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zog, und das geschah am 1. Juni, indem der österreichische Gesandte am Bundestag, Freiherr v. Kübed, im Namen seiner Regierung erklärte, daß sie dem am 24. Mai gestellten Antrag der (in Bamberg zur Beratung versammelt gewesenen) Mittelstaaten auf allgemeine Entwaffnung der kriegsbereiten Mächte nachkommen werde, wenn erst in Schleswig-Holstein, auf das Preußen rechtlose Ansprüche erhebe, der rechts- und verfassungsmäßige Zustand hergestellt sei; zu diesem Behufe stelle Österreich die Frage über das Schicksal der Herzogtümer der Bundesversammlung anheim, und es habe zugleich seinen Statthalter angewiesen, die Stände Holsteins einzuberufen, deren Wünsche und Anschauungen für die Entscheidung wesentlich seien. Damit waren die Verträge vom 16. Januar 1864 und 14. August 1865 zerrissen, welche Preußen vor einer ohne seine Zustimmung sich vollziehenden Entscheidung über SchleswigHolstein sicherten; es war eine Herausforderung ohn egleichen, welche vor allem die Wirkung hatte, die letzten schwe= ren Bedenken des Königs Wilhelm gegen einen Krieg zu zerstreuen. „Ich weiß es," sagte er damals einem Vertrauten, „sie sind alle gegen mich! Aber ich werde selbst an der Spike meiner Armee den Degen ziehen und lieber untergehen, als daß Preußen diesmal nachgibt." Bereits ward auch die Stimmung in Preußen einigermaßen anders. Im katholischen Westen zwar, wo man sich zu Österreich hingezogen fühlte, stieß die Einziehung der Reservisten und Landwehrleute da und dort auf Schwierigkeiten, und Protest= versammlungen gegen den Krieg erfolgten immer noch; aber in den alten Provinzen entsprach das Volk in Waffen ohne Schwanken, wenn auch ohne Begeisterung, dem Ruf seines königlichen Herrn, und die Magistrate der Städte Breslau, das doch in erster Linie bei einem Krieg mit Österreich bedroht war, und Halle sprachen sich in mannhafter Weise für die Verteidigung des Vaterlandes und gegen einen schmählichen Rückzug aus. In diesen Tagen, am 1. und 2. Juni, setzte Bismard seinen vorbereitenden Schritten zur Erzielung des inneren Friedens die Krone auf, indem er mit einem Hauptführer der Opposition, Twesten, Besprechungen hatte: dieser bestand auf der Nachsuchung der Indemnität und voller Anerken= nung des parlamentarischen Budgetrechts. Rasch erfolgten nunmehr die letzten Schläge. Als Gablenz am 5. Juni die holsteinischen Stände trotz des preußischen Widerspruchs auf den 11. Juni nach Iße= hoe einberief, erhielt Manteuffel Befehl, mit 20000 Mann am 7. Juni in Holstein einzurücken. Bismarck, in der Überzeugung, „daß ein

ehrlicher Friede mit Österreich nicht möglich sei, daß die Wiener uns nur an der Nase herumziehen," um Zeit für ihre Rüstungen und die ihrer Verbündeten zu gewinnen, hoffte, daß der Einmarsch rasch erfolge, daß es schnell zum Zusammenstoß mit den Österreichern komme und der erlösende erste Kanonenschuß die Dinge endgültig ins Rollen bringen werde, einer großen und heilvollen Entscheidung entgegen. Statt dessen rückte Manteuffel nur langsam vor, weil er die Besetzung Holsteins als einen Gewaltakt ansah, den er vermeiden wollte, um seine Popularität nicht aufs Spiel zu seßen. Da hat Bismard ihm am 9. Juni den „Wallensteinbrief" *) geschrieben, durch den er dem fäumigen General das Gewissen schärfte. Freund, jezt ist's Zeit zu lärmen!... Jezt steht der Wind uns in allen europäischen Richtungen günstig; man erwartet, daß wir handeln, findet es heut natürlich, in acht Tagen vielleicht nicht mehr. Ich hatte gehofft, Sie würden sogar etwas Yord spielen... Notwendigkeit ist da, der Zweifel flieht, jetzt fecht' ich für mein Haupt und Leben!“ Der Brief ist ein prachtvoller Beweis für die Kühnheit, mit der Bismarck, alles Zagen und Zaudern in dem weltgeschichtlichen Augenblick hinter sich werfend, die Gelegenheit stolz und sicher ergreift, um, wie einst Friedrich der Große auch 1740, eine unerträgliche Lage des preußischen Staats mit dem Schwert zu beenden. Manteuffel beseßte nun Rendsburg, Kiel und Itzehoe. Gablenz wich mit seinen 4800 Mann nach Altona und dann ins Hannoversche zurück. Am 10. Juni überreichte der preuBische Bundesgesandte v. Savigny in Frankfurt die Grundzüge einer Bundesreform: Ausschluß der österreichischen und niederländischen Gebiete vom deutschen Bund; Berufung eines Parlaments, mit dem die neue Verfassung vereinbart werden soll; Unterstellung der norddeutschen Truppen unter den preußischen, der füddeutschen unter bayrischen Oberbefehl (wobei aber Nord- und Südarmee doch als ein Ganzes gedacht waren); Festsetzung der neuen Beziehungen zwischen dem Bund und Österreich unter Mitwirkung des Parlaments. Die Kriegsflotte sollte ausschließlich unter preußischer Leitung stehen. Darauf rief Österreich seinen Gesandten, Grafen Karolyi, aus Berlin ab und stellte am 14. Juni den Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres mit Ausnahme des preußischen Teils. Er ward unter Mißachtung aller in der Bundesverfasfung vorgeschriebenen Sühnemöglichkeiten am 16. Juni mit neun 1. *) So genannt wegen der aus Wallensteins Tod III 10 und V 7 von Bismard angeführten Stellen. Der Brief ist mitgeteilt von Richard Stern, feld, hist. Zeitschrift 118 (1917), 250-262.

