eine de= plazierte Intimität mit der Königin Isabella und dürfte sie deshalb in ihrem Unglück nicht ignorieren, sondern müßte ihr in Paris einen Besuch machen, was für beide Teile embarrassant wäre. Beffer wäre es, der Prinz würde, wenn er so an Paris hänge, es auf der Rückreise besuchen, bis wohin sich viele Dinge geklärt haben würden. Es war eine Personalangelegenheit des Prinzen; aber sie hatte politische Seiten. Der König verlangte Bismarcks Ansicht zu wissen und ließ seinen Bruder den Reiseplan nicht früher feststellen, ehe Bismards Antwort da war.**) Wir kennen sie nicht; aber welcher Grad von Gewissenhaftigkeit und welches Vertrauen des Königs spricht aus dem Vorgang!

*) Sein Schreiben an Bismard vom 29. Oktober 1869, Anhang 2, 431-434.

**) Anhang 1, 185–186.

Se

Sechstes Kapitel.

Entstehung des französischen Kriegs.

eit zwei Jahren hatte sich in Spanien eine Krisis entwickelt, welche in ihrem Verlauf auch für Deutschland eine verhängnisvolle Bedeutung gewinnen sollte. Im September 1868 wurde die Königin Isabella, mit deren unwürdigem persönlichem Verhalten alles und mit deren klerikaler Politik der freifinnige Teil des Volkes längst sehr unzufrieden war, durch einen Militäraufstand gestürzt, und die Spanier sahen sich in der Notwendigkeit, entweder die Republik zu errichten oder einen anderen Monarchen zu gewinnen. Da die Mehrheit das erstere nicht wollte, so wurde der Thron zwei katholischen Fürsten (evangelische kamen natürlich nicht ernstlich in Betracht) angeboten, zuerst dem Titularkönig Ferdinand von Portugal, auf den die Augen der Anhänger der sogenannten iberischen Union, der Vereinigung Portugals und Spaniens, sich von selbst lenkten, und dann dem Herzog Amadeo von Aosta, dem zweiten Sohn Viktor Emanuels. Als diese Versuche scheiterten, wandten sich die in Madrid maßgebenden Männer, der Regent Marschall Serrano und der Kriegsminister Marschall Prim, im September 1869 *) an den Schwiegersohn des oben genannten Ferdinand, den Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, auf den der damalige preußische Gesandte in Madrid, Freiherr Georg v. Werther, schon im Herbst 1866 in Biarritz, in Voraussicht der kommenden Dinge, die Augen spanischer Politiker gelenkt hatte. Leopold (geb. 1835) war katholisch, freisinnig, von unbezweifelter persönlicher Tüchtigkeit und Vater mehrerer Söhne, bot also nicht bloß für sich selbst, sondern auch für später die wünschenswerten Bürgschaften.**) Leopold war der erste Sohn Karl

*) Daß das erste Angebot im Frühling 1869 erfolgt sei, behauptet zwar von Sybel 7, 234, bzw. 264; das ist aber ein Irrtum. Vgl. u. a. R. Fester, Bismard und die Hohenzollernsche Thronkandidatur, deutsche Rundschau 140 (1909) 34, und Zingeler, Karl Anton, Fürst von Hohenzollern, Stuttgart 1911, S. 11.

**) Was zu seinen Gunsten gesagt werden konnte, hat der gleich zu nennende Salazar in einer Flugschrift zusammengestellt, f. Staatsarchiv 19 (1870) 129 ff., besonders 133. Sehr nüßlich ist Richard Fester, Briefe,

Antons, der 1858 als Haupt des Ministeriums der neuen Ära politisch in vorteilhafter Weise hervorgetreten und mit König Wilhelm nicht bloß durch die Zugehörigkeit zum gleichen Geschlecht, sondern auch durch persönliche Freundschaft nahe verbunden war; sein jüngerer Sohn Karl war im April 1866 durch das Zusammenwirken Preußens und Frankreichs Fürst von Rumänien geworden. Die ersten Gerüchte über das Auftauchen der Bewerbung des Erbprinzen liefen im Frühjahr 1869 um und veranlaßten Anfragen der französischen Regierung in Berlin bei dem Unterstaatssekretär v. Thile, der sein Ehrenwort gab, daß er feine Kenntnis davon habe (31. März) und bei Bismard (11. Mai; s. unten S. 246). Das förmliche spanische Angebot erfolgte am 19. September 1869 durch den Staatsrat und liberalen Abgeordneten Don Salazar y Mazarredo auf der nicht weit von Rorschach gelegenen Weinburg, einem Schloß Karl Antons. Man hat wohl gemeint, daß das Angebot mit Wissen und Willen Bismarcks geschehen sei. Dieser hat allerdings im April 1869 den bekannten Militärschriftsteller Theodor v. Bernhardi nach Madrid gesandt, um, da der preußische Gesandte in Madrid, Freiherr v. Caniß, ein bornierter Legitimist und also ganz und ausschließlich für Isabella eingenommen war, sich durch einen unabhängigen Beobachter über die Stärke, die Absichten und Aus fichten der spanischen Parteien zu unterrichten. Die Absicht Bismards war aber dabei, wie Bernhardi am 5. Mai einmal schreibt, lediglich, Spanien unabhängig vom französischen Einfluß hinzustellen. „Das ist das einzige, was wir im Auge haben." Wenn Salazar auf der Weinburg durch den inzwischen nach München verseßten preußischen Diplomaten v. Werthern eingeführt wurde, so geschah das, wie wir nun bestimmt wissen, nicht im Auftrag Bismards.*) Der Versuch Salazars schlug zunächst fehl, da der Fürst Karl Anton die Bedingung stellte,**) daß König Wilhelm und Kaiser Napoleon ihre Zustimmung zu der Kandidatur seines Sohnes geben müßten, und beides war nicht zu erlangen. Die Verhandlungen wurden aber nicht endgültig abgebrochen; ein Versuch, den minderjährigen Neffen Viktor Emanuels, den Herzog Thomas von Genua, als König

Aftenstücke und Regesten zur Geschichte der Hohenzollernschen Thron. fandidatur in Spanien, Leipzig 1913, 2 Bändchen.

*) S. Richard Fester, Neue Beiträge zur Geschichte der Hohenzollernschen Thronkandidatur in Spanien, Leipzig 1913, S. 41.

**) Sybel 7, 247. Das rumänische Tagebuch „Aus dem Leben König Karls von Rumänien“, Stuttgart 1894, 2, 6 enthält davon nichts. Egelhaaf, Bismarc. 3. Aufl.

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