gegen sechs Stimmen angenommen ob diese amtliche Zählung ganz richtig war, kann man dahin gestellt sein lassen; auf juristische Zwirnsfäden kam es nicht mehr an. Österreich hatte alle größeren Staaten für sich außer Baden, das sich der Abstimmung enthielt und eine Vermittlung des Bundes wünschte; der guten Gesinnung Frankreichs war Österreich sogar kraft förmlichen Vertrags vom 12. Juni sicher, wenn es Venetien preisgab; es sollte sich dafür an Schlesien schadlos halten. Als das Ergebnis der Abstimmung von dem Vorsitzenden v. Kübeď verkündet war, erhob sich alsbald v. Savigny und erklärte, daß seine Regierung den Bundesvertrag für gebrochen, also nicht mehr verbindlich ansehe und beabsichtige, mit denjenigen Staaten, welche ihr dazu die Hand reichen wollen, einen neuen Bund zu errichten.

Die Würfel waren geworfen; der Krieg begann. Er mußte der langen Unklarheit über Preußens und Deutschlands Zukunft ein Ende bereiten; so wenig als 1813 war der Sieg sicher. Aber die Dinge hatten sich so gestaltet, daß die Entscheidung gesucht werden mußte: fiel sie gegen Preußen aus, so war Bismarck, wie er dem englischen Gesandten Lord Loftus in der Nacht des 16. Juni sagte, entschlossen beim letzten Angriff zu fallen.“

S

Viertes Kapitel.

Der böhmische Krieg von 1866.

ofort am 15. Juni richtete Bismarɗ an die Höfe von Sachsen, Hannover und Kurheffen das Verlangen, daß sie ihre Heere auf den Friedensfuß seßen, neutral bleiben und der Berufung eines deutschen Parlaments zustimmen sollen. Wenn sie sich dazu bereit erklärten, so sollte ihnen ihre Souveränität, soweit sie nicht durch das Parlament beschränkt werde, verbürgt sein. Mit allem Nachdruck muß hervorgehoben werden, daß Bismarck von den drei Mittelstaaten nicht forderte, sie sollten ihre Waffen mit denen Preußens vereinigen und gegen Österreich und den Süden kämpfen. Die Forderung wäre durchaus berechtigt gewesen; sie wurde gleichwohl nicht gestellt. Nichts ward verlangt als erstens Neutralität und zweitens die Zustimmung dazu, daß die deutsche Nation Gelegenheit erhalte, ihre Ansicht durch gewählte Vertreter kund zu tun. Indem die drei Staaten und zwar Hannover und Kurhessen im Gegen= satz zu ihren Landtagen - das preußische Verlangen ablehnten und

ihre Kriegsbereitschaft aufrecht erhielten, ergriffen sie die Partei der Gegner Preußens; sie appellierten, in der Meinung, daß die Bundestreue das mit sich bringe, an das Schwert, und sie mochten sich vorsehen, daß das unvorsichtige und frevelhafte Wort des württem= bergischen Ministers von Varnbüler, der im Landtag am 4. Juni Preußen im Fall seiner Niederlage das Vae victis! Wehe den Besiegten! zurief, nicht an ihnen selbst sich erfüllte. Sofort nach Ablehnung des preußischen Antrags überschritten die preußischen Truppen am Abend des 15. und am Morgen des 16. Juni die Grenzen,,,damit sie nicht im Rücken angegriffen würden, während sie sich gegen Österreich verteidigten," wie eine amtliche Erklärung besagte: und binnen ein paar Tagen waren die drei Staaten in den Händen Preußens, ihre Heere auf dem Rückzug, die Fürsten. gefangen oder vertrieben. Von den deutschen Staaten fochten LippeDetmold und Koburg-Gotha an der Seite Preußens; das erste stellte ihm ein, das zweite zwei Bataillone.*) Der Herzog von Braunschweig erklärte sich für neutral, nahm jedoch die preußische Bundesreform an. Weimar blieb neutral, beseßte aber auf Bitte des Bundestags die Bundesfestung Mainz. Sachsen-Meiningen und Reuß ä. L. sprachen sich für Österreich aus, aber ohne ihm Waffenhilfe zu leisten. Die übrigen Klein- und Mittelstaaten Norddeutsch= lands und Thüringens erklärten sich für Preußen und vollzogen zwischen dem 20. und 29. Juni ihren Austritt aus dem Bunde. Der Großherzog von Oldenburg, Peter, sprach es am 25. Juni offen und tapfer aus, daß er es für seine patriotische Pflicht halte, ,,in dem jetzt gegen die norddeutsche Großmacht ausgebrochenen Vernichtungskampfe unbedingt und ohne Rückhalt auf Preußens Seite zu stehen," und Herzog Ernst von Altenburg bekannte sich mannhaft zu der Losung: Kein mächtiges, blühendes Deutschland ohne ein mächtiges, hervorragendes Preußen! **) Dieses führte den Krieg mit ganzer Wucht gegen Österreich, während gegen dessen deutsche Verbündete nur ein Heer von 50 000 Mann unter General Vogel von Faldenstein gesandt wurde. Drei Heere unter dem Kronprinzen, dem Prinzen Friedrich Karl und dem General Herwarth von Bittenfeld brachen am 22. Juni aus Schlesien, der Lausitz und Sachsen in Böhmen ein und erfochten hier in der Gegend von Gitschin und Nachod eine Reihe von Siegen. Der König und Bismard blieben in den ersten Tagen des Krieges noch

*) S. Blankenburg, Der deutsche Krieg von 1866. Leipzig 1868. G. 173. **) Siehe die Aktenstücke im Staatsarchiv 11, 148 ff.

in Berlin. Auf die Nachricht von den sich rasch häufenden böhmischen Erfolgen zog am Abend des 29. Juni eine große Menschenmenge nach dem auswärtigen Amt, um Bismarck eine stürmische Huldigung darzubringen. Er erinnerte in seinen Dankesworten, die er vom Balkone des Hauses herab sprach, an das Verdienst des Königs, der unablässig bemüht gewesen sei, eine tapfere und starke Armee zu schaffen; er mahnte in schlichten und schönen Worten, man möge der Verwundeten, der Witwen und Waifen der Gefallenen gedenken, und als heraufziehender Donner seine Worte verschlang, rief er: „Der Himmel schießt Salut!“

Am 30. reiste der König mit Bismarck, Moltke und Roon ab. Abends trafen sie in Reichenberg ein, und der König übernahm den Oberbefehl über alle drei Heere. Am 3. Juli, am gleichen Tag, an dem die preußischen Landtagswahlen die bisherige Mehrheit zerstörten und etwa 140 Konservative gewählt wurden, erfolgte dann der große Schlag des Krieges, der Sieg der vereinigten preußischen Heere bei Königgräß oder Sadowa über die Österreicher unter dem Feldzeugmeister Benedek und die ihm unterstellten Sachsen unter Kronprinz Albert. Bismarck hat die Schlacht in nächster Nähe des Königs mitgemacht und ein Augenzeuge *) hat das wundervolle Bild festgehalten, das er darbot, „in grauem Mantel hoch aufgerichtet auf einem riesengroßen Fuchs, die großen Augen unter dem Stahlhelm glänzend: er gemahnte an die Riesen aus der nordischen Urzeit.“ Indem der Kronprinz von Norden her die rechte Flanke des Feindes eindrückte, den Friedrich Karl und Herwarth von Westen her in der Front gefaßt hatten, erfolgte eine ungeheure Niederlage der Feinde und zum Teil eine wilde Flucht. Am Abend trafen sich König Wilhelm, den Bismarck pflichtgemäß damals hat warnen müssen, sich dem Granatfeuer nicht allzu sehr auszusetzen,**) und sein Sohn auf dem Schlachtfeld, auf einer Wiese bei Problus. Es war eine weltgeschichtliche Stunde, welche Preußens Größe vollendete; jezt war vergessen, was Vater und Sohn einst getrennt hatte (S. 112); in tiefer Bewegung fielen sie sich um den Hals, und der König

*) Robert v. Keudell, Fürst und Fürstin Bismard, Berlin 1901, S. 296. **) v. Keudell a. a. D. S. 291, und Bismarc an seine Frau, aus Hohenmauth 9. Juli 1866. „Der König exponierte sich am 3. allerdings sehr, und es war gut, daß ich mit war; denn alle Mahnungen anderer fruchteten nicht, und niemand hätte gewagt, ihn so hart anzureden, wie ich es mir erlaubte, nachdem die Granaten den Herrn in unangenehmster Nähe umschwirrten. Es ist mir aber lieber so, als wenn er die Vorsicht übertriebe.“

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